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Wie's nicht anders zu erwarten war.

Novelle von Helene Hirsch.

Hahahaha! So muß man anfangen, will man von der Hochzeit erzählen, die vorigen Sonntag um 11 Uhr in Maxdorf stattgefunden hat.

Also der Bruckner Lorenz … Kennt den jemand? Wie der junge Andre Hofer, dem Aeußern nach nur, versteht sich. Aber sonst? Gott bewahre, Andre Hofers Andenken in Ehren! Seine leibliche Mutter sagt selber von ihm: »Gott gnad' dem Mädel, das er einmal heimführt! Da gibts Hölle und Fegfeuer zugleich im Haus.« – Das sagt seine leibliche Mutter über ihn. Und wenn das eine leibliche Mutter sagt, muß es doch seine Richtigkeit haben.

Hat aber nicht, »just nicht«, wie die Anna Witt sagen würde. Die Sache ist die: seine Mutter – eine stattliche Witfrau noch immer – will nicht, daß er heiratet, möchte nicht gern das Hausregiment an eine andre abgeben, meint, es hätt' noch Zeit damit, bis sie alt und gebrechlich geworden ist. Es wird aber auch ein wenig Eifersucht dabei sein. Ihr Lenzl, der ist ihr halt ans Herz gewachsen. Sie gönnt ihn keiner, und wenns die beste wär. Und darum möchte sie ihren Buben am liebsten mit Stacheldraht umwickeln, damit ihm keine zu nahe kommt, und weil das nicht angeht, umgibt sie ihn wenigstens mit Hölle und Fegfeuer, um die Dirnen von ihm abzuschrecken. Es nutzt aber nichts. Sie glauben nicht an Hölle und Fegfeuer, solang sie nicht drin sind, und es gibt sogar welche, die ganz gern hineinkommen möchten. Das ist aber nicht so einfach. Und das hat wieder seine Ursache darin: ist der Brucknerin jede, selbst die beste zu schlecht für ihren Lenz, ist ihm, dem Lenz, jede recht. An jeder, auch an der Garstigsten, findet er etwas, was ihm gefällt, an der einen ein Löckerl, an der andern ein Fleckerl. Und ist nicht einmal ein Löckerl oder ein Fleckerl vorhanden, das sein Wohlgefallen erregt, dann hat sie doch wenigstens ein unschuldiges Gemüt oder eine gar so zutunliche Dummheit, die ihn gefangen nimmt, wenigstens für die Fastenzeit – wenn nicht – kürzer. Käme es auf ihn an – und wenn es anging – er möchte jede Woche eine andre heiraten, alle, durch die Bank, der Hausnummer nach, damit keine ausgelassen wird. Fünfen, wenn nicht sechsen – es können auch gut sieben gewesen sein – hat er wirklich und wahrhaftig das Heiraten versprochen. Nicht allen auf einmal, daß man denkt, nein, so gewissenlos ist der Lorenz nicht – schön der Reihe nach! Ob es gerade nach der Hausnummer war, wär noch sicher zu stellen. Aber zur Hochzeit ist es doch nie gekommen, und das aus dem Grunde, weil ihm da noch in letzter Stunde die nächste – Hausnummer könnte man beinahe sagen – doch noch besser gefallen hat. Das war der eigentliche Grund, aber er hat immer einen andern vorgeschoben – seine Mutter.

Das eine ist richtig: Sie hat bei Gott und allen Heiligen geschworen, in den Brunnen zu springen, sofern es mit der oder jener zur Hochzeit kommen sollte.

Lenz ist das erstemal wirklich erschrocken und hat seine Mutter sofort beruhigt. Wenn er sich auch mit einem Dirndel »versprochen« hat, so hat er sich dann nur versprochen, und so ein »Versprechen« braucht man nicht zu halten. Die Brucknerin war für diesmal beruhigt, Lenz aber hat sich ihre Drohung hinter den Hut gesteckt, als wirksame Ausred' den Dirndeln gegenüber – für kommende Fälle. In den Brunnen springen – um Gotteswillen! Wer will an dem Tode seiner Mutter schuldig werden? Da lieber auf sein Lebensglück verzichten und als Einsiedler sein Leben beschließen, als Muttermörder sein …

Hm, diese Rede hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Es hat Tränen gegeben, viel Tränen, aber endlich hats das Dirndel doch eingesehen, und Lenz ist mit beiden Augen heil davongekommen.

