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Der Anfang zum Siege.

Glaukus befand sich in seinem Arbeitsgemach. Seine Mienen verkündeten eine glückselige Stimmung, welche mit der prächtigen und doch behaglichen Einrichtung des Zimmers in bester Weise harmonierte. Selbst die Sonne schien an dem inneren Glücke des Jünglings teil zu nehmen, denn ihre Strahlen gossen ein so freundliches Licht über das Gemach aus, daß alle Gegenstände darin freudig leuchteten, als ob es ein hoher Festtag wäre. Das nahe Meer sendete seine erfrischenden Grüße auf den Schwingen einer leichtbewegten Luft zu dem jungen Gelehrten herüber, der am heutigen Morgen mit der Ausarbeitung jenes philosophischen Themas begann, für welches ein Preis ausgesetzt war.

»Die Zufriedenheit, als eine Stufenleiter zur Weisheit,« – so lautete die schöne Aufgabe, welche Glaukus lösen wollte. Sie bereitete ihm keine Mühe, denn er brauchte nur das niederzuschreiben, was er heute in seinem Herzen empfand. Hatte ihm das Glück nicht wieder einmal in schönster Weise gelächelt, indem es ihn jene Landsmännin finden ließ, zu der er sich so hingezogen fühlte? War die Erneuerung ihrer Bekanntschaft nicht dazu angetan, in seiner Seele eine ungeahnte Zufriedenheit hervorzurufen?

Der glückselige Glaukus, – er saß mit einem heitern Lächeln über seiner ernsten, philosophischen Arbeit. Und indem seine Rechte mit dem Stift über die Papyrusrollen glitt, empfand der Jüngling jenes Behagen, welches der Reichtum mit sich zu bringen pflegt, und wohlgefällig schweifte der Blick des Schreibers zuweilen über die prächtige Zimmereinrichtung und die reichen Sammlungen wertvoller Schriften.

Da glitt ein Schatten über die sonnenbeschienene Türschwelle, und gleich darauf tauchte die Gestalt eines jungen Mädchens auf, das noch im Kindesalter stand. Eine lange, weiße Tunika umhüllte den jugendlichen Körper, in der einen Hand trug die Eintretende ein Blumenkörbchen, während die andere ein bronzenes Gefäß hielt. Es lag etwas unbeschreiblich Mildes, man hätte sagen mögen Geduldiges in ihrem Gesichtsausdruck; ein Zug von resigniertem Schmerz hatte zwar das Lächeln, aber nicht die Anmut von ihren Lippen verbannt. Etwas Scheues und Vorsichtiges in ihrem Tritt – etwas Unstätes in ihren Blicken ließ das Unglück, das von Geburt an auf ihr geruht, vermuten; sie war blind. In den Augen selbst lag jedoch kein sichtbarer Fehler; ihr schwermütig weiches Licht war klar, wolkenlos und heiter.

»Man sagt mir, Glaukus verweile hier,« begann sie mit ihrer wohlklingenden Stimme. »Darf ich herein?«

»Nydia – du bist es?« rief der Grieche angenehm überrascht, »so hast du also meine Einladung nicht vergessen?«

»Wie sollte ich,« gab die Kleine zurück, »warst du nicht immer gütig gegen mich armes, blindes Mädchen?« Nach einer kleinen Pause fügte sie hinzu: »Ich habe dir einige Blumen mitgebracht.« Bei diesen Worten tastete sie sich vorwärts bis zum Arbeitstische des jungen Gelehrten, woselbst sie das Körbchen mit der Bemerkung niedersetzte: »Sie sind nichts Seltenes, aber sie sind frisch gesammelt.«

»Als kämen sie von Flora selbst,« sprach Glaukus mit der Freundlichkeit eines zärtlichen Bruders.

»Wie findest du die Blumen in deinem Garten,« fragte Nydia, »gedeihen sie?«

»Wundervoll, die Laren selbst müssen sie gepflegt haben.«

»O nein,« lächelte die Kleine, »es war nur meine unbeholfene Hand, sobald ich mir einen Augenblick abmüßigen konnte, kam ich, um sie zu pflegen und zu begießen.«

»Wie soll ich dir danken, kleine Nydia?« versetzte Glaukus gerührt.

