Eduard v. Bauernfeld
Großjährig
Eduard v. Bauernfeld

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Erster Act.

(Geschlossenes Theater, Zimmer mit einer Mittelthüre, zwei Seitenthüren und einer kleineren Thüre im Hintergrunde, dem Schauspieler rechts. Im Vordergrunde rechts ein Schreibtisch, links ein anderer Tisch, worauf ein Körbchen mit Seide.)

 


Erste Scene.

Spitz (sitzt am Schreibtische rechts, Papiere vor sich). Blase, Amalie und Auguste (sind durch die Mittelthüre eingetreten).

Blase. Küche, Keller, Speisekammer – ich habe Dich Alles in Augenschein nehmen lassen, denn Du sollst in Zukunft das ganze Hauswesen besorgen, Nichte.

Auguste. Recht, Onkel. Geben Sie mir die Schlüssel.

Blase. Die Schlüssel? Wo hab' ich sie nur –?

Spitz (springt eilig auf, und überreicht Augusten die Schlüssel, die der Alte auf den Tisch gelegt). Hier, mein Fräulein.

Auguste. Danke, Herr Spitz. Ich will nur gleich eine Schürze vorbinden.

Blase. So wären denn die inneren Angelegenheiten meines Hauses gut besorgt, wie ich hoffe; für das Wichtigere – das Aeußere – werden ich und Herr Spitz Sorge tragen.–Das schöne Zimmer dort mit Cabinet (Weist nach dem Hintergrunde rechts.) sollt Ihr bewohnen. Ich habe Euer Gepäck hineinbringen lassen. Alles ist in bester Ordnung. – Du siehst, ich habe viel für Dich gethan, Nichte – ich will noch mehr thun. Nach dem Ableben Deines Vaters gab ich Dich in die Pension –

Auguste. Ach, wie froh bin ich, daß ich sie hinter mir habe!

Amalie (halblaut, zupft sie). Gustchen! Nicht doch, Gustchen!

Blase. Ich habe Dich dort erziehen lassen – es war nothwendig, denn Du warst immer ein tolles, wildes Kind; jetzt aber bist Du ein sittsames, ein gebildetes Frauenzimmer, dem man es gleich im ersten Augenblick ansieht, daß von der wilden Natur nichts übrig geblieben – Gott Lob! Es ist lauter Kunst, lauter Dressur.

Auguste. Glauben Sie's nicht, Onkel! Einige wilde Natur steckt noch darunter.

Amalie (wie oben). Gustchen! Aber Gustchen!

Blase. Schäme Dich, so zu sprechen.

Auguste. Je nun, ich denke so.

Blase. Denken magst Du, was du willst, Deine Gedanken gehen mich nichts an. Gedanken gehören überhaupt unter die erlaubten Waaren, insofern sie im Mutterlande erzeugt werden – nämlich in unserm Gehirn; wie sie aber gesprochen oder geschrieben die Grenze passiren, und in's Ausland – das ist: in fremde Köpfe – geschmuggelt werden sollen, da tritt der Zollwächter dazwischen und behandelt sie als Contrebande.

Auguste. Mädchengedanken haben das nicht zu besorgen.

Blase. Mädchen sollten eigentlich gar keine Gedanken haben.

Auguste. Einen doch, Onkel!

Blase. Und welchen?

Auguste. Wie sie auf die beste Art aufhören mögen, Mädchen zu sein.

Blase. Und Frauen zu werden – allerdings. Das ist vernünftig gedacht – aber man muß es nicht sagen. – Was klapperst Du denn so mit den Schlüsseln?

Auguste. Ich will mein Regiment antreten, Onkel.

Blase. Nun so geh'! Später, wenn Hermann nach Hause kommt, werd' ich Dich rufen lassen.

Auguste (naserümpfend). Hermann?

Amalie (welcher Blase zuwinkte). Ihr Mündel, Herr Schwager, der junge Baron?

Blase. Er wird sehr überrascht sein, Euch hier im Hause zu finden.

Auguste. Weiß er denn nicht –?

Blase. Kein Wort.

Auguste. Es ist doch sein Haus, denk' ich.

Blase. Sein Haus? Er ist minderjährig, und ich bin Administrator. Wenn Reformen in seinem Hause – nämlich in meinem Hause – nothwendig werden, braucht mich Niemand daran zu mahnen, denn ich lasse mir nichts einreden – aber plötzlich sind sie da – blos durch meinen Willen aus dem Nichts hervorgerufen.

Auguste (beobachtend). Unser Erscheinen hier ist also eine Art Staatsstreich?

Blase. Gewissermaßen. Mein Mündel bedarf, zur Vollendung seiner Bildung, weiblichen Umganges – das war mit ein Grund, daß ich Dich kommen ließ. Deine Mutter weiß es. (Winkt Amalien.)

Amalie. Freilich, liebes Kind. Der Baron soll überdies ein äußerst artiger junger Mann sein. Nicht wahr, Herr Schwager?

Blase. Er ist wie die gute Stunde. Du kennst ihn ja, Nichte. Du sprachst noch mit ihm, bevor Du in die Pension kamst.

Auguste. Ich habe den jungen Herr seit Jahr und Tag nicht gesehen – ist er noch immer so trocken und hölzern?

Blase. Trocken und hölzern! Hermann ist ein hoffnungsvoller junger Mensch.

Auguste. Ein Beamter.

Blase. Allerdings. Ein ausgezeichneter.

Auguste. Ein Actenwurm –

Blase. Actenwurm! Was versteht Ihr davon? – Geh' jetzt. Ich habe mit Herrn Spitz zu arbeiten.

Auguste. Mama, bringen Sie inzwischen die Zimmer, das Gepäck in Ordnung.

Amalie. Ja, liebes Kind. Aber wie soll ich es denn –?

Auguste. Daß die Mama doch gar nicht praktisch ist! – Das große, erträglich hübsche Zimmer gehört Ihnen, ich schlafe in dem dunkeln Kämmerchen mit den zerbrochenen Fensterscheiben, welches der Onkel ein Cabinet zu nennen beliebt. Unsere Kleider werden in den abscheulichen grünen Wandschrank einquartiert, die Wäsche in den schmalen Kasten mit den drei Füßen, unsere Gelder und Prätiosen können Sie offen liegen lassen.

Amalie. Das liebe Kind! Sie ist immer guten Humors.

Blase. Und immer naseweis.

Amalie. Vergeben Sie ihr, Herr Schwager! Sie meint's nicht übel –

Blase. Na, geht nur, geht!

Auguste. Ja, gehen Sie, Mama, und richten Sie unsern königlichen Palast ein. (Ab durch die Mitte.)

Amalie. Das gute Kind! Aber sie soll nicht in der dunkeln Kammer schlafen. (Will fort.)

Blase (ihr nachrufend). Frau Schwägerin! Ein Wort! (Halblaut.) Sie kennen meine Absichten – Sie sind damit einverstanden – bereiten Sie Ihre Tochter vor.

Amalie. Vorbereiten? Das will ich. Aber das sag' ich Ihnen gleich im Vorhinein, Herr Schwager: meine Tochter hat ihren freien Willen – durchaus ihren freien Willen. (Ab, im Hintergrunde rechts.)

Zweite Scene.

Blase. Spitz (welcher aufsteht, und die Papiere ordnet).

Blase. Freier Wille! Dummes Zeug! – Nun, was meinen Sie, Herr Spitz? Das Mädchen ist hübsch und klug. Sie wird in unsere Pläne passen – wie?

