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Louise de la Valliere

In den Dekorationen der Maler, in den Panegyriken der Schriftsteller und in den Kanzelreden der Prediger sind die Bildnisse der Frauen dieses Hofes und seiner schönen Unordnungen der Liebe, wie Saint-Simon es nennt, in die stereotype Großartigkeit pompös arrangierter Draperien gesetzt und thronen da in Fleisch und Würde, Göttinnen gleich, so daß nichts die Leichtigkeit und Einfachheit einer höchst lebendigen Verdorbenheit verrät, die allen diesen Frauen eigentümlich ist, die sich als Sterne um die Sonne dieses Königs bewegten, nicht so sehr vom Glanze dieser Krone angezogen – woran sich mehr die profitierenden Brüder dieser Damen hielten – als von dem Mann selber, nicht seine Liebe suchend, sondern ihre Lust mit ihm. Alle – bis auf eine, die nichts sonst besaß als den Zauber eines liebenden Herzens, der die Häßliche verschönte und der ihr ein nie versiegender Born schien, so daß sie es nicht nötig hatte, wie ihre glücklichen Rivalinnen, die nichts sonst hatten als die Pracht ihres Leibes, mit Liebes- und Zaubertränken zu arbeiten, aus sakrilegisch in schwarzen Messen mißbrauchten Hostien und dem Blut eines unschuldigen Kindes bereitet, wie es im eben anhebenden aufgeklärten Jahrhundert alle diese Bewerberinnen oder Besitzerinnen der königlichen Gunst taten, die Montespan, die Gräfin de Soissons, Olympia Mancini, Madame de Grammont, Madame de Polignac, die Komtesse du Roure, alles Kundinnen der La Voisin, die nicht nur Gifte mischte, sondern auch die Liebestränke bereitete, und alles eifrige Besucherinnen der schwarzen Messen, in denen sie mit ihrem entblößten Bauch als Altar dienten.

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8. Louise de la Valliere. Nach einem anonymen Gemälde im Hospiz Chateau-L'avalliere

Bei der Ehe ist das Nest wichtiger als die Liebe, die legitime Erbfolge in Kindern, welche den Namen und die Macht der Familie weitertragen, das Wesentliche vor allem andern. Dieser gut katholische Gedanke ist so radikal, daß er den wirklichen Vater ignoriert und nur den gesetzlichen kennt. Mag das Kind vom Kammerdiener gezeugt sein, ist's in einer Ehe geboren, gilt es als Kind des legitimen Vaters und hat alle ihm so zukommenden Rechte. Die Katholizität dieses Standpunktes hat für die heutigen Menschen ihre krasseste Form in jenen dynastischen Eheschließungen gefunden, für die nichts als politische Motive maßgebend waren. Das Unmenschliche dieser politischen Ehebündnisse mußte sich eine menschliche Korrektur durch eine begehrenswerte Nebenfrau gefallen lassen, um überhaupt erträglich zu werden. Demokratische Zeitalter nannten das die Mätressenwirtschaft. Im neunzehnten Jahrhundert, wo der Adelsbegriff der Dynastie verblaßt, weil seine Träger sich mehr und mehr vergewöhnlichen, bis der völlige Mangel auch nur eines Tropfens adeligen Blutes zum Verlust des Thrones führt, zum Entgleiten des Zepters aus schwachen und seiner nicht mehr würdigen Händen, wie im Falle der Hohenzollern und der Habsburger, erst in diesem Jahrhundert, wo man hypokriter schon nicht mehr aus Politik heiratet, sondern fast schon aus Liebe und Königinnen »aus Liebe« mit einem Klavierlehrer durchbrennen wie Gouvernanten, in diesem Zeitalter wird die königliche Nebenfrau, wenn sie vorkommt, ein irgendwelches Frauenzimmer, ein heimlich ausgehaltenes und aufgesuchtes Geschöpf, das betrübt feststellt, daß ihr der Umstand, des Kronprinzen Geliebte zu sein, mehr schadet als nützt. Aus solchem heutigen Erfahrungswinkel gesehen deformiert sich das Frühere ins gleich Schäbige dieses Heutigen. Aber es ist zu erinnern, daß die Montespan eine geborene Mortemart war, also von älterer Familie als die Bourbons.

