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XLVIII.

Mardonios, der wohl empfand, daß das Schicksal es so wollte, verließ Thessalien mit den thessalischen Fürsten, mit seinem ganzen Heere. Nach scharfen Märschen fielen die Perser in Böotien ein und besetzten das befreundete Theben. Hatte Leonidas seinen thebanischen Geiseln nicht immer mißtraut?

Die Thebaner wollten Mardonios davon zurückhalten, zu schnell weiterzuziehen.

»Ihr findet weiter hinauf keinen geeigneten Platz zum Lagern. Befolget unsern Rat, sendet Geld in die griechischen Städte! Uneinigkeit wird herrschen. Ihr werdet vereint mit denen, die Ihr Euch geneigt machet, die Widerstrebenden besiegen. Bleiben alle vereint, so werdet Ihr nicht leicht Herr über Hellas werden.«

Mardonios beachtete in dem Fieber, das ihn wie ein verhängnisvolles Feuer versengte, die Worte der persisch gesinnten Thebaner nicht.

Gleich einer Sturmflut fiel er in Attika ein. Zum zweiten Male nahmen die Perser Athen, zehn Monate nach der ersten Einnahme, und Mardonios erteilte, obwohl die Stadt völlig verlassen war – wiederum hatten die Athener auf ihren Schiffen vor Salamis Zuflucht gesucht – , triumphierend den Befehl, man solle dem König in Asien Athens Fall melden.

Dies geschah schneller noch als durch die prächtig geordnete persische Post. Dies geschah durch die rasche Fackelbotschaft, so wie Äschylus, der Dichterkrieger, in seinem »Agamemnon« der Klytaimenestra den Fall Trojas melden läßt. Wird eine Fackel auf einem Turm von Athen entzündet, so ist sie sofort viele Stadien weit sichtbar. Der Wächter auf einem zweiten Turm in der thriasischen Ebene gewahrt die Feuersglut in der Nacht. Er entzündet seinerseits die Fackel. Weiter hinauf erglüht in der Dunkelheit die dritte Fackel des Siegesberichts. An der ganzen Küste entlang, längs des langen Weges erglühen die Fackeln und schmieden Glut an Glut die Kette der flammenden Fanale. Noch bevor die Nacht sich in Morgengrauen löst, weiß Xerxes, wissen alle Perser, weiß ganz Asien um Athens zweiten Fall. Die Schnellschrift des Feuers hat in der Sommernacht ihre flammenden Zeichen, die besagen, daß Mardonios Athen genommen habe, in die nächtlichen Lüfte geschrieben von Athen bis nach Susa.

Die Athener haben keine Zeit gehabt, den Persern in Böotien entgegenzutreten. Die athenischen Abgesandten werfen es in Sparta den Lazedämoniern vor, die die Hyakinthia, die Lenzesfeste des Hyakinthos, des Lieblings des Apollo, feiern. Sie ermahnen die Verbündeten, mindestens jetzt mit ihnen zusammen den Persern in der thriasischen Ebene eine Schlacht zu liefern. Es gibt Bündnisse, aber es gibt allezeit die Selbstsucht der Staaten, so wie es ungeachtet aller Freundschaft die Selbstsucht des einzelnen gibt. Die Mauer über den Isthmos von Korinth ist beinah vollendet. Die Peloponnesier haben im Grunde von den Persern nur wenig zu fürchten. Apollo aber ist der höchste Gott, und die Hyakinthia sind die heiligen Feste, die den Tod und die Wiedergeburt der heiligen Natur feiern. Sollen die Lazedämonier in Frömmigkeit versagen, weil die Perser in Attika einfallen?

Die Ephoren von Sparta antworten den Athenern nach einem Aufschub von zehn Tagen, in denen die Schutz bietende Mauer ganz vollendet ward, daß fünftausend Spartaner auf dem Wege nach Attika seien. Jedem von ihnen stünden sieben Heloten zur Seite, die ihre Sklaven sind.

Der König von Sparta, der der Anführer der lazedämonischen Streitmacht sein müßte, ist Pleistarchos, der Sohn des Leonidas. Allein der Knabe ist fast noch ein Kind, das mit anderen kleinen Knaben Krieg spielt. Nun, da Gorgo, das blonde junge Weib des königlichen Helden, der der ewige Held der Thermopylen bleiben wird, ihn seinem Vetter und Vormund Pausanias, Sohn des Kleombrotos, zuführt, der der lazedämonische Feldherr sein wird, neigt sich Pausanias zu dem Kinde herab und umarmt den kleinen König. Gruppe und Augenblick sind von so keuscher Schönheit, daß homerischer Rhythmus in dem blauen Lenzeshimmel zu zittern scheint.


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