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Die Alpfahrt.

Die Halde jenseits des Tals hinauf zieht ein langer Zug.

Am Kammerfenster daheim steht Kjersti Hoël und folgt ihm mit den Augen, soweit sie vermag, bis er über dem Bergkamm im Gebirge verschwindet.

An der Spitze reitet die Sennerin auf dem Soldatenpferd, d. i. das Pferd auf jedem Hofe, das im Kriegsfall an das reitende Jägerkorps abgegeben werden muß. dem ein Frauensattel aufgeschnallt worden ist, ein hohes Gestell wie ein Lehnstuhl; und dort hoch oben thront sie in sonntäglichem Putz, im weißen Kopftuch, rotbäckig, rund und selbstbewußt. Nun ist sie die Hauptperson, diejenige, die das Regiment führt.

Nach ihr kommen zwei Knechte, jeder leitet eins der beiden Saumpferde, die unter dem schweren Packsattel im Rücken förmlich einsinken. Darauf kommt das Vieh in stolzem Zuge. Erst die Schellenkuh, dann Brandros mit ihrem schiefen Horn, dicht hinter ihr Krummhorn, darauf Mörkei und dann die ganze Schar – mit Ausnahme von Farskol und Litago, die heuer Stallkühe sein und die Kälber anlernen sollen, mit auf die Weide zu gehen – bis zum Stier, der zuletzt geht, als hätte er auf die ganze Schar aufzupassen. Dann kommen die Ziegen, die es immer eilig haben und gern an den andern vorbeikommen möchten; darauf die Schafe in einem dichten Klumpen, weiterhin vier große Schweine, und schließlich die Untersennerin und Sidsel Langröckchen mit dem Hirtenranzen auf dem Rücken.

Am Anfang ist es flott wie im Tanze gegangen; alle erinnern sich des Gebirges vom vorigen Sommer her, alle haben sich dorthin zurückgesehnt, es geht keinem rasch genug vorwärts. Aber je weiter sie bergauf steigen, desto steiler wird es, die Sonne steigt höher und brennt ihnen auf den Rücken; die Schweine fangen an, zurückzubleiben, versuchen, bei jedem Seitenpfad einen Abstecher zu machen, lauern nur darauf, etwas Schatten zu erhaschen oder eine Pfütze zu finden, in der sie sich abkühlen können; die Ziegen und Schafe merken, daß sie hungrig werden, schlüpfen zur Seite, wo sie einen Busch sehen und ein paar Blätter abknabbern können, oder sie entdecken ein Gatter, durch das sie neugierig hindurchgucken müssen, oder einen grünen Fleck; und die Färsen, die bisher noch nicht mit auf der Alp gewesen sind, begreifen gar nicht, wozu die unnötige Eile, und tun einfach nicht mehr mit, wenn nicht der Stecken über ihnen ist.

Also muß Sidsel oft vom Wege abbiegen, hinauf auf Seitenpfade, hinter Büsche und Sträucher, hinab ins Waldgestrüpp und in den Moorgrund und sie einzeln wieder auflesen, und kaum hat sie sie auf der einen Seite des Weges zusammengetrieben, so wischen sie ihr auf der andern wieder aus.

Sie hat eins ihrer Strumpfbänder nehmen müssen, um den langen Rock heute damit aufzubinden, damit er ihr nicht im Wege ist; denn sie muß tüchtig laufen und sich abmühen, ununterbrochen locken und rufen.

Es ist wirklich ein schweres Stück Arbeit; das blonde Haar wird ganz feucht, und ihr Gesicht ist so rot wie eine Preiselbeere; aber sie merkt es gar nicht, so ist sie in Anspruch genommen von all dem, was sie zu tun hat. Denn sie ist den ganzen Sommer über für das Kleinvieh verantwortlich, daß keins verloren geht und daß alle fett und blank zum Herbst wieder heimkommen; sie und die Sennerin haben gewissermaßen die Verantwortung, jede für ihren Teil des Viehbestandes, und wenn es auch bloß die Nachhut ist, die sie hat, so will sie doch nicht die Schande auf sich sitzen haben, daß sie nicht alle vorwärtsbringen könne.

Langsam steigen sie höher und höher hinauf, bald liegt das ganze Tal breit und hellgrün tief unter ihnen. Die Tannen werden niedriger und kahler, die kleinen Birken dichter, bald treffen sie die ersten Abgesandten der Krähenbeere und Zwergbirke. Aber nun sind sie auch über den Bergkamm gekommen.

