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Eine Hundegeschichte

Mark Twain

Übersetzt von Jeannette Schneider

© 2003 Jeannette Schneider

Kapitel I

Mein Vater war ein Bernhardiner, meine Mutter war ein Collie, aber ich bin Presbyterianer. Das hat mir meine Mutter erzählt, ich selbst kenne diese netten Unterschiede nicht. Für mich sind das nur feine lange Wörter die nichts bedeuten. Meine Mutter hegte eine Vorliebe dafür; sie mochte es, sie auszusprechen und andere Hunde überrascht und neidisch zu sehen, als ob sie sich wunderten, dass sie soviel Bildung hatte. Aber in Wirklichkeit war es keine echte Bildung, es war nur Show: sie schnappte die Wörter auf wenn sie im Esszimmer oder im Salon bei Gesellschaften lauschte und wenn sie mit den Kindern zur Sonntagsschule ging und dort zuhörte; wann immer sie ein langes Wort hörte, sagte sie es ziemlich oft vor sich hin und war so imstande es zu behalten, bis es in der Nachbarschaft zu einer hündischen Zusammenkunft kam, dann würde sie es herauslassen und alle überraschen und peinigen, vom Taschenhündchen bis zur Dogge, die es ihr für all ihren Ärger vergalten. Falls ein Fremder dabei war, würde er fast mit Sicherheit argwöhnisch sein und wenn er wieder zu Atem kam, würde er sie fragen was es bedeutete. Und sie sagte es ihm immer. Das hätte er nie erwartet sondern dachte, dass er sie erwischen würde; wenn sie es ihm dann sagte war er der Beschämte, wo er doch erwartet hatte, dass sie es sein würde. Die anderen warteten immer schon darauf, sie waren froh darüber und stolz auf sie, schließlich wussten sie was geschehen würde weil sie ja schon Erfahrung damit gehabt hatten. Wenn sie ihnen die Bedeutung eines langen Wortes erklärte, gingen sie so in ihrer Anbetung auf, dass niemals irgendein Hund auf den Gedanken gekommen wäre, daran zu zweifeln ob es die Richtige war; das war nur natürlich denn, auf der einen Seite antwortete sie so schnell, dass es schien als ob ein Wörterbuch sprach und auf der anderen Seite, wie konnten sie herausfinden, ob es richtig war oder nicht? Schließlich war sie der einzige gebildete Hund unter ihnen. Allmählich, als ich älter war, brachte sie einmal das Wort unintellektuell nach Hause und bearbeitete es ziemlich hart die ganze Woche bei verschiedenen Zusammenkünften, dabei richtete sie viel Unglück und Verzweiflung an; zu diesem Zeitpunkt bemerkte ich, dass sie während dieser Woche bei acht verschiedenen Zusammenkünften nach der Bedeutung gefragt wurde und jedes Mal eine frische Definition herausblitzte, was mir zeigte, dass sie mehr Geistesgegenwart als Kultur hatte – selbstverständlich sagte ich nichts. Es gab da ein Wort, das sie immer zur Hand hatte, einsatzbereit wie ein Lebensretter – eine Art Notfallwort zum Anschnallen wenn sie nahe daran war plötzlich über Bord gespült zu werden – das war das Wort gleichbedeutend. Wenn sie zufällig ein langes Wort hervorholte, das seine Glanztage schon Wochen vorher gehabt hatte und dessen vorbereitete Bedeutungen auf ihrem Schutthaufen gelandet waren, falls dann ein Fremder dabei war würde es ihn selbstverständlich für ein paar Minuten niederschmettern, dann würde er wieder zu sich kommen und bis dahin wäre sie schon fort mit dem Wind auf einem anderen Segler, ohne etwas zu erwarten; wenn er sie dann bejubeln würde und sie um Einlösung bat, konnte ich (der einzige Hund innerhalb ihres Spiels) für einen Moment lang ihr Segel flackern sehen – aber nur für einen Moment – dann würde es sich prall und voll blähen und sie würde sagen, so ruhig wie ein Sommertag: »Es ist gleichbedeutend mit Mehrleistung,« oder sonst ein gottlos langes Wortreptil, und gefällig darüber hinweggehen und auf das nächsten Schiff abdrehen, ganz gemütlich, weißt Du, und würde diesen Fremden profan und betreten aussehen lassen, während die Eingeweihten den Fußboden mit ihren Schwänzen im Unisono klopften und ihre Gesichter sich vor heiliger Freude verklärten.

