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[Vorworte]

Vorwort des Herausgebers zur zweiten Auflage.

 

I. Heinrich Graf Coudenhove-Kalergi.

Heinrich Reichsgraf v. Coudenhove wurde am 12. Oktober 1859 in Wien geboren und starb auf Schloß Ronsperg in Böhmen am 14. Mai 1906.

Er entstammte väterlicherseits dem brabantischen, mütterlicherseits dem kretischen Uradel. Der Name Kalergi (Kallergis, Kalergis, Calergi), den er seinem väterlichen Namen verband, war der Mädchenname seiner Mutter.

Erzogen im Jesuitenkolleg Kalksburg bei Wien wandte er sich nach Erlangung des juridischen Doktorgrades der diplomatischen Laufbahn zu. Als österreichisch-ungarischer Diplomat lebte er zuerst in Athen, dann in Rio de Janeiro, Konstantinopel und Buenos-Aires und zuletzt in Tokio, wo er sich mit einer Japanerin, Mitsu Aoyama, vermählte. Von seinen diplomatischen Posten aus unternahm er weite Reisen in das Innere Südamerikas, nach Vorderasien und Nordafrika, nach Rußland und Kaukasien, Vorder- und Hinterindien, Korea, China und den meisten europäischen Ländern.

Als sein Vater starb und er dessen Güter übernahm, verließ er, sechsunddreißigjährig, den Staatsdienst, übersiedelte nach Schloß Ronsperg im Böhmerwalde und lebte von da ab nur seinen geistigen Interessen.

Im dreiundvierzigsten Lebensjahre bestand er in Prag mit Auszeichnung sein philosophisches Doktorexamen aus semitischer Philologie, Philosophie und antiker Geschichte; als Dissertationsobjekt figurierte » Das Wesen des Antisemitismus«, dessen erste Auflage im vorhergehenden Jahre 1901 erschienen war.

Er hatte aber bereits vorher begonnen, sich schriftstellerisch zu betätigen. Im Jahre 1897 hatte er eine Flugschrift ( Mémoire à l'adresse des membres du congrès antimaçonnique de Trente) veröffentlicht, die sich mit der Entlarvung des Schwindlers Léon Taxil befaßte, dessen Verleumdung der Freimaurerei damals von einem Großteil der katholischen Welt geglaubt wurde. 1900 war dann eine Broschüre von ihm erschienen: » Politische Studie über Österreich-Ungarn«. Ausgehend vom Motto: »In necessariis unitas – in dubiis libertas – in omnibus caritas« suchte er darin nach einer friedlichen und gerechten Lösung des österreichischen Völkerproblems. Er hielt sein Vaterland für berufen, Kulturbrücke zu werden zwischen der germanischen und slavischen Welt; darin sah er die einzig mögliche Rettung vor dem drohenden Zusammenbruche.

1903 erschien eine neue Broschüre Heinrich Coudenhoves unter dem Titel: » Der Minotauer der Ehre, Studie zur Antiduellbewegung und Duellüge«. In dieser Studie kritisierte er vom ethischen, religiösen und juristischen Gesichtspunkt aus das Duell sowie die falschen Ehrbegriffe seiner Standesgenossen. Um diesen Kampf ungehemmt führen zu können, legte er seine Offizierscharge nieder und gesellte sich zu den Führern der Antiduell-Liga.

Die letzten Jahre Heinrich Coudenhoves waren einem umfassenden philosophischen Werke gewidmet, das sein Lebenswerk hätte werden sollen. Es sollte den Titel » Das Reich der Verneinung« führen und die Geschichte der Verneinung des Lebenswillens auf der Basis Schopenhauer'scher Metaphysik in den verschiedenen theologischen und philosophischen Systemen darstellen. Dieses großangelegte religionswissenschaftliche Werk, für das Heinrich Coudenhove aus der ganzen Welt reiches Material gesammelt hatte, blieb unvollendet. Nur ein Abschnitt desselben, das dem pessimistischen Grundcharakter des Christentums gewidmet ist, konnte als selbständige Broschüre unter dem Titel: » Zur Charakteristik der Los-von-Rom-Bewegung« erscheinen. Denn einige Tage nach deren Veröffentlichung starb Heinrich Coudenhove, im vermeintlichen Vollbesitz seiner Gesundheit, im 47. Lebensjahre an einem Herzschlage. –

*

Eine Persönlichkeit zu schildern ist immer schwer: weil das Unmittelbare und Größte, das von ihr ausgeht, sich in Worten nicht wiedergeben läßt. Doppelt schwer ist es für einen Sohn, die Persönlichkeit des Vaters zu schildern: weil sein Bild notwendig subjektiv erscheint.

Dennoch will ich mich dieser Aufgabe nicht entziehen; weil die Persönlichkeit des Autors mitbestimmend ist für die Bedeutung eines Werkes. Und wie die Werke Schlüssel sind zur Persönlichkeit ihrer Schöpfer – so wird oft auch umgekehrt die Persönlichkeit zum Schlüssel ihres Werkes. –

Heinrich Coudenhove Eine Schilderung H. Coudenhoves gibt auch S. Münz »Österreichische Profile und Reminiszenzen (Deutschösterreichischer Verlag, Wien – Leipzig), S. 269-302. war ein großer, einsamer Mann. Während es vielen kleineren und unbedeutenderen Zeitgenossen gelang, ihre Eitelkeit durch äußere Erfolge zu befriedigen und durch Ehrgeiz Ruhm zu erlangen – war er zu stolz, um eitel, zu weise, um ehrgeizig zu sein.

