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XVI.

Mittnacht war lange vorüber, als die siegreichen Götter heimkehrten von der Verfolgung nach Asgardh.

Wieder war es Thor, der Wirthe wirthlichster, welcher die Genossen nach Thrudhwang lud, die letzten Stunden der Nacht bei dem Siegesbecher zu verbringen.

Baldur warf einen Blick nach Breidhablik hinüber: das Licht im Frauengemach war erloschen, lange schon schlief Nanna.

Er trat nun mit den Andern in Thor's Halle ein.

Rasch hatte Frau Sif, Thor's immer freundliche Frau, die auch gegen ungeladene späte Nachtgäste den Mund nicht verzieht, die Bänke reihen lassen, die Tische gestellt, die Hörner gefüllt: und bald erhub sich lärmende Freude.

Auch Odhin schien sie heute eher als sonst zu theilen.

Er griff in die Saiten der Harfe, die Bragi vorher zu einem lustigen Spottlied auf die Flucht der Riesen gestimmt: (da hatte es geheißen: »wie hurtig hoben und flink die Füße, laufend zuletzt, die langen Lümmel, die trägen Thursen!«) und er sang:

»Süß ist der Sieg den Asensöhnen
wie der Menschen mühvollem Muth.
Alles Erfreulichen Erstes acht' ich,
singen die Sänger in sausende Saiten:
»sei dir selig der Sieg, du Sonnensohn!« –
Aber ich« –

Hier brach er, verfinsterten Blickes, rasch ab und reichte das Saitenspiel Freir. Bald verließ er die Halle.

Baldur folgte ihm nach kurzer Weile.

Und wieder saßen Vater und Sohn allein miteinander auf dem Föhrenhügel vor Thrudhwang.

Und wieder scholl zu ihnen herüber der Lärm des Gelages, vor allen Thor's dröhnende, breite, tief aus der Brust steigende Stimme.

»Hörst du, frug Baldur, den Bruder! Wie er Horn auf Horn erhebt und Heil und Minne trinkt Eines und Einer nach dem Andern? Und Gelübde gelobt künftiger Thaten!«

»Selten sah ich ihn so froh. Furchtbar hat heut' sein Hammer gehaust unter den Thursen: und heiß ward in dem brennenden Wald, in dem Dunste, sein Durst. Und nun freut er sich beider: des Sieges seiner Kraft und seines unendlichen Durstes! – Harte Arbeit haben heute die vier Wunschmädchen, die das Horn ihm füllen. – Mir ist: seine Art ist die glücklichste von Allen: treu, arglos, harmlos – wie ein Kind: dabei der Held aller Helden, froh des Gefechts, glücklich im Genuß und – ganz wie ein Kind – aufgehend im Augenblick: so sorglos der Zukunft wie vergessen des Vergangenen. Wie die Welt endet? – – ob sie endet? wie sie begann? – ob sie begann? – warum das Geschehende geschieht? – wenig mühet es den Muthigen. Ich wollte: ich wäre wie er.«

»Und wer wachte dann über die Welt: Wer herrschte im Himmel und über das All?«

»Wer herrscht heute? Doch wahrlich nicht ich. doch wirklich nicht Odhin, den zu viel Vertrauen »Allvater« nennt. Mehr weiß ich als Andere – doch viel zu wenig! Mehr vermag ich als die Meisten: doch nicht alles Böse kann ich verbieten, nicht alles Gute gewähren. Wohl den Menschen, die nicht denken! Wohl den Göttern, die genießen. Wehe dem Geist, der grübeln muß. – »Warum?« und »Wozu?« – so könnte ich meine beiden Raben nennen, die unablässig mit mir flüstern.« – –

»Vater, wie ward die Welt?«

»Niemand weiß es. Ich glaube, auch nicht die Nornen. Denn sie wissen nur was ward, was ist, was wird. Aber mir ist – oft kam mir schon unter Zweifeln und Grübeln ein hehres Ahnen – kaum vermag ich's in Worte zu fassen: – mich schauert vor Ehrfurcht bei dem Wagniß, laut es zu sprechen: die Welt ist gar nicht geworden.