Spitz. Ich trau' ihr nicht ganz – sie ist schlau.

Blase. Aber arm. Sie wird – sie muß sich fügen. – Gibt's zu unterschreiben?

Spitz. Wenn's gefällig wäre – (Legt ihm die Papiere, eines nach dem andern vor.) Da sind für's Erste die Rechnungen vom letzten Quartal.

Blase (der sich gesetzt hat). Gleich, gleich! (Versucht die Feder, schreibt.) Ich schreibe so gerne meinen Namen, Herr Spitz.

Spitz. Sie haben auch eine hübsche runde Schrift, Herr Blase.

Blase. Die Schrift, sagt man, ist der Mensch. (Schreibt.) Blase. Blase. – Sie wissen, ich will den guten jungen Menschen für großjährig erklären lassen.

Spitz. Sehr vernünftig, da uns die Obervormundschaft bisweilen am Administriren hindert.

Blase. Das ist's eben! Aber nur Geduld! Bald haben wir völlig freie Hand. (Schreibt.) Blase. – Wenn Hermann obendrein durch Familienbande an mich geknüpft sein wird . . . Was ist denn das hier?

Spitz Ein Antrag auf neue Bauten.

Blase. Bauten? Ei, ei! Das kostet Geld.

Spitz. Das herrschaftliche Rentamt braucht einen neuen Flügel; das Schulhaus braucht ein Dach.

Blase. Ein Dach? Wozu?

Spitz. Es droht einzustürzen, Herr Blase.

Blase. Hm! Das wollen wir erst abwarten.

Spitz. Abwarten?

Blase. Wir brauchen's dann nicht abzutragen. Abwarten – sehen Sie, Herr Spitz – abwarten – das ist das Hauptgeheimniß einer guten Administration. Wenn man wartet, kommt Alles von selbst. Legen Sie den Antrag nur einstweilen bei Seite. – Unter andern, Herr Spitz! Sind die zweitausend Klafter Holz geschlagen worden?

Spitz. Noch nicht, Herr Blase.

Blase. Und warum nicht? Gab ich nicht den Befehl?

Spitz. Ja; allein der Waldmeister erklärte sich dagegen; er sagte, es sei gegen die Forstcultur.

Blase. Der Waldmeister ist ein grober Mensch. (Steht auf.) Forstcultur! Versteh' ich die nicht auch? Wozu bin ich Administrator? – Setzen Sie sich, Herr Spitz. Schreiben Sie. (Geht auf und ab.) Die zweitausend Klafter Holz werden geschlagen, und noch fünfhundert dazu, just weil's der Grobian von Waldmeister nicht will. (Stellt sich zum Schreibtisch.) Zweitausend fünfhundert – haben Sie's? (unterschreibt.) Blase. So. Jetzt schnell damit auf die Post.

Spitz (macht das Paket, siegelt u. s. w.). Sehr wohl, Herr Blase.

Blase. Später holen Sie Hermann aus dem Bureau. Der gute junge Mensch! Er ist kein administrativer Kopf; er weiß gar nicht, wie wir uns für ihn plagen. (Stellt sich zu Spitz, die Hand vertraulich auf den Tisch gestemmt.) Was meinen Sie, Herr Spitz? Wenn ich einmal meine Hand hier abzöge –

Spitz (beschäftigt). Dann müßte Alles in Trümmer fallen.

Blase (naiv, sich wieder aufrichtend). Das hab' ich mir auch immer gedacht. Ich bin hier nothwendig – ja, ich fühl' es, daß ich eine Nothwendigkeit bin. Ohne mich würde sich Niemand zu helfen wissen. Da hab' ich jetzt nur allein meinen Namen wohl an die zwanzig Mal schreiben müssen. So heißt's denn in's Himmels Namen sich aufopfern, rastlos arbeiten. Der gute Hermann ist durchaus nicht im Stande, seine Güter selbst zu verwalten; er ist nicht reif dazu – wird niemals reif werden. Der gute liebe, harmlose, junge Mensch!

Spitz (der seine Geschäfte beendet hat). Harmlos? Darf ich mir ein Wort erlauben, Herr Blase? Der junge Mann fängt nachgerade an, sich zu fühlen. Er äußert bisweilen Ideen –

Blase (erschrocken). Was sagen Sie? Ideen?

Spitz. Sozusagen: freie Ideen.

Blase. Freie Ideen! In meinem Hause! Wie kommen die herein? Wo nimmt er die her?

Spitz. Aus der Luft. Dort schwimmen sie heut zu Tage.

Blase. Dort mögen sie auch bleiben.

Spitz. Unter seinen Papieren fand ich sogar einige Verse liberalen Inhalts.

Blase. Liberale Verse? Das mag hingehen – die sind aus der Mode und deßhalb unschädlich. Wenn's nur sein Präsident nicht erfährt, der den Liberalismus nicht ausstehen kann, weder in Versen, noch in Prosa. Aber freie Ideen zu haben – freie Ideen zu äußern – gut, daß Sie mir das sagen, Herr Spitz. Dagegen heißt es rasch auftreten. Gehen Sie für's Erste den jungen Herrn abholen.

Spitz. Wie Sie befehlen, Herr Blase. (Ab.)

Dritte Scene.

Blase (allein), dann Schmerl.

Blase (allein) Freie Ideen! (Geht auf und ab.) Da hilft nur Ein Mittel: er muß augenblicklich heiraten.

Schmerl (auftretend). Papa Blase, guten Tag!

Blase. Ihr Diener, Herr Schmerl.

Schmerl. Nun, wie geht's? Sehen ein Bischen verdrießlich aus – was? Ein Bischen – Dings da – malcontent?

Blase. Familiensorgen, bester Schmerl, Administrationsgeschäfte – die machen Ihnen freilich wenig zu schaffen.

Schmerl. Gott Lob, nein. Ich hab' kein Geschäft – was man so nennt – will auch kein's haben. Ich weiß gar nicht, wo Einer die Zeit hernimmt, Geschäfte zu haben. Dem Himmel sei Dank! Ich bin ein freier Mensch.

Blase. Das heißt: Sie thun nichts.

Schmerl. Thun? Wer thut denn etwas? Wenn Ihr im Bureau sitzt, oder auf die Börse rennt, oder Eueren Namen ein paar Dutzend mal unterschreibt, das nennt Ihr Geschäfte, das nennt Ihr arbeiten, das nennt Ihr etwas thun. Ich thu' nichts, aber ich wirke – ich wirke im Großen, im Ganzen. Ich nehme Theil an den großen, allgemeinen Angelegenheiten: ich lese die allgemeine Zeitung, lese alle Zeitungen, ich urtheile, ich räsonnire darüber; ich bin für den Fortschritt, für die Reform, ich nehme Partei, ich mache – Dings da – Opposition. Und nur Opposition, nur Opposition! Das erhält frisch und munter. Der Geschäftsmann ist immer ein Sauertopf; er lebt nicht – und das Leben ist ja schön, wie der Dings da sagt – der – na, wie heißt er nur? Der junge spanische Student –

Blase. Marquis Posa.

Schmerl. Marquis Posa, richtig, Marquis Posa. Kommt im Dings da vor – im – im –

Blase. Im Don Carlos von Schiller.

