Sidonia Hedwig Zäunemann
Das brennende Erfurt
Sidonia Hedwig Zäunemann

Sidonia Hedwig Zäunemann

Das am 21. und 22ten October 1736 unter Gluth und Flammen ächzende Erfurt, vorgestellt von Sidonia Hedwig Zäunemannin.

Zweyte Auflage. Erfurt, gedruckt und zu haben bey Joh. Heinr. Nonnen. Schmolcke.


Ach! vergiß nicht einen Tag,
Da sich Wind und Gluth verschworen,
Nicht zu ruhn in deinen Thoren,
Biß ein Theil in Staube lag;
Da die Luft von Stürmen brüllte,
Und der Dampf den Tag verhüllte.
O wie fassest du betrübt
Auf den heissen Feuer-Stäten!
Gott ließ dich vergebens beten,
Biß sein Grimm war ausgeübt,
Und dein Sabbath gab dir, leider!
Feuer für die Feyer-Kleider.

O! Was erhebt sich vor ein Sturm!
Wie braußt der Wind in unsern Gassen!
Dort wankt ein hochgespizter Thurm,
Den hunderttausend Wirbel fassen.
Hier kracht ein schwach und mürbes Haus;
Sein Grimm bricht Kalch und Ziegel aus;
Er pfeift durch Gärten und Gebäude.
Entstünd ein Feuer ohngefehr,
Wo nähmen wir jezt Rettung her;
Wie schlecht wär unsre Sabbaths-Freude!

O weh uns! kaum gedenk ich dran,
So hör ich Feuer! Feuer! schreyen.
Die Funken steigen Himmel an,
Und scheinen uns den Tod zu dräuen.
Die ganze Stadt erschrikt und bebt,
Und was in unsern Mauren lebt,
Erzittert, läuft und eilt zum Retten.
Der stark und ungeheure Wind
Treibt Gluth und Flammen so geschwind,
Als ob sie güldne Flügel hätten.

Das Schrecken häuft sich, da der Knall
Der Stücke durch die Ohren dringet.
O welch ein höchst betrübter Schall!
Der Groß und Klein zum Seufzen zwinget.
Hält denn ihr Donnern gar nicht ein?
Soll dieß des Land-Volks Losung seyn?
Ach ja! es muß zur Hülfe eilen.
Wie heftig steigt der Rauch empor!
Wie grausam bricht die Gluth hervor!
Man sieht den Schein auf viele Meilen.

Der Stücke Bliz; der Trommeln Klang;
Der Glocken fürchterliches Heulen
Verhindert Andacht und Gesang;
Die Noth verstattet kein Verweilen.
Man denkt an keine Predigt mehr.
Die Gottes-Häuser werden leer;
Ein jeder fürchtet Gluth und Flammen.
Man schaut den Himmel thränend an,
Und schlägt, weil Gott nur helfen kan,
Die Hände Wehmuthsvoll zusammen.

Umsonst! der Höchste hört nicht drauf;
Sein Grimm kömmt über uns gezogen.
Er läßt dem Feuer freyen Lauf,
Indem sehr viel schon aufgeflogen.
Der Wind tobt fort, und bläßt und saußt,
Vermehrt die Flammen, stürmt und braußt,
Und droht ein allgemein Verderben.
Was Wunder? wenn wir trostloß stehen;
Was Wunder? wenn wir traurig gehn,
Und fast vor Furcht und Schrecken sterben.

Dort trägt mit Seufzen, Ach und Weh
Ein armes Weib ein Bündel Betten,
Und hält es zitternd in die Höh,
Um dieß noch vor der Gluth zu retten.
Hier läuft ein hochbetagter Mann,
Trägt, was er sonst kaum heben kan,
Und suchts in Sicherheit zu bringen.
Da führt und schleift man Kaufmanns-Guth,
Man eilt, es möchte sonst die Gluth
Die Waaren allesamt verschlingen.

Reißt Frauenzimmer! reißt die Pracht
Von Achseln, Haupt und Schlaf herunter!
Kommt! gebt auf eure Freunde acht,
Und seyd zum Räumen frisch und munter
Was denkt ihr jezt ans Feuer-Kleid,
Jezt, da das Feuer Funken speyt,
Und sein rothen Rachen weiset.
Ach! säumet nicht! helft, wo ihr könnt,
So lang die Gluth euch Zeit vergönnt,
Damit man eure Großmuth preißet.

Das ungeheure Element
Sucht seine Flügel auszubreiten.
Es raßt und tobt, und frißt behend,
Und lodert schon auf allen Seiten.
Der Sturm bläßt heftig in die Gluth,
Und mehret dadurch ihre Wuth,
Und unterhält die tollen Flammen.
Hier sind, wie ist mir doch so bang!
Zu unsers Erfurts Untergang
Zwey Feinde unzertrennt beysammen.