Das ist wohl der Sinn der Rune: Ewig

»Ich kann es nicht denken.«

» Denken ich auch nicht: aber ahnen.

Kannst du einen Augenblick denken, da das Nothwendige nicht nothwendig wäre? Nein: nun sieh: das Ewige – vielleicht – ist das Nothwendige, das niemals nicht sein kann.«

Und mehr zu sich selber als zu dem Sohne sprechend, fuhr er fort: »Aber ich zweifle immer auf's Neue! Denn: was ist das Nothwendige? Das Schicksal! flüstern wir scheu. Wer aber schickt es? Oder was schickt das Schicksal? Nur das Gute? Jede Stunde widerlegt das. Warum auch das Böse? Weil auch das Böse nothwendig? Die Nornen selber, die da thronen in den noch nie betretenen tiefsten Höhlungen Hel's. in furchtbaren Schauern ewig einsamer Nacht –: die Nornen selber wählen so wenig wie Odhin, was sie weben. Auch sie müssen! Sie drehen den Faden: nicht, wie sie mögen: nein: – wie sie müssen. Ja, was er webt, das weiß kein Weber! – Und was wird einst das Ende von Allem? – Und wie ungleich und ungerecht vertheilt ist einstweilen das Los der Wesen – der Menschen zumal! Die Weiber wandern in die freudlose Hel –: weßhalb wurden sie Weiber? Der muthige Mann, der den Strohtod stirbt, ohne es zu wollen, desgleichen: wie der Feigling. Und wer schuf den Feigen feig! Hat er sich selber das Herz gegeben, das da erbebt vor dem Halle des Heerhorns? – Wille? welch' unweiser Wahn! Baldur und Loki, gestellt vor die gleiche Wahl, müssen jener Tag wählen, dieser Nacht. Gewiß, ich kann thun, was ich will. Aber ich kann nur wollen, was ich wollen muß. – Endlich aber: – auch die Einheriar, auch alle wir Asen – droht nicht auch uns der Tod?«

»Der Tod droht uns Allen, wie thörigen Thieren? Den Einheriar, die schon Einmal gestorben? Und uns, den unsterblichen Göttern?«

»Ich fühl's an deiner Hand, du bebst, mein Sohn.«

»Wahrlich nicht um mich –: nicht einmal um Nanna. – Walhall mag bestehen ohne uns beide.«

»Walhall ohne Baldur! Nie mag ich es schauen.«

»Aber das All' ohne Odhin! schrie Baldur auf. Vater – Vater – ich flehe – sage, daß dir der Tod nicht droht.«

Odhin zuckte leise die Achseln. »Er muß mir drohen. Das heißt: er muß mir möglich sein. Offene Antwort nie erfrug ich mit Fragen. Doch ich las einst in Runen einen Schicksalspruch, der sagte: »Loki lebte unsterblich, wäre nicht Odhin's Speer. Und Odhin's Leben – lebt in Loki.«

»Dunkeldeutiges wirres Wort!« seufzte Baldur. »Und du hast Loki zu den Thursen getrieben, den Riesen gereiht!«

»Nicht ich! Er sich selbst! – Ist Loki sterblich und lebt Odhin's Leben in Loki« –

»Das kann heißen: der Vater lebt im Sohn.«

»Aber es kann auch heißen: der Vater stirbt durch den Sohn.«

»So sollst auch du sterben können!« klagte Baldur und umschlang mit beiden Armen des Vaters breite Schultern.

