Robinson der Jüngere
Robinson der Jüngere
Robinson der Jüngere

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Die Erndte war jezt vollendet. Robinson verfertigte zwei Dreschflegel, lehrte Freitag den Gebrauch derselben, und dan klopften sie den Maiz in einem Tage aus. Sie gewannen zwei Säkke vol, welches ohngefähr sechs Scheffel sein mogten. Auf einige Monate hatten sie Schifszwiebak vorräthig. Da aber dieser alsdan ein Ende nehmen muste, so war Robinson entschlossen, das Brodbakken selbst zu versuchen.

Eine kleine Handmühle hatt' er mit von dem Schiffe genommen. Es fehlte also nur an einem feinen Siebe, um das Mehl zu sichten und an einem Bakofen, um das daraus geknetete Brod zu bakken. Zu beiden muste Rath werden. Zum Siebe braucht' er ein dünnes Nesseltuch, wovon unter den geborgenen Sachen sich ein ganzes Stük befand; und die Anlegung eines ordentlichen Bakofens machte ihm den wenigsten Kummer. Auch mit dieser Arbeit ward er fertig, noch ehe die gewöhnliche halbjährige Regenzeit eintraf.

Und nun macht' er einen doppelten Versuch im Brodbakken, indem er einige Brode aus Rokkenmehl, andere aus Mehl von Maiz knetete. Die erstern aber waren bei weitem die schmakhaftesten; und Robinsons Entschliessung war daher gefaßt. Er beschloß nemlich, stat des türkischen Waizens, den größten Theil seiner Aekker mit Rokken zu besäen, um immer hinlänglichen Vorrath zum Brodbakken zu haben. Dies schien ihm auch für seine und Freitags Hände nicht zu viel Arbeit zu sein, weil sie auf dieser Insel zweimahl in jedem Jahre säen und ärndten könten.

Noch fehlte ihnen etwas, welches sie unter dem Schifsvorrathe nicht mit gefunden hatten, und welches ihnen gleichwohl sehr nüzlich gewesen wäre, nemlich – ein Paar ordentliche Spaten von Eisen. Zwar hatte Freitag dergleichen aus hartem Holze geschnizt, aber besser ist doch besser, und mit einem eisernen Spaten kan man natürlicher Weise noch mehr beschikken, als mit einem hölzernen. Da nun Robinson fest entschlossen war, künftig den Akkerbau, als die angenehmste und nüzlichste Arbeit unter allen, zu seiner beständigen Hauptbeschäftigung zu machen: so ging er mit dem Gedanken um, auch eine Schmiede anzulegen, um Spaten und vielleicht noch andere nöthige Werkzeuge selbst zu verfertigen.

Dieser Einfal war nicht so kühn, als er euch vielleicht vorkommen mag: denn alles, was zu einer Schmiede gehört, fand sich unter seinem Vorrathe. Es waren nemlich darunter ein kleiner Amboß, verschiedene Zangen, ein ziemlich großer Blasebalg und so viel theils altes, theils noch unverarbeitetes Eisen, daß er wahrscheinlicher Weise für sein ganzes Leben genug daran hatte. Der Vorsaz ward also auf der Stelle ausgeführt.

Durch Hülfe eines grössern Daches von Brettern, welches sie über der Küche anbrachten, ward diese so sehr erweitert, daß sie zugleich zur Schmiede dienen, und auch beim Regenwetter darin gearbeitet werden konte. Sie verwandten also einen Theil der eingefallenen nassen Jahrszeit auf Schmiedearbeit; und auch diese muste ihnen, nach einigen wenigen vergeblichen Versuchen, gar treflich gelingen. Da die Spaten fertig waren, ging Robinson noch weiter und versuchte, ob er nicht auch gar einen Pflug erfinden könte, der ihren Kräften angemessen wäre? Er erfand ihn und seine Freude darüber war sehr groß.

Dieser Pflug war von den Unsrigen freilich sehr verschieden; er bestand aus einem einzigen krummen Ast von einem Baume, an dessen einem auf der Erde ruhenden krummen Ende die Pflugschaar befestigst war, nebst einer Handhebe, womit der Führer des Pflugs ihn regieren und nach seinem Willen lenken konte; an das andere Ende hingegen hätten Ochsen oder Pferde gespant werden können, wenn sie deren gehabt hätten. So aber war diese Stelle einem von ihnen selbst vorbehalten. Kurz, dieser Pflug hatte vollkommen die Gestalt von demjenigen, dessen die alten Griechen sich zu bedienen pflegten, da sie anfingen, sich auf den Akkerbau zu legen und wovon ich euch hier eine Zeichnung zeigen kan.

Ferdinand. Das ist ja ein küriöser Pflug!

Konrad. Waren denn keine Räder daran?

Vater. Nein, wie du siehst. So einfach und ungekünstelt, als dieser Pflug, sind anfangs alle andere Werkzeuge auch gewesen. Nach und nach nahmen die Menschen eine vortheilhaftere Einrichtung nach der andern wahr, änderten, verbesserten, und beförderten so immer mehr und mehr den Nuzen und die Bequemlichkeit eines jeden Dinges, dessen sie zu ihren Arbeiten bedurften.