Da ist es allen, als ob eine schwere Bürde von ihnen genommen wäre, alle Müdigkeit ist von Volk und von Vieh wie weggewischt, die ganze wunderbare Ruhe und Frische des Hochgebirgs strömt auf sie ein, sie befinden sich wie in einer neuen Welt; vor ihnen liegt das Gebirge mit seinen unendlichen Höhenzügen und Abhängen, bis es sich weit, weit in der Ferne in den blauenden Bergspitzen mit ihren weißen Schneestreifen verliert; und sehen sie zurück, so ist das Tal weg, versunken; jenseits sehen sie ebenfalls weite Bergrücken mit blitzenden Wassern und grünen Matten.

Alle holen tief Atem und sehen sich um; eine feierliche Ruhe kommt über alles; ganz von selbst ordnet das Vieh sich auf dem steinigen Weg, der sich schier ins Unendliche vorwärts schlängelt; sie versuchen nun nicht mehr zu entwischen, sondern gehen gleichmäßig und langsam. Nun bekommt auch Sidsel Zeit, sich umzuschauen. So weit hat sie noch nie sehen können, und hier oben soll sie den ganzen Sommer über bleiben!

Sie fühlt sich auf einmal so wunderlich klein und nichtig inmitten dieser überwältigenden, großartigen Natur; aber ihr wird gar nicht bange, nur feierlich und still zu Mute.

Unwillkürlich schweiften ihre Gedanken vorwärts, über diesen Tag, diesen Sommer, über viele Sommer hinaus; einmal wird sie groß und erwachsen sein, wie die Sennerin, die sie dort hoch zu Roß sieht, einmal wird vielleicht auch sie so sitzen und an der Spitze reiten.

Die Saumpferde wollen trotz ihrer schweren Last nicht langsam gehen, sie greifen aus, überholen die Sennerin, und bald sind sie über einen Bergkamm verschwunden, allen weit voran. Der Zug kommt langsam nach, Stunde um Stunde geht es vorwärts über Auen und Bäche, an Sennen und Moorgründen und klaren Gebirgswässern vorüber.

Sidsel darf sogar aufsitzen und eine Weile an Stelle der Sennerin reiten, die gern ein Stück gehen will.

Der Abend rückt heran. Jetzt ziehen sie hoch oben durch eine tief eingeschnittene Kluft in der Bergwand, die sie frühmorgens in weiter Ferne sahen, und nun geht es wieder bergabwärts; sie begegnen Birken und einer vereinzelten, verkrüppelten Fichte, und von unten herauf dringt das Rauschen eines großen Flusses. Nun stehen sie am Rande des Hochtals, wo die Hoëlalp liegt, und sehen hinab. Da unten auf einer weiten Matte liegt die Alp friedlich und grün, drei Sennhütten, Högseth, Lunde und Hoël. Aus zweien steigt der Rauch aus dem Schornstein empor in die stille Abendluft.

Sie bleiben stehen und halten Umschau: Dort also sollen sie den Sommer verbringen!

Die Kühe beginnen zu brüllen, und das Kleinvieh drängt sich vor und eilt den Weg hinab. –

Am nächsten Morgen treibt Sidsel schon früh die Schafe und Ziegen über die Matte auf der Hoëlalp. Sie hat keinen Ranzen; denn hier oben auf der Alp soll sie um die Mittagszeit heim zur Sennhütte.

Es ist strahlender Sonnenschein. Die Kühe sind bereits im Freien und traben in einer langen, schnurgeraden Linie von dannen, die Schelle ertönt in gleichmäßigen, tiefen Tönen, ihr Klang vermischt sich mit dem ebenso tiefen andrer Schellen von den Nachbarsennen, und mitten in dies ernste, feierliche Geläute klingt das feine, rasche Tingeln der kleineren Schellen der Ziegen und Schafe.

Nun soll Sidsel hinein in dieses große Unbekannte, wo sie nie zuvor war. Die Sennerin hat ihr deshalb auch gesagt, sie solle sich heute zum erstenmal nicht zu weit weg wagen, damit sie sich wieder nach Hause zurückfinde; sie solle sich nach den anderen Hirten richten und sich nur in deren Nähe halten – sie wüßte übrigens nicht, ob es Buben oder Mädel wären, die heuer auf Högseth und Lunde hüteten.