»Und an mich hast du die Salbe vergeudet! O warum thatest du das!«

»Weil ich dich liebe, mein Sohn! – Giebt es solche Sohnes Liebe!« fuhr Odhin gerührt fort. »Ich hätte es nicht gedacht. Der von der Quelle gelöste Tropfe dünkt sich ein Urquell so gern, des Vaters vergessend. Zärtlicher sehe ich an den Müttern als an den Vätern hangen die Knaben. Und es ist wohl gerecht. Mehr Schmerzen und Liebe als der Vater giebt meist die Mutter dem Sohn. Und es ist auch des Knaben erste Liebe zum – Weibe. Und so hängt auch der Bruder, der den Namen verdient, zärtlicher an der Schwester als sie an ihm. Und es ist wohl gerecht: denn es ist des Knaben zweite Liebe zum Weibe. Die Schwester aber – es drückt sie die Größe des Bruders. Denn dem künftigen Gatten steht er im Lichte« – –

»Vater, wie grübelst du!«

»Ich habe Gründe, zu grübeln.«

»Es ergreift dich Gedanke nach Gedanke – in unabsehbar gezogenem Gewebe.«

»Wie die Welt – ein unabsehbar gezogen Gewebe!«

»Und Tod wäre der äußerste Saum?«

»Nun, fasse dich, Sohn. Auch Menschen sterben muthvoll.«

»Ja: weil sie wähnen, einst weiter zu leben in Walhall: oder selbst in Hel doch die liebe Lust des Athmens zu üben. Aber, wenn einst die Menschen erkennen, daß ewige Nacht droht – denn wenn Odhin endet, endet das All'«

»Wer weiß das, mein Sohn?« –

»Dann wehe den Armen!«

»Ja, Wenige werden, so sorg' ich sehr, solches sinnend den Muth sich erhalten. Wenige der Männer – und nun die Weiber, die weichen! Aber mein Sohn: noch wissen wir wenig von All' unsrem Ende! Loki mag erliegen – doch Baldur mag bleiben. Bist du nicht unverwundbar?«

»Nicht ganz, mein Vater!« lächelte Baldur. Und wohl mir! Unleidlich wäre das Leben, – wenn« –

»Odhin erlag! Nun laß' nur, mein Liebling! – Was verdüstere ich deine helle Jugend mit solchen Sorgen! Noch thront mir, gewaltig und voller Gedanken, das Haupt auf den Schultern: noch leben wir beide und wollen des Lebens weidlich uns wehren. Sah nicht heute die Sonne seligen Sieg?«

Und summend sang er vor sich hin: »Süß ist der Sieg den Asensöhnen.«

»Ich hörte dich heute mitten in der Mordschlacht singen zu deinen stolzen Streichen – du hast dies Lied unter der Speere Sausen ersonnen. Aber du brachst vorhin ab –«

Wieder ernster sprach Odhin: »ich sang das »Selige« darin, als ich sah, daß der Sieg unser sei – als die Wüthigen wichen. Aber als wir von der Verfolgung zurück langsam durch den Nachthimmel nach Asgardh zogen –: da kam zu dem blühenden Beginn ein ernstes Ende. Nicht den Andern wollte ich die Weise des Schlusses erschließen, verfinsternd ihnen des Festes Freude. Wenige werden der Asen ertragen das ganze Geheimniß, das Siegvater sucht, findet er's völlig: dir aber, denk' ich, deuten zu dürfen, was ich an Weisheit allmälig gewinne: das Letzte noch lang nicht glaub' ich ergründet! Ich suche und sinne noch weiter nach Wahrheit. Ein stolzes Stück nur höre mir heute: ergründ ich noch mit Grübeln ganz das Geheimniß, das ich suche – dem Sohn nicht sei es versagt: ob es schrill und mit Schrecken verzerrt uns zeige das Wesen der Welt, daß Entsetzen uns anfaßt, Verzweiflung uns zwingt, oder ob sich das Ende versöhnlich senkt in die Seelen. Höre nun – –: »Alles Erfreulichen Erstes eracht' ich, singen die Sänger in sausende Saiten: »sei dir selig der Sieg, du Sonnensohn!« Aber ich ahn' es: am Endes Ende taugt nicht Thor der Trotz und die Treue, frommt nicht Freir das geschwungene Schwert, hütet nicht Heimdall den hohen Himmel: Bifrost birst und Baldur erbleicht und auch Odhin athmet dann aus. – –