Frau von Sévigné, die ungern sympathische Gefühle äußert und gern ein gutes Gefühl einer besseren Bosheit opfert, nennt Louise das kleine Veilchen, das sich im Grase verbirgt, sich schämt, Geliebte zu sein, Mutter zu sein, Herzogin zu sein: alles das, was sie dann in einem dreißigjährigen Klosterleben als Karmelitin bereute, ohne die Ruhe in dieser Reue zu finden. Nicht im Gebet, nicht in der Kasteiung, nicht im Aufschreiben dieser Betrachtungen über das göttliche Mitleid, worin sie einmal, als ob sie von sich spräche, von der Blume des Feldes spricht, die am Morgen blüht und am Abend verdorrt. Auf dem Lande, in der weinfrohen Tourraine geboren und aufgewachsen, Kind kleinen Landadels, der seit Franz dem Ersten Offiziere stellte, hat sie in dem Weiß und Rot ihrer Wangen, in der Scheue und Schüchternheit ihres Wesens, das sich lieber versteckte als zeigte, etwas Ländliches behalten, – ein Entzücken für den zwanzigjährigen Ludwig, der eben von der ganz spirituellen und launisch unberechenbaren Maria Mancini den so unerwarteten Abschied bekommen hatte und sich mit einer Frau verheiratet sah, die an abstoßender Häßlichkeit und Dummheit ihresgleichen in Europa nicht besaß, der Infantin Maria Teresia. Als der junge König in Begleitung seiner Mutter und des Kardinals durch ganz Frankreich unterwegs war, um die Spanierin in Saint-Jean de Luz in den Pyrenäen einzuholen, kam er durch Blois, wo der Onkel Monsieur, der besiegte Prinz der Fronde, seine Gärten pflegend hauste mit seinem komischen Hofstaat von Tanten und Nichten. Hinter deren Reifröcken versteckt sah die fünfzehnjährige Louise zum erstenmal nicht nur den König, sondern den lässig schönen jungen Mann. Er sah sie nicht. Aber sie lief, als die Karossen und die begleitenden Reiter abzogen, auf den höchsten Turm des Schlosses und winkte mit ihrem Herzen dem Zuge nach, bis er über die Hügel entschwand. Mit ihrem verwundeten beglückten Jungmädchenherzen.

Bei Maria Mancini konnte der junge Mensch in Tränen schwelgen, die ihm leicht kamen wie allen Menschen trockenen Herzens. Bei Maria Mancini genoß er um so mehr das Anstürmen seiner Liebe, weil es in einem immer abgeschlagen wurde.

Ob er dieses zarte Nönnchen mit den aufblitzenden und wieder sich verschleiernden Saphiren, mit dem Haar wie Goldstaub liebte, das zu überlegen kam er nicht, ein bißchen von seiner verliebten Aktivität bei der Mancini ermüdet. Aber es war köstlich, in dieser Erschöpftheit sich von diesem an die Brust fliegenden zerbrechlichen errötenden verschämten Wesen lieben zu lassen, das in der holden Zauberei solcher hingebenden Liebe sich so ungemein verschönte, daß man in einem Zeitalter wo die Fülle des Busens die Glorie der Korsage war nicht merkte, daß sie an Busen fast nichts hatte, kleine Narben von Pocken im Gesicht und ein ganz kleines bißchen hinkte. Es war ja auch Maria, das »Schenkenmädel«, keine Schönheit gewesen. Und gar erst seine Frau, der er in der ehelichen Pflicht diente wie es sich gehörte und deren oft groteske Auswirkungen alle schnell starben bis auf einen dicken dummen Jungen, den Dauphin. Die Aufmerksamkeit, die der König den Kindern mit seinen Geliebten erweist, Rang und Titel, die er ihnen gibt, wird auch aus den üblen ehelichen Nachkommen verständlich, nicht nur aus den politischen Räsonen, die ihn seine Bastarde zu Pairs machen ließ, den schönen Sohn von der Montespan zum Herzog von Maine, die Tochter von Louise zu einem Fräulein de Blois, die einen Prinzen Conti heiratete, den Sohn von ihr zu einem Grafen von Vermandois. Die Politik, eine königliche Familie gegen einen obstinaten bodenständigen Adel zu schaffen, konnte sich mit den ehelichen Geburten, zumal wenn sie wie im Falle Ludwigs nicht da waren, nicht begnügen.

