Honoré de Balzac
Physiologie der Ehe
Honoré de Balzac

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Von den Verteidigungsmitteln im Innern und nach Außen

To be or not to be ...

Ehemannspolitik

Wenn ein Mann in die Lage gelangt, in der wir ihn im ersten Teil dieses Buches betrachtet haben, so nehmen wir an, daß der gewisse Gedanke, ein anderer besitze seine Frau, ihm noch Herzklopfen verursacht, und daß seine Leidenschaft aufflammen wird – entweder aus Eitelkeit oder aus Eigensucht, denn wenn er nicht mehr auf seine Frau hielte, wäre er ein höchst erbärmlicher Mensch und hätte sein Schicksal verdient.

In dieser langandauernden Krisis ist es für einen Ehemann sehr schwer, keine Fehler zu begehen; denn die meisten von ihnen verstehen von der Kunst, eine Frau zu lenken, noch viel weniger als von der Kunst, die rechte Wahl zu treffen. Dabei besteht die Ehemannspolitik eigentlich nur in der beständigen Anwendung dreier Grundsätze, die die Seele seines Verhaltens bilden müssen. Der erste: glaube niemals, was eine Frau sagt; der zweite: kümmere dich nicht um den Buchstaben, sondern suche stets in den Geist ihrer Handlungen einzudringen; der dritte: vergiß nicht, daß eine Frau niemals so geschwätzig ist, wie wenn sie schweigt, und daß sie niemals so energisch handelt, wie wenn sie ruht.

Von nun an gleichst du einem Reiter, der auf einem mutwilligen Pferde sitzt und stets zwischen dessen Ohren durchsehen muß, wenn er nicht aus dem Sattel geworfen werden will.

Aber die eigentliche Kunst liegt viel weniger in der Kenntnis der Grundsätze, als in der Art ihrer Anwendung: Dummköpfe in sie einzuweihen, das wäre dasselbe, wie wenn man einem Affen ein Rasiermesser in die Hand gäbe. Die erste und wichtigste aller deiner Pflichten besteht daher in einer beständigen Verstellung; hierin versehen es fast alle Ehemänner. Wenn sie bei ihren Frauen ein etwas zu scharf hervortretendes minotaurisches Symptom bemerken, legen die meisten Männer sofort ein beleidigendes Mißtrauen an den Tag. Ihnen läuft die Galle über, und sie lassen dies entweder in ihren Reden oder in ihrem Benehmen merken; die Furcht, die ihre Seele erfüllt, gleicht einer Gasflamme unter einer Glasglocke: sie erleuchtet ihre Gesichtszüge und erklärt ihr Benehmen.

Eine Frau nun, die täglich zwölf Stunden mehr Zeit hat als du, um nachzudenken und zu beobachten, die liest den Verdacht, der auf deiner Stirn geschrieben steht, im selben Augenblick, wo er sich in dir bildet. Diese unbeabsichtigte Beleidigung wird sie niemals verzeihen. Jetzt gibt es kein Heilmittel mehr; jetzt ist alles fertig: gleich am nächsten Tage, wenn es angeht, gehört sie zu den inkonsequenten Frauen.

Du mußt also, indem du die beiderseitige Stellung der kriegführenden Parteien erwägst, zunächst deiner Frau gegenüber dasselbe schrankenlose Vertrauen zur Schau tragen, das du bis dahin ihr wirklich entgegen brachtest. Suchst du sie durch süße Worte zu täuschen, so bist du verloren – sie wird dir nicht glauben; denn sie hat ihre Politik, wie du die deinige hast. Nein, du mußt mit recht schlau gespielter Gutmütigkeit vorgehen, um ihr unbewußt jenes kostbare Gefühl der Sicherheit einzuflößen, das sie veranlaßt, lustig mit den Ohren zu spielen, und dir erlaubt, stets nur zur rechten Zeit Zügel und Sporn zu gebrauchen.