»Fürchterlich! Vater! Nur das nicht – nur du nicht!«

»Aber ich acht' es All' ertragbar: Sieg ist und Unsieg des Schicksals Sendung: aber uns eigen, ewig uns eigen – nicht von Schicksal noch Scheusal zu schmähen, zu schänden – kenn' ich die Kraft, die kernig kühne, den tröstenden Trotz, der das Traurigste trügt: der Sieg ist des Schicksals – Edelsinn unser: und es trotzt dem Tode der Hochsinn des Helden! Rühmen sich Riesen des rohen Ruhmes: »einst athmen sie aus, die Asen von Asgardh« – – -: wie herrlich wir Hohen haben geherrscht, wie rühmlich wir rangen mit Riesen, wir Recken –: dies war doch einmal unser Wesen und Walten: keine Gewalt wird das wieder verwinden: kein Schicksal schafft Geschehenes ungeschehen. So ist ewig das Edle, das einmal geworden: denn es war: nie verneinen das neidische Nomen.«

»So schließt mein Gesang. Kein Jubeln, kein Jauchzen: doch auch nicht zages Verzweifeln: ernst ist das Ende, doch nicht düster. Wen'ge, ich weiß es, tröstet der Trost: doch tröstet er Tapfre: und für Feige fehlt stets, was sie stärke. – Und wer weiß? – Wir ersinnen vielleicht noch Worte der Wahrheit, die noch triftiger trösten. – Siehe, schon sinkt müde der Morgenstern: schirre das schimmernde Roß vor den Wagen, allem Lebendigen lieblich zu leuchten.«

Und Odhin, den Sohn ermuthigend auf die Schulter klopfend, schritt hinweg gen Gladsheim.

»Ich fahre gleich, Vater!« rief Baldur ihm nach; er bat Skirnir, Freirs Boten, welcher, beiden Göttern behilflich, des Sonnenwagens wartet, und ihm gerade denselben heranfuhr, noch auf kurze Zeit das schnaubende, mit dem Vorderhuf pochende Sonnenroß zu halten: denn er eilte sehnsuchtbeschwingten Fußes nach dem nahen Breidhablik –: ihn verlangte, Nanna zu sehen.

Leise, auf den Zehen, trat der zartschreitende Gott auf die Schwelle des Schlafgemaches.

Schon fielen von dem glänzenden Sonnenwagen einzelne Strahlen durch das offene Fenster: aber Nanna schlummerte noch.

Nach traumverstörter Nacht war sie erst kurz vor der Dämmerung in festen Schlaf gesunken.

Baldur sah, auf der Schwelle stehend, bei den tiefen vollen Athemzügen ihre Brust unter der Linnendecke sich gleichmäßig erheben und senken.

Sie sah so friedlich, so schön in ihrem Schlaf: er wollte sie nicht wecken.

Noch einen Blick und einen Gruß der Hand sandte er der schönen Schläferin: dann wandte er sich, eilte zu Skirnir zurück, sprang auf den hinten offenen Wagen, nahm jenem die Zügel dankend aus der Hand und, indem er das Roß antrieb und der leuchtende Wagen, überallhin Strahlen schießend, nun rasch emporstieg, sprach Baldur über die Welt segnend: »Leben und Liebe und labendes Licht wünsch' ich und wirk' ich Allem, was athmet!«

*

Fast den ganzen Rest des Winters hab' ich verbracht bis ich soweit gedieh mit dieser Geschichte.

Denn langsam geht mein Schreibwerk und schwer.

Ja, wenn man die Rohrfeder halten könnte wie Speerschaft oder Ruderstange!