Izt steigt ein Regenbogen auf;
O! wäre das ein Gnaden-Zeichen!
Vieleicht sieht Gottes Auge drauf,
Und läßt sein Vater-Herz erweichen.
Doch nein! Der Sturm bläßt immer mehr;
Er heult und brüllt und wüthet sehr,
Und blendet durch den Rauch die Augen.
Man weiß fast nicht mehr wohin man sieht;
Der heise Dampf, der seitwerts zieht,
Beißt schmerzlicher als scharfe Laugen.

Vor Schrecken kreyset dort ein Weib,
Und muß ihr Kind in Thränen baden.
Hier trägt man einen siechen Leib,
Damit ihn nicht die Flammen schaden.
Wenn jezt die armen Geren-Stadt
Den Höchsten nicht zum Helfer hat,
So muß sie gänzlich untergehen.
Wofern er nicht dem Wind gebeut,
Dem Feuer wehrt, den Funken dräut.
So bleibt kein einzig Wohnhaus stehen.

Der Himmel zeigt uns noch einmahl
Den buntgefärbten Regenbogen.
Allein er mindert nicht die Quaal,
Die Gluth kommt stärker hergezogen.
Der Rauch benimmt der Sonnen Blick,
Die Luft wird dampfigt, schwarz und dick,
Dort liegen angeflammte Kohlen;
Sie drehen sich mit Ungestümm,
O Jammer, ihr erhitzter Grimm
Entzündet auch die stärksten Bohlen.

Hier stürzt ein lodernd Dach herab;
Dort knackt und prasselt ein Gebäude,
Und findet bald ein rothes Grab
Zu des Besizers grösten Leide.
Die Gluth verschont kein steinern Haus,
Sie brennt die schönsten Zimmer aus;
Die stärksten Mauren müßen springen.
So plötzlich kan die schnelle Gluth
Haus, Bücher, Früchte, Hab und Guth,
Eh man es noch vermeint, verschlingen.

Man sieht, wie sich die Sprizen drehn,
Wie scharf sie mit den Flammen fechten;
Sie geben zischen zu verstehn,
Wie gern sie uns erretten möchten.
Allein umsonst! mir fällt der Muth;
Kein Wasser tilgt die wilde Gluth.
O! könnt man sie mit Thränen zwingen!
Ich weis, sie wär schon längst gestillt,
Denn was aus unsern Augen quillt,
Wär stark genug sie zu verdringen.

Ihr Nachbarn! die ihr jezt den Knall
Der schmetternden Canonen höret,
Gedenkt nur nicht, daß dieser Schall
Ein hohes Haupt zur Lust verehret.
O nein, dieß brüllende Geschrey
Ruft euch zur Hülf und Rettung bey,
Indem wir mit den Flammen streiten.
Ach eilt! mich deucht, der bange Thon
Der Glocken will anjezo schon
Der schönen Stadt zu Grabe läuten.

Das Volk läuft in der Stadt herum
Gleich wie die Schafe ohne Hirten.
Es fällt vor Mattigkeit fast um;
Wer will die Hungrigen bewirthen?
Das arme Volk heult jämmerlich;
Es schmachtet; wo verbirgt es sich?
Damit es nicht im Feuer sterbe;
Es schreyt und fleht den Höchsten an,
So, wies zu Ninive getan,
Auf daß es nicht mit uns verderbe.

Kein Priester, ja kein Jonas mag
Die Herzen so zur Buse lenken;
Als diese Gluth am Sabbath-Tag;
Wer wolte nicht an Gott gedenken?
Jezt bricht die Langmuth und Geduldt;
Jezt straft der Höchste unsre Schuld;
Sein Zorn entbrennt an diesem Tage;
Sein Arm schlägt heftig auf uns loß;
Die Sabbath-Sünden sind zu groß;
Wie wohl verdienen wir die Plage!

O Vater-Auge! sieh doch drein!
Erbarme dich, und wehr dem Feuer!
Denk, daß wir dein Geschöpfe seyn!
Komm! dämpfe dieses Ungeheuer.
Das Unglück hat noch keine Ruh;
Mein Gott! die Gassen fallen zu,
Da heißt es: rettet euer Leben!
Laßt Eymer und auch Sprizen stehn,
Dort will sich schon ein Balken drehn
Und euch den Rest im Fallen geben.

Das Erzt der Glocken zischt mit Macht,
Es schmelzt und sprizet in die Flammen;
Die Thürme sinken; hört! es kracht!
Der Tempel fällt verbrant zusammen.
Noch mehr: Das Predger Gottes-Haus
Steht viel Gefahr vom Feuer aus;
O möcht es doch der Himmel stüzen!
Ja! Ja! hier hält die Flamme still:
Getrost! was Gott erhalten will,
Das weiß er kräftig zu beschüzen.

Was dort der muntre Handwerks-Mann
in weit entlegne Häuser schaffet,
Das greift nunmehr das Feuer an;
Es wird fast gänzlich weggeraffet.
O Schmerz! die Flamme wüthet fort;
Bald brennt es hier; bald zündt es dort:
Man ist in keiner Straße sicher.
Wie kan das Elend grösser seyn?
Die Gluth dringt in die Keller ein,
Und raubet Silber, Schmuck und Tücher.