Auch das zweitemal war diese Ausrede gut angebracht. Aber nach und nach sind die Todesarten ausgegangen, die seine Mutter eingehen wollte – im Falle daß … und so weiter … und dem Lenz ist nichts andres übrig geblieben, als wieder von vorn anzufangen und seine Mutter in den Brunnen springen zu lassen. Das war bei der Rosa Neuhübel. Da kam er aber schön an! Man hat ihn schneller, als wie es mit den eigenen Füßen gegangen wäre, aus der Türe springen lassen, damit er seine Mutter noch rechtzeitig von ihrem gefährlichen Vorhaben abbringen könne.

So – jetzt liegt er auf dem Steinhaufen, zerschunden und zerschlagen. Obs nur jemand gesehen hat? Es ist schon dunkel, Gott sei Dank! Kein Mensch in der Näh'. Also sagen wir, es war nichts. Auf!! Wie spät haben wirs denn? O je, das Uhrglas ist zerbrochen … halb acht … Da war' noch Zeit zu Anna Witt zu gehen. Ei, der Teufel! Da am Knie ist die Hose durch. Na, die muß man doch erst flicken lassen. Da ist also nichts für heut, aber morgen. Morgen mäht die Anna Witt ober der Kapelle, da kann man ihr helfen. And ein Vergeltsgott wird es dann schon geben. Grasschneiden ist für die Dirndln eine zuwidere Sache, das weiß er. Also morgen.

Ja, morgen! Den nächsten Tag hat die Rosa Neuhübel alle ihre Kameradinnen zur Kirschenlese in ihrem Garten eingeladen. Für drei Ahr nachmittags. Auch die Anna Witt. And sie sind gekommen – alle – auch die Anna Witt. Die Kirschenlese war aber nur der Vorwand. Kirschen – um den Bruckner Lenz.

Gegen den wird eine Verschwörung instand gesetzt. So und so viele Dirndln hat er zum Narren gehalten, hat ihnen die Treue gebrochen – das Maß ist voll, jetzt soll er dafür büßen. Von heut an soll er für sie – es waren ihrer neunzehn oder zwanzig – wird er für sie das sein, was für ein Dirndln eine Pfeife ist, aus der ein schlechter Tabak geraucht wird. Sobald er in ihre Nähe kommt, werden sie den Kopf abwenden und die Nase rümpfen … So haben sie alle geschworen – die neunzehn oder zwanzig – auch die Anna Witt.

Und die hat die Schwurfinger am höchsten gereckt und am lautesten geschworen: »Er solls büßen!« – And was tut sie am Abend um sechse auf der Wiese ober der Kapelle? Sie mäht Gras.

Na, das ist doch nichts Schlechtes. – Nein, aber der Lenz Bruckner steht bei ihr ganz nah und fragt sie, ob sie ihn nicht ein bissel gern haben könnte, nur den tausendsten Teil von dem, wie er sie mag – und ob sie nicht die Seine werden möcht'? Und sie – sie dreht den Kopf nicht beiseit und rümpft nicht die Nase, sondern lacht ihn an und antwortet: Ein Ja kann er nur am Traualtar zu hören bekommen – ein Nein gleich auf der Stell' – was ihm lieber ist?

Na, das Ja; und obs nicht gleich auf der Stell' zu haben wär'?

Da hebt sie die Sichel gegen ihn.

Jetzt weiß er, woran er ist. – Also gut, er will warten …

Den nächsten Tag wissen es alle Mädel, daß der Lenz Bruckner bei der Anna Witt auf der Wiese ober der Kapelle war. Da hats Sturm gegeben unter ihnen! Die Falsche, die Wortbrüchige, die Meineidige! So hält sie ihren Schwur! Läßt den Lenz nahe kommen, ohne den Kopf zu wenden, ohne die Nase zu rümpfen. So tut keine, die auf Rechtschaffenheit hält.

Und Anna Witt rümpft die Nase. Nur weiß man nicht recht, ob nachträglich über den Bruckner, oder über ihren Eid, oder über ihre Rechtschaffenheit. Und sie läßt den Sturm um sich herum ein bissel austoben, stützt dann die Arme in beide Seiten und nickt allen zu. Die Dummen, Kurzsichtigen, wissen sie denn nicht, was sie vorhat? Geschworen hat sie, der Lenz soll büßen. Nun ja, den Schwur will sie halten. Das Wie wär' ihre Sache. Aber mit dem bloßen Nasenrümpfen wird es nicht abgetan sein. Sie wird … sie … aber erst müssen sie ihr das feierliche Versprechen geben, niemandem – auch nicht Vater, Mutter, Bruder, Schwester davon zu sagen!