Aber wie können wir wagen, ein Pferd, das aufrichtigste aller Geschöpfe, mit einem Wesen zu vergleichen, das gerade durch die Ausbrüche seiner Gedanken und durch die Leidenschaften seiner Sinne zeitweise vorsichtiger wird als der Servite Fra Paolo, der furchtbarste Ratgeber, den die venezianischen Zehn jemals gehabt haben; das gleisnerischer ist als ein König; gewandter als Ludwig der Elfte; tiefer als Machiavelli; sophistisch wie Hobbes; fein wie Voltaire; geschmeidiger als Mamolins Braut – das auf der ganzen Welt nur gegen dich Mißtrauen hat?

Daher genügt für dich noch nicht diese Verstellung, dank welcher die Triebkräfte deines Verhaltens so unsichtbar werden, wie die des Weltalls – sondern du mußt damit noch eine vollkommene Selbstbeherrschung verbinden. Die so hoch gerühmte diplomatische Unerschütterlichkeit des Herrn de Talleyrand muß die geringste deiner Eigenschaften sein; auch seine auserlesene Höflichkeit, die Anmut seiner Manieren muß in jeder deiner Bemerkungen zutage treten. Der Professor verbietet dir hier ganz ausdrücklich den Gebrauch der Reitpeitsche, wenn du es dahin bringen willst, deine hübsche andalusische Stute lenksam zu machen!

LX. Daß ein Mann seine Geliebte schlägt – das ist eine Selbstverstümmelung; aber daß er seine Frau schlägt! ... das ist ein Selbstmord!

Kann man sich denn eine Regierung ohne Polizei denken, ein Handeln ohne Kraft, eine Gewalt ohne Waffe ...? Dieses Problem werden wir in unsern künftigen Betrachtungen zu lösen suchen. Aber es liegen uns noch zwei Beobachtungen vor, die wir dir zunächst unterbreiten müssen. Sie werden uns zwei andere Theorien an die Hand geben, die sich auf die Anwendung aller jener mechanischen Mittel beziehen, deren Anwendung wir dir vorzuschlagen gedenken. Ein Beispiel aus dem Leben wird einige Frische in diese trockenen und dürren Erörterungen hineinbringen: wir verlassen gleichsam das Buch und begeben uns in die belebte Natur hinaus.

Im Jahre 1822 ging ich an einem schönen Januarmorgen die Pariser Boulevards entlang; ich spazierte von der friedlichen Gegend des Marais bis zum eleganten Gebiet der Chaussée d'Antin und beobachtete zum erstenmal nicht ohne eine gewisse philosophische Freude jene eigentümlichen Abstufungen in der Physiognomie und jene Verschiedenheiten in der Toilette, die aus jedem Abschnitte des Boulevards von der Rue du Pas de la Mule bis zur Madeleine eine Welt für sich und aus dieser ganzen pariserischen Zone eine reiche Musterauswahl aller möglichen Sitten machen. Ich hatte noch keine Ahnung vom Leben und dachte nicht daran, daß ich eines Tages so vermessen sein würde, mich zum Gesetzgeber der Ehe aufzuwerfen, sondern ich ging ganz einfach zum Frühstück zu einem Freunde, der sich, vielleicht ein wenig frühzeitig, eine Frau und zwei Kinder zugelegt hatte. Da mein früherer Mathematiklehrer ganz in der Nähe meines Freundes wohnte, so hatte ich mir vorgenommen, dem würdigen Mathematiker einen Besuch abzustatten, ehe ich meinem Magen die Leckerbissen der Freundestafel gönnte. Ohne angehalten zu werden, drang ich bis zu einem Kabinett vor, worin alles mit einer Staubschicht bedeckt war, die für die ehrenwerte Zerstreutheit des Gelehrten ein schönes Zeugnis ablegte. Aber es harrte meiner eine Überraschung. Ich bemerkte eine hübsche Dame, die auf der Armlehne eines Sessels wie auf einem englischen Pferde saß. Sie gönnte mir jenes höfliche, leichte Kopfnicken, das die Damen des Hauses für Leute übrig haben, die sie nicht kennen; indessen vermochte sie die schmollende Miene, die im Augenblick meines Eintritts ihrem Gesicht einen traurigen Ausdruck gab, nicht so zu verbergen, daß ich nicht gemerkt hätte, ich käme ungelegen. Mein Lehrer, der ohne Zweifel mit einer Gleichung beschäftigt war, hatte noch nicht den Kopf erhoben. Ich begrüßte die junge Dame mit einer Schwenkung meiner rechten Hand – wie ein Fisch, der seine Flosse bewegt – und zog mich auf den Fußspitzen zurück, indem ich ihr ein geheimnisvolles Lächeln zuwarf, das man etwa hätte übersetzen können: »Ich werde Sie ganz gewiß nicht daran verhindern, ihn eine Untreue gegen seine Urania begehen zu lassen.« Sie antwortete mir mit einer jener Kopfbewegungen, deren anmutige Lebhaftigkeit sich nicht wiedergeben läßt.