Sidsel sah immerfort zurück, um sich die Richtung des Weges zu merken, und es wurde ihr förmlich schwer, die Sennhütte aus den Augen zu lassen. Aber das Vieh lief schnell von dannen, sie mußte ihm nach eilen, um es nicht ganz zu verlieren, und auf einmal, als sie sich wieder umsah, war die Hütte verschwunden; rings umher war bloß das unendliche Gebirgsland mit Anhöhen und Gründen und hohen Berggipfeln in weiter Ferne, und es war so weit und still, man hörte nur die Schellen, nicht einmal das Rauschen des Flusses drang bis hier herauf.

Sie fühlte sich auf einmal so unendlich einsam, so weit weg, fühlte ein so heftiges Bedürfnis, ein lebendes Wesen zu liebkosen, daß sie in die Herde hineinging und bald das eine, bald das andre der Tiere an sich zog und streichelte und hätschelte, und bald wurde die Schellenziege ganz eifersüchtig, stieß die andern weg und schmiegte sich schmeichelnd an sie. – –

Ho – i – ho, ho – i – ho! ertönte es plötzlich, daß es weit über das Gebirge schallte. Die Ziegen spitzten die Ohren, und Sidsel blieb gleichfalls stehen und horchte mit verhaltenem Atem; der Ruf kam so unerwartet, sie konnte nicht unterscheiden, aus welcher Richtung, wie aus allernächster Nähe und doch wieder wie von allen Seiten auf einmal.

Ho – i – ho, ho – i – ho! klang es noch etwas stärker.

Bald darauf hörte sie Schellen, viele Schellen gleichzeitig, und dann sah sie einen großen Haufen Schafe und Ziegen im Zug über den Bergkamm kommen.

Das mußten wohl die andern Hirten sein. Dort in der Ferne sah sie nun auch zwei Strohhüte über die Anhöhe auftauchen, und nach und nach wuchsen zwei lange Burschen empor, mindestens so groß wie der Jakob.

Sie wurde so verschüchtert, daß sie sich niederkauerte und hinter einem Erdhügel versteckte.

Die Burschen beschatteten die Augen mit der Hand und sahen hinab, Ho – i – ho! Sie lauschten. Ho – i – ho! Keine Antwort.

Ho hei, du Bursch im Hoëlsennerrock,
Bist du ein Mann, so zeig dich doch!

Sie standen eine Weile still. Dann machten sie ein paar Luftsprünge, schlugen einen Purzelbaum und liefen ein Stück weiter, den Abhang hinab, juchheiten und riefen von neuem. Dann machten sie wieder halt und horchten, als wären sie ihrer Sache nicht sicher.

Ho – i – ho! Sie lauschten von neuem.

Liegst du verborgen hinter Busch und Stein,
Komm vor, laß sehen, ob du hast Mark im Bein!

Darauf kamen sie vollends herab zu Sidsels Herde und sahen sich um. Nein sie sahen niemand. Das mußte wirklich ein Teufelskerl sein, der neue Hirt auf Hoël, daß er sich gleich am ersten Tag von seiner Herde so weit wegwagen durfte. Das war sicherlich einer für sie! Vielleicht hatte er von ihrem Badeteich drunten im Moorgrund gehört; – war vielleicht schon dort!

Ja, ja, dann mußten sie wohl seine Herde mitnehmen und dorthin gehen; aber erst noch einmal juchheien – vielleicht war er gar nicht so weit weg und konnte sie hören, wenn sie ordentlich laut schrieen.

Ho – i – ho! Das Echo ertönte lang wie ein hallender Donner.

Als es wieder still geworden war, kam es aus allernächster Nähe, zitternd und dünn wie das Piepsen eines Vogels:

Ho – i – ho! Es war Sidsel Langröckchen; als sie hörte, daß sie ihre Herde mit forttreiben wollten, da meinte sie sich denn doch zu erkennen geben zu müssen, obschon es ihr furchtbar unangenehm war.

Die Buben blieben aufs äußerste überrascht stehen. Dort hinter dem Erdhaufen wuchs ein kleines, winziges Wesen langsam empor, wie ein richtiger, kleiner Bergkobold mit karriertem Halstuch und einem weiten, viel zu langen Weiberrock, blieb unbeweglich stehen und starrte sie mit großen, verlegenen Augen an.