Er strebte weder nach Macht, noch nach Ruhm, noch nach Reichtum: sondern nach Vollendung seiner geistigen und sittlichen Persönlichkeit, nach Kenntnis und Erkenntnis der Welt. So lebte er mehr nach innen als nach außen; so starb er unberühmt – aber groß.

Sein äußeres Wirken blieb fragmentarisch. Wie der Tod seines Vaters vorzeitig seine diplomatische Tätigkeit unterbrochen hatte – so unterbrach sein eigener Tod vorzeitig sein philosophisches Schaffen. Seine politische Karriere blieb Fragment; sein philosophisches Hauptwerk blieb Fragment. Weder hier noch dort konnte seine reiche Begabung sich auswirken.

Für seinen politischen Weitblick zeugt es, daß er während des japanisch-chinesischen Krieges aus Tokio dem Wiener Ministerium des Äußeren den japanischen Sieg über China, das britisch-japanische Bündnis, den Angriff Japans gegen Rußland vor Vollendung der sibirischen Bahn sowie den Sieg Japans über Rußland klar und bestimmt voraussagte. Siehe Münz, Österr. Prof. u. Rem., S. 293. Es freute ihn, diese Berichte nach Ablauf eines Jahrzehntes im Wiener Archiv nachzulesen und festzustellen, daß seine Voraussagen Punkt für Punkt eingetroffen waren, obwohl sie seinerzeit von niemandem für möglich gehalten wurden.

Den größten und nachhaltigsten Einfluß auf die Entwicklung Heinrich Coudenhoves übte sein Aufenthalt im Orient aus. In Konstantinopel nahm er die Kultur des Islam, in Tokio die des Buddhismus in sich auf. Überall studierte er die Landessprachen (so daß er schließlich deren 16 beherrschte) und vertiefte sich in die Kultur, die ihn umgab. Die Welt des nahen und des fernen Ostens wurden ihm ebenso vertraut wie seine europäische Heimat.

Das Leben, das er auf Schloß Ronsperg führte, war erfüllt mit rastloser geistiger Tätigkeit, die um 5 Uhr morgens begann. Er studierte Philosophie, Politik, Theologie; vervollkommnete ständig seine Sprachkenntnisse; unterrichtete persönlich seine Kinder im Russischen und Ungarischen; verwaltete seine Güter; führte eine ausgedehnte wissenschaftliche Korrespondenz mit Gelehrten des Ostens und des Westens, die er auch gerne als Gäste bei sich sah; und arbeitete unermüdlich und mit gewissenhaftester Gründlichkeit an der Vorbereitung und Abfassung seiner Bücher.

Politisch bekannte er sich zu keiner Partei: als Freund der Ordnung und der Tradition dachte er konservativ; als Vorkämpfer der Toleranz liberal; als Feind der Ungerechtigkeit sozialistisch. Er nahm aktiven Anteil an der Friedensbewegung und dachte pazifistisch bis zu dem Grade, daß er seinen Kindern das Spielen mit Bleisoldaten untersagte, um in ihre Herzen nicht den Keim militaristischer Gesinnung zu pflanzen.

Politik und Philosophie waren die beiden Pole seines geistigen Lebens; aber die Philosophie trat immer stärker in den Vordergrund seines Interesses. Auf seine Wandlung vom Politiker zum Philosophen folgte seine Wandlung vom Denker zum religiösen Menschen. Er beschäftigte sich in seinen letzten Lebensjahren viel mit der vita sanctorum aus allen Religionen und wurde schließlich, aus Begeisterung für die Askese, Tertiarier des Trappistenordens.

Stets und überall stellte er sich auf die Seite der Religion in ihrem Kampfe gegen die Irreligion. Er verkehrte gerne und freundschaftlich mit gelehrten Jesuiten und Rabbinern, mit frommen Christen und Juden, Mohammedanern und Buddhisten. So nennt er sich im Vorwort seines letzten Werkes einen Mann, »der die religiösen Fragen in vier Kontinenten während eines Vierteljahrhunderts eifrig verfolgt und beobachtet, und unter der Leitung christlicher, jüdischer, mohammedanischer und buddhistischer Lehrer studiert hat.« Dagegen waren ihm Fanatismus, Intoleranz und Klerikalismus verhaßt.

Während er geistig beinahe Freidenker war, blieb er im Herzen überzeugter Christ und Katholik. Sein Christentum war irrational; er fand es durch Buddha und Schopenhauer in seinem asketisch-mystischen Wesen bestätigt. Als frommer Katholik blieb er bis zu seinem Tode ein Jünger Schopenhauers und Verehrer Buddhas. Unter buddhistischem Einfluß hatte er auch die Jagd aufgegeben, die einst eine seiner größten Passionen gewesen war.

Stets blieb sich Heinrich Coudenhove der großen Verantwortung bewußt, die Geist, Adel und Reichtum ihren Trägern auferlegen. Im Geiste Tolstois fühlte er sich durch seine Unabhängigkeit verpflichtet, gegen Vorurteile und Ungerechtigkeiten selbstlos und furchtlos zu kämpfen. So war er Aristokrat im besten Sinne des Wortes: nicht nur der Erscheinung und der Formen, sondern auch des Geistes und der Gesinnung. –

*

Wie kam nun dieser katholische Aristokrat arischer Herkunft dazu, für die Juden gegen ihre Verfolger einzutreten?