»Ei, lieber Freund, gehen Sie doch nicht!« rief der Mathematiker. »Ich stelle Ihnen meine Frau vor!«

Ich grüßte sie noch einmal.

O Coulon! Wo warst du, um dem einzigen deiner Schüler zu applaudieren, der deinen ›anakreontischen Ausdruck‹ begriffen hatte und ihn in eine Verbeugung hineinzulegen wußte! Die Wirkung mußte durchschlagend sein; denn ›Frau Professorin‹, wie die Deutschen sagen, errötete und stand schnell auf, um hinauszugehen, wobei sie mir eine leichte Verbeugung machte, die zu sagen schien: »Bewunderungswürdig!« Ihr Mann hielt sie zurück, indem er ihr sagte:

»Bleib, mein Kind; 's ist einer meiner Schüler.«

Die junge Frau neigte dem Gelehrten ihr Köpfchen zu, wie ein Vogel, der auf einem Zweig sitzt und den Hals vorstreckt, um ein Körnchen zu bekommen.

»Das ist unmöglich!« sagte ihr Gatte, indem er einen Seufzer ausstieß; »und ich werde es dir mit a plus b beweisen.«

»Ach, mein Herr, lassen wir das, bitte!« antwortete sie, indem sie mit einem Zwinkern der Augen auf mich deutete.

Mein Lehrer hätte diesen Blick begreifen können, wenn nur Algebra drin gewesen wäre; aber die Augensprache war für ihn chinesisch, und so fuhr er fort:

»Liebes Kind, schau mal her, du sollst selber entscheiden: wir haben zehntausend Franken Rente ...«

Bei diesen Worten wandte ich mich der Tür zu, wie wenn plötzlich einige eingerahmte Zeichnungen, die ich mir betrachtete, ein leidenschaftliches Interesse in mir erregt hätten. Meine Diskretion wurde durch einen sehr beredten Blick belohnt. Die Dame wußte nicht, daß ich im Fortunio die Rolle Feinohrs, der die Trüffeln wachsen hört, hätte spielen können.

»Die Grundsätze der Haushaltekunst im allgemeinen«, sagte mein Lehrer »verlangen, daß man für Wohnung und Dienstbotenlöhne nur zwei Zehntel des Einkommens ausgibt; nun, unsere Wohnung und unsere Leute kosten zusammen hundert Louis. Ich gebe dir zwölfhundert Franken für deine Toilette.« Dies sagte er mit Betonung jeder Silbe. »Deine Küche«, fuhr er fort, »beansprucht viertausend Franken; für unsere Kinder sind mindestens fünfundzwanzig Louis zu rechnen; für mich selber brauche ich nur achthundert Franken. Wäsche, Holz, Licht kommen ungefähr auf tausend Franken zu stehen; folglich bleiben, wie du siehst, nur sechshundert Franken, die noch niemals für die unvorhergesehenen Ausgaben gereicht haben. Um das Diamantenkreuz zu kaufen, müßten wir tausend Taler von unserm Kapital nehmen; wäre aber dieser Weg einmal beschritten, mein schönes Schätzchen, so bliebe nichts anderes übrig, als aus Paris, das du ja so sehr liebst, fortzuziehen; wir würden sehr bald genötigt sein, in die Provinz zu gehen, um durch Sparen die Verringerung unseres Vermögens wieder gutzumachen. Die Kinder wachsen und die Ausgaben auch! Also – nicht wahr? sei vernünftig!«

»Ich muß es wohl,« sagte sie; »aber Sie werden in ganz Paris der einzige sein, der seiner Frau kein Neujahrsgeschenk gegeben hat!«