Schmerl. Im Don Carlos von Schiller, richtig! – Sonderbar, daß ich keinen eigenen Namen behalten kann. Neulich sprachen wir von Musik. Ich wollte den Compositeur nennen, den – wissen Sie, den berühmten Compositeur – über den so viel gestritten wird –

Blase. Beethoven?

Schmerl. Nicht doch! 's ist ein moderner.

Blase. Mendelssohn?

Schmerl. Nein, nein, nein, kein Deutscher – ein Franzose. Der die neue Musik erfunden hat, die so viel Lärm macht.

Blase. Lärm? Berlioz.

Schmerl. Berlioz, richtig! Sagen Sie mir, lieber Freund – (Hält inne.) Sagen Sie mir – (Hält wieder inne.)

Blase. Nun, was haben Sie denn?

Schmerl. Nehmen Sie mir's nur nicht übel, aber nun hab' ich auch Ihren Namen vergessen – wie heißen Sie denn?

Blase (ärgerlich). Blase.

Schmerl (schlägt sich vor die Stirn). Blase. Verwünschtes Gedächtniß! – Sagen Sie mir – was wollt' ich denn nur fragen?

Blase. Geben Sie sich keine Mühe. Ich will Ihnen dafür etwas sagen. Mein Haus hat einen Zuwachs bekommen.

Schmerl. Einen Zuwachs?

Blase. Ich habe meine Nichte in's Haus genommen, sammt meiner Schwägerin.

Schmerl. Nichte? Schwägerin?

Blase. Die Hinterbliebenen meines Bruders.

Schmerl. Sie sprachen sonst nicht gerne von ihm.

Blase. Wir kamen frühzeitig auseinander. Er heiratete vor Jahren ein armes Mädchen, das er auf seinen Reisen kennen lernte – ich glaube, in Berlin.

Schmerl (rasch). In Berlin? Das erinnert mich – na, erzählen Sie nur weiter.

Blase. Er kaufte sich auf dem Lande an – hier in der Nähe – begrub sich in die Einsamkeit mit dem guten Ding von Frau, das er mit seinen Launen quälte, denn er war ein eben so großer Haustirann als schlechter Wirth; kurz er verarmte ganz und gar, und die Verwandten blieben mir auf dem Halse. So nahm ich sie zu mir.

Schmerl. Bravissimo! Nun wird Leben in's Haus kommen. Hier geht Alles im gewöhnlichen Geleise, aber wo Frauenzimmer sind, da ist Widerspruch, da ist Opposition – und nur Opposition, nur Opposition! – Ist die Nichte hübsch?

Blase. Nicht eben schön – aber anmuthig.

Schmerl. So hab' ich's gerne. Munterer Natur?

Blase. Fast zu munter.

Schmerl. Vortrefflich! Wie alt?

Blase. Kaum neunzehn.

Schmerl. Kaum neunzehn? Ist fast zwanzig. Gerade recht.

Blase. Gerade recht?

Schmerl. Allerdings. Denn nun fällt mir ein, was ich Ihnen vorhin mittheilen wollte: ich habe beschlossen zu heiraten.

Blase. Sie?

Schmerl. Ja, ja, Papa Blase. Es geht mir schon lange im Kopfe herum. Einmal war ich auch nahe daran – doch das ist vorüber, längst vorüber. Ueber gewissen Dingen muß man das Gras wachsen lassen – verstanden? – Jetzt aber ist's hohe Zeit. Ein alternder Junggeselle – das taugt nicht. Wenn man zu tanzen aufhört, muß man heiraten. Das will ich thun. Und zwar – wissen Sie wen? Ihre Nichte.

Blase. Meine Nichte?

Schmerl. Wenn sie mir gefällt. Aber sie ist arm, hübsch, munter – gerade was ich suche.

Blase. Meine Nichte? Plagt Sie der Teufel?

Schmerl. Der Liebesteufel! Der Dings da – der Asmodeus.

Blase. Sie sind nicht klug! In Ihrem Alter!

Schmerl. Warum? Ich bin ein junger Mann – einige fünfundvierzig – in den besten Jahren.

Blase. Es gibt bessere.

Schmerl. Das ist wahr, aber die sind für's Heiraten fast zu gut.

Blase. Eine Braut von neunzehn würde das schwerlich finden.

Schmerl. Warum nicht? Neunzehn in fünfundvierzig geht zwei Mal –

Blase. Bleibt ein Bruch.

Schmerl. Es scheint, Sie wollen mich nicht zum Neffen haben?

Blase. Nun und nimmer.

Schmerl. Jetzt geschieht's – auch wenn mir Ihre Nichte nicht gefällt – aus Opposition.

Blase. Herr, nehmen Sie Vernunft an –

Schmerl. Nichts da! Opposition, nur Opposition!

Vierte Scene.

Vorige. Auguste.

Auguste. Herr Onkel, ich bin fertig.

Schmerl. Aha! Meine Braut. (Lorgnirt.)

Blase (vorstellend). Herr Schmerl – ein alter Hausfreund. Meine Nichte Auguste.

Schmerl. Sehr erfreut, mein Fräulein – (Zu Blase.) Hübsch – recht hübsch – es bleibt dabei. Und häuslich ist sie auch –

Auguste. Meinen Sie mich, mein Herr?

Schmerl. Allerdings, mein Fräulein. Die Schürze – der Schlüsselbund – die Dinger da – die Attribute der Häuslichkeit –

Blase (der zwischen Beide tritt). Vielleicht sind's eben nur Attribute; oder verstehst Du wirklich etwas von der Hauswirthschaft, Nichte?

Auguste. Das will ich meinen! Wofür war ich denn in einer Hausfrauen-Bildungsanstalt? Dort lernt man alles Mögliche: Geographie, Gurken einlegen; Astronomie, Wein abziehen; vaterländische Geschichte, Komödie spielen; Aesthetik, Hühner abstechen – o Herr Onkel, ich bin abgerichtet wie ein Vogel im Kunstkabinet: ich kann Alles, Alles.

Schmerl. Sie kann Alles! Charmant, charmant!

Auguste. 's ist aber doch nichts mit dem Institut. Ein Mädchen-Institut – br! Wissen Sie, was das heißt, meine Herren? Da gibt's alle Jahre einen Ball, wo wir unter einander tanzen müssen – unter einander – ohne Mann. Ein Ball ohne Mann – das ist gar kein Ball. Und dann die täglichen Promenaden in corpore, mit trippelnden Schritten und niedergeschlagenen Augen – man sieht aber doch so zwischen durch, und wird gesehen. Da wird der Neid der Gespielinnen rege; das zischelt, das drängt sich vor – das will Einem den Rang ablaufen – es setzt spitze Worte, giftige Blicke, bisweilen auch kleine Püffe. »Observez les dehors, mesdemoiselles!« ruft die magere, näselnde Madame. Alle fahren zusammen, wie die Schafe vor dem Dampfwagen, aber ich weiß doch, was ich weiß! Der artige junge Herr, ganz schwarz, nichts als Bart – wissen Sie, Onkel, so was von der jeune France – er ist unser'm Zuge gefolgt – er faßt mich auf's Korn – er lorgnirt – er grüßt ehrerbietig – er ist schon mein. Beim nächsten Spaziergang bewegt sich dieser Trabant in der schönsten Ellipse um seinen, ihn beherrschenden Planeten – um mich. Sehen Sie, Herr Schmerl, so studiren wir die Astronomie.

Schmerl. Sehr gut, sehr gut! (Zu Blase.) So studiren sie die Astronomie!