Mit Sätzen war es dasselbe. Sie würde einen ganzen Satz heimschleppen, wenn er einen großartigen Klang hätte, ihn dann sechs Nächte und zwei Nachmittagsvorstellungen lang spielen und ihn jedes Mal auf eine neue Weise erklären, sie musste es tun, nur um den Satz allein kümmerte sie sich; sie war nicht daran interessiert was er bedeutete und wusste, dass diese Hunde sowieso nicht genug Verstand hatten um sie zu überführen. Ja, sie war ein Schatz! Sie war halt so, sie hatte vor nichts Angst, sie hatte ein solches Vertrauen in die Unkenntnis dieser Kreaturen. Sie brachte auch Anekdoten an von denen sie gehört hatte, dass die Familie und die Dinner-Gäste darüber gelacht und geschrieen hatten und in der Regel setzte sie eine Hälfte der Nussschale auf die Hälfte einer anderen Nuss – wo es natürlich nicht passte und auf keinen Punkt kam, und wenn sie dann die Nuss auslieferte, fiel sie um und rollte auf dem Boden und lachte und kläffte wie verrückt, aber ich konnte erkennen, dass sie sich selbst wunderte warum es nicht so lustig schien, wie das erste Mal als sie es hörte. Aber sie richtete keinen Schaden an; die anderen rollten und kläfften auch, insgeheim beschämt über sich selbst, weil sie den Punkt nicht sahen und niemals hatten sie den Verdacht, dass der Fehler nicht bei ihnen lag weil da gar keiner zum Sehen da war.

Du kannst schon an hand dieser Dinge sehen, dass sie ziemlich eitel war und einen frivolen Charakter hatte, aber immerhin hatte sie Tugenden und zwar genug zum Ausgleich, denke ich. Sie hatte ein gütiges Herz und eine freundliche Art, niemals hegte sie Groll wegen ihr angetaner Ungerechtigkeiten sondern verdrängte sie aus ihren Gedanken und vergaß sie; und sie brachte ihren Kindern ihre freundliche Art bei und wir lernten von ihr, tapfer und zuverlässig in Zeiten von Angst zu sein und nicht wegzulaufen sondern uns der Gefahr, die Freund oder Fremden drohte, zu stellen und ihm auf die bestmögliche Art zu helfen ohne daran zu denken, was es uns kosten könnte. Und sie lehrte uns nicht nur mit Worten sondern auch durch Beispiel und das ist die beste und sicherste Art und die Nachhaltigste. Ach, all die tapferen Dinge die sie tat, diese herrlichen Dinge! Sie war nur ein Soldat und deshalb so bescheiden – nun ja, man konnte ihr nicht mit Anbetung dienen und auch nicht mit Nachahmung, nicht einmal ein König-Charles-Spaniel könnte in ihrer Gesellschaft gänzlich jämmerlich abschneiden.

Wie du also siehst war mehr an ihr als nur ihre Erziehung.

Kapitel II

Als ich ausgewachsen war, wurde ich verkauft und weggegeben und ich sah sie nie mehr wieder. Es brach ihr das Herz und mir auch und wir weinten; aber sie tröstete mich so gut sie konnte und sagte, dass wir zu einem weisen und guten Zweck in diese Welt gesandt wurden und unsere Pflichten ohne Murren erfüllen müssen, wir müssten unser Leben nehmen, wie es kommt und es zum Besten der anderen leben ohne Rücksicht auf die Ergebnisse, das wären nicht unsere Angelegenheiten. Sie sagte, Menschen die so handelten, würden mit der Zeit in einer anderen Welt eine schöne Belohnung erhalten und wenn auch wir Tiere nicht dahin kämen, gut und richtig zu handeln ohne Belohnung würde unseren kurzen Leben Wert und Würde verleihen, was in sich schon eine Belohnung wäre. Sie hatte diese Dinge von Zeit zu Zeit aufgesammelt wenn sie mit den Kindern zur Sonntagsschule gegangen war und hatte sie in ihrem Gedächtnis sorgfältiger aufbewahrt als die anderen Wörter und Sätze; und sie hatte sie genau studiert, zu ihrem und unserem Besten. Man kann daran sehen, dass sie einen weisen und nachdenklichen Kopf hatte, wenn darin auch viel Leichtsinn und Eitelkeit waren.Wir verabschiedeten uns also und warfen noch einen letzten, tränenverschleierten Blick auf den anderen, und das letzte was sie sagte – ich denke, sie hatte es für zuletzt aufbewahrt, damit ich es besser in Erinnerung behielt – war, »In meinem Angedenken, wenn einem anderen Gefahr droht, denk nicht an dich, denk an deine Mutter und tu was sie getan hätte.«