Das versteht sich von selbst; niemandem!

Also sie wird ihn – den Lenz – bis zum Traualtar bringen und dann vor allen öffentlich und feierlich – im Namen aller Dirndln – Nein sagen.

Ah, ah, ahhhhhhh! Das ist freilich besser als Nasenrümpfen. Und sie klatschten die Hände: Bravo, Anna Witt!

Ja, aber, wenns nur soweit kommt, bis zum Traualtar, meinen die Zaghaften.

Da ist der Anna Witt nicht bange. Solang hält sie den Lenz schon fest.

Nur nichts sagen, nichts verraten!

Nein, nein, nein. – Und sie hätscheln und tätscheln an ihr herum und loben sie als die Gescheiteste von allen …

Den nächsten Tag kann sich der Bruckner Lenz nicht genug wundern, daß die Dirndln so merkwürdige Gesichter schneiden, wenn er ihnen begegnet. Der Dümmling, was weiß er auch, was ihm bevorsteht! Und in der Erinnerung daran kommt den Mädeln immer das Lachen, so daß sie nicht recht die Nase rümpfen können, wie sie es einander zugeschworen haben.

Aber Lenz braucht sich nicht lange zu wundern. Den nächsten Tag weiß er schon aus dritter oder vierter Hand, was sich im Neuhübelgarten zugetragen hat, und daß die Anna Witt vor dem Traualtar Nein sagen will.

Der Lenz spuckt Gift und Galle.

Na wart, du Kröte, dir soll der Spaß verdorben werden! – Und er beruft zur selben Stunde seine Kameraden zum Stöcklerwirt.

Was sie dazu sagen? Ob sie schon sowas gehört haben? Ein Dirndl will Nein sagen beim Altar, weil – nun weil er erst ein bissel herumgesucht hat, bis er zu der richtigen gekommen ist. Hat man denn nicht das Recht dazu? Wie soll man aber die Richtige finden, wenn nicht durch nähern Umgang mit den Dirndln? … Und seine Mutter war auch nicht einverstanden und wollt' in den Brunnen springen, wenn er die und die und die heiratete, also hat er nicht anders tun können, als um eine Nummer weiter zu gehen. Und jetzt nimmt man ihm das übel, will ihn gar strafen dafür, will ihn und mit ihm alle Burschen zum Gespött der Welt machen. Kann man das dulden?

Nein, schreien alle, das kann man nicht dulden, das darf nicht geschehen! Also was?

Der Spitzel ist der Gescheiteste von allen, der meint: Na, s' ist doch erst am Mann die Reih', Ja vor dem Altar zu sagen, nicht? Sagt er halt zuerst Nein und kommt so der Braut zuvor …

Das ist das einzig Richtige, das finden alle. Und der Bruckner Lenz schwört: Nein will er sagen, und das so laut, daß die Glocken zu läuten anfangen.

Soviel Bier ist beim Stöcklerwirt an einem gewöhnlichen Tag noch nie getrunken worden, und soviel Krügel hat der Lenz für seine Person in einem Monat zusammen nicht gezahlt, wie heute. Aber schließlich war er der Nächste dazu. Auf wessen Rechnung hätte es denn sonst kommen sollen? Und die Sache war es wert.

Spät ist es geworden, sehr spät. Der Lenz traut sich kaum nach Haus.

Auf den Fußspitzen will er an der Kammer seiner Mutter vorbei.

Da reißt sie die Tür auf und steht da mit dem Licht in der Hand.

Wo er denn war? Wohl bei ihr …

Die Brucknerin hat schon von der neuen Liebschaft ihres Lenzl gehört, und die Anna Witt erscheint ihr als die Gefährlichste von allen.

In den Brunnen will sie springen oder Gift nehmen. Lenz soll sagen, was ihm am liebsten wär'.

Da lacht er … hört nicht auf zu lachen. Und dann erzählt er ihr, was er vorhat. Dabei verschweigt er aber, daß die Anna das gleiche Vorhaben noch vor ihm gefaßt hat. Die Kröte, die!