Blase. Laß Deine Possen, Nichte! – Lachen Sie nicht, Herr Schmerl! – Nimm Dich zusammen, sag' ich. In meinem Hause herrscht ein solider Ton.

Auguste (wie oben). »Observez les dehors!«

Schmerl. Sehr gut, sehr gut! – Ohne Sorge, schöne, schöne – Amalie –

Auguste. Auguste.

Schmerl. Auguste! (Rasch wiederholend, wie um sich den Namen zu merken.) Auguste, Auguste, Auguste! – Wenn Sie lachen wollen, wenden Sie sich nur an mich. (Zu Blase.) Sie ist ein Engel, eine Göttin – (Zu Auguste.) Mein Fräulein, Sie sind eine wahre – Dings da – eine – eine –

Auguste. Grazie.

Schmerl. Grazie! Richtig.

Blase. Grazie! Pah! Sie ist meine gehorsame Nichte, und weiter nichts.

Schmerl. Nur Geduld! Wir wollen sie zu ganz etwas Anderem machen.

Blase. Ja, das wollen wir – aber ohne Ihre Beihilfe. (Sieht nach der Uhr.) Wo Hermann nur so lange bleibt? Du wirst sehen, Nichte: er ist ein sehr hübscher junger Mann geworden.

Auguste. Hübsch! Ist er nicht blond?

Blase. Blond! Allerdings –

Auguste. So? Ich kann die Blonden nicht ausstehen, Herr Schmerl.

Schmerl (richtet an seinen Haaren). Hören Sie's, Papa Blase? Sie kann die Blonden nicht ausstehen.

Blase. Die Grauen vermuthlich auch nicht.

Schmerl (sucht den Spiegel). Die Grauen!

Blase (zu Auguste). Hermann hat sich überhaupt zum Manne ausgewachsen.

Auguste. Wirklich? Damals kam er mir wie ein Riesenkind vor – wie eine Art großes Wickelkind –

Schmerl. Riesenkind! Wickelkind! Sehr gut! Sehr gut!

Blase. Still doch, Herr Schmerl! (Zu Auguste.) Keine Possen, sag' ich.

Schmerl (zu Auguste). Kehren Sie sich nicht an den alten Onkel! Wir jüngeren Leute halten zusammen; wir machen Dings da – Opposition.

Auguste. Wenn man mich am Lachen hindern will – von Herzen gern.

Schmerl. Also eingeschlagen!

Auguste. Zu Schutz und Trutz!

Schmerl. Es lebe die Opposition!

Blase. Mit Ihrer Opposition! Gegen was wollen Sie denn opponiren?

Schmerl. Ich? gegen Alles.

Blase. Freilich! Sie sind der Mann dazu! Sie, der Sie nichts thun.

Schmerl. Das ist gar nicht nöthig. Die Opposition hat nichts zu thun, als zu opponiren.

Blase. Siehst Du, mein Kind, das sind die modernen Bestrebungen, die destructiven Tendenzen. Zum Glück gibt es noch Leute, die fest am Bestehenden halten, wie Dein Onkel Blase.

Schmerl. Nichts da! Ich bin für den Fortschritt – hab' ich nicht Recht, schöne Anna – schöne Auguste? Hab' ich nicht Recht, schönes Gustchen? Fortschritt, nur immer Fortschritt! Wir leben in einer höchst bewegten Zeit – Alles geht vorwärts – Einer stößt den Andern –

Blase. Und Einer purzelt über den Andern – besonders auf der Börse.

Schmerl. Dann die viele Humanität, die Industrie, der Zollverein, die emanzipirten Juden, die gebesserten Sträflinge – das sind jetzt die bravsten Leute. In meinem Hause lass' ich mich von lauter vormaligen Spitzbuben bedienen. Mein Barbier ist ein Todtschläger, mein Bedienter ein Dieb, meine Köchin ist eine Giftmischerin.

Blase. Die meinige auch.

Schmerl. Kurz, die Menschheit nähert sich dem Ideal. Wann erst die Landenge von Suez durchstochen sein wird, wenn der Kölner Dombau fertig ist, wenn die deutsche Flagge auf allen Meeren weht, und die deutsche – Dings da – die deutsche Zukunft – o meine deutsche Zukunft laß ich mir nicht nehmen – denn der Deutsche hat eine Zukunft.

Auguste. Etwas muß er doch haben.

Schmerl. Nur etwas? Er muß Alles haben, Alles! Darum Opposition, nur Opposition!

Fünfte Scene.

Vorige. Amalie.

Amalie. Liebes Kind – Alles in der Ordnung.

Auguste. Die Mama!

Schmerl (lorgnirt). Die Mama? Scheint auch nicht übel.

Blase (zu Schmerl, vorstellend). Meine Schwägerin, Amalie –

Schmerl. Amalie?

Blase. Amalie Blase, geborne Walter.

Schmerl. Amalie Bla –? Amalie Wa –? Aus Berlin?

Blase. Allerdings.

Schmerl. Sie ist es!

Blase (zu Amalien, vorstellend). Herr Schmerl –

Amalie (wie erschrocken). Herr Schmerl! (Wendet sich rasch zu Auguste.) Liebes Kind –

Auguste. Mama?

Amalie. Er ist es –

Auguste. Wer denn?

Amalie. Stelle Dir vor – (spricht leise mit ihr).

Schmerl (lorgnirend, für sich). Ja, sie ist es. Ganz wie damals! Nur etwas mehr embonpoint.

Amalie (zu Auguste, leise). Was sagst Du dazu?

Auguste (eben so). Nur praktisch, Mama! Fassen Sie sich –

Blase (zu Auguste). Kennt er sie denn? Kennt sie ihn denn?

Auguste (im Vorübergehen, leise zu ihm). Herr Schmerl hat der Mama vor zwanzig Jahren den Hof gemacht und einen Korb bekommen.

Blase. So, so! – (Zu Schmerl.) Ihr kennt Euch also?

Schmerl. Ich hatte die Ehre – in Dings da – in Berlin –

Amalie. Es ist schon lange her –

Schmerl. Sie haben sich inzwischen verheirathet?

Auguste (auf sich weisend). Wie Sie sehen, mein Herr. (Leise zu Amalie.) Nur praktisch, Mama! Sagen Sie ihm was Pikantes.

Amalie (eben so). Ich kann's nicht.

Auguste. Das macht, Sie waren in keinem Institut. (Laut.) Nun, Herr Schmerl! Sie sind ja ganz verstummt.

Blase. Sie opponiren nicht mehr?

Schmerl (zieht Blase bei Seite). Man hat vor Zeiten gegen mich opponirt – verstanden? Aber ich räche mich – ich opponire wieder – ich freie um die Tochter.

Blase. Nicht doch! Neunzehn in fünfundvierzig geht zweimal. Bleiben Sie bei der Mutter.

Schmerl. Meinen Sie?

Blase. Folgen Sie meinem Rath. Man wird Sie jetzt mit offenen Armen aufnehmen.

Schmerl. Nach zwanzig Jahren! Das wäre freilich ein Triumph der Opposition. (Lorgnirt.) Sehen Sie nur, sie flüstert dem Töchterlein in's Ohr – sie scheint verlegen –

Blase. Das ist ein gutes Zeichen.