Hören wir, was er selbst darüber sagt (W. d. A. S. ...):

»Ich gestehe, daß ich selbst theoretischer Antisemit war. In noch jüngeren Jahren war ich sogar praktischer Antisemit und zwar aus vortrefflichen Gründen, da ich mit jüdischen Wucherern die denkbar unangenehmsten persönlichen Erfahrungen gemacht habe. Wenn man, als ich vor einigen Jahren mich entschloß, die Judenfrage zu studieren und über dieselbe zu schreiben, mich gefragt hätte, ob das Werk antisemitisch ausfallen würde, so hätte ich diese Frage wahrscheinlich bejaht. Ein ernstes, und wie ich glaube, gründliches Studium der Sache hat mich eines Besseren belehrt

Und noch unmittelbar vor seinem Tode schreibt er (Ch. d. L.-v.-R.-B., S. 134): »Wiewohl ich heute ein alter Knabe bin, der vom 50. Lebensjahre nicht mehr sehr weit entfernt ist, bin ich eigentlich noch geblieben, was ich immer war: ein Student; habe noch vor vier Jahren zum 34. Mal auf der Prüfungsbank gesessen, obwohl ich mittlerweile elf Jahre dem Staate gedient hatte, meine Kinder teilweise selbst unterrichte und überdies eine Domäne in Böhmen und eine in Ungarn persönlich administriere. Aber studiert habe ich immer und werde es tun solange ich lebe. Von niemandem abhängig und mit irdischen Glücksgütern, so ziemlich mit allen, gesegnet, ja überhäuft, darf ich mir den Luxus bieten, schriftstellerisch zu arbeiten, bloß um der Wahrheit zu dienen. ... Ich betrachte mich als Diener jener, die vorurteilsfrei und voraussetzungslos die Wahrheit suchen.«

Was also Heinrich Coudenhove dazu trieb, gegen den Antisemitismus Stellung zu nehmen, war: sein auf eingehendste Sachkenntnis Seine Ronsperger Schloßbibliothek enthielt nahezu die ganze Weltliteratur über Judentum und Antisemitismus. gegründeter Wille zu unvoreingenommener Wahrhaftigkeit und unparteiischer Gerechtigkeit – nicht etwa Gefühle oder Interessen. Denn er hatte weder eine besondere Sympathie für Juden noch befanden sich Juden unter seinen intimen Freunden. Dagegen hatten ihm seine Reisen und Studien die Möglichkeit gegeben, das Judentum in allen Himmelsstrichen und Berufen kennen zu lernen. So war er als gründlicher Kenner der Menschen und Völker frei von den Vorurteilen seiner Heimat und immun gegen die Schlagwörter halbgebildeter Demagogen. –

 

2. Antisemitismus im 20. Jahrhundert.

In den zwei Jahrzehnten, die seit dem ersten Erscheinen dieses Werkes verstrichen sind, haben sich die Formen des Antisemitismus geändert – nicht dessen Wesen.

Während um die Jahrhundertwende geistliche Würdenträger Hauptträger der antisemitischen Propaganda waren, S. S. 198 sind heute Rassefanatiker an deren Stelle getreten. Diese Erscheinung ist eine Folge der allgemeinen Zunahme des nationalen Fanatismus, der in vielen Punkten das Erbe des religiösen angetreten hat: zu dieser Erbmasse gehört auch der Antisemitismus.

Der nationale Antisemit haßt die Juden, weil er sie als Fremdvolk empfindet; dieser nationale Judenhaß steht geistig und sittlich auf einer Stufe mit den übrigen Formen des Nationalhasses, z. B. dem Franzosenhaß oder Deutschenhaß – es bedarf also keiner besonderen Argumente zu seiner Bekämpfung.

Dies ändert sich aber, sobald der nationale Judenhaß versucht, sich auf eine Rassentheorie zu stützen; wenn der Gegensatz zu den Juden erweitert wird zu einer Herabsetzung der semitischen Rasse. Dieser Rasseantisemitismus fordert die Kritik der Anthropologie und Geschichte heraus und findet seine Widerlegung im ersten Kapitel dieses Werkes.

Die neuesten Argumente des Antisemitismus stützen sich auf die Rassentheorien H. St. Chamberlains und Otto Weiningers, die von der These ausgehen, die Semiten resp. die Juden seien gegenüber den Ariern ein unschöpferisches Volk und unfähig zur Hervorbringung genialer Menschen. Wenn diese Rassenmystiker sich schon durch das Dasein Christi und Spinozas nicht beirren lassen, so mögen sie sich vor Augen halten, daß gerade in unserem Jahrhundert das Judentum einen größeren Prozentsatz an genialen Repräsentanten hervorgebracht hat, als irgendein anderes Volk; erinnert sei hier bloß an Einstein und Ehrlich, Freud und Bergson.

Diese großen Juden unserer Epoche widerlegen auch eine zweite antisemitische These, die behauptet, die jüdische Begabung wäre einseitig materiell orientiert.