Und sie eilte hinaus wie ein Schüler, der seine Strafaufgabe hergesagt hat. Mein alter Lehrer wiegte vergnügt den Kopf. Als er die Tür geschlossen sah, rieb er sich die Hände; wir plauderten vom Spanischen Krieg, und dann ging ich in die Rue de Provence; daß ich dem Anfang einer großen Lektion über eine der wichtigsten Fragen des Ehelebens beigewohnt hatte, ließ ich mir so wenig träumen, wie ich an die Eroberung von Konstantinopel durch General Diebitsch dachte. Ich kam bei meinem Gastgeber in dem Augenblick an, wo das Ehepaar sich zu Tisch setzte, nachdem es die von der allgemein hergebrachten Disziplin der Gastronomie verlangte halbe Stunde auf mich gewartet hatte. Es war, glaube ich, beim Öffnen einer Gänseleberpastete, als meine hübsche Wirtin in ungezwungenem Ton ihrem Mann sagte:

»Alexander, wenn du recht liebenswürdig wärest, gäbest du mir das Paar Ohrgehänge, das wir bei Fossin gesehen haben.«

»Da soll man sich verheiraten!« rief lachend mein Freund, indem er gleichzeitig aus seinem Notizbuch drei Tausendfrankenscheine zog, die er vor den blitzenden Augen seiner Frau hin und her schwenkte. »Ich widerstehe so wenig dem Vergnügen, sie dir anzubieten, wie du dem Vergnügen widerstehst, sie anzunehmen. Heute ist der Jahrestag unserer ersten Begegnung! Vielleicht werden die Diamanten dich daran erinnern.«

»Pfui, du Unart!« sagte sie mit einem entzückenden Lächeln.

Dann fuhr sie mit zwei Fingern in ihr Mieder, zog ein Veilchensträußchen hervor und warf es wie ein unartiges Kind meinem Freund an die Nase. Alexander gab ihr das Geld für die Ohrgehänge und rief:

»Ich hatte die Blumen wohl gesehen!«

Niemals werde ich die lebhafte Bewegung und die fröhliche Habgier vergessen, womit, wie eine Katze, die ihr Sammetpfötchen auf eine Maus legt, die kleine Frau die drei Banknoten ergriff; mit einem freudigen Erröten rollte sie sie zusammen und steckte sie an den Platz der Veilchen, die eben noch ihren Busen durchduftet hatten. Unwillkürlich mußte ich an meinen Mathematiklehrer denken. In diesem Augenblick sah ich zwischen seinem Schüler und ihm nur den Unterschied, der zwischen einem sparsamen Mann und einem Verschwender ist, und ich ließ mir nicht träumen, daß der anscheinend bessere Rechner von den beiden in Wirklichkeit am schlechtesten rechnete.

Das Frühstück verlief in sehr fröhlicher Stimmung. Bald saßen wir in einem neueingerichteten kleinen Salon vor einem Feuer, dessen sanfte Wärme angenehm die Glieder durchströmte, sie den Frost vergessen ließ und Frühlingsahnungen in ihnen erweckte; als Gast glaubte ich mich verpflichtet, dem jungen Liebespaar ein Kompliment über die Einrichtung dieses kleinen Betzimmers zu machen.

»Nur schade, daß die Geschichte so teuer ist!« sagte mein Freund; »aber das Nest muß doch des Vogels würdig sein! Aber zum Teufel auch, du wirst mir doch keine Komplimente machen über Vorhänge, die noch nicht bezahlt sind? Du störst mir meine Verdauung mit der Erinnerung, daß ich einem Türken von Tapezierer noch zweitausend Franken schuldig bin.«

Bei diesen Worten überflog die Hausherrin mit den Augen die Einrichtung des hübschen Boudoirs, und ihr bis dahin strahlendes Gesicht wurde nachdenklich. Alexander ergriff meine Hand und zog mich in eine Fensternische.