Aber die Schmale in den Fingern halten macht auch handmüde.

Und schon manche zerdrückt' ich.

Nun ist das Eis offen, seit wenigen Nächten.

Und gestern kam das erste Schiff in den Fjordh vor unserem Gehöft.

Und siehe, Valgardhr von Halogaland ist es, der Viking: und brachte mir Gruß von dir, mein lieber Sohn: und daß es dir gut gehe in den Hallen unseres jungen Vetters, wo er den Winter als Gast verbrachte.

Und daß du mit sieghaftem Schwert alle seine bösen Nachbarn gebändigt hast.

Und daß sie dich gewinnen wollten, indem sie dir sechs Siebentel von seinem Gut anboten, wenn du ihnen nur ein Siebentel ließest.

Und daß du da ergrimmtest über den Antrag solcher Schmach und nun erst recht grimmig über sie herbrachst.

Und daß der Skalde Sighvat ein schönes Lied gedichtet habe auf dich: das Lied vom treuen Muntwalt: und dies überall singe, wohin er komme, in der Könige Hallen.

Und daß dein junger Mündel schon sehr viel Waffenwerk gelernt habe von dir und daß du ihn demnächst sich selber schützen lassen kannst: denn fast ganz waffenreif sei er.

Und so würdest du denn schon bald zurückkehren zu deinem alten Vater, von dem du so viel redetest und rühmtest zu deinen Freunden. –

Aber ich weiß nicht, ob du mich noch hier findest, wenn du nicht sehr, sehr bald kömmst.

Ich schlich mich allein und unvermerkt hinaus zu dem großen Stein, unter dem seit vielen Wintern meine Aslaug, deine Mutter, schläft: und ich habe ihr hinunter geflüstert: »Treue Aslaug, höre mich! Thorbiörn, unser wackrer Sohn, gedeiht! Skalden singen von ihm und Jarle und Könige ehren ihn hoch. Höre es, Mutter, und freue dich.«

Und da ich mich erhob von der Erde und nach dem Gehöfte heim ging, da war mir, als hörte ich – in der Abenddämmerung konnte ich nicht klar sehen – als hörte ich hinter mir leise Tritte: war es deiner Mutter Seele, die dankend mir nachschwebte? –

Aber das hab' ich gut gesehen, daß der Odhins-Quell, der neben deiner Mutter Hügelstein aus der Kieserde bricht und der den Winter über schläft, schon ganz lebendig geworden ist: nur wenig Eis mehr duldet er am Rand.

Und das Heidekraut wird heller und die Rauschbeerenbüsche werden grüner: auch die fünf Zwergweiden, die da trotz den Stürmen gewachsen sind, – denn wenig wächst gegen den Oststurm empor auf der Insel – zeigen schwellende Knospen. Nun wird es bald Voll-Frühling.

Und das ist gut –: denn all' unser Bergheu ist bald zu Ende und niedrig wird der Haufe von Seetang. –

Heute hat mir Valgardhr ein Anliegen vertraut.

Er und alle seine Segelbrüder sind Heiden. Denn sie sind aus Halogaland: da sind noch viele Heiden, weil die Waffen der beiden Könige, Olaf Tryggvason und Olaf Haraldsson, nicht so leicht dort hinauf reichten.

Und weil er Heide, treibt er auch noch Kriegsfahrt.

Denn das ist Christenleuten nicht erlaubt. Ausgenommen: gegen Heiden.

Das gefällt mir aber wieder gar nicht an dem neuern Königs- und Bischofs-Christenrecht. Denn ist es Unrecht gegen Christen, wie ist es dann Recht gegen Heiden?

Und thörig ist es auch geordnet: denn, taucht ein Segel auf im Fjordhnebel, so sieht man es ihm nicht an, ob es Heiden führt oder Christen. Soll nun der Viking, wenn er es mühsam erjagt, die Leute fahren lassen, wenn sie ein Kreuz schlagen?