Ein weiterer Vorwurf des modernsten Antisemitismus bezieht sich auf die angeblich destruktive Tendenz der jüdischen Geistigkeit. Soweit sich diese Behauptung auf ihre kritische Begabung bezieht, liegt in ihr kein Vorwurf; wird sie aber auf ihr politisches Wirken bezogen, so bedarf sie der wesentlichen Einschränkung, daß die oppositionelle und revolutionäre Einstellung des Judentums in Mittel- und Osteuropa eine natürliche Reaktion auf den dortigen Antisemitismus darstellt. Dieser Zusammenhang wird klar durch einen Vergleich der politischen Wirksamkeit Israels in Rußland und England: während im pogromistischen Rußland die jüdische Intelligenz revolutionär war – bildete das Judentum im nichtantisemitischen England ein staatserhaltendes Element, das seinem Vaterlande Männer wie Beaconsfield und Reading geschenkt hat. Nichts ist selbstverständlicher, als daß die Juden einem System, das sie verfolgt, feindlich – einer Gesellschaft, die sie schützt, freundlich gegenüberstehen; daß sie jenes zu stürzen, diese zu erhalten wünschen. Es liegt also der Schlüssel zur politischen Einstellung der Juden nicht bei ihnen – sondern bei den Antisemiten.

Wo der Rassenhaß vom Klassenhaß abgelöst wird, versucht der Antisemitismus, auch diesen vor seinen Wagen zu spannen. Zu diesem Zwecke identifizieren reaktionäre Antisemiten das Judentum mit dem Bolschewismus (obwohl Lenin, das Haupt des Weltkommunismus, Nichtjude ist) – während nationalsozialistische Antisemiten das Judentum mit dem Kapitalismus identifizieren (obgleich weder die amerikanischen Führer des Weltkapitalismus Juden sind, noch Stinnes, der hervorragendste europäische Repräsentant dieses Systemes). Aus dieser Gegenüberstellung ergibt sich von selbst die Absurdität jener widerspruchsvollen Doppelbeschuldigung, die von Phantasten und Demagogen dahin ausgesponnen wird, daß Kapitalismus und Kommunismus einander planmäßig in die Hände arbeiten, um gemeinsam eine jüdische Weltherrschaft aufzurichten. Die Hauptstütze dieser phantastischen Beschuldigung bildeten die sogenannten » Dokumente der Weisen von Zion«, die jedoch nach kurzer Zeit als plumpe Fälschung entlarvt wurden.

Die Grundlage zu jenen wirtschaftspolitischen Vorwürfen gegen das Judentum bildet die unbestreitbare Tatsache, daß eine große Anzahl kapitalistischer und kommunistischer Führer dem Judentum entstammen; aber gerade die Paradoxie dieser Tatsache legt den Gedanken nahe, daß nicht eine bestimmte politische Einstellung, sondern die große allgemeine Begabung der Juden sie zu dieser Führerstellung prädestiniert. Diese seine Fähigkeiten können sich im kapitalistischen Wirtschaftsleben ebenso wie im kommunistischen Parteileben ungehemmt entfalten, während sie in antisemitischen Institutionen überall gehemmt werden. Wenn die Schwierigkeiten, die heute noch den Juden im Staatsdienste und auf den Universitäten Deutschlands bereitet werden, fallen würden, so würden wahrscheinlich Juden in der Diplomatie und auf den Lehrkanzeln Deutschlands die gleiche Rolle spielen, wie in dessen Presse, Finanz, Kunst und Literatur.

Zum Wiederaufflackern des Antisemitismus hat auch der Umstand beigetragen, daß sich unter den mitteleuropäischen Kriegsgewinnern viele Juden befinden. Es ist begreiflich, daß der Haß der verarmten Völker sich gegen diese reichgewordene Klasse wendet und kritiklos auf das ganze Judentum übertragen wird. Nur wird bei dieser Rechnung übersehen, daß sich innerhalb des Judentums genau die gleiche Umwälzung zugetragen hat, wie unter den übrigen Völkern Europas: hier wie dort hat sich durch den Krieg eine kleine Minderheit bereichert, während eine erdrückende Mehrheit durch denselben völlig verarmt ist. An diesem Unrecht ist das kapitalistische System schuld, sowie der Krieg, der von Nichtjuden entfesselt wurde. Gemessen an der Verarmung jüdischer Massen in Osteuropa durch den Krieg verschwindet die Bereicherung jüdischer Individuen in Mitteleuropa: denn kein Volk hat unter dem Kriege und seinen Folgen mehr zu leiden gehabt als das jüdische, dessen Hauptsiedelungsgebiet Kriegsschauplatz war; durch ihn hat das jüdische Elend stärker zugenommen, als der jüdische Reichtum.

So feiert unter dem Protektorate des Nationalismus, des Klassenhasses, des Neides und der Religion (»christlicher Kurs« in Ungarn) der Antisemitismus seine Auferstehung. Er dient als Blitzableiter für den Volkszorn wie zur Zeit der Pest und zur Hebung des nationalen Selbstgefühles und liefert bereitwillig den Sündenbock für jedes politische Mißgeschick. Die Demagogie bedient sich seiner im politischen Wahlkampf und im wirtschaftlichen Konkurrenzkampf. Je mehr aber der Antisemitismus zu politischen Zwecken mißbraucht wird, desto mehr sind seine Drahtzieher daran interessiert, seine wahre Herkunft zu verschleiern und ihn mit Hilfe einer dienstfertigen Wissenschaft künstlich zu legitimieren. –

*

Durch das Anschwellen der antisemitischen Flut ist leider das Werk Heinrich Coudenhoves heute aktueller geworden, als es bei seinem ersten Erscheinen war.