»Könntest du mir vielleicht zufällig so etwa tausend Taler leihen?« sagte er leise. »Ich habe nur zehn- bis zwölftausend Livres Rente, und dieses Jahr ...«

»Alexander!« rief das reizende Geschöpf, ihren Mann unterbrechend, eilte auf uns zu und streckte ihm die drei Banknoten hin. »Alexander – ich sehe wohl, es ist eine Torheit ...«

»Was fällt dir denn ein?« antwortete er; »behalte nur dein Geld.«

»Aber liebes Herz, ich ruiniere dich ja! Ich müßte wissen, daß du mich zu sehr liebst, und daß ich mir darum nicht erlauben kann, dir alle meine Wünsche anzuvertrauen.«

»Behalt es nur, Liebling! Es ist nun mal deine gute Beute. Bah! Ich werde diesen Winter spielen und werde es wieder gewinnen!«

»Spielen ...!« sagte sie mit einem Ausdruck des Schreckens. »Alexander, nimm deine Banknoten wieder! Vorwärts, mein Herr, ich will es.«

»Nein, nein!« antwortete mein Freund, indem er ihr weißes, zartes Händchen zurückschob; »gehst du nicht Donnerstag auf den Ball bei Frau von ...?«

»Ich werde über deinen Wunsch nachdenken,« sagte ich zu meinem Kameraden.

Und ich empfahl mich, indem ich seiner Frau eine Verbeugung machte; aber an der Szene, deren Anfang ich miterlebt hatte, sah ich wohl, daß meine anakreontischen Verbeugungen hier nicht viel Eindruck machen würden.

»Er muß verrückt sein,« dachte ich beim Gehen, »daß er von einem Studenten der Rechte tausend Taler leihen will!«

Fünf Tage darauf befand ich mich bei Frau von ..., deren Bälle anfingen, in die Mode zu kommen. Im glänzenden Durcheinander der Quadrillen bemerkte ich die Frau meines Freundes und die Frau des Mathematikers. Frau Alexander hatte ein entzückendes Kleid an, obwohl mit ein paar Blumen und mit weißem Musselin der ganze Aufwand bestritten war. Sie trug ein kleines Kreuz à la Jeannette an einem schwarzen Sammetbande, durch das die Weiße ihrer duftenden Haut gehoben wurde, und lange, spitz zulaufende Bommeln schmückten ihre Ohren. Am Halse der ›Frau Professorin‹ funkelte ein prachtvolles Diamantenkreuz.

»Das ist ja komisch!« sagte ich zu einem Menschen, der bis dahin weder in dem großen Buch der Welt gelesen, noch ein einziges Frauenherz enträtselt hatte.

Dieser Mensch war ich selber. Und wenn ich in diesem Augenblick Lust bekam, die beiden hübschen Frauen zum Tanze aufzufordern, so geschah es einzig und allein deshalb, weil ich einen Gesprächsstoff bemerkte, der meine Schüchternheit aufmunterte.

»Ah, gnädige Frau, Sie haben Ihr Kreuz bekommen?« sagte ich zur ersten.

»Aber ich habe es mir ehrlich verdient!« antwortete sie mit einem unbeschreiblichen Lächeln.

»Wie? Keine Ohrgehänge?« fragte ich die Frau meines Freundes.

»Ach!« sagte sie, »ich habe während des ganzen Frühstücks den Genuß davon gehabt! ... aber sehen Sie, schließlich habe ich Alexander doch bekehrt ...«

»Er hat sich wohl leicht verführen lassen?«

Sie sah mich mit einer triumphierenden Miene an.

Acht Jahre später erhob sich plötzlich in meiner Erinnerung diese Szene, die mir bis dahin nichts gesagt hatte; und im Schimmer der Kerzen, beim Funkeln der Brillantenfacetten sah ich deutlich die Moral der Geschichte. Ja, die Frau hat einen Abscheu davor, überzeugt zu werden; wenn man sie dagegen überredet, so gibt sie damit einer Verführung nach und bleibt in der Rolle, die von der Natur ihr zugewiesen ist. Wenn sie sich gewinnen läßt, so bedeutet das für sie, daß sie eine Gunst gewährt; aber logische Auseinandersetzungen regen sie auf, sind tödliches Gift für sie. Um sie zu lenken, muß man sich also der Macht zu bedienen wissen, die sie selber so oft zur Anwendung bringt: des Gefühls. Nicht in sich selber also, sondern in seiner Frau wird ein Ehemann die Elemente finden, auf die er seine unumschränkte Herrschaft begründen kann: man muß die Frau, wie den Diamanten, nur sich selber gegenüberstellen. Mit rechter Art Diamantenohrgehänge anzubieten, um sie sich wiedergeben zu lassen – das ist ein Geheimnis, das bei den geringsten Kleinigkeiten des Lebens entsprechende Anwendung finden kann.

