Peter Altenberg
Prosaskizzen
Peter Altenberg

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Onkel Emmerich

(aus "Fechsung", Berlin 1915)

Mein Onkel Emmerich hatte kein Herz. Er spekulierte und kaufte Kopien alter Bilder als echte, die sich dann später teilweise sogar als echte herausstellten. Endlich hatte er abgewirtschaftet. Wir Knaben saßen beim Nachtmahl am Abend des »ökonomischen Sedan im Hause Emmerich«, und mein Onkel bewies uns an der Hand von Silberers Sportzeitung, seiner Bibel, daß »Quick Vier« am Sonntag das Rennen gewinnen müsse. Außerdem habe er private Tips erhalten aus dem Stall. Plötzlich sah er auf und bemerkte, daß Frau und Tochter leise weinten. »Wenn ich nur wüßte, weshalb jetzt diese Weiber platzen?!?« sagte er. Natürlich platzten sie wegen des verlorenen Geldes. Wegen was platzen Weiber ernstlich?! Quick Vier gewann auch nicht, weder Quick noch Vier, sondern überhaupt nicht, und mein Onkel fuhr auf dem hohen Dache des englischen eleganten Sportomnibus (zehn Kronen der Sitz!) und mit demselben Rennglas bewaffnet, das auch Graf Niki Esterhazy hatte, ganz nachdenklich nach Hause. »Die Mitgift unserer armen Tochter!« weinte unaufhörlich meine Tante. »Erziehe dein Kind so, daß sie keine Mitgift braucht!« sagte mein Onkel. Als er seine Gemäldesammlung, wegen der er sein Leben lang von der Familie verhöhnt worden war, versteigert hatte, erwies es sich, daß sie wertvoller gewesen war als das ganze Geld, das er sonst verspekuliert hatte. Einen merkwürdigen Menschen nannte ihn von nun an die Familie, die ihn bisher einen Leichtsinnigen genannt hatte. Meine Tante aber sagte: »Emmerich, innerlich bist du ja doch ein guter Mensch!«

 


 


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