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An Jakob Kneip

Mein lieber Jakob, noch kurz vor dem In-Stellung-Gehen habe ich mir eine freie Stunde (wie selten!) erschmuggelt und schreibe Dir. Zunächst: herzlichen Dank für alle Sendungen an Lesestoff usw.! Hochwillkommen! Drückt der Tornister, mehr mit Büchern als militärischem Rüstzeug vollgepfropft, auch schwerer – so schlepp ich solchen unentbehrlichen Ballast doch gern, selbst in eine solche wie die jetzige (Siegfriedstellung!), wo allerdings keine Muße zum Lesen sein wird. Den Brief von Lersch erhältst Du hier zurück. Klein wenig skeptisch stehe ich der von L. geplanten Sache gegenüber; Vgl. die Fußnote zum Brief vom 15. April 1917. eben weil sie so hochfliegend gemeint ist, vermisse ich den nüchternen kaufmännischen Dazu-Geist, der eben für ein solch geschäftliches Unternehmen notwendig ist. Ich hatte in einem längeren Brief aus Rußland einiges bezüglich der Sache gefragt, hast Du ihn erhalten? beantwortet? Vor kurzem erhielt ich ein Heft der neuen Zeitschrift »Orkan« – anständige Aufmachung und immerhin bedeutsamer Inhalt. Darin: starke, wertvolle Gedichtproben Oskar Loerkes. Schon dieser wegen mußt Du sie unbedingt kennenlernen. Ich lege Bestellkarte für das erste (Gratis)-Heft bei. Benutze sie sofort. Die zugeschickte Kritik von Edschmid, sehr klug und gut! Ein vorzüglicher Kopf; nur daß der Intellekt bei ihm den wirklichen Dichter sehr zu überwiegen scheint.

»Die arme Seele« ist sicher das beste Bisherige von Lersch.

Daß Du bei von Unruhs warst, war mir sehr interessant! – Und dann die »drei lenzlich lieblichen Kinderchen« (17– 23!) – ja, da schlägt, verflucht! auch das norddeutscheFeldsoldatenherz!

Ich werde später (ach, später! Friede!) natürlich nicht verfehlen, erfreut mich mit breiten Schultern bei Unruhs und der kleinen Zuhörerschaft in Wiesbaden, die sich dank Deiner prophetischen Fürsprache für mich einsetzt, vorstellen.

Du meinst, ob der Graben nicht gut wäre für kriegsabgewandte Legenden, Visionen – mein Lieber, –: Vorzüglich in der jetzigen, von der französischen Offensive bestürmten Stellung kann ich keinen Stoff greifen, geschweige denn formen – es fehlt eben alles dazu – und nicht zum wenigsten die Zeit. Später, später!

Nun einen herzlichen Gruß! Ich sehe den kommenden Prüfungen, die vielleicht furchtbarer sein werden als an der Somme, mit Gleichgewichtigkeit und Hoffnung entgegen!

Immer Dein Gt.

(Halte mich über Lerschs Plan auf dem laufenden, bitte!)

[Wahrscheinlich geschrieben zu Montbarin (Mons, Laori), den 20. Mai 1917.]


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