Judenfrage und Judenhaß sind heute brennender denn je: den ukrainischen Pogroms fielen in den letzten Jahren Hunderttausende von Juden zum Opfer; in Ungarn erhob sich der Antisemitismus zum Regierungsprinzip; in Deutschland und Österreich erreicht der Judenhaß einen beispiellosen Grad, während selbst in den Vereinigten Staaten Amerikas, die jahrzehntelang ein Asyl für jüdische Emigranten gewesen waren, der Antisemitismus mit erschreckender Geschwindigkeit um sich greift.

Die ganze deutsche Öffentlichkeit hat sich der Judenfrage bemächtigt; jeder, der für die Öffentlichkeit spricht oder schreibt, fühlt sich befähigt und befugt, zur Judenfrage Stellung zu nehmen. In Romanen und Essays, in Zeitungen und Zeitschriften, in populärwissenschaftlichen Abhandlungen und politischen Reden wird das Rasseproblem kritiklos von Laien breitgetreten. Diesen meist temperamentvollen, mitunter auch geistvollen Äußerungen pro und contra fehlt es aber fast immer an Sachkenntnis. Die eigene antisemitische oder philosemitische Neigung wird zum System ausgebaut, ohne Rücksicht auf die Ergebnisse der wissenschaftlichen Rasseforschung und auf die Geschichte des Judentums. Statt mit logischen und wissenschaftlichen Argumenten arbeiten politische und geistige Demagogen mit wirksamen Schlagwörtern und tragen so mehr zur Verwirrung als zur Klärung der Judenfrage bei.

In diesem Chaos widersprechender Meinungen, die fast alle oberflächlich und tendenziös sind, muß die Gelehrtenarbeit eines Mannes wohltuend wirken, der abseits vom Tagesstreite sine ira et studio das Problem des Antisemitismus in objektivster und gründlichster Weise erforscht hat.

Seinem sachlichen und wissenschaftlichen Charakter hat es »Das Wesen des Antisemitismus« zu verdanken, daß es durch die Zeitereignisse nicht überholt werden konnte; denn es ist in erster Linie ein historisches und kein politisches, ein kritisches, kein polemisches Werk. Es bietet allen Philosemiten und Antisemiten, die redlichen Willens sind, die Möglichkeit, ihr Wissen über die einschlägigen Probleme zu erweitern und ihre Anschauungen zu revidieren. –

 

3. Änderungen gegenüber der Erstauflage.

Technische Gründe zwangen mich, den ursprünglichen Umfang des vorliegenden Werkes um mehr als ein Drittel zu kürzen.

Diese Kürzungen betrafen:

1. Das einleitende Gedicht » Henoch«, das nur in loser Verbindung mit dem Gesamtwerke stand.

2. Die beiden Kapitel (V u. VI) » Die Blutanklage« und » Anklagen gegen den Talmud«. Die Streichung dieser beiden wissenschaftlich hochinteressanten Kapitel läßt sich damit rechtfertigen, daß ihr damals äußerst aktueller Inhalt heute bereits unzeitgemäß geworden ist. Denn zur Zeit ihres Erscheinens, als noch Ritualmordprozesse in Österreich, Ungarn und Rußland die öffentliche Meinung in Atem hielten und die Blutanklage unter dem Protektorate gelehrter Theologen im Mittelpunkte der antisemitischen Diskussion stand – war eine wissenschaftliche Kritik und Widerlegung dieser absurden Beschuldigung nötig. Heute kann indessen diese Polemik wegfallen, weil der Antisemitismus in seinen modernen Formen jenen mittelalterlichen Aberglauben fallen ließ und die Mehrzahl der gebildeten Antisemiten, für die dieses Werk in erster Linie geschrieben ist, nicht mehr auf die Blutanklage zurückgreift. – Die »Anklagen gegen den Talmud« haben ihre Aktualität dadurch verloren, daß die Führung der antisemitischen Propaganda von religiösen Fanatikern auf nationale übergegangen ist, die den Talmud weder kennen noch bekämpfen.

3. Zitate und hauptsächlich solche Stellen, die durch den Umschwung der Zeitverhältnisse überholt sind.

Neu hinzugekommen sind:

1. Das Vorwort zur zweiten Auflage;

2. Das Nachwort zur zweiten Auflage;

3. Die seitenweise Inhaltsangabe zur Erleichterung der Übersicht;

4. Vereinzelte Anmerkungen (A. d. H.).

Im übrigen blieb der Originaltext unverändert. –

Oktober 1922.

Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi Dr. phil.

Vorwort des Verfassers.