Indeß hatte Robinson alle Ursache, sich über diese seine Erfindung zu freuen, besonders da sie so ganz sein eigenes Werk war, weil er die Zeichnung davon niemahls gesehen hatte. Es sind, so viel man weiß, erst viele Jahrhunderte verflossen, bevor die Menschen darauf verfielen, ein so einfaches Werkzeug, als dieser Pflug ist, zu erfinden; und die Erfinder desselben wurden von ihren Nachkommen für so ausserordentlich kluge Menschen gehalten, daß man ihrem Andenken sogar götliche Ehre erwies. Weißt du noch, Johannes, wen die Egipzier für den Erfinder des Pflugs hielten?

Johannes. O ja! Den Osiris, den sie deswegen nachher, als einen Gott, anbeteten.

Vater. Die Phönizier schrieben diese nüzliche Erfindung einem gewissen Dagon zu, den sie deswegen auch für ein ausserordentliches Wesen hielten und ihn einen Sohn des Himmels nanten.

Nikolas. Aber hätte Robinson nicht die Lama's zum Pflügen brauchen können?

Vater. Anfangs zweifelte er, ob sie brauchbar dazu sein würden, weil sie mehr zum Tragen, als zum Ziehen gemacht zu sein schienen. Indeß wolt' er doch auch dieses nicht unversucht lassen; und siehe! der Erfolg übertraf seine Hofnung. Die Thiere lernten nach und nach sich darein schikken; und endlich ging das Geschäft so gut von statten, als wenn Robinson und Freitag ausgelernte Landleute und die Lama's Ochsen oder Esel gewesen wären.

Nun fehlte ihnen zur ordentlichen Bestellung des Akkers nur noch ein Werkzeug, dessen sie nicht füglich entbehren konten, und welches sie gleichwohl auf dem Schiffe nicht vorgefunden hatten.

Ferdinand. Ich weiß schon, was das für eins war!

Vater. Und welches meinst du denn?

Ferdinand. Eine Egge.

Vater. Getroffen! Ohne diese kan das Land nicht wohl bestellt werden, weil man durch Hülfe derselben die dikken Erdschollen erst zertrümmern muß, damit der eingestreute Same in ein lokkeres Erdreich zu liegen komme, und mit Erde bedekt werde.

Robinson schmiedete erst so viel eiserne Zakken, als er dazu nöthig zu haben glaubte. Dan kam er, nach einigen vergeblichen Versuchen, auch mit dem hölzernen Gestelle zu Stande, worin diese Zakken befestiget werden musten. Endlich bohrte er in dieses Gestel so viel Löcher, als die Egge Zähne haben solte, schlug die eisernen Zakken da hinein, und die Egge war fertig.

Er säete nun, nach geendigter Regenzeit, zwei Scheffel Rokken, einen Scheffel Gerste, und einen halben Scheffel Erbsen aus; und hatte nach fünf Monaten die Freude, zwölfmahl so viel wieder einzuärndten, nemlich vier und zwanzig Scheffel Rokken, zwölf Scheffel Gerste, und sechs Scheffel Erbsen; welches weit mehr war, als er und sein Freitag in einem halben Jahre verzehren konten. Aber, als ein kluger Hausvater, war er darauf bedacht, von Allem immer etwas übrig zu haben, weil Zeiten des Mißwachses einfallen, oder seine Erndte einmahl durch Hagel oder andere Zufälle zernichtet werden konte. Er beschloß daher ein ordentliches Getraidemagazin anzulegen, worin immer von einem halben Jahre zum andern ein zu ihrem Unterhalte hinlänglicher Vorrath wäre, auf den Fal, daß einmahl eine Erndte verloren ginge.

In dieser Absicht rissen sie, bei anhaltender klarer Witterung das Dach des Schuppens wieder ein, um noch ein zweites Stokwerk darauf zu sezen, welches zum Kornboden dienen solte. Dies kostete nun freilich schon mehr Kunst und Mühe, als die Errichtung des ersten Stoks gekostet hatte, aber ihr anhaltender unverdrossener Fleiß überwand alle Schwierigkeiten; und das Werk ward vollendet.

Die Ziege hatte unterdeß zwei Junge geworfen, so daß nun auch diese Art von Thieren auf der Insel fortgepflanzt werden konte. Der Pudel diente ihnen zum Nachtwächter; und Pol, der Papagai, war ihr Geselschafter bei Tische, oft auch bei der Arbeit. Die Lama's hingegen waren ihnen nun schäzbarer, als jemahls: weil sie ihnen nicht nur Milch, Käse und Butter gaben; sondern auch das Feld beakkern halfen. Zu Robinsons volkommener Glükseeligkeit fehlte also weiter nichts mehr, als – was meint ihr?

Gotlieb. Daß er nicht bei seinen Eltern war!

Vater. Und – daß ihrer nur zwei waren, wovon der Eine über kurz oder lang sterben und den Andern wieder als einen armen, von allen Menschen getrenten Einsiedler zurük lassen muste. Doch Robinson hielt es für Sünde, sein Leben dadurch zu verbittern, daß er sich vor Unglüksfällen fürchtete, die erst in der Zukunft möglich waren. Der Gott, dacht' er, der bis hieher immer Rath gewust hat, wird auch ferner helfen können. Und so verfloß ihm jezt jeder seiner Tage in ungestörter Zufriedenheit, weil er nunmehr Ruhe von innen und Ruhe von Aussen hatte. Und zu diesem Zustande verhelfe Gott euch Allen! –

Die Mutter sagte: amen! und die Geselschaft ging auseinander.


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