Denkst Du, dass ich das vergessen könnte? Nein.

Kapitel III

Mein neues Zuhause war ja so bezaubernd! Ein feines, grosses Haus, mit Bildern und ausgesuchten Dekorationen, teueren Möbeln und kein Trübsinn weit und breit, und diese ganze Wildnis von anmutigen Farben war von fließendem Sonnenschein erhellt und die weitläufigen Anlagen außen herum und der großartige Garten – ach, Wiesen und edle Bäume und Blumen, endlos! Und ich war wie ein Mitglied der Familie und sie liebten mich und streichelten mich, sie gaben mir keinen neuen Namen sondern riefen mich mit meinem alten der mir lieb war, weil ihn mir meine Mutter gegeben hatte – Aileen Mavourneen. Sie hatte ihn aus einem Lied und die Grays kannten dieses Lied und sagten, dass es ein schöner Name wäre.

Frau Gray war dreißig und so süß und lieb, das kannst du dir nicht vorstellen; und Sadie war zehn und genau wie ihre Mutter, ein Liebling, eine schlanke, kleine Kopie von ihr mit kastanienbraunen Schwänzen die den Rücken herunterfielen und kurzen Kleidchen, und das Baby war ein Jahr alt und mollig mit Grübchen und begeistert von mir und konnte nicht genug davon bekommen mich am Schwanz zu ziehen und mich zu umarmen und sein unschuldiges Glück hinauszulachen; Herr Gray war achtunddreißig und groß und schlank und stattlich, etwas kahl an der Stirne, aufmerksam, schnell in seinen Bewegungen, Geschäftsmann, pünktlich, entschlossen, unsentimental und mit dieser Art von fein gemeißeltem Gesicht, das geradezu glänzte und funkelte vor kalter Geisteskraft. Er war ein bekannter Wissenschaftler. Ich weiß nicht, was das Wort bedeutet, aber meine Mutter würde wissen, wie man es benutzte und damit Wirkung erzielte.Sie würde wissen, wie man damit einen Glatthaar-Fox-Terrier entmutigte und einen Schoßhund dazu brachte, es zu bereuen dass er gekommen war. Aber das ist noch nicht das Beste, das Beste ist das Labor. Meine Mutter könnte einen Glauben darauf aufbauen, der die Steuermarken der ganzen Herde abschälen würde. Das Labor war nicht ein Buch oder ein Bild, oder ein Ort an dem man sich die Hände waschen konnte, wie der Hund des Schulvorstehers sagte – nein, das ist der Waschraum; das Labor ist ziemlich anders und voll mit Gefäßen und Flaschen und Elektrischem und Kabeln und merkwürdigen Maschinen; jede Woche kamen andere Wissenschaftler und saßen dort und benutzten die Maschinen und diskutierten und machten, was sie Experimente nannten und Entdeckungen; ofmals kam ich auch und stand herum und lauschte und versuchte etwas zu lernen, meiner Mutter zuliebe und in lieber Erinnerung an sie, obwohl es mich schmerzte, wenn ich begriff, was sie in ihrem Leben verlor wo ich überhaupt nichts gewann; so sehr ich mich auch bemühte, ich konnte nichts mit dem Ganzen anfangen.