Da fällt eine Zentnerlast vom Herzen seiner Mutter. Tut er das, ihr Lenzl, dann ist er sicher vor jeder Eh', dann weiß eine jede, daß auf ihn in der Beziehung nicht zu rechnen ist. Das wirkt dann besser als Stacheldraht und Hölle und Fegfeuer zusammen. Ja, ihr Lenzl, das ist ein Kopf!

Der alte Witt ist nicht wenig aufgebracht, als ihn Anna mit der Erklärung unter die Augen tritt, der Bruckner Lenz will nächsten Sonntag zu ihm kommen, um ihre Hand anhalten. Der Vater soll guten Wein vorbereiten und eine ebene Red'.

Da ist der alte Witt in die Höh' gefahren! Ob sie denn nicht wisse, wie er mit Bruckners steht? Zweimal hat er um die alte Brucknerin angehalten und zweimal einen Korb bekommen. Und jetzt will sich der Sohn der Korbflechterin von ihm ein Ja holen und die Tochter dazu? Nein, nein, und nein! Und er schlägt mit der Faust auf den Tisch.

»Und just ja!«, sagt die Anna und tut mit beiden Fäusten dasselbe. Wenn die Anna Witt: Just ja! sagt, dann stehts, dann nützt kein Wort dawider. Das weiß der alte Witt gar gut. Und so verlegt er sich aufs Bitten. Sie soll ihm das nicht antun, sonst … sonst … heiratet er noch an demselben Tag, und sie bekommt dann eine böse Stiefmutter und nur das halbe Erbe.

Das will sie denn doch nicht. Und da zupft sie ihren Vater am Ohr. Ob er sie nicht kenne? Glaubt er, daß sie nicht weiß, was sie ihrem alten, lieben Vater schuldig ist? Hat er ein Nein von der Bruckner gekriegt, soll es jetzt ihr Sohn zurückbekommen vor allen Leuten am Traualtar, und die Brucknerin kann sichs dann in der Schürze nach Haus tragen.

Da hat der alte Witt losgelacht, daß der Kalk von der Zimmerdecke herabgefallen ist. Hahahahaha!

Am nächsten Sonntag ist die Sache richtig geworden. Der junge Bruckner hat einen Wein vorgesetzt bekommen, wie er ihn zeitlebens noch nicht getrunken hat, und ein paar Zigarren noch dazu. Und was die Rede anlangt, war sie nur deshalb nicht eben, weil sie von unterdrücktem Lachen Beulen abgekriegt hat. Das war weiter kein Unglück. Bei solchen Gelegenheiten sind solche Reden immer holprig und stolprig. Uebrigens hatte der Wein und die Zigarren die Unebenheiten ausgeglichen, und das Annerl auch. Die war voll Liebe und Zärtlichkeit. Die Kröte, die! …

Soweit war also die Sache gediehen und auch noch weiter. Es hat kein glücklicheres Brautpaar gegeben als die beiden. Und was das Merkwürdige dabei war – es hat kein Mädel im Ort gegeben, das ihnen dieses Glück nicht gegönnt hätte. Sind die beiden durchs Dorf gegangen – Hand in Hand natürlich, – da hat's kein Nasenrümpfen gegeben, nur überall ein Nicken und Grüßen und eitel Freundlichkeiten von Tür und Fenster, und wieder ein Nicken und Freundlichkeit von Seiten der Anna. Manchmal hat aber der Lenz ein Augenzwinkern von hüben und drüben aufgefangen, das ihn immer wieder Annas Vorhaben in Erinnerung gebracht hat. Na wart, du Kröte! …

Im Witthof hat alles Füße und Hände. Der alte Witt stattet seine Tochter aus wie der reichste Großgrundbesitzer. And jedes Stück von dem Heiratsgut führt er dem »lieben Schwiegersohn« vor die Augen. Einhundertsechsundfünfzig Stück umfaßt die Liste; darunter sind Ochsen und Kühe und große Truhen voll Wäsche und weiche Federbetten, damit der »liebe Schwiegersohn« ja weich zu liegen komme. Auch einen tüchtigen Brocken Geld soll die Anna mit ins Haus bringen, das versteht sich von selbst. And zuletzt zeigt er dem Lenzl sein Testament, worin Anna als einzige Erbin von Haus und Hof und allem beweglichen und unbeweglichen Gut eingesetzt ist.