Schmerl. Ich will sie ansprechen. (Nähert sich Amalien, jugendlich galant.) Madame – Madame Dings da – Madame Bla – Madame Wa – Madame Walter – Madame Blase-Walter – (Zu Blase.) Sie ist wirklich noch hübsch! (Laut.) Sehr erfreut, Madame – sehr erfreut. Erlauben Sie mir, unsere zerrissene Bekanntschaft wieder anzuknüpfen?

Amalie. Warum nicht, Herr Schmerl? Wenn Sie den Faden zu finden wissen.

Auguste (leise zu ihr). So ist's recht, Mama! Nur praktisch!

Schmerl. Es schmeichelt mir, Madame Blase-Walter, daß Sie mich sogleich wieder erkannten.

Amalie. Sie sind wenig verändert, Herr Schmerl. Sie haben sich recht jugendlich erhalten.

Schmerl. Finden Sie das? Aber ich geb' es Ihnen zurück: Sie sehen wie – wie Dings da – aus, wie die Schwester Ihrer Tochter.

Auguste. Nicht neu – aber gut.

Schmerl. Ihre Hand, Madame! Wollen wir Freunde werden?

Amalie. Ich denke, das ist das beste. (Reicht ihm die Hand.) Die Zeit der Thorheiten ist ja bei uns Beiden vorüber.

Schmerl (küßt ihr die Hand). Bei mir nicht, Madame Blase-Walter – bei mir nicht. – Aber sagen Sie mir aufrichtig: seh' ich wirklich noch jung aus?

Auguste. Es geht mit.

Amalie. Zum Verwundern.

Schmerl. Das freut mich, das freut mich! Sehen Sie, das kommt von meinem Umgang mit jungen Leuten. Das erfrischt, das erhält. Ein Club von lauter geistreichen Leuten – verstehen Sie? Wir haben einen Dichter unter uns – das ist ein Mann! Neueste Schule – frei und grob! Kein aristokratischer Poet.– kein Dings da etwa – kein Goethe. Nur keine Goethe's mehr! Die können wir nicht brauchen. Nur kein sogenanntes Talent! Courage muß man jetzt haben – Courage, und Dings da – Gesinnung. Jetzt macht man Alles mit der Gesinnung.

Auguste. Leider auch Musik.

Schmerl. Das versteht sich! Die neuen deutschen Opern sind voll Gesinnung.

Auguste. Und ohne Melodie.

Schmerl. Das ist eben die Gesinnung. (Sieht nach der Uhr.) Die Damen verzeihen – mein Club erwartet mich. Wir haben heute Sitzung.

Auguste. Sitzung?

Schmerl. Außerordentliche – nur der Ausschuß. Es ist eigentlich ein Frühstück mit Champagner und Austern –

Auguste. Und Gesinnung?

Schmerl. Das versteht sich! Im Vertrauen: dem liberalen jungen Poeten wird ein Festmahl gegeben – dabei soll gesprochen werden – gesprochen! Denn nur immerfort gesprochen und gesprochen! Darauf kommt's an – das ist jetzt die Hauptsache. Nur Reden gehalten, Zusammenkünfte, Fest-Essen, Zweck-Essen, Dinger da – meetings – man glaubt nicht, was das nützt, was das die Zustände verbessert! – Madame Blase-Walter, mich schönstens zu empfehlen.

Amalie. Adieu, lieber Herr Schmerl.

Schmerl. Ganz gehorsamster – – (Zu Blase.) Sie ist charmant – sehr charmant – verstanden? (Zu Augusten.) Fräulein Gustchen, es bleibt dabei: wir machen Opposition. – Adieu, Papa Blase! Nun geh' ich wirken – als Ausschuß – als Mitglied des Comité's. Der Marquis – Dings da – hat recht, das Leben ist äußerst agreabel. Empfehle mich allerseits. (Stößt im Abgehen auf den eben eintretenden Hermann.) Pardon, junger Herr Riesenkind! (Ab.)

Sechste Scene.

Blase. Auguste. Amalie. Hermann (im Makintosh, einen Shawl um den Hals, ist aufgetreten). Spitz (Acten tragend, folgt ihm.)

Blase. Da kommt unser Hermann!

Hermann. Herr Vormund – (stutzt, da er die Frauen erblickt.)

Blase. Meine Nichte Auguste, die Sie bereits kennen. Meine Schwägerin. Die beiden Damen werden von heute an unser Hauswesen führen.

Hermann (für sich). Sie im Haus?

Blase. Ich hoffe, Kinder, Ihr werdet Euch gut mit einander vertragen.

Auguste. Gewiß, Onkel! Der junge Herr ist so friedlicher Natur, so lammfromm –

Hermann (für sich). Sie fängt zu sticheln an – wie damals.

Blase. Viel Arbeit im Bureau, lieber Hermann?

Hermann. Außerordentlich.

Spitz (der die Acten auf den Tisch gelegt, und von welchem sich Hermann Rock und Shawl abnehmen läßt). Unser lieber Zögling hat sogar die Acten nach Hause nehmen müssen. (Wiegt die Acten.) Sehen Sie nur, Herr Blase. Ein hübscher Pack. Und dem jungen Herr laden sie Alles auf.

Blase. Daß er sich nur nicht zu schnell abkühlt, Herr Spitz.

Spitz. Knöpfen Sie den Rock zu, junger Herr. (Geht mit dem Ueberrock in das Seitenzimmer links.)

Hermann. Es ist warm draußen. Ich weiß eigentlich gar nicht, weßhalb ich den Ueberrock anziehen mußte.

Blase. Das war nöthig, mein Sohn. Ihre schwächliche Gesundheit –

Auguste (halblaut zu Amalien). Hören Sie's, Mama? Schwächliche Gesundheit! Ein Bursche wie ein Bär.

Hermann (für sich). Sie lacht mich wieder aus –

Amalie (heimlich). Ich habe Dir eine Menge mitzutheilen, Auguste.

Auguste. Auch ich, Mama. Kommen Sie!

Blase. Bleib' doch, Nichte. – Da steht Dein Arbeitszeug.

Auguste. Ich komme gleich wieder. Wir wollen das Zimmer erst völlig herrichten. Empfehle mich, junger Herr.

Amalie (im Abgehen). Was sagst Du? Den Schmerl hier zu finden –

Auguste. Was schadet's? Wir wollen ihm den Meister zeigen! Aber praktisch, Mama, nur praktisch! (Beide ab in ihr Zimmer.)

Siebente Scene.

Blase. Hermann (der sich mit den Acten zu schaffen macht).

Blase (für sich). Herr Spitz hat Recht; das Mädchen ist schlau. Sie wittert meine Absichten – sie weicht mir aus. Und der alberne Schmerl dazu – da gilt es rasch handeln. – Hermann!

Hermann. Herr Vormund!

Blase. Kommen Sie zu mir – ich hab' ein Wort mit Ihnen zu sprechen. (Setzt sich.) Sie wissen, lieber Hermann, daß ich Sie immer sanft und freundlich behandelt habe, nicht wahr?

Hermann. Ja, Herr Vormund.

Blase. Ihr Vater war ein strenger Mann – eisern strenge. Sie durften in seiner Gegenwart nicht mucksen, durften keinen eigenen Willen haben.

Hermann. Leider ist es so! Ich hatte eine recht traurige Jugend.

Blase. Das machte Sie wortkarg, verschlossen.

Hermann. Vielleicht für's ganze Leben.