Manchmal lag ich auf dem Fußboden im Arbeitszimmer der Herrin und schlief, sie benutzte mich sachte als Fußbank, sie wußte, dass mir das gefiel weil es eine Zärlichkeit war; manchmal lag ich im Kinderzimmer und wurde recht zerzaust und glücklich gemacht; manchmal bewachte ich die Krippe die dort stand, wenn das Baby schlief und das Kindermädchen für ein paar Minuten in Babyangelegenheiten raus musste; manchmal tollte und rannte ich durch die Wiesen und den Garten mit Sadie bis wir müde waren und schlummerte dann im Gras, im Schatten eines Baumes während sie ihr Buch las; manchmal ging ich die Nachbarhunde besuchen – es wohnten sehr Nette nicht weit entfernt und einer war sehr attraktiv und zuvorkommend und anmutig, ein lockiger Irischer Setter mit dem Namen Robin Adair, er war wie ich Presbyterianer und gehörte dem schottischen Minister.

Die Dienerschaft in unserem Haus waren alle sehr nett zu mir und begeistert von mir und daher, wie man sieht, hatte ich ein sehr angenehmes Leben. Es konnte keinen glücklicheren Hund geben als ich es war und auch kein Dankbarerer. Ich will das nur für mich sagen, denn es war nur die Wahrheit: ich versuchte auf jede erdenkliche Art gut und recht zu tun um dem Andenken meiner Mutter und ihren Lehren zu ehren und das Glück das mir zuteil wurde zu verdienen, so gut es mir möglich war.

Mit der Zeit kam mein kleiner Welpe und dann war mein Mass voll, mein Glück war perfekt. Es war das liebste kleine Knuddelding und so weich und sanft und samtig, und hatte so schlaue kleine unbeholfenen Pfoten und so gütige Augen und so ein süßes und unschuldiges Gesicht; und es machte mich so stolz, zu sehen wie die Kinder und ihre Mutter ihn anbeteten und hätschelten und über jede kleine wundervolle Tat von ihm hell aufschrieen. Es schien mir, daß das Leben fast zu schön war –

Dann kam der Winter. Eines Tages hielt ich Wache im Kinderzimmer. Das heisst, ich schlief auf dem Bett. Das Baby schlief in der Krippe, die neben dem Bett stand, auf der Seite zum Kamin hin. Es war diese Art von Krippe, die ein luftiges Zelt darüber hatte aus hauchdünnem Stoff, so dass man durchsehen konnte. Das Kindermädchen war rausgegangen und wir zwei Schläfer waren allein. Ein Funke war vom Holzfeuer herausgeschossen und hatte das Dach des Zeltes in Brand gesetzt. Ich nehme an, dass ein Moment still war, dann weckte mich ein Schrei des Babys und da war dieses Zelt, das aufloderte bis zur Decke! Bevor ich denken konnte sprang ich in meiner Angst auf den Boden und in einer Sekunde war ich schon halb aus der Tür aber in der nächsten halben Sekunde klangen mir die Abschiedsworte meiner Mutter in meinen Ohren und ich war wieder zurück auf dem Bett. Ich streckte meinen Kopf durch die Flammen und zog das Baby am Bund heraus und zerrte es fort und wir fielen zusammen in einer Rauchwolke auf den Boden; ich schnappte nach einem neuen Halt und zog die schreiende kleine Kreatur hervor und aus der Tür und um die Biegung des Flurs und zerrte es immernoch fort, ganz aufgeregt und glücklich und stolz, als die Stimme des Herrns erschallte:

»Fort du verdammtes Biest!« und ich sprang um mich zu retten; aber er war schnell in seiner Wut und verfolgte mich und schlug wütend mit seinem Stock nach mir, ich wich in die eine Richtung aus und in die andere, angsterfüllt, und dann fiel ein starker Schlag auf mein linkes Vorderbein, von dem ich aufschrie und hinfiel, einen Momentlang hilflos; der Stock ging hoch um wieder zuzuschlagen aber kam niemals herunter weil die Stimme des Kindermädchens wild erscholl, »Das Kinderzimmer brennt!« und der Herr in diese Richtung wegeilte und meine anderen Knochen gerettet waren.