»Ich habe immer einen so schlechten Gebrauch von meinem Willen gemacht, daß ich ihn in Eure Hände lege«, sagte Louise zur Mère Agnes, der sie sich, die Stirne heiß und das Herz klopfend, am Gitter des Kloster in der rue de l'Enfer gegenübersah. Und etwas später schrieb sie dem Bischof von Avranches aus ihrem Kloster, das Beste was ihr passieren könne sei vergessen werden. Der schlechte Gebrauch ihres Willens war ihre starke Schwäche, wie sie selber einmal in einem Briefe diese beiden Worte zusammenbringt. Sie war, wie sie sagte, unfähig, jemals ihre Liebe zu wechseln. Sie gibt sich einmal und ganz. Es ist ein seltsamer Zufall, daß der Wappenspruch ihrer väterlichen Familie lautete: Ad principem ut ad ignem amor indissolubilis, dem Fürsten wie dem Feuer des Altars unlösliche Liebe. Ihr Leben lang setzte sie, in der Partie mit den Menschen wie in der mit Gott zu verlieren bereit, ihr Herz ein. Auf einer Jagd – Louise war eine passionierte Amazone, aber sie schoß empfindsam das Wild nicht – hatte die Hätz sie von ihrem Geliebten getrennt, der beunruhigt und ungeduldig auf die Rückseite einer Carreau-Zwei ihr befahl, rasch zu kommen. Sie schickte ihre Antwort auf der Rückseite einer Coeur-Zwei in einem Sechszeiler, der begann:

Pour m'écrire avec plus de douceur,
Il fallait choisir un deux de coeur ...

Es gab Jagden und Feste jeden Tag. Und Ballette, in denen Molière Louise als die Prinzessin von Elis zeigte und den verliebten König im Sicilianer als Euryalus Prinz von Ithaka, in maurischem Kostüm. Es gab Collationen und Medianoches. Und die Geliebte war aller Entzücken und hatte keine Feinde.

Bei dem Schlosse Vaujours, das Ludwig für die Feste und Sylphen erbauen ließ, stand an einer Wegkreuzung eine riesige Eiche, der heiligen Jungfrau geweiht und vor Zeiten mit dem Standbilde der Muttergottes geschmückt. Aber die Baumrinde wuchs um diese Statuette und nichts mehr von ihr war sichtbar: sie war in das Herz des Baumes verschwunden. Die Legende ist ein Sinnbild für Louisens Leben, das mondän und sichtbar begann und in der Verborgenheit schloß. Auch ein Sinnbild ihrer Liebe: sie umschloß den Geliebten in ihrem Herzen und alle Reue und alle Schmerzen konnten das im Herzen eingeschlossene Bildnis nicht tilgen.

Es mußte ja eine Zeit kommen, wo das Sentiment des höchst selbstbewußten und vor vielerlei Aufgaben gestellten Liebhabers und Königs der idyllischen Liebe solches unbedingten Geliebtwerdens überdrüssig werden mußte, das wie eine andere Ehe war. Es mußte auch bei größerer komödiantischer Begabung immer schwerer werden, solchem übermäßigen Gefühle gegenüber, in dem sich ein Herz ausgab, so etwas wie Herz zu zeigen ohne zu gähnen. Um das Glück als Behagen in zwei Ehen zu finden, einer legitimen mit der häßlichen Frau, einer illegitimen mit einer liebenden, aber auch schon als nicht sonderlich hübsch bemerkten Frau, dazu war weder dieser Mann geschaffen, noch waren ihm die zeitlichen Umstände günstig, die den Impetus seines Willens aufs höchste affizierten. Der vierzehnte Ludwig war kein weichlicher Schlemmer wie der fünfzehnte, und die vielerlei Erregungen seiner politischen, kriegerischen, bauherrlichen Geschäfte suchten kein Ausruhen an dem gefühligen Busen einer Frau, sondern die heftigen Reize der Débauche. Die dafür bereiten Damen salbten sich schon ihre schönen Glieder.

Vorsorge, die er für die Mutter seiner Kinder traf, bevor er ins Feld nach Flandern zog – »die Armee hat das Beispiel meiner Gegenwart nötig« – ließ ihn Louise zum Pair und zur Herzogin machen, und das Pariser Parlament registrierte die Patentbriefe am 13. Mai 1667. Louise faßte es schon als Zeichen verlorner Liebe und der Ungnade auf: »Es ist ein Brauch unter räsonablen Leuten, beim Wechsel ihres Dienstpersonals deren Verabschiedung mit der Auszahlung ihrer Löhne oder Anerkennung ihrer Dienste zu mildern. Ich fürchte, mir geht es so.« Nach sechsjährigem Dienste fürchtete sie den Abschied. Er kam einige Monate später, viel grausamer, da sie erst zögerte, selber zu gehen und man sie auch eine Zeitlang festhielt, um die Montespan zu decken, deren Schlafzimmer neben dem ihren lag, durch das der König gehen mußte, um zu der andern zu kommen. Er warf Louise einmal auf diesem Wege ein Hündchen in den Schoß und sagte lachend: »Das wird genügen.«

Aber die Nonne im Kloster sprach nur von ihren Verbrechen, ihren Sünden und ihrer Reue.


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