Blase. Wer weiß, wozu das gut war! Was mich betrifft, so hab' ich zwar ein anderes Erziehungssystem mit Ihnen befolgt; ich bin milde und lasse Sie gewähren; ich gebe Ihnen sogar eine gewisse Freiheit – stehen Sie hübsch gerade, Hermann – so! – Sie sind ein hoffnungsvoller junger Mensch, können es weit bringen. Se. Excellenz der Herr Präsident haben mir versprochen, Sie bei erster Gelegenheit zu befördern. Sie sind also kein Kind mehr, Hermann – wie halten Sie die Hände? – Kein Kind mehr, so wenig wie meine Nichte, die Auguste. (Steht auf.) Sie sind dem Mädchen gut, nicht wahr?

Hermann. Gut?

Blase. Sprechen Sie offen.

Hermann. Wissen Sie denn nicht, Herr Vormund –?

Blase. Was denn?

Hermann. Daß sie mich hinter Ihrem Rücken immer auslacht?

Blase. Je nun, sie ist lustig, sie lacht gerne –

Hermann. Aber sie zieht mir Gesichter!

Blase. Das bilden Sie sich ein. Auguste ist ein kluges verständiges Mädchen – Sie müssen sie nur näher kennen lernen. Es ist mein Wunsch, daß Sie sich mit ihr vertragen – verstehen Sie? Sprechen Sie daher mit meiner Nichte; seien Sie freundlich mit ihr.

Hermann. Aber wenn sie mir Gesichter –

Blase. Was Gesichter! Sie hat nur Ein Gesicht, und das ist hübsch. Suchen Sie sie allein zu sprechen; lenken Sie das Wort auf ihre Eigenschaften, auf ihre Vorzüge. Was werden Sie zum Beispiel für Vorzüge erwähnen?

Hermann. Vorzüge? Ich weiß keine.

Blase. Keine Vorzüge? Haben Sie Augen?

Hermann. Augen? Ich – glaube –

Blase. Er glaubt, daß er Augen hat! Sie haben Augen – sollen Augen haben.

Hermann. Sehr wohl.

Blase. Und zwar für meine Nichte. Sie sollen sie damit ansehen.

Hermann. Wenn's nicht anders ist –

Blase. Sie sollen ihr damit sagen, daß sie hübsch ist.

Hermann. Mit den Augen?

Blase. Mit dem Munde auch.

Hermann. Wie Sie befehlen – aber das wird mir sauer ankommen.

Blase. Sauer? Einem hübschen Mädchen ein artiges Wort zu sagen? Sie sind doch bereits in dem Alter – ist Ihnen denn das Frauengeschlecht gleichgiltig?

Hermann. Gänzlich.

Blase (für sich). Er ist gar zu unschuldig. (Zu Hermann.) Das muß anders werden, lieber Hermann; Sie müssen sich nach und nach an weiblichen Umgang gewöhnen. – Ueberhaupt – Ihre Lehrjahre sind beiläufig vorüber, Sie müssen jetzt in's Leben treten, in die Welt. Sie waren ein fleißiger Student, sind ein geschickter Beamter; allein Sie lebten bisher nur in Ihren Büchern und Acten –

Hermann (wie für sich). Die verwünschten Acten! Wenn ich sie nur los wäre!

Blase. Wie? Was sagen Sie da?

Hermann (erschrickt). Verzeihen Sie, Herr Vormund –

Blase (für sich). Aha! Das sind die freien Ideen! (Laut, feierlich.) Junger Mann, ich höre, Sie machen Verse.

Hermann. Bisweilen – zur Erholung.

Blase. Sie ließen das besser bleiben. Verse sind keine Erholung. Die Poesie strengt den Geist an, und macht untauglich zu Geschäften. Alle vernünftigen Menschen erholen sich in Prosa. Wenn Sie sich in Zukunft erheitern wollen, so suchen Sie die Gesellschaft meiner Nichte auf. Haben Sie mich verstanden?

Hermann. Ja, Herr Vormund. (Wie mit sich kämpfend.) Ich – (Hält inne.)

Blase. Nun? Haben Sie etwas zu erwidern?

Hermann. Nein, Herr Vormund. (Für sich.) Ich möchte sprechen – nur Geduld! Ich werde sprechen.

Achte Scene.

Vorige. Auguste.

Auguste (zurücksprechend). Ich komme gleich, Mama. Ich hole nur mein Arbeitszeug.

Blase. Bleib' hier, Nichte. Ich sagte Dir schon, daß Du in diesem Zimmer arbeiten kannst.

Auguste. So will ich die Mama –

Blase. Ist nicht nöthig. Bleib' nur. Hermann wird Dir Gesellschaft leisten. – Weißt Du was Neues, Auguste? Ich werde Dich vermuthlich adoptiren.

Auguste. Sind Sie krank, Onkel? Diese plötzliche Großmuth –

Blase. Was Großmuth! Ich habe keine Kinder, und Du führst meinen Namen – den Namen meines vortrefflichen, geliebten Bruders; – aber ich hoffe, Du wirst Dich dankbar dafür bezeigen.

Auguste (geht zum Tisch). Dankbar?

Blase. Dankbar und gehorsam. Ich lasse Euch allein, Kinder. (Leise zu Hermann.) Hermann, Sie wissen, was Sie zu thun haben. (Leise zu Auguste.) Sei freundlich mit dem jungen Menschen – hörst Du? (Nimmt den Hut.)

Auguste. Sie gehen, Onkel?

Blase. Ein kleiner Geschäftsgang. Ich bin gleich wieder da. Noch Einmal, vergeßt nicht: Gehorsam ist die erste Kindespflicht. (Ab, durch die Mitte.)

Neunte Scene.

Auguste. Hermann.

Auguste (die sich an den Tisch mit den Acten gesetzt und Seide zur Hand genommen hat, für sich). Verstehe, Herr Onkel! Ich weiß nun Alles. Sie wollen mich kaufen und wieder verkaufen – allein wir sind um keinen Preis zu bekommen. (Reißt Papier ab, wickelt Seide auf.)

Hermann (in einiger Entfernung, für sich). Ich soll sie ansehen – aber sie blickt nicht auf.

Auguste (trällert bei der Arbeit).

Hermann (räuspert sich).

Auguste (aufblickend, läßt die Arbeit sinken). Junger Herr! Sie sind hier?

Hermann (nähert sich ein wenig). Ja, mein Fräulein.

Auguste. Richtig! Sie sollen mir ja Gesellschaft leisten.

Hermann. Das thu' ich. (Blickt ihr starr in die Augen, dann für sich.) Sie ist wirklich hübsch – aber sagen mag ich ihr's nicht.

Auguste. Warum betrachten Sie mich so aufmerksam?

Hermann. Der Vormund will – (Betrachtet sie wieder.) Das heißt – – arbeiten Sie nur weiter.

Auguste (Seide wickelnd, wie oben). Sie können meinen Blick nicht aushalten?

Hermann. Warum nicht?

Auguste. Setzen Sie sich zu mir, junger Herr. (Es geschieht.) Der Onkel will also, daß Sie mir den Hof machen sollen, nicht wahr?

Hermann. So etwas dergleichen.

Auguste. Und Sie thun das wohl recht ungern? (Blickt ihn an.)

Hermann (schlägt die Augen nieder). Ungern gerade nicht.

Auguste. Mau sollt' es meinen. Wissen Sie auch, daß Sie die höchste Zeit haben, sich zu verlieben?

Hermann. So?