Selig sind, die dürsten nach der Gerechtigkeit«, sagt der Heiland in der Bergpredigt, dem höchsten Gesetze für alle Zeiten, alle Völker, alle Menschen. Diesem Gesetze bin ich in diesem Werke gefolgt, mein Zweck dabei ist ausschließlich, durch die Gerechtigkeit auch gegen Israel zur Friedfertigkeit – einem anderen Gebote der Bergpredigt – nach Maßgabe meiner schwachen Kräfte beizutragen. Ich weiß wohl, welche Schwierigkeiten sich einem derartigen Versuche entgegentürmen. Wer über die Juden nur das Geringste sagt und schreibt, das nicht ungünstig lautet, wird gleich als Jude und Freimaurer verschrieen. Doch bei mir wird dieses Mittel nichts nützen. In meinem Stammbaum findet sich nicht die geringste Spur jüdischen Blutes. Wäre dies aber der Fall, so würde ich dies nicht nur nicht verschweigen, sondern es geradezu freudigst bekennen, weil ich stolz wäre auf eine mögliche Stammverwandtschaft mit den heiligsten Männern und Frauen, die je auf diesem Planeten gewandert sind. Auch bin und war ich nie Freimaurer; als Offizier und Diplomat hätte ich es meines Eides wegen nie werden können; auch wäre es mir überhaupt nie eingefallen, mich durch Schwüre an Unbekanntes zu fesseln. Ich bin ein arbeitendes Mitglied der katholischen Kirche, die ich für die beste aller Religionsgesellschaften halte, die existieren und je existiert haben. Daß sie die beste von allen ist, läßt sich auf einem einzigen Wege, aber einem sicheren, weil er sich auf Zahlen gründet, nicht etwa bloß logisch, sondern mathematisch beweisen. Es läßt sich nämlich mathematisch demonstrieren, daß nirgends außerhalb der katholischen Kirche so viele Taten der Nächstenliebe, des Mitleids, des Erbarmens verübt werden und worden sind, wie innerhalb derselben. Was die katholischen Priester, Mönche, die Klosterfrauen, die kanonisierten und nichtkanonisierten Heiligen dieser Konfession in der Nächstenliebe leisten und geleistet und zwar ohne Unterbrechung seit Jahrhunderten und überall in der Welt, auch gegen leidende Andersgläubige und Ungetaufte, das steht außer Konkurrenz. Keine andere Religionsgesellschaft kann annähernd Ähnliches aufweisen. Zwar bin ich überzeugt, daß viele Gläubige in anderen Religionen ganz dieselben Mitleidstaten geleistet haben, aber nie und nimmer deren Gesamtheit in dieser Zahl und Masse, in dieser Proportion. Dem kann von keinem besonnenen Menschen widersprochen werden. Gegen Zahlen muß alles verstummen. Aus diesem Grunde ist die römisch-katholische Religionsgesellschaft bei Weitem die beste von allen. Was von liberaler Seite gegen die römische Kirche geschrieben worden ist unter dem Titel: »Inquisition, Religionskriege, Hexenprozesse, Ketzergerichte, Kampf gegen moderne Aufklärung und Wissenschaft, Intoleranz, Fanatismus«, kann den Ozean ihrer Taten des Mitleids gegen die arme leidende Menschheit nie und nimmer aufwiegen.

Der geehrte Leser möge entschuldigen, wenn ich mich veranlaßt gefühlt habe, von meiner Person zu sprechen. Wer aber das orthodoxe Publikum kennt, der wird begreifen, daß diese Bemerkung für die Sache geradezu notwendig war.

Auch muß ich noch bemerken, daß aus dem Umstande, daß ich hier vielfach Zitate aus aufgeklärten Schriftstellern anführen mußte, noch keineswegs folgt, daß meine unmaßgebende Meinung mit der ihrigen identisch ist. Das ist zwar ganz selbstverständlich, aber es kann nie schaden, es noch ausdrücklich hervorzuheben. Sapienti sat.

Schloß Ronsperg in Böhmen,
Februar 1901.

 

Hinaus mit den Juden! – nein, schlagt sie tot! nein, taufet und bekehret sie! nein, Ausnahmegesetze genügen! So erschallt seit Jahrhunderten der Ruf der Antisemiten in vierfacher Nuance aus allen Königreichen und Ländern, Republiken nicht ausgenommen. Die Motivierung kennen wir: Sie sind Gottesmörder, sie sind verstockt, verblendet, sie verstehen nicht ihre eigene hebräische Bibel, sie sind perfid, sie verstümmeln den Text der heiligen Schrift, sie verdrehen deren klaren Sinn, sie sind Wucherer, sie sind Kuppler, ihr Talmud erlaubt ihnen die Nichtjuden zu töten, zu betrügen, auszusaugen und auszuwuchern, falsch zu schwören zu Ungunsten eines Christen, wenn es zum Vorteil eines Juden geschieht; nur sie betrachten sich selbst als Menschen, die Christen dagegen als Tiere und Götzendiener. Sie kreuzigen und schlachten kleine Kinder, verwenden deren Blut zur Anfertigung ihrer ungesäuerten Brode und zu anderen Zwecken; in ihren Schriften wird Christus, die Gottesmutter, die Kirche geschmäht, sie schänden und spießen consecrierte Hostien, die dann zu bluten pflegen, sie sind Schuld an der Unmoralität unserer Zeit, verderben durch ihre Zeitungen und sonstigen Preßprodukte die christliche Sitte, sie ruinieren durch Wucher brave Bauern, Offiziere, den Handels- und Gewerbestand und das ehrliche Handwerk, sie drücken die Preise der Produkte und Löhne, sie bestechen Könige, Kaiser, Minister, Parlamentarier und Richter, verführen keusche Mädchen und Ehefrauen, sie haben durch schlaue Finanzoperationen alle Regierungen in ihre Netze verstrickt, sie beeinflussen alle Staatskabinette, sie sind die Führer der Freimaurer und der Sozialdemokratie, sie vergifteten die Brunnen, sie führten verheerende Seuchen durch Zauber herbei, sie beteten einen goldenen Eselskopf an, sie mästeten und schlachteten alljährlich einen Griechen, sie töten und vergiften Propheten, sie sind räuberische Kulturbeduinen, gewissenlos, grausam, sinnlich, blutdürstig, sie hassen die ganze Welt und glauben kein Wort von dem, was die Kirche lehrt, ja sie halten sogar den unerschaffenen heiligen Koran für ein Machwerk, Christus für einen Zauberer und Mohammed für einen Schwindler!