Auch sie wurden etwas verlegen; da waren sie hergelaufen gekommen, hatten grobe Worte gebraucht gegen so ein armes, kleines Geschöpf! Aber ärgerlich wurden sie auch. Sie hatten sich schon auf einen gleichaltrigen, ebenbürtigen Kameraden gefreut.

Da konnte man sehen, daß ein Frauenzimmer auf Hoël das Regiment führte, nicht einmal einen Hirtenbuben hatten die!

Wäre es wenigstens noch ein ordentliches, großes Frauenzimmer gewesen, ihretwegen größer, als sie selbst waren; die hätten sie wenigstens veralbern und jagen können – aber mit dem Rumpelstilzchen da! Nein, erwachsene Burschen mußten sich ja schämen, mit so einem Ding sich zu befassen; gegen diesen Zwerg konnten sie doch wirklich weder Mundwerk noch Fäuste gebrauchen. Aber immerhin, mit ihr reden und sie aushorchen, ob nicht doch vielleicht späterhin ein andrer Hirt käme, mußten sie gleichwohl, und dann brauchten sie sich nicht weiter um das Mädel zu kümmern; sie mußten sich eben heuer den Sommer die Zeit allein vertreiben.

Nur ein bißchen Angst machen wollten sie ihr, damit sie ihnen vom Leibe blieb.

Sie kamen heran und stellten sich, die Hände in den Hosentaschen, herausfordernd vor Sidsel auf. Der eine sagte:

Du bist's also, die heuer Hirtin auf Hoël sein soll?

Ja – und sie setzte, wie um sich zu entschuldigen, rasch hinzu, ja, es war Kjersti selber, die es so haben wollte.

Wie heißt du denn?

Sidsel – – und Jakob nennt mich Langröckchen.

Wo bist du denn her?

Aus Guckaus.

Du bist doch nicht gar die Schwester von Jakob Guckaus? Wir sind im Winter zusammen in die Schule gegangen.

Ja, die bin ich.

Warum konnte denn aber der Jakob nicht selber kommen? Denn daß du's nur weißt, ein kleines Mädel können wir hier oben nicht brauchen.

Er stand eine Weile und wartete auf Antwort. Da aber Sidsel nichts zu antworten wußte, fuhr er fort: Ja, was wir sagen wollten, ich, Jon Högseth, und der da, Peter Lunde – halte dich hübsch von uns fern! Untersteh dich nicht, auch nur ein Haarbreit über den Strich vom Klininggrautfelsen hinunter nach dem Skraamoor und hin zum Pegeflecken beim Högsethsteig zu kommen, und laß dir's nicht einfallen, auf unsrer Seite zu hüten; sonst kriegt im Winter der Jakob all die Hiebe, die du eigentlich hier im Sommer hättest bekommen sollen!

Sidsel wurde es angst und bange zu Mute, und ihre Mundwinkel begannen, unsicher zu zucken. Da sagte der andere Bursche, der etwas kleiner war:

Aber du, der Jakob ist stark, der kriegt dich unter.

Aber nicht, wenn ich mich geübt habe – hoi!, dabei machte er einen hohen Luftsprung und fuchtelte übermütig mit den Armen in der Luft herum.

Da kannst du sehen, was dem Jakob bevorsteht. Nimm dich also in acht! Und nun ziehen wir zum Skraamoor und baden. Hoi-ho!

Mit lautem Juchhei und Geschrei stiegen sie wieder die Anhöhe hinauf; aber oben sahen sie sich noch einmal um und blickten einander doch etwas unsicher an, als sie Sidsel noch immer unbeweglich auf demselben Fleck stehen sahen, mit großen Tränen in den Augen.

Sidsel fühlte sich ganz elend und erbärmlich, wie sie dortstand. Ganz gewiß wollte sie keinen Anlaß dazu geben, daß ihr Jakob Prügel bekam; wenn sie nur eine Ahnung gehabt hätte, wo sie nicht hingehen durfte; aber weder wußte sie, wo der Pegefels, noch wo das Skraamoor war. Sie konnte nur ihrer Herde folgen und im übrigen sehen, wie es ging.