Auguste. Freilich! Sie sind durchaus kein Knabe mehr – wenigstens von Außen.

Hermann (Muth fassend). Es gibt Menschen, die ewig Kinder bleiben – nach Innen.

Auguste (verwundert, legt die Arbeit weg). Was hör' ich? Der Stein gibt plötzlich Funken.

Hermann. Wenn sie nur zünden möchten!

Auguste. Immer besser! Das tête-à-tête wird am Ende gefährlich.

Hermann. Für mich nicht.

Auguste (steht auf). Hören Sie, junger Mensch, das war unartig.

Hermann (bleibt sitzen, schlägt die Beine über einander). Wie man in den Wald schreit, so hallt's zurück. (Für sich.) Hübsch ist sie, aber boshaft.

Auguste (lehnt sich über seinen Stuhl). Sagen Sie mir doch, junger Herr – aber aufrichtig – hat Ihnen Ihr Vormund nichts Näheres mitgetheilt über unser Verhältniß?

Hermann (wendet den Kopf, blickt zu ihr hinauf). Ueber unser –?

Auguste. Ja doch! Mit Einem Wort: hat er Ihnen nicht gesagt, daß wir uns heiraten sollen?

Hermann (wie erschrocken, springt auf). Heiraten? Wir sollen uns heiraten?

Auguste. Allerdings. Es ist eine ausgemachte Sache. Sie sollen mit Nächstem für großjährig erklärt werden, man will Sie aber für alle Zukunft am Bändchen halten und ich soll dazu beitragen. Es ist also eine politische Heirat – verstehen Sie?

Hermann. Eine politische?

Auguste. Was mich betrifft, so ist mein Plan gefaßt, und ich werde meine Maßregeln dagegen ergreifen.

Hermann. Dagegen? Sie werden also »nein« sagen?

Auguste. Nicht doch! Ich sage: »ja«.

Hermann. Ja?

Auguste. Ich hänge von meinem Onkel ab – ich darf ihm nicht geradezu widersprechen.

Hermann. Also darum!

Auguste. Aber Sie sind frei. Sie können –

Hermann. Und was?

Auguste. Selbstständig auftreten, thun, was Sie wollen.

Hermann. Was ich will! (Nachdenkend, wie für sich). Wenn ich nur einen eigenen Willen hätte!

Auguste. Den bekommt man eben durch's Wollen.

Hermann (zu ihr gewendet). Wie soll ich's aber anfangen?

Auguste. Soll Ihnen das ein Mädchen sagen?

Hermann (wieder mehr für sich). Ich fühl's, sie haben mich hier an eine Kette gefesselt –

Auguste. Wie mich damals im Institut.

Hermann. Mir ist, als sollt' ich sie zerbrechen –

Auguste. Thun Sie's! Ich hab's gethan.

Hermann. Allein es ist frevelhaft –

Auguste. Ueber den Frevel war ich bald hinaus.

Hermann (wieder zu ihr). Mir fehlt der Muth. Ich möchte so gerne wirken, thätig sein –

Auguste. So wirken Sie in's Himmels Namen.

Hermann. Aber was?

Auguste. Ja, wer das heut' zu Tage wüßte! Die Klugen legen da die Hände in den Schooß und lassen den lieben Gott walten; aber Andere sind noch klüger und walten statt seiner, und das gibt dann eine Wirthschaft zum Erbarmen.

Hermann. Ich weiß mir nicht zu rathen. Ich will auch die Hände in den Schooß legen.

Auguste. Thun Sie das: es ist das Bequemste. Werden Sie ein Pedant, ein Philister, wie mein Oheim.

Hermann. Und Ihr – Gemahl?

Auguste. Auch das – wenn Sie die Courage dazu haben. Aber erst müssen Sie ein Mann sein.

Hermann. Ein Mann?

Auguste. Wollen Sie's werden? Versprechen Sie's? Nur nicht der meinige. Doch Sie werden ein armes Mädchen nicht zwingen wollen –

Hermann. Zwingen? Wahrhaftig, nein!

Auguste. So ist's recht. Nun sind wir gute Freunde. (Reißt wieder Papier ab.) Aber Sie sollen belohnt werden.

Hermann. Was zerreißen Sie denn da in Einem fort?

Auguste. Papier, um Seide aufzuwickeln, und aus der Seide soll ein Geldbeutel für Sie werden.

Hermann. Bedanke mich schön. – Um's Himmels Willen! Ich bin verloren. Sie haben meine Acten zerrissen!

Auguste. Die Lappalien!

Hermann. Lappalien! Gerade das wichtigste Stück!

Auguste. Was ist's denn weiter? Es bleibt noch genug übrig!

Hermann. Genug übrig! Was verstehen Sie davon? Wenn's der Präsident erfährt –

Auguste (aufstehend). Der würde sich gewiß galanter ausdrücken!

Hermann. Ei was! Ein Präsident drückt sich niemals galant aus, wenigstens nicht gegen unser Einen. Das wichtigste Actenstück zu zerreißen!

Auguste (lachend). So geschwind ist noch gar keines erledigt worden.

Hermann. Nun lachen Sie wieder! Was ich immer von Ihnen sagte: Sie können nicht ernsthaft sein.

Auguste. Meinen Sie, junger Herr? – Aber was hilft der Ernst? Die Acten werden doch nicht wieder ganz.

Hermann. Das ist eben das Entsetzliche! Man wird mir alle Schuld beimessen – es kann mich meine künftige Anstellung kosten.

Auguste. Das wäre ein Unglück!

Hermann. Was? Kein Unglück?

Auguste. Wozu sind Sie denn überhaupt ein Beamter?

Hermann. Wozu ich – ein Beamter –?

Auguste. Ein kleiner Beamter! sehen Sie: so klein.

Hermann. Man kann avanciren.

Auguste. Freilich, freilich! Wenn man Verdienste hat, wie Sie; wenn man der Sohn seines Vaters ist; wenn man mit Urlaub spazieren geht, und einen fleißigen armen Teufel für sich arbeiten läßt, den man dann präterirt – nicht wahr?

Hermann. Was doch ein Frauenzimmer Alles sagen darf!

Auguste. Und was ein Mann anhört, ohne es zu beherzigen! – Sie glauben, ich kann nicht ernsthaft sein? Wohlan, Herr Baron, jetzt will ich ernsthaft mit Ihnen sprechen. Sie sind im Mannesalter und lassen sich am Gängelbande leiten; Sie besitzen reiche und blühende Ländereien, die unter fremden Händen verwildern; Sie haben Unterthanen, die man verwahrlost und bedrückt; Sie sind ein Diener, ein Knecht, wo Sie Herr und Gebieter sein könnten – pfui, schämen Sie sich, junger Mann! – Verzeihen Sie, künftiger Herr Commerzienrath, Kammerrath, wie immer Rath, daß sich ein naseweises Mädchen herausnimmt, Ihnen den Text zu lesen; aber es war meine Absicht, Ihre Energie zu wecken; gelingt es mir – wohl und gut; wenn nicht, so bleiben Sie, was Sie sind, ein kleiner Beamter – das Allerkleinste, was man sein kann – ein winzig kleines, niedliches Räthchen, dem sie nichts anvertrauen als – Lappalien. (Ab mit einem Knix in ihr Zimmer.)

Zehnte Scene.

Hermann (allein, nach einer Pause).