Wer hilft mir? werd ich nicht erhört!
Ihr Eltern! seht! wir sind verlohren.
Die Flamme, die dort aufwerts fährt,
Hat uns den Untergang geschworen.
Das Haus, so einst zur Asche ward,
Steht in Gefahr und leidet hart,
Und soll von neuen wüste werden.
Der Garten rauscht, ach! widersteht!
Hier liegt das Feuer wie gesät;
Die Kräuter brennen auf der Erden.

Betrübte Mutter! weine nicht!
Wir wollen unserm Gott vertrauen,
Der uns so vieles Heyl verspricht;
Wir werden seine Hülfe schauen.
Je mehr uns die Gefahr bedroht;
Je mehr und grösser unsre Noth,
Je näher ist der Schuz von oben.
Wer weis, was Gott in seinem Rath
Noch über uns beschlossen hat?
Mich dünkt, der Wind hört auf zu toben.

Gedacht, gewünscht, gehoft, geglaubt,
Der Herr hat uns bereits erhöret,
So, daß sich nun mein Herz und Haupt
Mit Lob und Dank zum Himmel kehret.
Gleich, da fast aller Trost verschwindt,
Gebeut der Herr dem starken Wind,
Und sezet ihm gemeßne Gränzen;
Vieleicht sieht auch die Allmacht drein,
Und hüllet Gluth und Flammen ein,
Die noch am Firmamente glänzen.

Der Himmel wird von Wolken dick;
Ach! wenn doch jezt ein Regen käme!
O! wenn das Göttliche Geschick
Dem Feuer seine Macht benähme!
Jedoch vergeblich hoft das Herz;
Die Flamme dauret wie der Schmerz;
Sie höret noch nicht auf zu wüthen;
Das Volk gießt sonder Ruh
Das Wasser auf die Dächer zu,
Um weiters Unglück zu verhüten.

Hier fällt und tödtet Kalch und Stein-
Und zwingt den Geist davon zu scheiden.
Da frißt die Flamme Fleisch und Bein;
So stirbt man mit den größten Leiden!
Die sanfte Gere wird gestemmt:
Wodurch wird dann ihr Lauf gehemmt?
Durch Kissen, Kasten, Betten, Fässer.
Das, was kein Haus, kein Markt und Mann
Vor Gluth und Funken retten kan;
Das schüzt noch endlich das Gewässer.

Die, so der Tod bereits gesucht;
Die müssen zu der Freunde Grämen,
Durch Tragen ihre schnelle Flucht
In wohlverwahrte Keller nehmen.
Der Säugling fühlt der Mutter Noth,
So ihm bald drauf zu würgen droht,
Und muß mit vielem Jammer sterben.
Das Schrecken mehrt der Krankheit Schmerz,
So greift Morbona an das Herz,
Und weiß das Leben zu verderben.

Der Abend kommt betrübt herbey;
Die Sonne geht ganz traurig unter.
Allein das Feuer herrscht noch frey;
Das matte Volk bleibt gleichfals munter.
Das Stücke wiederholt den Knall;
O mehr als fürchterlicher Schall!
O strenges Nacht-Lied, so wir hören.
Ach Schreckens-voller Morgen-Gruß,
Der uns zugleich erinnern muß
Die Augen nach dem Brand zu kehren.

Die Glocken und Canonen sind
Fast müde ihren Thon zu geben.
Die Nacht ist hin; allein man findt
Die Stadt in großer Noth noch schweben.
Doch unverzagt! die Gluth vergeht,
Dieweil der Höchste bey uns steht;
Er ruft: es ist genug mit Schlagen!
Gott schonet unser, wie vor dem
Der großen Stadt Jerusalem,
Sein Engel soll uns nicht mehr plagen.

Kommt! schaut die Aschen-Hauffen an,
Die gleich den Ziegel-Oefen rauchen.
Man sieht, so weit man sehen kan,
Die Gluth verdeckt und dampfend schmauchen.
O heises Grabmal einer Stadt,
Die Gott so scharf gezüchtget hat!
Hier überfällt mich Furcht und Grauen.
O soll ich dich mein Ger-Athen
In solchen Jammer-Stande sehn;
Und deine Bürger weinend schauern.

Sucht eure Stäte nur noch nicht;
Nein, sondern sucht zuerst die Gassen.
Der Schutt betrüget das Gesicht;
Sie werden sich kaum finden lassen.
Hier ist ja lauter Wüsteney;
Die Berge sind so vielerley;
Wer will euch eure Wohnung zeigen?
Man geht jezt nicht durch Strassen hin;
Man muß mit tiefgebeugten Sinn
Nur über Feuer-Hügel steigen.

Der Höchste schlug; er wird sich auch
Der elend- und betrübten Armen
Nach seinem Väterlichen Brauch,
Nach seiner Huld und Gnad erbarmen,
Wer aber davo hört und spricht,
Verdamme ja und richte nicht,
Und untersuche sein Gewissen.
Den so ihr euch nicht bessern thut;
So werdet ihr durch Sturm und Gluth,
Auf gleiche Art verderben müssen.