Charles de Coster
Uilenspiegel und Lamme Goedzak
Charles de Coster

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

LIV

In dieser Zeit kamen zwei Prämonstratenserbrüder nach Damme Ablässe verkaufen. Über ihrer Mönchstracht trugen sie ein schönes spitzenbesetztes Hemde.

An der Kirchtür, wenn es schön war, und bei schlechtem Wetter in der Vorhalle schlugen sie ihr Preisverzeichnis an, wonach sie für sechs Heller, für einen Plappart, für ein halbes Pfund parisisch, für sieben, für zwölf Karlsgulden hundert, zweihundert, dreihundert, vierhundert Jahre Ablaß und, je nach den Preisen, einen halben oder ganzen Ablaß und Verzeihung für die schwersten Verbrechen gewährten, selbst für den Wunsch, die Heilige Jungfrau zu schänden. Aber die Verzeihung dieses Wunsches kostete siebzehn Gulden.

Sie händigten den Kunden, die sie bezahlten, kleine Pergamentblättchen ein, worauf die Zahl der Ablaßjahre verzeichnet war. Und darunter las man folgende Schrift:

Wer nicht geschmort will werden,
Geröstet oder gebraten
Im Fegefeuer durch tausend Jahr
Und in der Hölle ewig brennen,
Der kaufe sich den Ablaß,
Die Gnade und Barmherzigkeit
Für ein klein wenig Geld;
Gott wirds ihm wiedergeben.

Und die Käufer liefen ihnen zu, zehn Meilen weit in der Runde.

Der eine von den guten Brüdern predigte oft dem Volke; er hatte ein rosiges Trinkergesicht und trug sein dreifaches Kinn und seinen Wanst ohne Blödigkeit. »Elender!« sagte er, indem er seine Augen auf den einen oder den andern seiner Zuhörer heftete, »Elender! Sieh dich nun in der Hölle! Das Feuer brennt dich grausam: man siedet dich in einem Kessel voll Öl, wo man die Oliekoekjes für Astarte bereitet; du bist nichts als ein Würstchen in der Pfanne Luzifers und nichts als ein Brocken Hammelfleisch in der Gilgiroths, des großen Teufels, denn man hat dich schon vorher in Stücke geschnitten. Siehe den großen Sünder, der die Ablässe mißachtet hat, siehe die Schüssel mit Hackfleisch; das ist er, das ist er, sein gottloser Leib, sein vermaledeiter Leib also zerstückt! Und die Brühe! Schwefel, Pech und Teer! Und all die armen Sünder werden so gegessen, um fortwährend zu neuer Pein wieder aufzuleben. Und dort ist es, wo in Wahrheit Tränen sind und Zähneklappern. Hab Erbarmen, Gott der Barmherzigkeit! Ja, da bist du nun in der Hölle, armer Verdammter, und mußt alle Qualen leiden. Gibt man für dich einen Groschen, so verspürst du im Augenblicke Linderung an der rechten Hand; gibt man noch einen halben, siehe, beide Hände sind aus dem Feuer! Aber der übrige Leib? Einen Gulden, und der Tau des Ablasses senkt sich herunter. O erquickende Kühlung! Und durch zehn Tage, hundert Tage, tausend Jahre, je nachdem man bezahlt, kein Braten mehr, kein Oliekoekje, kein Hackfleisch! Und wenn es nicht um dich ist, du Sünder, gibts nicht etwa dort in den geheimen Tiefen des Feuers andere arme Seelen, deine Eltern, eine geliebte Gattin oder ein hübsches Mägdlein, mit dem du gar gern gesündigt hast?«

Und bei diesen Worten stieß der Mönch den Bruder neben ihm mit dem Ellbogen. Und der Bruder senkte auf dieses Zeichen die Augen und schwenkte salbungsvoll seine Silberschüssel, um Geld zu heischen.

»Hast du nicht,« fuhr der Mönch fort, »hast du nicht in diesem entsetzlichen Feuer einen Sohn, eine Tochter, ein geliebtes Kindlein? Sie schreien, sie weinen, sie rufen dich. Kannst du taub bleiben bei diesen jammernden Stimmen? Du kannst es nicht, das Eis deines Herzens muß schmelzen, aber ein Karlsgulden ist der Preis, den es dich kostet. Und paß auf: Wann der Gulden auf diesem geringen Erze klingt,« – der Gesell des Mönches schüttelte wieder seine Schüssel – »tut sich eine Öffnung auf in dem Feuer, und die arme Seele schwingt sich bis zu dem Schlunde eines Vulkans. Jetzt ist sie in frischer Luft, in freier Luft! Wo ist die Pein des Feuers? Das Meer ist nahe, sie taucht hinein, sie schwimmt auf dem Rücken und auf dem Bauch, auf den Wogen und unter den Wogen. Horch, wie sie schreit vor Freude, sieh, wie sie sich im Wasser tummelt! Die Engel sehn ihr zu und sind glücklich. Sie harren ihrer, aber sie hat noch nicht genug, sie will zum Fische werden. Sie weiß nicht, daß oben im Himmel linde Bäder sind, voller Düfte, worein sich große Stücke Kristallzuckers lösen, weiß und wie Eis so kühl. Es kommt ein Hai; sie fürchtet ihn nicht. Sie schwingt sich ihm auf den Rücken, aber er fühlt sie nicht; sie will mit ihm in die Tiefen des Meeres. Dort grüßt sie die Engel der Wässer, die Waterzooi essen aus korallenen Schüsseln und frische Austern auf Perlmuttertellern. Und wie herzlich wird sie empfangen, gefeiert und geliebkost; und von oben rufen sie die Engel. Siehst du sie endlich, wohl erquickt und glücklich, emporschweben und gleich einer Lerche singen bis in den höchsten Himmel, wo Gott thront in seiner Glorie? Dort trifft sie all ihre irdischen Verwandten und Freunde, ausgenommen die, die wegen Schmähung des Ablasses und der Heiligen Kirche im Grunde der Hölle brennen. Und sie brennen alltäglich, alltäglich, alltäglich, die Jahrhunderte der Jahrhunderte lang, die ganze glühende Ewigkeit lang. Aber die andere Seele, sie ist bei Gott und erquickt sich in den linden Bädern und knappert Kristallzucker. Kauft Ablässe, meine Brüder: ihr bekommt sie für Cruzados, für Goldgulden, für englische Sovereigns. Das Kupfergeld wird nicht zurückgewiesen. Kauft! Kauft! Hier ist der heilige Laden: er ist offen für die Armen und für die Reichen, aber, leider, geborgt kann nicht werden, meine Brüder; denn kaufen und nicht bar bezahlen ist in den Augen des Herrn ein Verbrechen.«

Der Bruder, der nicht predigte, schwenkte sein Becken. Gulden, Cruzados, Dukaten, Plapparte, Stüber und Groschen fielen dicht wie Hagelschloßen.

Klaas bezahlte in seinem Reichtum einen Gulden für zehntausend Jahre Ablaß. Dawider gaben ihm die Mönche ein Stück Pergament.

Als sie in kurzer Zeit inne wurden, daß in Damme niemand mehr verblieb als die Geizhälse, die keinen Ablaß gekauft hatten, zogen sie selbander ab nach Heist.


 << zurück weiter >>