Der Schmerz war grausam aber egal, ich durfte keine Zeit verlieren; er konnte jeden Moment zurückkommen; also humpelte ich auf drei Beinen zum anderen Ende des Flurs, dort war eine kleine, dunkle Treppe die zu einer Dachkammer führte wo, wie ich gehört hatte, alte Kisten und solche Sachen aufbewahrt wurden und wo selten jemand hinging. Ich schaffte es dorthin zu klettern, dann suchte ich mir einen Weg durch die Dunkelheit zwischen den Stapeln von Dingen und versteckte mich am geheimsten Ort den ich finden konnte. Es war dumm mich hier zu fürchten, aber ich war immernoch verängstigt; so sehr, dass ich aushielt und noch nicht einmal wimmerte, obwohl es eine große Erleichterung gewesen wäre zu wimmern, weil das den Schmerz erleichtert, du weißt ja. Aber ich konnte mein Bein lecken und das tat gut.

Eine halbe Stunde lang war unten Aufruhr und Schreie und eilende Schritte, dann war es wieder still. Ein paar Minuten Ruhe; meine Seele war dankbar dafür, denn meine Ängste beruhigten sich und Ängste sind schlimmer als Schmerzen – oh, viel schlimmer. Dann kam ein Geräusch das mich erstarren ließ. Sie riefen mich – riefen mich beim meinem Namen – sie jagten mich!

Es war durch die Entfernung gedämpft aber das konnte nicht den Schrecken wegnehmen und es schien mir der entsetzlichste Klang den ich je gehört hatte. Es war überall, dort unten: den Flur entlang, durch alle Zimmer, in beiden Stockwerken und im Erdgeschoss und im Keller, dann draussen und weiter und weiter weg, dann wieder zurück und wieder überall im Haus und ich dachte es würde niemals aufhören. Aber zum Schluss tat es doch, Stunden um Stunden nachdem das undeutliche Dämmerlicht der Dachkammer schon lange verschwunden war, versunken in der schwarzen Dunkelheit.

Dann, in dieser gesegneten Stille, fielen meine Ängste nach und nach ab und ich fand Frieden und schlief. Ich konnte mich gut ausruhen, aber ich erwachte bevor das Zwielicht wiederkam. Ich fühlte mich recht behaglich und konnte mir nun einen Plan ausdenken. Ich machte einen sehr guten; das war: die Treppe herunterschleichen, den ganzen Weg die Hintertreppe herunter und mich hinter der Kellertür zu verstecken und wenn im Morgengrauen der Eismann käme, würde ich herausschlüpfen und fliehen während er drinnen den Kühlraum auffüllte; dann würde ich mich den ganzen Tag verstecken und wenn die Nacht kam meine Reise fortsetzen; meine Reise nach – nun ja, irgendwohin wo man mich nicht kannte und mich nicht dem Herrn verriet. Ich fühlte mich fast frohgemut, dann dachte ich plötzlich: Warum, was wäre das Leben ohne mein Welpen!

Das war zum Verzweifeln. Es gab keinen Plan für mich; ich sah das; ich musste bleiben wo ich bin; bleiben und warten, und nehmen was kommen würde – es war nicht meine Angelegenheit; so war das Leben – meine Mutter hatte es gesagt. Dann – nun, dann begann das Rufen wieder! All meine Sorgen kamen zurück. Ich sagte mir, dass der Herr mir niemals vergeben wird. Ich wusste nicht, was ich getan hatte, das ihn so bitter und unverzeihlich machte, ich beurteilte es als etwas, das ein Hund nicht verstehen könne, das für einen Mann aber klar und entsetzlich war.

Sie riefen und riefen – Tage und Nächte, schien es mir. So lange bis Hunger und Durst mich fast verrückt machten und ich erkannte, dass ich sehr schwach wurde. Wenn es dir so geht, dann schläfst du eine ganze Menge und das tat ich. Einmal wachte ich in grässlichem Entsetzen auf – es schien mir, dass das Rufen genau hier in der Dachkammer war. Und so war es: es war Sadies Stimme und sie weinte; mein Name kam ganz geknickt von ihren Lippen, armes Ding, und ich konnte vor Freude nicht meinen Ohren trauen als ich sie sagen hörte:

»Komm zurück zu uns – oh, komm zurück zu uns und verzeihe – es ist ja so traurig ohne unsere –«

Ich brach mit so einem dankbaren kleinen Jaulen heraus und im nächsten Moment stürzte und stolperte Sadie durch die Dunkelheit und das Gerümpel und schrie, damit es die Familie hören konnte: »Sie ist gefunden, sie ist gefunden!«