Dem Lenz wässert der Mund nach den hundertsechsundfünfzig Stücken – am meisten aber nach der Anna. Teufel nochmal! Das Neinsagen wird ihm recht schwer werden, aber es muß sein, da gibts nichts. Also nein, nein, nein, nein!

Und der Tag der Hochzeit rückt heran …

Auch die Brucknerin läßt sich nicht spotten. Dort wird gemalt und gedielt und gescheuert, werden frische Vorhänge aufgesteckt und im Vorgarten neue Beete ausgestochen. And alle Kleidungsstücke des Lenz hängen am Zaun, und sie werden ausgeklopft und instand gesetzt, damit die »liebe Schwiegertochter« alles in schönster Ordnung vorfindet.

Es hat ja auch sein müssen, denkt sie – und das lenkt jeden Verdacht von mir ab, daß ich mit dem Nein einverstanden war.

Sie hat die künftige Schwiegertochter mit allen Ehren und mit aller Liebe empfangen, hat ihr ein Stück Hausleinen geschenkt und ihr als Hochzeitsgeschenk ein schönes seidenes Umhängetuch, drei Schnüre echter Korallen mit goldener Schließe und ein Gebetbuch mit Elfenbeindeckeln versprochen. Die roten Korallen haben auf die Anna großen Eindruck gemacht, das hat Lenz ihr angesehen, aber hinterher hat sie auf der Straße doch wieder den Kameradinnen zugezwinkert. Die Kröte, die!

Der Wahrheit gemäß muß man erwähnen, daß der Brucknerin die »Schwiegertochter« wirklich in allen Stücken gefallen hat, und das schon aus dem Grunde, weil sie nie ihre Schwiegertochter werden sollte, und es hat ihr doch ein wenig leid um sie getan, denn allem Anschein nach – und wie es nicht anders möglich war – hat die Anna ihren Lenzl schon recht tief ins Herz geschlossen und verdiente diese Kränkung nicht. And so hat die Brucknerin beschlossen, der lieben Anna noch vor der Hochzeit das Gebetbuch zukommen zu lassen …

Und der Hochzeitstag war da. Einen schöneren hatte der liebe Herrgott von seinem Kalender nicht herunterreißen können. Blauer, wolkenloser Himmel, die Sonne drauf wie eine goldene, blankgeputzte Ehrenmedaille, die Berge ringsum klar, das Tal vom gestrigen Regen erquickt und die Straßen ohne jeden Staub. Das ganze Dorf in Festtagsstimmung, als würde aus jedem Haus eine Braut heraustreten und Hochzeit halten.

Die beiden Häuser hüben und drüben sind mit Reisig und Fähnchen und Blumen geschmückt. Von frühauf stehen weiße Dirndln vor der Tür und die Straße entlang, und überall ein Wispern und Augenblinzeln und schadenfrohes Erwarten.

Der Lenz steht vor dem Spiegel und rasiert sich. And der Spiegel zeigt ein Gesicht, wie es zuwiderer nimmer aussehen kann. Kreuzteufelelement! So eine Hochzeit hats sicher noch nie gegeben, wo jedes von den Brautleuten nein sagen will … Am besten wärs, die Trauung abzusagen … Das wird ja ein Gered' geben, weit und breit. Absagen – hm – das Gescheiteste wärs. Aber nein, sie verdient schon die Strafe, die Kröte, die! Wie lieb sie gestern noch war und wie zutunlich! Hat sich im Jasagen geübt und hat ihn gefragt, ob er es laut oder leise sagen wird, und hat dann gemeint, ein Mann solls schon recht laut sagen, das zeigt seinen starken Willen. Bei einer Braut aber macht sichs besser, wenn sie es zaghaft sagt und schüchtern, weil ihr doch ein bissel bang sein muß vor dem Augenblick, wo sie eine so schwere Verantwortung auf sich nimmt. – Und beim Abschied hat sie so herzlich gesagt: »Also morgen!«

Und morgen ist heut'. Und heut will sie nein sagen, und er ist gewiß, sie sagt es. Das sieht er schon an ihren Kameradinnen, an der Rosa besonders. Die hat gar so was Schadenfreudiges im Gesicht.

Na wart, du Kröte!

Jetzt freut er sich förmlich auf den Augenblick, wo er wird nein sagen können. Und so laut will er es sagen, daß die Glocken zu läuten anfangen …

Und er schreit in den Spiegel hinein: Nein, nein, nein!