»Sprich nicht so,« bat die Blinde, »stehe ich doch zu tief in deiner Schuld. Jetzt aber will ich, wenn du es mir gestattest, nach den Blumen im Garten sehen, die ich schon seit neun Tagen nicht besucht habe, da ich unwohl war.«

»Unwohl, Nydia, zeigt doch deine Wange mehr Röte als voriges Jahr.«

»Ich bin oft unpäßlich,« erwiderte die Blinde in rührendem Tone, »und seit ich größer bin, schmerzt mich meine Blindheit mehr. Aber jetzt zu den Blumen!« Damit verneigte sie sich zierlich und begab sich nach dem Garten.

»Arme Nydia,« seufzte Glaukus, indem er ihr nachsah, »dein Los ist hart. Du siehst weder die Erde, noch die Sonne, noch das Meer, geschweige die Sterne.«

Mit diesen Worten kehrte er zu seiner Arbeit zurück. Er empfand jedoch sehr bald, daß seine Stimmung eine andere geworden war und sie nicht mehr zu dem Thema paßte, dessen Preis er erringen wollte. Er war daher durchaus nicht ungehalten, als Klodius erschien, um ihn zum Bad abzuholen.

»Nun,« fragte der Freund, »wie hat dir Ione und ihr Haus gefallen?«

Diese neugierige Erkundigung erregte den Unwillen des Atheners, ohne daß er sich von dem eigentlichen Grund Rechenschaft geben konnte, nur so viel war ihm klar, daß zwischen Klodius und Ione ein so gewaltiger geistiger Unterschied bestand, wie er ihn kaum für möglich gehalten. Der Freund und die übrigen Genossen kamen ihm jetzt äußerst gewöhnlich vor, und er begriff nicht, wie er an ihnen bisher hatte Gefallen finden können. Er würde dem Klodius daher gern einen abschlägigen Bescheid gegeben haben, wenn sein Zartgefühl dies zugelassen hätte. Ziemlich verstimmt folgte er dem Genossen, und seine üble Laune stieg, als er in Gesellschaft der Freunde, die unweit des Fortunatempels seiner warteten, seinen Rivalen auf geistigem Gebiet, den jungen Lepidus, antraf.

Derselbe näherte sich ihm mit großer Zuvorkommenheit, und indem er ein viereckiges Stück Papier aus seinem Gürtel zog, äußerte er:

»Diese Einladung sendet dir mein Vater. Ich hoffe, du wirst unsere Gastfreundschaft nicht verschmähen.«

»Wer könnte das!« rief Sallust. »Ein Gastmahl des reichen Diomed zählt zu den Berühmtheiten Pompejis, denn sein Speisezettel ist so lang wie ein Epos. Meine Zähne werden schwer zu arbeiten haben, um aus dem Zerkleinerungskampf köstlicher Speisen siegreich hervorzugehen.«

»Ich zweifle an deiner Fertigkeit nicht,« meinte Glaukus lächelnd, »und neide dir ebensowenig den Lorbeer.«

»Zu Lepidus würdest du dies wahrscheinlich nicht sagen,« rief der taktlose Klodius.

Glaukus warf ihm einen mißbilligenden Blick zu und versetzte dann:

»Neid ist mir fremd, ganz besonders aber in geistigem Streben. Wer mich darin überflügelt, scheint mir als ein leuchtendes Vorbild. Ich hoffe, daß auch du, Lepidus, so fühlst.«

Der Angeredete erfaßte die ihm dargebotene Hand des Atheners, dennoch war ihm anzusehen, daß er anders dachte als sein Rivale. Eine unangenehme Pause entstand, welcher Klodius dadurch ein Ende machte, daß er rief:

»Gehen wir in die Bäder.«

Der Vorschlag fand allgemeine Billigung, und die jungen Männer wanderten nach der benachbarten Fortunastraße, wo sich die öffentlichen Bäder befanden, welche, ungeachtet ihrer Bestimmung für den niedrigem Stand, auch von den Vornehmen Pompejis benutzt wurden und einen beliebten Sammelplatz der Müßiggänger bildeten.

In der Säulenhalle des ausgedehnten Gebäudes stießen die Freunde auf eine zahlreiche Menschenmenge, deren Aufmerksamkeit sich den unzähligen Anzeigen von Sehenswürdigkeiten, Spielen, Verkäufen und Ausstellungen zuwendete, die auf die Mauer gemalt oder geschrieben waren. Den Hauptgegenstand der Unterhaltung aber bildete das fürs Amphitheater angezeigte Schauspiel, und jeder Ankömmling ward von einer Gruppe festgehalten, die wissen wollte, ob Pompeji so glücklich sei, irgendein schauerliches Verbrechen, etwa einen Fall von Beleidigung der Götter oder einen Mord zu verzeichnen, der die Ädilen berechtigte, den Missetäter für den Rachen des Löwen zu bestimmen.

