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[Vorwort]

Zeitbilder in Erzählungen aus der Geschichte der christlichen Kirche.

Die Reihe von Erzählungen, deren elften Band wir hiermit dem christlichen Volke übergeben, schildert demselben die Hauptepochen aus der Gründungs- und Entwickelungsgeschichte der Kirche in Bildern, welche Zeit und Zustände charakterisiren. Es ist dabei der Gedanke leitend gewesen, daß es nur einer richtigen Kenntniß von dem Wirken und den Geschicken der gottgestifteten Heilsanstalt bedarf, um ihr den Menschenverstand und das Menschengemüth gleichmäßig zuzuwenden. Unsere »Zeitbilder« sollen diese Kenntnißnahme bei Solchen befördern, bei denen rein wissenschaftliche Darstellungen nicht angebracht sind; sie bieten, wie man dies heutzutage will, ihren ernstern Kern in nicht zu harter Schale.

Das Werden und Wachsthum, das Leiden und Streiten der Kirche in Erzählungen darzustellen, ist keine neue Idee. Sie ist, wie aus der Vorrede zur Fabiola zu ersehen, von Cardinal Wiseman angeregt worden, als man den nunmehr Verewigten von der beabsichtigten Herausgabe einer »Katholischen Volksbibliothek« in Kenntniß setzte. Der gelehrte Kirchenfürst verstand sich sogar dazu, selbst den Anfang zu machen, und beschenkte so die katholische Literatur mit der genannten, jetzt weltbekannten Erzählung. Der Plan blieb leider unausgeführt. Jetzt ist er von einem Kreise französischer Schriftsteller wieder aufgegriffen worden.

Bei der Verpflanzung dieser Erzählungen auf deutschen Boden, wozu der Verleger die Berechtigung erworben hat, wollte man sich nicht auf eine einfache Uebersetzung beschränken, sondern es wurden auch die in unserm Vaterlande auf dem kirchengeschichtlichen Gebiete gewonnenen Resultate verwerthet. In dieser Gestalt dürfte nun die deutsche Ausgabe ihre Rechtfertigung in sich tragen. Nur wenige Worte zur Begründung des Unternehmens im Allgemeinen wolle man uns noch gestatten.

Die Jahrzehnte sind so lange noch nicht vorbei, wo man mit einer Art von siegesgewisser Eleganz die Zeit als in nächster Nähe bevorstehend erklärte, in welcher die sogenannte Bildung und das naturhistorische Wissen für die Leute aus dem Volke, Politik und Aesthetik für die Gebildeten, die Stelle der Religion einnehmen würden. Die Aufklärungs-Propheten sahen Christenthum und Kirche bereits hinschwinden, um neuen, zeitgemäßern Institutionen Platz zu machen. Die einzige Rücksicht, die man noch zu nehmen der Mühe werth hielt, beschränkte sich darauf, die vermeintlichen Ueberbleibsel aus überwundener Zeit in ihrem langsamen Absterben nicht zu belästigen.

Diese Prophezeiung von dem Untergange der Kirche war das traurige Resultat der je länger je mehr von dem wirklichen geschichtlichen Boden des Völkerlebens sich loslösenden abstracten Philosophie. Man vergaß, daß die gesellschaftliche Gesittung, deren wir uns im Gegensatze zu den nichtchristlichen Völkern erfreuen, keine Errungenschaft bloßer menschlicher Speculation ist, sondern daß wir sie einer. frohen Botschaft von Oben verdanken. Die menschliche Ueberhebung vergißt leicht, weil sie gern vergißt, was ihr geschenkt wird. Zugleich meinte man, diese Gesittung auch dann festhalten zu können, wenn man ihren Ursprung, den lebendigen historischen Christus, leugne, oder sie von Ihm trenne. Man gerieth in diesen Irrthum – als solchen erweist ihn die Erfahrung –, weil das in dem Evangelium uns zu Theil Gewordene die Gesellschaft nach und nach gleichsam durchsäuert hat; weil die Moral des Christenthums der Weltordnung und der Menschennatur so sehr entspricht, daß sie gleichsam die Luft bildet, in der unsere Geister athmen. Man mag es verkennen und leugnen, es ist so: die Ehrlichkeit des Alltagsmenschen hat, ohne daß dieser es eingesteht oder auch nur weiß, ein christliches Gepräge; sie ist eine Frucht der Offenbarung; so manichfaltig die individuellen Vorstellungen von Gott sowie von dem Wesen und den Gesetzen des Weltalls auch sein mögen, sie ruhen alle auf dem Unterboden des Christenthums, mit alleiniger Ausnahme des Materialismus, welcher den Geist und jede sittliche Ordnung in einem Athemzuge leugnet.

Die Bücher der Weltgeschichte wie die Blätter unseres eigenen Herzens – wir lassen uns nur zu gern das etwas peinliche Auseinanderschlagen dieser letztern verdrießen – zeigen uns auf jeder Seite, daß, seit das Christenthum als That Gottes in die Welt getreten ist, die Völker wie die Einzelnen tüchtiger oder untüchtiger, glücklicher oder unglücklicher – dies alles im rechten Sinne verstanden – in dem Grade geworden sind, als sie die frohe Botschaft männlich und freudig und thatkräftig aufgenommen oder, von sich gestoßen und unbefolgt gelassen haben. Aber die Prophezeiung, von der wir oben gesprochen haben, ist unerfüllt geblieben: die Religion löste sich nicht auf; die Kirche starb nicht ab. Im Gegentheil: es zeigte sich ein mächtiger Rückschlag gegen die absolute Negation, und jenes Wort erwies sich als wahr, das dem unglücklichen Lenau in den Mund gelegt wird und dahin lautet, daß trotz aller »Verhegelung«, trotz aller Westvergötterung seitens einer verkehrten Philosophie, »das Herz doch nach Gott schmachte«. Ernste Geister haben gerade in der letzten Zeit die Nothwendigkeit und Wirklichkeit der Religion tiefer als je erkannt; niemals hat man sich lebhafter mit der Kirche beschäftigt, als eben in unsern Tagen.

Wir hoffen, auch das Verständniß wird sich mehr und mehr einstellen, und dann die Bethätigung des Erkannten im rechten Geiste nicht fehlen. Daß auch unsere »Zeitbilder« etwas zur Erkenntniß der weltgeschichtlichen Mission der Kirche beitragen, dazu gebe Gott Seinen Segen!

Die Herausgeber.


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