Seine Mutter setzt gerade in der Nebenkammer ihre Hochzeitshaube auf. Sie hört den Lenzl schreien und lächelt voll Glückseligkeit. Er übt sich im Neinsagen. Recht so! Dirndln, Hand ab von ihm, da ist Stacheldraht 'rum!

Glockenläuten, Böllerschüsse … Der Brautzug setzt sich in Bewegung. Eine stattliche Reihe, das muß man sagen! Und allen voran geht die frohe Erwartung und schlägt vor Uebermut einen Purzelbaum nach dem andern. Der Schullehrer sitzt bei der Orgel, die Schulkinder sind schon singbereit, und die Buben stimmen ihre Geigen. Die Kirche ist gesteckt voll.

Das Brautpaar tritt seinen Gang an.

Die Anna Witt ist die schönste Braut, die man seit Jahren hier gesehen hat. Auch der Lenz läßt sich nicht spotten. So muß der junge Andre Hofer ausgesehen haben, als er die Hoferin zum Altar geführt hat, nur daß der tausend Ja im Herzen und auf der Zunge hatte, und der Lenz nur ein Nein.

Auch die Brucknerin schaut heut' besonders sauber aus. Der alte Witt kann ihr die Körbe heut noch weniger vergeben als sonst und freut sich nun auf das Vergeltsgott.

Und als ob sie seine Gedanken erraten hätte, denkt die Brucknerin: Freu dich, alter Esel, heut kriegst du den dritten Korb ins Haus!

Und die Dirndln sind alle aufgeputzt und stehen knapp am Altar, und die fünf, sechs oder sieben, denen der Lenz das Heiraten versprochen hat, stehen in der ersten Reihe.

Und die Buben auf der andern Seite. Und die Blicke wandern hinüber – herüber und jeder ist Trumpf.

Die Anna Witt blinzelt zu ihren Kameradinnen hinüber, und der Lenz zu seinen Kameraden. Und wenn das Blinzeln von den Augen sich losgelöst hätte wie im Spätsommer die tanzenden Puppen von den Lindenbäumen, das wär' ein Gewirbel in der Kirche gewesen! –

Mit einem festen Wort setzt die Orgel ein, als wollte sie sagen: Jetzt wirds ernst!

Der Pfarrer tritt an den Altar, und nach kurzer Einleitung oben kommt er die Stufen herab zum Brautpaar. Er hat das Jasagen zur Grundlage seiner Rede genommen und seine Bedeutung für mannigfache Fälle und seine besondere Bedeutung für den heutigen Tag … Nicht leichtsinnig darf man es geben, denn es kann nicht zurückgenommen werden. And wer es bereits im Herzen hat, der bringt es leicht über die Lippen … Und es soll da stets eine Uebereinkunft sein zwischen Herz und Mund. Drum prüfe sich jeder noch in letzter Stund' und antworte dann nach seinem Herzen.

Die Orgel hatte diese Rede mit ganz leiser Stimme begleitet, und diese zitterte ein wenig, als wär' ihr bange vor der nächsten Entscheidung.

Lenz fährt sich über die Stirn. Dort stehen dicke Schweißtropfen. Auch der Brucknerin ist es schwül geworden. Sie findet, in der Rede waren zu viel Ja. Wie leicht kann da eins im Gedächtnis hängen geblieben sein, und man verspricht sich dann …

Der alte Witt sieht aus wie ein Bär, der auf einer heißen Eisenplatte tanzen lernt. Er tritt von einem Fuß auf den andern immer schneller, immer schneller.

Und alle andern stehen vorgeneigt da und erwarten den nächsten Augenblick in atemloser Ungeduld.

Endlich ist es soweit … Der Pfarrer wendet sich an Lenz mit der verhängnisvollen Frage …

Dem steigt das Blut zu Kopf.

Ja, ja, ja, ja, klopft sein Herz. And was das Herz sagt, soll der Mund wiederholen. Ja, ja, ja, ja … Es saust ihm in den Ohren, es braust ihm von der Orgel zu, es singt in seinem Blute: ja, ja, ja, … die Zweige der Kastanien draußen klopfen an die Kirchenfenster: ja, ja, ja … es ist dem Lenz, als würden es jetzt alle Leute in der Kirche rufen: ja, ja, ja. Und diese Ja bekommen jetzt Flügel und sehen aus wie die kleinen Engel an dem Muttergottesbilde am Altar und umflattern ihn immer enger, immer enger, und er kann sich ihrer nicht erwehren, und da muß er … da muß er … »Ja!« rufen.

