Ernst Constantin
Das warme Polarland
Ernst Constantin

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XXIII. Kapitel.

Wonström allein auf der Jagd.

»Das war eine lange Sitzung,« sagte Wonström im Aufstehen, »wobei wir mit der ganzen Unterhaltung von der ersten Frage abgewichen sind, nämlich ob die Gelehrten mit ihrer Jurazeit, Miocänzeit, und wie die Zeiten alle heißen, nicht irren. Jetzt ist freilich keine Zeit mehr dazu, aber ich ersuche dich darum, mich später zu überzeugen, daß ein Irrtum von Seiten der Gelehrten unmöglich ist.«

»Mit dem größten Vergnügen will ich das versuchen, doch bin ich auch nicht mehr recht taktfest in der Naturwissenschaft. Ich werde, wenn irgend Zeit vorhanden ist, meine Kentnisse wieder auffrischen und bereichern; denn ich werde doch den Gelehrten hier spielen müssen.«

Jetzt galt es, den Riesenvogel zu zerkleinern und einzupökeln.

Dazu war Salz nötig. An diesem unentbehrlichen Gewürz fehlte es nun nicht mehr. Kochsalz von der besten Sorte konnten sie aus dem salzhaltigen Thon gewinnen.

Sie füllten einige Fässer mit frischem Wasser aus dem Bache und lösten den Thon darin auf. Dann ließen sie dieses trübe Wasser eine zeitlang stehen, worauf sich die erdigen Bestandteile zu Boden setzten, das Salz aber hatte sich mit dem Wasser verbunden. Nun schöpften sie das helle, salzhaltige Wasser in Kessel, welche über Feuer gestellt wurden. Das Wasser dampfte ab und der weiße Rückstand war gutes, reines Kochsalz.

Zu dieser Salzgewinnung war aber Zeit nötig. Eduard hatte doch etwas Wundfieber bekommen und es war besser, wenn er sich eine zeitlang schonte. Deshalb wurde beschlossen, daß er zu Hause bleiben und das Salz aus dem mitgebrachten Thon ziehen sollte, während Wonström auf die Jagd ging, um Wintervorräte einzubringen.

Es war schon der 4. November und die Dämmerung wurde immer kürzer. Die Sonne war ganz geschwunden und nur in den Mittagsstunden sah man im Süden einen hellen Schein, der die Anwesenheit der Sonne unter dem Horizonte verriet.

Eduard saß mit verbundenem Kopfe vor seinen Kochtöpfen und Kesseln und ließ Wasser abdampfen. Von Zeit zu Zeit schürte er die Feuer wieder zur hellen Glut, welche mit dürren Holz aus den nahen Waldungen gespeist wurde.

Jetzt hatter er Muße, in seiner Schöpfungsgeschichte zu studieren. Er untersuchte die Wolfsschädel und die Knochen der fremden Rehe und kam zu dem Schluß, daß dies ebenfalls Tiere der Eocänzeit waren, desgleichen die Esel und kleinen Schweine.

Tinte, Feder und Papier stand ihm reichlich zur Verfügung. Er hatte nicht versäumt, sich mit diesen unentbehrlichen Geräten der gebildeten Welt zu versehen. Auch dies hatten sie von dem alten Isbjörn, der nun schon lange verschollen war, geerbt.

Er legte sich ein Buch an, welchem er den Namen 'Naturschatz' gab.

In dieses Buch schrieb er alle seine Entdeckungen und Erfahrungen dieser merkwürdigen Reise.

Wonström war währenddessen auf der Jagd. Er hatte sich einen großen Sack von Segeltuch mitgenommen, in welchem er einen Teil seines erlegten Wildes mitbringen wollte.

Zuerst ging er wieder nach der Stelle zu, wo sie den salzhaltigen Thon gefunden hatten. Er hatte den leeren Wagen mitgenommen, um beim Rückwege eine Portion Thon mitzunehmen.

Als er hinkam, bemerkte er, daß die Riesenstrauße wieder dagewesen waren und salzige Erde verzehrt hatten.

Zuerst versteckte er den Wagen im Gebüsch, worauf er einen Strick aus seinem Jagdsack zog und eine Schlinge legte.

Er hoffte, einen Riesenstrauß zu fangen, um einen Versuch zu machen, ihn als Haustier zu halten, wie es die Afrikaner nicht selten mit ihren Straußen thun.

Die Schlinge hatte er nahe an den Boden gelegt und das Ende des Strickes an einem Baum befestigt. Um nun die Schlinge so viel als möglich unschuldig scheinen zu lassen, bedeckte er sie zum Teil mit Humus und dürrem Laub.

Als er fertig war, nahm er seine Flinte, um sein Glück weiter zu versuchen; er bog rechts ab und ging direkt in den ziemlich lichten Wald.

Nach einem Marsch von einer Stunde hob sich der ebene Boden, und Wonström schloß, daß er am Fuße des Gebirges angekommen sei. Der Weg wurde auch jetzt beschwerlicher, nicht etwa weil der Wald dichter wurde, sonder weil der Boden hier vielfach zerklüftet war, und mächtige Felsbildungen sich ihm entgegenstellten.

Als Wonström im Schweiße seines Angesichts diese veränderte, ziemlich waldfreie Landschaft mit dem Fernrohr überschaute, ob nicht ein Stück jagdbares Wild sich seinen Blicken bot, gewahrte er ein Rudel solcher langschwänziger Esel, von denen Eduard schon einige geschossen hatte.

Sofort begann er sich anzupürschen. Das Rudel war ziemlich vertraut, und Wonström schlich sich bis vierzig Meter heran. Unter dem Rudel machte sich ein besonders starkes Stück bemerkbar. Dieses nahm er auf's Korn und drückte ab. Der Esel war gut auf's Blatt getroffen, er machte einen wilden Luftsprung und sprang hinter dem Rudel, das donnernd dahin jagte, her.

Wonström schaute seinem Opfer nach, dem die Kräfte zusehends schwanden; es blieb weit zurück. Er sah, wie es mit dem Aufgebot seiner letzten Kräfte der geahnten Gefahr zu entfliehen trachtete.

Da plötzlich blieb der Esel stehen; er begann zu zittern und zu wanken und plötzlich stürzte er verendet den etwas schrägen Felsen hinab.

Als Wonström auf dem Felsen stand, auf dem er den Esel hatte stürzen sehen, schaute er in eine nicht sehr tiefe, breite Schlucht, in welcher er seine Beute zwischen zwei Felsen liegen sah. Er stieg ziemlich leicht hinab, da die Felsen treppenartig übereinander lagen.

Unten angekommen, setzte er sich neben den verendeten Esel und zog aus seinem Jagdsack ein gebratenes Stück Riesenmoa, das er sich nach der Anstrengung wohlschmecken ließ.

Als er gesättigt war, zog er sein Messer und löste dem Esel die beiden Keulen und die Blätter ab. Mit diesen füllte er seinen Jagdsack, der so eine ganz bedeutende Last bildete.


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