Fürwahr eine lange Registerarie!

Ich gestehe, daß ich selbst in Folge wiederholten Anhörens eines großen Teiles der obigen Anklagen die meisten derselben geglaubt habe und fast so weit gekommen war, mit den Antisemiten zu beten: »O Herr, schick' uns den Moses wieder, auf daß er seine Stammesbrüder heimführe ins gelobte Land. Laß auch das Meer sich wieder teilen, und laß die beiden Wassersäulen feststehn wie eine Felsenwand. Und wenn in dieser Wasserrinnen das ganze Judenvolk ist drinnen, dann, Herr Gott, mach' die Klappe zu, dann haben wir arme Christen Ruh!«

Und in der Tat müssen Jedem, der die obige Liste liest, die Haare zu Berge stehen.

Wer aber alle diese Anklagen also gruppiert und zusammengestellt sieht, ohne Rücksichtnahme auf ihre Zeit und Ursprung, könnte, deren Qualität und Quantität überblickend, vielleicht mit mir zu dem Verdachte gelangen, daß die Sache denn doch irgendwo einen kleinen Haken haben könnte. »Die arischen Völker sind seßhafter Natur, sie pflegen die Wissenschaft, sie sind mutig, tapfer, der Grundzug ihres Wesens ist Geradheit, Ehrlichkeit, Treue und Hingebung« las ich einmal im »Antisemitenkatechismus«.

Ich war hocherfreut und äußerst geschmeichelt, solche liebenswürdige Sachen zu lesen über eine Rasse, der anzugehören ich die Ehre habe, und bildete mir nun ein, daß die arische Geradheit und Ehrlichkeit es mir zur Pflicht machen, in Befolgung der Weisung des Apostels: »Prüfet Alles und behaltet das Beste«, die Richtigkeit obiger Beschuldigungen zu prüfen, bevor ich sie als wahr annehme, und die arische Wahrheitsliebe und der arische Mut es von mir erheischen, das klar Erkannte auch offen bekannt zu geben ohne die geringste Rücksicht für Arier und Semiten, oder Christen, Juden und Muslims. Ich studierte mehrere Jahre hindurch die sogenannte Judenfrage und erlaube mir nun die Resultate dieser Arbeit der Öffentlichkeit zu übergeben. Ich werde Jedem zu besonderem Dank verpflichtet sein, der mir zum Zwecke gütiger Belehrung in dieser Broschüre Irrtümer nachweisen wird.

Der oben zitierte Antisemitenkatechismus erschien im Jahre 1893 in Leipzig im Verlage von Hermann Beyer. Sein Verfasser ist Theodor Fritsch (Thomas Frey). Dieses Werkchen enthält in gedrängter Kürze und systematischer Zusammenstellung alle Vorwürfe, die von Seiten der Antisemiten gegen die Juden erhoben werden, ausgenommen jene, die einen konfessionellen Charakter haben; denn nach der Ansicht des Autors ist es unrichtig, daß der Antisemitismus auf religiösen Motiven beruht; er soll eine Rassenfrage sein, keine religiöse.

Lassen wir dem Autor des Katechismus das Wort:

Es fällt Niemanden ein, die Juden ihrer Religion wegen zu bekämpfen. Ihren Gottesdienst trachtet Niemand zu stören; er erfreut sich der zärtlichsten Schonung bei allen Klassen – auch bei den Antisemiten.

Die Zurückführung des Antisemitismus auf religiöse Gehässigkeit ist eine grobe Entstellung der Sachlage. Gerade unter den Freigeistern finden sich die entschiedensten Antisemiten (Giordano Bruno, Voltaire, Schopenhauer, Feuerbach, Johannes Scherr, Dühring usw.).

Wie schon der Name sagt, richtet sich der Antisemitismus gegen die »Semiten«, also gegen eine Rasse, nicht gegen eine Religion. Wenn die Antisemiten die Religion der Juden bekämpften, so müßten sie sich »Anti-Israeliten« nennen. Es verrät also ein geringes Sprachverständnis, wenn Jemand den Antisemitismus mit der »Religion« in Zusammenhang bringt.

Im übrigen aber wird diese Begriffsfälschung von gewisser Seite absichtlich gepflegt, um das Volk über das wahre Wesen der Judenfrage zu täuschen.«

Vorerst muß ich bemerken, daß der Katechismus sehr unrecht hat, wenn er sagt: »Wenn die Antisemiten die Religion der Juden bekämpften, so müßten sie sich »Anti-Israeliten« nennen.« Das ist falsch. Sie müßten sich »Antimosaisten« nennen, denn Israel bezeichnet ein Volk, und zwar die Gesamtheit der zwölf Stämme, von welchen zehn spurlos verschwunden sind und zwar schon im Jahre 722 v. Chr. nach der Eroberung Samarias durch die Assyrier. Von dieser Zeit an gibt es kein Reich Israel mehr. Dagegen würde das Wort Antimosaismus dem Begriffe entsprechen, den der Katechismus ausdrücken will.