Da würden Manche das Kreuz schlagen lernen, nur gegen die Vikinge.

Valgardhr also ist Heide und die alten Götter stehen ihm mächtig bei.

Und erzählt der Viking, der nie im Leben log, harte Dinge, wie die Christen-Könige von Norwegen die Männer von Halogaland zwingen zum Kreuze.

Und fiel mir dabei Alles wieder ein, wie es, nach des Großvaters Worten, auch auf unserer Insel hergegangen war, als die Fremden zuerst kamen, sie zu christnen.

Der Erste, der kam, Thorvaldr der Weitgefahrne, brachte einen Sachsenbischof Fridrekr mit: am offnen Allthing forderten sie das Volk auf, die Götter unserer Väter zu verlassen: mit Hohn sprachen da die weisesten Godhen: »wie sollten wir Odhin und Thor verlassen, die Gewaltigen, die uns so oft geholfen in Kampf-Noth und See-Noth und Treue schwören diesem Fremdling vom Jordanfluß, der nie ein Schwert geführt, wie ihr selber sagt, der sich nicht einmal helfen konnte vor dem Schmach-Holz? Da schlug Thorvaldr statt aller Antwort den Godhen todt, der so geredet. Aber da mußten beide bald die Insel räumen.

Fünfzehn Winter später kam da Stefnir Thorgilsson, aus der Sippe der Kjalnesingar hier auf der Insel. Der hatte in Dane-marken Taufe genommen und war Dienstmann des ersten Olaf geworden. Der trug ihm auf, uns zu taufen, wie man etwa einem Dienstmann aufträgt, die Bären in einem Wald auszurotten. Kühn war der Heermann, verwildert in langer Raubfahrt: er sprach: »Blut kostet's Viel: – aber mein König will's: – ich thu's«. Und fuhr herüber auf unser Eiland und wenn die Bauern sagten, sie wollten nicht nach seinem Willen thun, verbrannte er ihre Häuser und Götterbilder und Tempel und riefen die Leute Gewalt, so sprach er: »was Landrecht, was Herdfriede! mein König will's.«

Da machte aber das Allthing ein Gesetz: wer die Götter lästert oder verletzt, räumt das Eiland. Und die Klage sollte der Sippe des Frevlers selbst zustehen, (ausgenommen nur Vater, Sohn und Bruder) weil das als die ärgste Schmach gegen die eigene Sippe gelten sollte, die alten Götter zu lästern, wie wenn einer seines Vaters Gebeine verunehrt. Und mußte der Wilde die Insel räumen, verklagt von seiner eigenen Sippe.

Da wollte kein Inselmann mehr des Königs Willen thun und uns taufen.

Nun war aber ein Priester Dankbrand, ein Sachsmann aus Bremen, unstät, fahrig, wegen Gewaltthat flüchtig: der war König Olaf's Hofpfaff geworden. Aber die Kirche zu Mostr in Hördhaland, welche der König ihm gab, trug nicht so viel, als der üppige Südmann zu brauchen sich gewöhnt hatte auf langen, abenteuernden Fahrten: Wein wollte er trinken alle Tage zweimal: und einmal über den Durst. Und weil dazu die Kirchenäcker nicht genug lieferten, fiel er plündernd, raubend, sengend in die Güter seiner Nachbarn. Da ergrimmte König Olaf doch, soweit er sonst den Pfaffen nachsah: und wollte den Sachsen des Landes verweisen. Aber Dankbrand erbot sich unter vielen Bitten, er wolle Island taufen. Das gefiel dem König sehr und er verzieh ihm die Raubbrände unter solcher Bedingniß.

Und kam nun Dankbrand zu uns mit einem Erz-Raufbold, Gudhleifr Arason, einem Inselmann aus reichem Hause.

Erst beredeten sie Sidhu Hallr, einen mächtigen Godhen, die Taufe versuchen zu lassen an ein Par alten Weibern, an deren Leben und Gesundheit nicht viel gelegen war.