»Für meinen Teil,« äußerte ein Goldschmied mit großem Wohlbehagen, »denk ich, der Kaiser, wenn er wirklich so gütig ist, wie die Rede geht, hätte uns wohl einen von den Juden senden können, deren er viele Tausende aus Jerusalem als Sklaven nach Rom geführt.«

»Warum nicht lieber einen von der Sekte der Nazarener?« widersprach ein Philosoph. »Ich bin nicht grausam; aber ein Mensch, der es wagt, selbst den Jupiter zu leugnen, verdient keine Barmherzigkeit.«

»Ei nun,« bemerkte der Goldschmied, »jeder mag glauben nach Wohlgefallen, allein alle Götter zu leugnen, das ist denn doch etwas Ungeheures.«

»Trotzdem sind diese Leute keine vollkommenen Atheisten,« mischte sich jetzt Glaukus ins Gespräch. »Man sagt mir, sie glauben an einen Gott; ja sogar an ein künftiges Leben.«

»Da irrst du gewaltig, lieber Glaukus,« erwiderte der Philosoph; »ich habe mich mit ihnen unterhalten; sie lachten mir ins Gesicht, als ich von Pluto und dem Hades sprach.«

»O, ihr Götter!« rief der Goldschmied schaudernd; »gibt es dergleichen Bösewichter auch in Pompeji?«

»Ich weiß, daß es einige gibt, aber sie kommen so geheim zusammen, daß man unmöglich herausfinden kann, wer sie sind.«

Glaukus wandte sich seinen Gefährten wieder zu, und indem er dies tat, sah ihm ein Bildhauer bewundernd nach.

»Ah,« murmelten seine Lippen entzückt, »wenn wir den auf die Arena bekämen, der wär' ein Muster für uns! Welche Glieder! welch ein Kopf! er sollte ein Gladiator geworden sein! Ein Modell, unserer Kunst würdig. Warum wirft man diesen nicht dem Löwen vor?«

Glaukus hatte inzwischen mit seinen Begleitern ein Gemach betreten, wo man sich für das Bad vorbereitete. Die gewölbte Decke stieg von einem Karnies auf, den Malereien in sehr bunter Art schmückten; die Decke selbst war in Weiße, mit reichem Scharlach eingefaßte Felder geteilt, und der fleckenlose, glänzende Boden mit weißem Mosaik eingelegt; längs der Wände liefen Bänke zur Bequemlichkeit der hier Weilenden hin. Diejenigen, welche nur das kalte Bad nahmen, vertauschten ihre Kleider mit einem weiten Gewand und begaben sich sodann in ein zierliches, kreisförmiges Gebäude, dessen Boden ein großes Wasserbassin bildete. Die übrigen Anwesenden verfügten sich dagegen in das Tepidarium, einen Ort, der teils durch ein tragbares Feuerbecken, teils durch eine Unterhöhlung des Fußbodens, in welche die Heizröhren des Lakonikum (Schwitzbad) hinliefen, eine angenehme Wärme erhielt.

Dieses Gemach zeigte eine kunstvollere und reichere Ausschmückung als das vorige. Die gewölbte Decke prangte von Schnitzwerk und Malerei. Unter dem mächtigen Karnies zog sich eine Reihe Figuren in massiven, kühnen Reliefs hin; die Wände glühten in hochroter Farbe, und das Estrich war künstlich mit weißem Mosaik ausgelegt.

Dieser stattliche Raum war jedoch noch nicht der letzte des Etablissements; vielmehr gab es noch ein Sudatorium, das der Einrichtung unserer Dampfbäder entsprach, und das sogenannte warme Bad.

Glaukus und seine Gefährten verweilten im Tepidarium. Sklaven salbten die Badenden aus Gefäßen von Gold, Alabaster und Kristall, die mit Edelsteinen aufs reichste besetzt waren und die seltensten Salben aus allen Teilen der Welt enthielten. Aus einem anstoßenden Zimmer ertönte währenddessen eine sanfte Musik, welche so lange anhielt, bis die erfrischten Badegäste das Gemach verließen, um bald nachher wieder in die Straßen Pompejis zu dringen.

Sallust lud die Freunde ein, in seinem Hause die Mahlzeit einzunehmen. Glaukus jedoch trennte sich von den pompejanischen Müßiggängern und wandte seine Schritte jenem Teile der Stadt zu, innerhalb dessen sich das Haus Iones erhob.