Als sie eine gute Weile später auf eine Anhöhe hinaufkam, hörte sie die Schellen von neuem. Ihr wurde ganz angst, und sie fing an, ihre Herde nach einer andern Richtung zu jagen; als sie sich aber nach einer Weile umsah, bemerkte sie weit, weit unten im Moorgrund zwei weiße Körper, die herumsprangen und tollten und im Sonnenschein rund um einen kleinen, blitzenden Teich Purzelbäume schlugen.

Also hatten die beiden ihre Herden verloren!

Da mußte sie sich wohl der Tiere annehmen und sie solange hüten. Deswegen konnten sie ihr doch nicht böse werden; denn sie wußte, daß einem Hirten keine größere Schande widerfahren konnte, als seine Herde zu verlieren. Und das wäre denn doch eine zu große Schande, wenn so große Burschen ohne ihre Herden nach der Sennhütte heimkehrten.

Sie nahm sich also der Tiere an, und ab und zu lief sie auf die Anhöhe hinauf, um zu sehen, ob die Burschen nicht bald fertig wären, es sah aber so aus, als hätten sie über dem Baden alles andere vergessen.

Endlich sah sie, wie die beiden plötzlich in ihrem Tollen anhielten, aufhorchten und nach allen Richtungen ausspähten. Darauf bekamen sie auf einmal Eile, fuhren in die Kleider und sprangen von dannen, nach einer ganz andern Richtung hin. Plötzlich blieben sie stehen, lauschten und liefen dann wieder. Es war so weit weg, daß es nichts genützt hätte, zu juchheien und zu rufen. Nun liefen sie auf eine Anhöhe jenseits des Moors hinauf und spähten lange nach allen Richtungen hin aus.

Dann liefen sie wieder, was sie konnten, zurück in der Richtung auf das Moor zu – dasselbe Ergebnis! – nahmen darauf die Richtung unten längs der Anhöhe, wo sie stand; aber das Vieh weidete auf der andern Seite des Hanges, deshalb konnten sie die Schellen auch jetzt noch nicht hören.

Da wagte Sidsel endlich zu juchheien, aber allzu schwach; sie versuchte es noch einmal und lauter.

Da blieben sie stehen und antworteten.

Sie juchheite noch ein drittes Mal, und nun kamen sie zu ihr hinauf. Sie waren merkwürdig still, fanden es doch wohl ärgerlich, das kleine Mädel nach ihren Herden fragen zu müssen, aber es blieb ihnen nichts andres übrig.

Hast du unsre Tiere gesehen?

Sidsel sah sie ängstlich an: Die weiden hier auf der andern Seite der Halde. Ich hab sie gehütet, aber ihr dürft deshalb nicht den Jakob hauen!

Sie wurden etwas kleinlaut, aber irgend etwas mußten sie ja wohl sagen, und deshalb erklärte Jon:

Na ja, für dies eine Mal solls ihm geschenkt sein!

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Als Sidsel am Abend gerade das Viehgatter zumachen wollte, kam Peter Lunde am Zaun vorüber.

Du hast wohl nicht ein fremdes Schaf zwischen deiner Herde?

Nein, ich habe meine gezählt.

Na, es kann ja auch sein, daß ich mich verzählt habe, vielleicht waren doch alle da.

Sie blieben eine Weile stehen und sahen sich an, bis sie verlegen wurden und die Augen wegwenden mußten. Schließlich sagte Peter:

Du, Sidsel, wenn du gerne willst, kannst du schon mit uns zusammen hüten und auch zum Badeteich kommen, wenn ich den Jon recht verstanden habe, so will der es auch, und sollte er frech werden, so kann ich ihn durchhauen, wenn ich nur will.

Freilich will ich gern.

Dann komme ich morgen und hole dich ab dort hinter der Anhöhe.

Sidsel bekam keine Zeit, etwas zu erwidern; denn im selben Augenblick machte Peter sich aus dem Staube und verschwand eilig um die Ecke. Er hatte Jon bemerkt, der von einer andern Richtung her herankam.

Jon kam herausfordernd, die Hände in den Taschen:

Du hast wohl nicht ein fremdes Schaf?

Nein!

Hm!

Ist dir eins weggekommen?

Ich weiß nicht recht. Hm! – Aber was ich dir noch sagen wollte, du brauchst dirs nicht zu Herzen zu nehmen, was ich heute morgen sagte. Ich meinte es nicht so schlimm; es war mehr der Peter, der mich dazu kriegte, und wenn du's willst, so kann ich ihn morgen dafür durchhauen.

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