Und so laut, daß die Glocken zwar nicht zu läuten anfangen, daß aber alle zusammenfahren. Und so findet es jeder erklärlich, daß die Brucknerin dabei ins Wanken gekommen ist.

Und die Burschen tun vor Erstaunen den Mund auf und bekommen ihn sobald nicht wieder zu.

Und der Pfarrer schmunzelt. Jetzt steht er vor Anna Witt und stellt an sie die Frage.

Anna läßt sich Zeit mit der Antwort.

Die Dirndln sind alle vorgerückt, sie wollen das Nein auch sehen …

Noch immer hats die Anna nicht gesprochen.

Na, warum sagt sie's denn nicht schon? ist auf allen Mienen zu lesen.

Na! mahnt jetzt der alte Witt ganz laut.

Und die Anna nimmts für nein. Und wenn der Vater »nein« sagt, sagt sie sonst immer drauf: »Just ja!«

Das schlägt wie Donner und Blitz.

Auch der Pfarrer tritt einen Schritt zurück. »Just ja« hat noch keine Braut auf seine Frage geantwortet. Aber er faßt sich am schnellsten.

Er kennt die Anna Witt. Wenn die »Just ja« sagt, dann wird sie den Lenz, den er auch kennt, mit diesem Ja schon festhalten. Und so gibt er ihre Hände getrost zusammen.

Der alte Witt sieht aus, als ob er dazwischen fahren wollte. Aber er überlegt sichs doch. Wenn die Anna »Just ja« sagt, dann stehts. –

Die Dirndln haben alle vor Erstaunen den Mund aufgetan, kriegen ihn aber bald wieder zu, und jetzt gehts los: Was hat sie gesagt.? Ja hat sie gesagt« Ja hat sie gesagt, ja, ja, ja, … Und die Ja fliegen wieder wie die kleinen Engel um den Altar herum, und weil sie nichts Gescheiteres anzufangen wissen, treiben sie die Leute aus der Kirche heraus, denn die Trauung ist zu Ende und das junge Ehepaar und die Zeugen haben sich in die Sakristei begeben.

Vor der Kirchentür warten die »Gratulanten«, die Buben und die Dirnen … Sie wollen »gratulieren« – aber wie!

Da kommen sie schon – der Lenz und die Anna Bruckner …

Der Lenz zwinkert den Kameraden schon von weitem zu und sagt dann leise zu ihnen:

Ich habs ja gewußt, sie kann nicht nein sagen, drum hab' ich ja gesagt.«

Und die Anna:

»Hätt' ich nein gesagt, wärs ihm grad recht gewesen. Das hab' ich gespürt, drum hab' ich ja gesagt. Jetzt soll er Höll' und Fegfeuer im Haus haben, das versprech' ich euch.«

Da sind sie so halb und halb zufrieden und wünschen dem Lenz viel Glück und Segen. Haben aber dabei gehörig die Nase gerümpft …

Am nächsten Tag sagt die Brucknerin zu ihrem Lenz: »Ich will euch Platz machen … ich geh …«

Um Gotteswillen, doch nicht in den Brunnen!

Nein, zum alten Witt. Dort fehlt eine Hausfrau.

Und der alte Witt sagt zur selben Stund' zur Anna, die noch einige Sachen von zu Hause holt: »Daß du es weißt – du bekommst eine Stiefmutter.«

»Nein, nein, nein, nein!«

Da sagt aber der alte Witt »Just ja! – die Brucknerin …«

Da fällt ihm die Anna lachend um den Hals. – »Ja, wenn der Vater »Just ja« sagt, dann stehts.«

Und so ist alles gekommen, wie's nicht anders zu erwarten war …

Wenn die Kameradinnen Dirndln abends durchs Dorf gehen, Arm in Arm, sagt die Anna zu ihrem Mann: »Geh, raufen wir ein bissel miteinander, damit sie eine Freud' haben!«

Und das Spektakel geht los.

Da stecken die Dirndln die Köpfe zusammen und sagen: »Bei Bruckners ist wirklich Höll' und Fegfeuer im Haus, wie es uns die Anna versprochen hat.«


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