Er fand daselbst einen freundlichen Empfang. Iones Verwandte führte ihn zu ihr. Die junge Herrin saß inmitten ihrer Dienerinnen, die mit verschiedenen Arbeiten beschäftigt waren. Eine Lyra stand neben ihr, auf welcher sie kurz zuvor eines ihrer neapolitanischen Lieder gespielt hatte.

Sie befand sich heute in einer träumerischen Stimmung, und schon deshalb war ihr der Besuch von Glaukus willkommen, mit welchem sie über Griechenland plaudern konnte, wobei sie freilich mehr zuhörte, als selbst sprach.

Glaukus zeigte sich in seiner ganzen Beredsamkeit. Er hatte das Land der Dichtung hauptsächlich im dichterischen Alter früher Jugend gesehen, und die Bilder der Vaterlandsliebe verbanden sich mit denen der Fülle des Lenzes und des Lebens. Hingerissen und stumm hörte Ione ihm zu.

»O,« sagte sie, als er endlich schwieg, mit einem tiefen Atemzug, »könnte mein Bruder deine Worte vernehmen.«

»Dein Bruder?« erwiderte Glaukus, »ich habe ihn noch nicht gesehen. War es vielleicht jener junge Mann, an dessen Hand du mich am Tempel der Pallas in Neapolis verließest?«

Ione bejahte.

»Wo weilt er jetzt?« fragte Glaukus weiter.

»Hier in Pompeji!«

»In ein und derselben Stadt,« rief Glaukus erstaunt, »und doch nicht bei dir?«

»Ihn fesseln andere Pflichten,« antwortete Ione schwermütig, »er ist ein Priester der Isis.«

»So jung und Glied dieser strengen Priesterschaft?« rief der Grieche mitleidig. »Was konnte ihn dazu bewegen?«

Die Beredsamkeit eines Ägypters, der unser Vormund ist, fachte in seiner, einer glühenden Andacht ergebenen Seele den frommen Wunsch an, sein Leben der geheimnisvollsten unserer Gottheiten zu weihen.«

Und er bereut seine Wahl nicht? Hoffentlich ist er glücklich.«

Ione seufzte tief, dann antwortete sie: »Der Vormund glaubte das Wohl meines Bruders zu befördern. Wir waren Waisen, und Arbaces suchte uns die Eltern zu ersetzen.«

»Arbaces?« unterbrach Glaukus die Rede der jungen Dame. »Ich kenne ihn – wenigstens sprechen wir miteinander, wenn wir Zusammentreffen. Verzeihe mir meine Offenheit, allein in Gesellschaft dieses dunkeln Ägypters mit der trüben Stirn und dem eisigen Lächeln wird mir's, als ziehe sich über die Sonne selbst ein Schleier.«

»Seine Ruhe, seine Kälte,« erwiderte Ione mit gesenktem Blick, »sind vielleicht bloß Erschöpfung durch früher erlittene Schmerzen, – wie der Berg,« fügte sie, durch das Fenster auf den Vesuv deutend, hinzu, »den wir dort dunkel und lautlos in der Ferne erblicken, einst Flammen nährte, die jetzt auf ewig erloschen sind.«

Bild: Eugen Hanetzog

Beide sahen bei diesen Worten nach dem Berg. Der übrige Himmel war in rosige, zarte Farben gebadet, über dem grauen Gipfel aber, dem emporragenden Mittelpunkt der Wäldchen und Weingärten, die sich damals bis zur Hälfte der Höhe emporzogen, hing eine finstere, unheildeutende Wolke, die einzige nächtige Stelle der Landschaft.

Eine plötzliche, nicht erklärbare Beklemmung bemächtigte sich der Schauenden.

»Sieh da, der edle Glaukus –« ertönte plötzlich eine Stimme. Die im Tablinum Anwesenden blickten erschrocken auf und erkannten das kalte, spöttelnde Gesicht des Ägypters, dessen Eintritt niemand bemerkt hatte.

»Du bist ein unverhoffter Gast,« sprach Glaukus aufstehend mit erzwungenem Lächeln.