Und da Sidhu gesehen, daß es den Alten nicht geschadet und Odhin sie nicht gestraft hatte, sprang er nach in den Taufbrunnen. Wer aber sich nicht willig zeigte, den forderte der junge, starke Gudhleifr zum Zweikampf und erschlug so viele Heiden.

Aber noch viel ärger trieb es Dankbrand: der griff nicht zum offenen Kampf-Schwert, sondern, ohne Weiteres, wo er Heidenleute ohne Waffen traf, die ihn früher einmal abgewiesen, hob er den Hammer und schlug sie todt.

Da sprach das Allthing die Acht über ihn: er floh zu König Olaf zurück und sprach: »kaum jemals wird diese Insel Christenland.«

Aber bald darauf ward sie dennoch Christenland: durch meines Großvaters Spruch, wie ich schon geschrieben habe, der aus Liebe zum Lande und zum Frieden gesprochen war.

Und weil offenbar der Himmelsgott viel stärker ist als alle andern Gewalten – sonst wäre nicht ganz Nordland christlich geworden.

Ja, so stark ist der Herr Christus, daß ihm auch solche Diener das Werk nicht verderben können.

Aber ich wollte das jetzt gar nicht schreiben: es ist sechzig Winter her: ich wollte schreiben, was der Viking aus unsern Tagen erzählt und von Halogaland.

Da war ein Jarl Harekr, der wollte nicht die Taufe nehmen.

König Olaf griff ihn endlich durch Verrath.

Er konnte ihn nun tödten.

Aber viel lieber war ihm, daß der Mann, auf dessen Wort Viele hörten, Christ würde.

Er bot ihm zwei Fylkir, volkreiche, guten Gerstenboden. Der Jarl schwieg.

Er bot ihm drei, vier – endlich fünf.

Da ward Jarl Harekr Christ: und versprach obenein, seinen Nachbar und Schwager dem König in die Hände zu liefern.

Das war Eyvindr Kinurifa: wohl hab' ich ihn gekannt: ein tapfrer, treuer, Mann: wortkarg, aber voller Runen –: einen Zaubrer schalten ihn deßhalb die Christen.

Den lud Harekr zu sich: sie wollten berathen, wie die Götter zu schirmen seien gegen Olaf.

Und der Heide kam zu seinem Schwager voll Vertrauen.

Da gab ihn Harekr gebunden dem König.

Der redete ihm zu: erst in Güte, dann in Zorn: Eyvindr sagte nur ein Wort: »ich bleibe bei Odhin.«

Da ließ der König ihn ausziehen.

Und ließ ihm ein Becken voll glühender Kohlen auf den Bauch stellen: und bot ihm seine Tochter, falls er die Taufe nähme: aber Eyvindr schrie nicht, obwohl ihm die Gedärme brannten: er sprach nur nochmal: »ich bleibe bei Odhin.«

Und starb.

Darauf fing der König den Jarl Raudhr von Godhey, einen eifrigen Opferer: er fing ihn, weil Raudhr seinen speerwunden Freund nicht im Stiche lassen wollte: denn Raudhr hätte sich leicht retten können, so rasch war er zu Fuß.

Und bot auch ihm der König Wahl zwischen Taufe und Königstochter oder dem Tod und der Christenhölle: da sprach Raudhr, obwohl er vorher alle seine gefangenen Mannen und seinen Freund Thorir den Hirsch unter grausamen Qualen hatte sterben sehen, weil sie die Taufe geweigert: »ich will viel lieber mit meinen Freunden in die Hölle als mit dir in den Himmel.«

Da zwang der König eine Natter, dem Jarl durch den Mund in den Leib zu kriechen und sich durch zu fressen bis zu dem harten Herzen des Heiden.

Diesen König haben sie, kaum war er dreizehn Monate todt, heilig gesprochen. –

So wird Halogaland bekehrt: soweit die Leute nicht als Vikinge ausfahren und entweichen.