Ich werde mir erlauben, ausführlich auf diesen Punkt zurückzukommen. Beginnen wir mit der Definition. Fritsch's Katechismus definiert den Antisemitismus mit folgenden Worten: »Was versteht man unter Antisemitismus? Anti heißt gegen und Semitismus bezeichnet das Wesen der semitischen Rasse. Der Antisemitismus bedeutet also die Bekämpfung des Semitentums. Da die semitische Rasse in Europa fast ausschließlich durch die Juden vertreten ist, so verstehen wir unter den Semiten im engeren Sinne die Juden. Antisemit heißt also in unserem Falle »Judengegner«.

In Frage 13 und 14 des Katechismus wird das nun näher erläutert; sie lauten:

»13) Worin soll der Rassenunterschied bestehen?

Die europäischen Völker gehören fast sämtlich der arischen oder indogermanischen Rasse an, die Juden hingegen der semitischen. Die arischen Völker sind mehr seßhafter Natur; sie pflegen Ackerbau, Gewerbe, Kunst und Wissenschaft; sie sind staatengründend, mutig und tapfer; der Grundzug ihres Wesens ist die Geradheit, Ehrlichkeit, Treue und Hingebung. – Sie sind die eigentlichen Kulturvölker.

Die echten Semiten hingegen sind von Natur Nomaden; sie haben keine eigentlich dauernden Wohnsitze, kein rechtes Vaterland. Sie ziehen dahin, wo die beste Beute winkt. Sie bauen und bebauen nichts selbst; sie suchen die durch fremden Fleiß geschaffenen Kulturstätten auf, beuten die vorhandenen günstigen Verhältnisse aus, grasen, sozusagen, die Weideplätze ab und lassen sie geplündert und verödet zurück. Ackerbau, Technik und Kunst ist ihnen fremd, wie jede ehrlich schaffende Arbeit. Sie geben sich den Anschein, als verachteten sie die Arbeit, in Wahrheit aber fehlen ihnen die Fähigkeiten dazu.

Die semitischen Nomaden der Wüste (Beduinen) betreiben noch heute Raub und Plünderung in der offensten und urwüchsigsten Weise. Der Jude aber ist gleichsam der »Kulturbeduine«; er betreibt dasselbe Geschäft in gewissermaßen zivilisierter Form. Seine Domäne ist der »Handel«, der bei ihm freilich einen sehr weiten Begriff deckt, denn in der jüdischen Sprache bedeutet das Wort »Massematten« ebensowohl ein Handelsgeschäft als einen Diebstahl.

Die Plünderungszüge der Kulturbeduinen treten auf in der Gestalt von Hausierhandel, Wanderlagern, Pfandleihe, Abzahlungsgeschäften, 50-Pfennig-Bazaren, Wucher, betrügerischem Bankrott, Börsenspekulation usw. Einzelne dieser »Branchen« sind ausschließlich von Juden vertreten. Aber auch als »Arzt« für Geschlechtskrankheiten, Rechtsverdreher, sozialdemokratischer Agitator usw. weiß der Kulturbeduine sehr einträgliche Beutezüge in die Taschen seiner »Mitbürger« zu unternehmen.

14) Sind die Juden aber nicht zu unehrlichem Erwerb dadurch gezwungen worden, daß man ihnen die rechtschaffenen Berufszweige verschloß?

Diese Ausflucht war früher zeitweise berechtigt, heute schon lange nicht mehr. Außerdem bleibt immer noch die Frage offen: Warum verschloß man ihnen früher das ehrliche Handwerk? Offenbar nur deswegen, weil sie allerlei Mißbräuche in demselben einführten, es ausbeuteten und die soliden Grundlagen desselben zerrütteten.

Überdies haben sich die Juden niemals nach ehrlicher Handwerkstätigkeit gesehnt; der Schacher und Wucher war für sie nicht etwa nur ein Notbehelf, sondern, wie wir oben gesehen haben, er bildet von jeher den Grundzug ihrer Semitennatur. Seit Jahrzehnten stehen den Juden alle Berufszweige offen, aber wir sehen nicht, daß sie Maurer, Zimmerleute, Dachdecker, Tischler, Schmiede, Schlosser, Maschinenbauer, Uhrmacher, Schriftsetzer usw. werden. Und wenn man heute alle Judenjünglinge bei freier Lehre und freier Kost in die Werkstätten stecken wollte, – sie würden doch bei der ersten Gelegenheit davon laufen, um zu schachern. Der Semite will und kann nicht arbeiten und schaffen, sondern nur mühelos erbeuten und plündern.

Dabei bilden List, Verschlagenheit, Heuchelei und Lüge die Haupt-Grundzüge des Semitencharakters, zu denen noch Zudringlichkeit, freche Anmaßung, schrankenlose Selbstsucht, unerbittliche Grausamkeit und maßlose Geschlechtsbegier kommen. Unsere deutschen Begriffe von Treue, Bescheidenheit, Hingebung, Aufopferung für eine Sache sind dem Juden unverständlich und fordern seinen Spott heraus. Ihm erscheint nur das als Tugend, was persönlichen Vorteil oder Genuß verspricht.«

Wir wollen diese Darstellung prüfen. Untersuchen wir also den Begriff »semitisch«, »semitische Rasse« und die Beziehung der Juden zu derselben.


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