»Es ergeht dir wie mir,« erwiderte Arbaces, indem er Platz nahm und Glaukus zuwinkte, dasselbe zu tun. »Auch dein Besuch bei Ione ist mir unverhofft.«

»Mich freut's,« ergriff die junge Herrin des Hauses das Wort, »euch endlich beisammen zu sehen, denn ihr paßt zueinander und seid zu Freunden geschaffen.«

»Gib mir zwanzig Lebensjahre zurück,« erwiderte der Ägypter, »ehe du mich auf gleiche Stufe mit Glaukus stellst. Ich wäre glücklich, würde mir seine Freundschaft zuteil; aber was könnte ich ihm zur Erwiderung geben?«

»Du hast recht, weiser Arbaces,« versetzte Glaukus, »wir können einander achten, aber wir können nicht Freunde sein.«

Ein durchbohrender Blick des Ägypters streifte Glaukus. Die Besuche des Atheners im Hause Iones, welche er zur Isispriesterin ausersehen, mußten Arbaces verhaßt sein, da die Befürchtung nahelag, daß der frische Lebensmut des Mädchens durch den geistvollen Glaukus nur noch mehr angefacht würde.

Nach einem kurzen, verlegenen Gespräch verabschiedete sich der Grieche.

»Wann machtest du die Bekanntschaft dieses Menschen?« fragte der Ägypter sein Mündel in einem etwas strengen Tone.

»Er wurde bei mir eingeführt als Landsmann meines Vaters und, wie ich wohl sagen mag, meiner selbst,« erwiderte Ione erstaunt.

Arbaces ließ die Dienerinnen sich entfernen, dann wandte er sich an Corinna, die bejahrte Verwandte Iones, und fuhr fort: »Ich hegte die Meinung, daß du über die Ehre deiner Nichte getreu Wachen würdest.«

»Bei allen Göttern, das tue ich!« rief Corinna erbleichend. »Was sollen deine zweifelhaften Worte?«

»Sie sollen dir eine Warnung sein,« erwiderte Arbaces kalt. »Ich sehe es gern, wenn meine geistreiche Mündel die weisen Männer und Frauen Pompejis um sich versammelt, aber ebenso streng muß ich es tadeln, wenn sie die Besuche von Menschen empfängt, die zu den größten Müßiggängern in der Stadt gehören.«

»Der junge Grieche kann unmöglich darin einbegriffen sein,« versetzte Ione mit einem Eifer, der für den Ägypter zu einem Dolchstoß ward.

»Die Jugend korrigiert gern die Erfahrungen des reifen Alters,« erwiderte er streng, »besonders, wenn sie ihrem Herzen lästig erscheinen.«

»Was will mein Vormund damit sagen?« fragte Ione errötend.

»Frage nur dein törichtes Herz,« gab Arbaces zurück, »und es wird dir die Antwort nicht schuldig bleiben. Für heute möge es dir genügen, zu wissen, daß jener Glaukus einen so oberflächlichen Charakter besitzt, daß kein geistreicher Mensch mit ihm verkehrt. Er mag durch seinen gesellschaftlichen Schliff im ersten Augenblick bestechen, doch nur zu bald tritt die Leere seiner Seele zutage. Ich bin überzeugt, daß er dich gar bald in dem Strudel der Vergnügungen vergißt, denen er sich mit seinen Freunden in die Arme wirft.«

Mit diesen Worten verabschiedete sich der Ägypter, recht wohl wissend, daß er in dem Herzen der ehrgeizigen Ione einen Stachel zurückgelassen habe. Nichts war dem jungen Mädchen verhaßter, als die Modegecken Pompejis, und der Gedanke, daß Glaukus zu ihnen gehöre, erfüllte ihre Seele mit Scham.

Der Vormund schien in der Tat recht zu behalten, denn Tag auf Tag verging, ohne daß Glaukus seine Besuche wiederholte. Daß Arbaces eine ihrer Dienerinnen bestochen und derselben den gemessenen Befehl gegeben, den jungen Griechen unter irgendeinem nichtigen Vorwände jederzeit abzuweisen, ahnte sie freilich nicht. Desto öfter vernahm sie von derselben Dienerin, wie in der unteren Volksschicht über Glaukus und seine Freunde gesprochen werde, deren Verschwendung und Vergnügungssucht alle Begriffe überstiegen.

Da bäumte sich Iones edles Herz wild auf, und mit gerechtem Unwillen erwiderte sie der geschwätzigen Dienerin:

»Behalte die Gespräche der gemeinen Leute für dich. Sollte aber jener Glaukus oder einer seiner Freunde je wieder an der Pforte meines Hauses erscheinen, so sage ihnen, daß ich für sie nicht mehr zu sprechen sei.«

Der Sieg des Ägypters hatte begonnen.

*


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