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Die Faschingslegende

Hilarius

Ernst und streng kommt aus der Sakristei
Hilarius mit den Ministranten.
Die Knaben plärren die Litanei
in munter spitzigen Diskanten
und schwingen das Rauchfaß schier weltlich vergnügt.
Der Bischof faltet die Hände zur Wandlung,
und ein Blick aus dem tiefen Auge rügt
der jungen Helfer unwürdige Handlung.

Volk füllt die Kirche bis unter das Dach.
Hilarius wendet sich zur Gemeinde,
doch stumm bleibt der Geist, das Wort quillt schwach,
ihm dünken die eignen Gedanken Feinde
von Sünde, Buße und jüngstem Gericht.

Aus des Weihrauchs lustig wirbelnden Ringen
lacht und kichert ein helles Gesicht,
Hilarius hört durch der Meßglöcklein Klingen
die Schellen von Schalkskappen und Faschingshörner blasen,
schaut Gott und die Heiligen in einem Narrenhut
und alle drehen ihm lange Nasen.

Eine heitre Welle strömt aus seinem Blut
und läßt ihn das Lob der Narrheit zur Predigt machen
mit herzhaftem Spaß und hurtigem Witz.
Das Kirchenschiff schaukelt in lautem Lachen,
da Hilarius steigt von seinem Sitz.
Als Narrenpritsche nimmt er den Weihwasserwedel
und treibt durch das trübe Kirchenhaus
auf den heiteren Markt die Menge hinaus.
Dort wimmeln arm und reich, gering und edel
durcheinander in festlichem Jubel.

Die Kirche steht öde, leer und stumm.

Hilarius im ärgsten Gewühle und Trubel
neckt sich mit seinen Knaben herum
und hat mit allen seinen Scherz und Spott:
Ein Narr vor der Welt, ein Weiser vor Gott!

Illustration: Rudolf Schiestl

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