Nun zu unserer zweiten Beobachtung!

›Wer ein Vermögen von einem Toman zu verwalten weiß, kann auch eins von hunderttausend Tomans verwalten,‹ sagt ein indisches Sprichwort. Ich gebe dieser asiatischen Weisheit einen weitern Sinn und sage: ›Wer eine Frau regieren kann, kann ein Volk regieren.‹ Zwischen diesen beiden Regierungsarten bestehen wirklich viele Ähnlichkeiten. Muß nicht die Politik der Ehemänner so ziemlich dieselbe sein, wie die der Könige? Wir sehen ja, wie diese das Volk zu amüsieren suchen, um ihm seine Freiheit zu stehlen; wie sie ihm einen Tag lang Speisen in Hülle und Fülle an den Kopf werfen, damit es den Hunger und die Entbehrungen eines ganzen Jahres vergessen möge; wie sie ihm predigen, es dürfe nicht stehlen, während sie selber es ausplündern; wie sie zu ihm sagen: Mich dünkt, wenn ich Volk wäre, so wäre ich tugendhaft!‹

Den Präzedenzfall, der für die verheirateten Männer in ihrer Ehe maßgebend sein muß, wollen wir uns aus England holen. Wer Augen hat, zu sehen, der hat bemerken müssen, daß von dem Augenblick an, wo in England das Prinzip der ›Gouvernementabilität‹ vollkommen ausgebildet worden ist, die Whigs nur sehr selten zur Regierungsgewalt gelangt sind. Stets ist einem liberalen Eintagskabinett ein lang dauerndes Torykabinett gefolgt. Die Redner der Nationalpartei gleichen Ratten, die sich die Zähne an einem verfaulten Brett stumpf nagen, womit man gerade in dem Augenblick, wo sie die in der königlichen Speisekammer verwahrten Nüsse und Speckseiten riechen, das Loch vernagelt. Die Frau ist die Whigpartei deiner Regierung. In der Lage, in der sie sich, wie wir gesehen haben, befindet, muß sie selbstverständlich mehr als ein Vorrecht des Mannes hinwegzuräumen trachten. Schließ deine Augen zu ihren Kabalen, laß sie ruhig ihre Kraft vergeuden, um die Hälfte der Stufen deines Thrones zu erklimmen; aber wenn sie das Zepter zu ergreifen glaubt, dann wirf sie zur Erde – ganz sacht und mit der allergrößten Anmut, ruf ihr dabei ›Bravo!‹ zu und laß ihr die Hoffnung auf einen demnächstigen Triumph. Die besonderen Feinheiten dieses Systems werden eine außerordentliche Verstärkung aller jener zur Zähmung deiner Frau dienenden Mittel sein, die du nach freier Wahl unserm Arsenal entnehmen kannst.

Dies sind die allgemeinen Grundsätze, die ein Ehemann befolgen muß, wenn er nicht in seinem kleinen Königreich Fehler begehen will.

Und jetzt wollen wir, trotz der Meinung der Minorität auf dem Konzil zu Mâcon – Montesquieu, der vielleicht die konstitutionelle Regierungsform vorausgeahnt hatte, hat allerdings irgendwo einmal gesagt, in Versammlungen sei der gesunde Menschenverstand stets aufseiten der Minderheit –, jetzt wollen wir annehmen, daß die Frau nicht nur einen Leib, sondern auch eine Seele hat, und wollen zunächst die Mittel betrachten, wie der Mann sich in moralischen Dingen zu ihrem Herrn machen kann. Das Schaffen des Gedankens – man mag sagen, was man will – ist edler als das des Körpers: wir geben daher der Wissenschaft den Vorrang vor der Küche, stellen die Bildung höher als die Hygiene.


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