Die darauffolgenden Tage – nun – sie waren wunderbar. Die Mutter und Sadie und die Diener – sie schienen mich geradezu anzubeten. Es schien, als ob sie kein Bett für mich bereiten konnten, das gut genug war; und genauso war es mit dem Essen, sie konnten mit nichts zufriedengestellt werden als mit Spielen und Köstlichkeiten die nicht der Jahreszeit entsprachen; und jeden Tag strömten Freunde und Nachbarn herein um von meiner Heldentat zu hören – das war der Name mit dem sie es beschrieben und es bedeutete soviel wie Landwirtschaft. Ich erinnere mich wie meine Mutter einst damit einmal in einer Hundehütte damit ankam und es so erklärte, aber sie sagte nicht, was Landwirtschaft sei, außer dass es gleichbedeutend mit intramurale Weißglut sei; und Frau Gray und Sadie würden ein dutzend Mal am Tag die Geschichte den Neuankömmlingen erzählen und sagen, dass ich mein Leben riskiert hätte, um das Baby zu retten und beide hatten wir Verbrennungen als Beweis und dann würde die Gesellschaft mich herumreichen und mich streicheln und über mich ausrufen und man konnte den Stolz in den Augen von Sadie und ihrer Mutter sehen; und wenn die Leute wissen wollten, weshalb ich humpelte, schauten sie beschämt und wechselten das Thema, und manchmal, wenn die Leute sie auf diese und jene Art damit bedrängten, schauten sie mich an als ob sie gleich zu weinen anfingen.

Und das war noch nicht alle Ehre; nein, die Freunde des Herren kamen, etwa zwanzig der feinsten Leute und hatten mich im Labor und diskutierten über mich, als ob ich eine Art Entdeckung wäre, und ein paar von ihnen sagten, dass es wunderbar wäre bei einem dummen Tier, die beste Darstellung von Instinkt die sie sich vorstellen konnten; aber der Herr sagte mit Nachdruck, »Es ist weit über Instinkt, es ist VERNUNFT, und manch einer, der durch seinen Besitz das Vorrecht hat, gerettet zu werden und mit dir und mir in eine bessere Welt zu gehen, hat weniger davon als dieser arme dumme Vierbeiner, dem es vorbestimmt ist zu Grunde zu gehen«; und dann lachte er und sagte: »Warum, seht mich an – ich bin ein Sarkast! Vergelts euch Gott, mit all meiner großartigen Intelligenz, das einzige Ding in dem ich störend eingriff, war dass der Hund verrückt geworden wäre und das Kind umbrachte, wohingegen es aber die Intelligenz des Tieres war – es ist VERNUNFT, sage ich euch – das Kind wäre gestorben!«

Sie debattierten und debattierten und ich war das Zentrum der Aufmerksamkeit von all dem und ich wünschte, dass meine Mutter erfahren würde, dass mir diese große Ehre zuteil kam; es hätte sie stolz gemacht.

Dann diskutierten sie über Optik, wie sie es nannten, und ob eine gewisse Verletzung am Gehirn Blindheit hervorrief oder nicht, aber sie konnten sich nicht darüber einig werden und sagten, sie müssten es nach und nach mit Experimenten ausprobieren; und als nächstes diskutierten sie über Pflanzen, das interessierte mich, weil Sadie und ich im Sommer Samen gepflanzt hatten – ich half ihr die Löcher zu graben, weißt du – und nach Tagen und Tagen kam ein kleiner Busch oder eine Blume dort hoch und es war ein Wunder wie das geschehen konnte; aber es geschah, und ich wünschte, ich könnte sprechen – ich hätte diesen Leuten davon erzählt und ihnen gezeigt wie viel ich wußte und dass ich mit dem Gegenstand vertraut war; aber ich interessierte mich nicht für Optik; das war langweilig, und als sie wieder darauf zurückkamen langweilte es mich und ich ging schlafen.

Bald war es Frühling und sonnig und freundlich und lieblich, und die süße Mutter und die Kinder streichelten mich und das Welpen zum Abschied und gingen fort auf eine Reise und einen Besuch bei ihren Verwandten und der Herr war keine Gesellschaft für uns aber wir spielten zusammen und hatten gute Zeiten, und die Bediensteten waren lieb und freundlich, so dass wir recht glücklich weiterlebten und die Tage zählten und auf die Familie warteten.