Lappalien! – Ich glaube, sie hat recht. Wahrhaftig – (Blickt herum, halblaut.) Es sind Lappalien – (Lauter.) Rechte Lappalien. – »Warum sind Sie denn überhaupt ein Beamter?« – Verwünschtes Mädchen! – Aber warum bin ich denn eigentlich ein Beamter? Warum? Wozu? – Es war der Wille meines Vaters. – Ach, es war sein Wille, daß ich keinen Willen haben soll! – Aller ich will! Ich will wollen! – Nagt es nicht schon längst an mir? Gährt es nicht in meinem Innern? Wenn sie an mir zerren und nergeln, schwebte mir das Wort des Widerspruchs nicht längst auf der Zunge? Ich scheute bisher nur es auszusprechen! Ich wartete auf den günstigen Moment – jeder Moment ist der günstige! Ich will's nicht länger ertragen. Ein Frauenzimmer verspottet mich – die Bedienten lachen mich aus – so darf's nicht länger bleiben. Ein kleiner Beamter! – Ich will's nicht mehr sein. (Geht auf und ab.) Lappalien! (Bleibt stehen, sein Blick fällt auf die Acten.) Fort mit den Lappalien! (Er packt die Acten.)

Eilfte Scene.

Hermann. Ein Bedienter (mit einem Briefe).

Hermann (ordnet schnell die Acten). Wer ist's? Was gibt's?

Bedienter. Ein Brief. (Will zur Seite rechts ab. besinnt sich.) Ja so! – Herr Blase ist nicht zu Hause – (Geht nach links.)

Hermann. Halt! Lassen Sie sehen. Dieser Brief ist an mich.

Bedienter. Freilich, junger Herr.

Hermann. Geben Sie her.

Bedienter. Was fällt Ihnen bei? Sie dürfen ja Ihre Briefe nicht lesen.

Hermann. Ich darf nicht?

Bedienter. Sie wissen's ja! Herr Blase und Herr Spitz haben sich's vorbehalten, zuerst einen Blick hineinzuwerfen.

Hermann. Einen Blick! Geben Sie her, sag' ich.

Bedienter. Aber ich darf nicht –

Hermann. Sie sollen, Sie müssen.

Zwölfte Scene.

Vorige. Spitz.

Bedienter. Da kommt der Herr Spitz!

Spitz. Was gibt's hier?

Bedienter. Herr Spitz! Der junge Herr will durchaus diesen Brief lesen.

Spitz (nimmt den Brief). Schon gut. Gehen Sie nur, Friedrich. (Bedienter ab.)

Dreizehnte Scene.

Hermann. Spitz.

Hermann (mit einiger Heftigkeit). Herr Spitz! Ist es wirklich? Sie erbrechen meine Briefe?

Spitz (faßt ihn in's Auge, nach einer Pause). Ja.

Hermann. Und das sagen Sie mir ins Gesicht?

Spitz. Es geschieht im Auftrage Ihres Herr Vormunds.

Hermann. Briefe zu öffnen! Es ist schändlich!

Spitz. Ohne Sorge! Wir machen sie immer wieder zu. (Besieht den Brief, ohne ihn zu öffnen.) Indessen – nehmen Sie.

Hermann (erbricht und liest den Brief). Abscheulich! Unerhört! – Herr Spitz! Wissen Sie, was in dem Briefe steht?

Spitz. Allerdings. Ich kenne die Handschrift. Er ist vom Waldmeister.

Hermann. Ja, und er enthält –

Spitz (setzt sich). Klagen über die schlechte Administration, über Herrn Blase – über mich.

Hermann. Sie wissen also –?

Spitz. Wir haben bereits mehr dergleichen. Der gute Alte wird nicht müde zu schreiben und zu klagen. Wir legen's ad acta.

Hermann. Entsetzlich! So handelt man an mir, an meinem Gut? Und Sie bieten die Hände dazu, Herr Spitz?

Spitz (steht auf). Was sollt' ich thun? Herr Blase ist Ihr Vormund. Er war bis jetzt der Herr – ich nur sein Diener.

Hermann. Sein Diener? Sie waren sein Rathgeber.

Spitz. Sein Rathgeber? Sie irren vielleicht. Und wenn ich's wäre! – Ich will Ihnen etwas sagen, junger Mann. Einem bornirten Kopf, der obendrein ein System hat, läßt sich weder rathen, noch helfen. Ja, wenn Sie selbst den Muth hätten, die Kraft – aber was hilft das auch? Sie sind minderjährig –

Hermann. Minderjährig? Nicht lange mehr! Und dann –

Spitz (ihn beobachtend). Dann?

Hermann. Werd' ich wissen, was ich zu thun habe.

Spitz. Das konnten Sie längst wissen, wenn Sie kein Träumer wären.

Hermann. Ein Träumer – ja, das bin ich.

Spitz. So erwachen Sie – ich will Sie wecken helfen. Hab' ich's nicht bereits gethan? Hab' ich Ihnen nicht bisweilen Winke gegeben, die – verzeihen Sie! – leider niemals beherzigt wurden? Die Hand auf's Herz, junger Mann – haben Sie sich je um Ihre eigenen Angelegenheiten bekümmert? (Da Hermann die Hand mit dem Brief sinken läßt, für sich.) Kein Zweifel, er will sich emancipiren. da heißt es: vorbauen.

Vierzehnte Scene.

Vorige. Blase. Später Auguste (die aus ihrem Zimmer kommt und im Hintergrunde bleibt).

Blase. Hermann, geliebter Mündel – Herr Spitz, ach, ich kann vor Rührung keine Worte finden. So eben bin ich dem Herrn Secretär begegnet. Seine Excellenz der Herr Präsident lassen mir sagen – Hermann, Sie sind – (Schluchzend.) Assessor geworden.

Spitz. Assessor?

Auguste (tritt vorwärts). Assessor?

Blase. Wirklicher Assessor! Denke Dir, Nichte! Kaum dreiundzwanzig Jahre und schon etwas Wirkliches.

Auguste. Das ist wirklich zum Erstaunen. Gratulire, junger Herr – junger Herr Assessor!

Blase. Nichts mehr mit junger Herr! Ein wirklicher Beamter ist niemals jung, ist eo ipso undex officio mündig. Herr Baron, ich hoffe, Sie fühlen die Wichtigkeit dieses großen Moments. Seit Sie in die Wirklichkeit getreten sind, sind Sie kein Jüngling mehr, sind Sie ein Mann. Ich werde Sie auch in Zukunft als solchen behandeln. Augenblicklich setz' ich die Schrift auf, an die hochlöbliche Behörde, und ersuche, daß man Sie großjährig erklärt.

Hermann. Großjährig?

Auguste. Wunder über Wunder!

Blase. Ja, großjährig! Wir brauchen keine Obervormundschaft – nicht wahr, Herr Spitz? (Zu Hermann.) Aber ich hoffe, Sie werden auch in Zukunft meinem väterlichen Rathe folgen, wie bisher – nicht wahr, Herr Spitz? – Doch das ist keine Frage! Denn die Familienbande – – haben Sie mit meiner Nichte gesprochen, haben Sie? Hat er, Nichte? Aber gleichviel! – Auguste, Herr Assessor, ich segne Euch provisorisch. Jetzt an die hochlöbliche Behörde. (Ab in das Seitenzimmer rechts.)

Spitz (beobachtend). Assessor – und großjährig!

Auguste (auf Hermann weisend, der in sich gekehrt steht). Jetzt ist der Philister fertig.


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