Die Christen reden viel von denen, die erschlagen werden, weil sie den Leuten, die es nicht wollen, durch fremde Waffen das Kreuz aufzwingen.

Aber von denen reden sie selten, welche unter scheußlichen Thaten der Christenkönige und Priester sterben, weil sie Treue halten den alten Göttern. –

Aber ich wollte ja schreiben, was Valgardhrs Anliegen ist.

Schon vor vielen Jahren, als noch fast unsere ganze Insel im Herzen heidnisch war, hat er Odhin an dem Quell hier oft geopfert: und jeden Wunsch hat ihm Odhin erfüllt, den er unter dem Quellopfer gewünscht.

Vor zwölf Nächten nun waren sie mit ihrem Drachen in schweren Sturm gekommen.

Und war das zwar nur wenig schlimm gewesen.

Denn der Drache ist fest und Valgardhr ein guter Steurer.

Und die Haffrau – ich weiß es – war ihm von jeher hold.

Daß nämlich die Haffrau lebt, – das weiß ich gewiß.

Und das wird auch der Bischof nicht bestreiten.

Und daß sie nicht nur schadet, wie des Bischofs Sohn sagt, sondern auch schützt, hab' ich selber oft erfahren: so oft wir ihr ein Böcklein opferten, ward die See stiller. –

Aber die Haffrau gebeut nur den Wellen, nicht den Eisbergen.

Und als die Wellen sich gelegt –: nach starkem Opfer für die Haffrau – siehe – da kamen von Norden in unabsehbarem Eistreiben Eisschollen, Eisscheiben, Eisberge geschwommen: und drückten das gute Schiff zusammen, daß es laut stöhnte und ächzte wie ein Mensch in den Pranken des Eisbären.

Und war kein Hoffen mehr: denn schon war eine Planke am Steuer eingedrückt: und Eis und Wasser drang in den Raum mit sehr starker Gewalt.

Balgardhr drückte mit letzter Kraft seinen breiten Schild in den klaffenden, sprudelnden Spalt und flehte, den Tod vor Augen, zu Odhin und gelobte, wenn er ihn rette aus der Eisumarmung, ein Haupt-Opfer am Odhin's-Quell meines Gehöftes, wo er ihm oft schon geopfert habe. Und siehe: – kaum war das Gelübde gelobt – um sprang der Wind nach Ost, trieb die größte Eisbank zur Seite und, frei von Treibeis, in schönem blauen Fahrwasser schwamm alsbald das gute Schiff.

Und eine weiße Möwe ließ sich nieder am Fockmast.

Nun weiß jeder, daß Hvitmar, Odhins Windbotin, im Möwenhemde fährt.

Nicht, wahrlich, will ich bezweifeln, daß gute Gewalten Wünsche gewähren: und oft haben sich Gelübde und Opfer, bei dem Quellbronn geleistet, bewährt.

Und das ist ganz unwahr, was neulich der Bischofssohn sagte, daß es gleich sei, an welchen Stätten man Gebet, Gelübde, Opfer darbringe: dem sprach ich entgegen: »erachten nicht auch die Christen-Priester, daß zu Rumaburg oder gar zu Jorsala Gebet, Gelübde, Opfer mehr wirke als anderswo?«

Da mußte er schweigen.

Wie immer das sei: – erfüllen soll Valgardhr sein Gelübde.

Das Gesetz verbietet nur den Christen der Insel das Opfer, nicht fremden Heidengästen.

Zwar nicht Isleifr der Bischof, aber der Bischofssohn wird arg schelten: doch bis er es erführt, ist das Opfer längst gebracht, Valgardhr wieder unter Segel und ich will doch sehen, ob sie mich strafen können für das, was Andere gethan.

Denn ich halte mein Wort und das Landrecht: ich opfere nicht mit und gehe gar nicht zum Opfer.


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