Und eines Tages kamen diese Männer wieder, und sagten, jetzt wegen des Versuchs, und sie nahmen das Welpen ins Labor und auch ich humpelte dreibeinig hinterher, und fühlte mich stolz, denn die Aufmerksamkeit, die man dem Welpen zollte war mir selbstverständlich ein Vergnügen. Sie diskutierten und experimentierten, und dann plötzlich kreischte das Welpen und sie setzten es auf den Boden und er taumelte umher, mit dem Kopf ganz voller Blut und der Herr klatsche in die Hände und rief:

»Da, ich habe gewonnen, gebt es zu! Es ist so blind wie eine Fledermaus!« 

Und sie sagten alle:

»So ist es, ihr habt eure Theorie bewiesen und die leidende Menschheit schuldet euch großen Dank von nun an,« und sie scharten sich um ihn und schüttelten ihm freundlich und dankbar die Hand und lobten ihn.

Aber ich sah oder hörte kaum diese Dinge, denn ich rannte sofort zu meinem kleinen Liebling und kuschelte mich nahe an ihn und leckte das Blut und legte meinen Kopf an den seinen, sanft wimmernd, und ich wusste in meinem Herzen dass es eine Wohltat für seinen Schmerz und sein Leiden war, die Berührung seiner Mutter zu fühlen, wenn es mich schon nicht sehen konnte. Dann fiel er herunter, sogleich, und seine kleine samtige Nase blieb auf dem Boden liegen und er war still und bewegte sich nicht mehr.

Gleich darauf unterbrach der Herr einen Moment lang das Gespräch, klingelte dem Diener und sagte, »Begrab es in der hintersten Ecke des Gartens,« und dann nahm er das Gespräch wieder auf und ich trottete hinter dem Diener her, glücklich und dankbar, denn ich wußte, dass das Welpen nun keine Schmerzen mehr hatte weil es schlief. Wir gingen weit hinunter in den Garten zum entferntesten Ende, wo die Kinder und das Kindermädchen und ich im Sommer im Schatten der großen Ulme spielten und dort grub der Diener ein Loch und ich sah, dass er dabei war, das Welpen zu pflanzen und ich war froh, denn es würde wachsen und ein feiner, attraktiver Hund wie Robin Adair würde herauskommen und es wäre eine schöne Überraschung für die Familie wenn sie nach Hause kämen; also versuchte ich ihm beim Graben zu helfen, aber mein lahmes Bein war nicht gut, es war steif, weißt du, und du brauchst zwei zum graben oder es nützt nichts. Als der Diener fertig war und den kleinen Robin zugedeckt hatte, streichelte er meinen Kopf und es waren Tränen in seinen Augen, und er sagte: »Armer kleiner Hund, du hast SEIN Kind gerettet!«

Ich habe zwei Wochen beobachtet, aber er kommt nicht hoch! Diese letzte Woche hat sich eine Angst bei mir eingeschlichen. Ich denke, da ist etwas Schreckliches damit los. Ich weiß nicht was es ist, aber die Angst macht mich krank und ich kann nicht essen, obwohl mir die Diener das beste Essen bringen; und sie streicheln mich so und kommen sogar in der Nacht und sagen, »Armes Hündchen – gib auf und komm nach Hause; brich uns nicht das Herz!« und das schreckt mich am meisten, und bestätigt mir, das etwas geschehen ist. Und ich bin so schwach; seit gestern kann ich nicht mehr auf meinen Beinen stehen. Und in dieser Stunde sahen die Diener nach der Sonne die gerade aus dem Blickt versank und die kühle Nacht kam heran, sie sagten Dinge die ich nicht verstehen konnte, aber sie brachten etwas Kaltes in mein Herz.

»Diese armen Kreaturen! Sie ahnen nichts. Sie werden am Morgen nach Hause kommen, und gleich nach dem kleinen Hündchen fragen, das die große Tat getan hat, und wer von uns wird stark genug sein, ihnen die Wahrheit zu erzählen: ›Der demütige kleine Freund ist dorthin gegangen wo alle Tiere hingehen wenn sie zu Grunde gehen.‹«