Personen:
Szenerie: (Eine Ecke in einem Café; zwei kleine Eisentische, ein rotes Plüschsofa und einige Stühle.)
Frau X (tritt auf, winterlich gekleidet in Hut und Mantel, mit einem feinen japanischen Korb am Arm.)
Mlle Y (sitzt vor einer halb ausgetrunkenen Bierflasche und liest in einer Illustrierten, die sie später gegen andere austauscht.)
Frau X. Guten Tag Amelie, meine Kleine! – Sitzt hier ganz alleine am Weihnachtsabend, wie ein alter Junggeselle.
Mlle Y (blickt von der Zeitschrift auf, nickt und liest weiter.)
Frau X. Weißt du, es tut mir richtig weh, dich so zu sehen; allein, allein in einem Café und das an Heiligabend. Es ist wie damals, als ich in Paris eine Hochzeitsgesellschaft in einem Restaurant sah, die Braut saß da und las ein Witzblatt, während der Bräutigam mit den Trauzeugen Billard spielte. Mein Gott, dachte ich, wenn es so schon anfing, wie sollte es weitergehen, wie sollte es enden!
Spielte Billard am eigenen Hochzeitstag!
– Und sie las ein Witzblatt, meinst du? Na, das ist wohl nicht ganz dasselbe!
Bedienung (tritt auf, stellt eine Tasse heiße Schokolade vor Frau X auf den Tisch und geht ab.)
Frau X. Weißt du was, Amelie! Inzwischen glaube ich, dass du ihn besser behalten hättest! Weißt du noch, dass ich die erste war, die dir gesagt hat: Verzeih ihm! Erinnerst du dich? – Du könntest jetzt verheiratet sein und dein eigenes Zuhause haben. Weißt du noch, letztes Jahr an Weihnachten, wie glücklich du dich fühltest, als du draußen bei den Eltern deines Verlobten auf dem Land warst; wie du das Glück eines trauten Heims gepriesen hast und dich richtig danach gesehnt hast, vom Theater fortzukommen? – Ja, liebe Amelie, ein echtes, eigenes Zuhause ist eben das Größte – abgesehen vom Theater – und die Kinder, weißt du – ja, davon verstehst du nichts!
Mlle Y (verzieht verächtlich die Miene.)
Frau X (nimmt einige Löffel Schokolade, öffnet dann den Korb und zeigt Weihnachtsgeschenke hervor.)
Hier, schau, was ich meinen Lieben gekauft habe. (Zieht eine Puppe hervor.) Schau her! Die soll Lisa bekommen! Siehst du, wie sie mit den Augen rollen und den Hals verdrehen kann! Na? – Und hier ist Majas Korkenpistole. (Lädt sie und schießt auf Mlle Y.)
Mlle Y (macht eine Geste des Entsetzens.)
Frau X. Hast du Angst bekommen? Hast du gedacht, ich will dich erschießen? Na? – Im Leben glaube ich nicht, dass du das gedacht hast! Wenn du mich erschießen wolltest, würde es mich weniger wundern, weil ich dir in die Quere gekommen bin – und ich weiß, dass du das niemals vergessen kannst – obwohl ich vollkommen unschuldig gewesen bin. Du glaubst immer noch, ich hätte dich vom Großen Theater fortintrigiert, aber das habe ich nicht! Ich habe es nicht getan, ganz gleich was du glaubst! – Na, es spielt keine Rolle, was ich sage, denn du glaubst ja doch, dass ich es war! (Zieht ein Paar bestickte Pantoffeln hervor.) Und die hier soll mein Mann bekommen. Mit Tulpen darauf, die ich selbst gestickt habe – ich hasse Tulpen, natürlich, aber er will Tulpen überall.
Mlle Y (sieht von ihrer Zeitschrift auf, ironisch und neugierig.)
Frau X (steckt in jeden Pantoffel eine Hand.)
Siehst du, wie kleine Füße Bob hat? Na? Und du solltest erst einmal seinen eleganten Gang sehen! Du hast ihn nie in Pantoffeln gesehen! (Mlle Y lacht laut auf.) Schau, so sieht das aus! (Sie lässt die Pantoffeln über den Tisch laufen.)
Mlle Y (lacht laut.)
Frau X. Und dann, wenn er wütend ist, siehst du, dann stampft er so mit dem Fuß: »Was! Diese verdammten Mädchen, lernen die denn niemals, guten Kaffee zu kochen? Ouh! Jetzt haben diese Kretins den Lampendocht nicht ordentlich gestutzt!«
Und dann zieht es am Boden und dann friert er an den Füßen: »Hu, ist das kalt hier! Diese abgestumpften Idioten, können die kein Feuer im Kamin brennen halten?« (Sie reibt die Pantoffeln mit der Sohle des einen gegen das Oberleder des anderen.)
Mlle Y (krümmt sich vor Lachen.)
Frau X. Und dann kommt er nach Hause und sucht nach seinen Pantoffeln, die Mari unter den Sekretär gestellt hat... Ach, aber es ist unrecht, sich so über seinen Gatten lustig zu machen. Er ist jedenfalls nett und so ein guter kleiner Mann – du hättest so einen Mann haben sollen, du, Amelie! – Worüber lachst du? Was? Was? – Und zudem weiß ich, siehst du, dass er mir treu ist; ja, das weiß ich! Weil er selbst davon erzählt hat,... warum grinst du? – erzählt hat, dass, als ich auf Tournee in Norwegen war, dass da diese schreckliche Frédérique kam und ihn verführen wollte – kannst du dir das vorstellen? Wie infam! (Pause.) Ich hätte ihr die Augen aus den Höhlen gekratzt, wenn sie gekommen wäre, während ich zu Hause war! (Pause.) Es war ein Glück, dass Bob es selbst erzählt hat und ich es nicht als Gerücht von anderen erfahren habe! (Pause.) Aber Frédérique war nicht die einzige, musst du wissen! Ich weiß nicht, aber die Frauen sind vollkommen verrückt nach meinem Mann. Sie scheinen zu glauben, dass er etwas bei den Engagements am Theater zu bestimmen hat, weil er im Betriebsbüro sitzt! – Vielleicht bist auch du hinter ihm hergewesen! – Ich habe dir nicht weiter als nötig getraut – aber jetzt weiß ich, dass er sich nicht für dich interessiert hat, und es schien mir schon immer so, als ob du aus irgendeinem Grund wütend auf ihn warst.
(Pause. Sie betrachten einander verlegen.)
Frau X. Komm heute abend zu uns nach Hause, Amelie, und zeige, dass du uns nicht böse bist, mir nicht böse, zumindest! Ich weiß nicht, aber ich finde es so unangenehm, gerade mit dir überworfen zu sein. Vielleicht deshalb, weil ich dir damals in die Quere gekommen bin – (Rallentando.) – oder – ich weiß nicht – warum eigentlich?
(Pause.)
Mlle Y (fixiert Frau X, neugierig.)
Frau X (in Gedanken) Es ist so merkwürdig mit unserer Bekanntschaft – als ich dich das erste Mal sah, hatte ich Angst vor dir, solche Angst, dass ich es nicht wagte, dich aus den Augen zu verlieren, sondern mich immer in deiner Nähe befand, wohin du auch gingst. – Ich wagte nicht, deine Feindin zu sein, darum wurde ich deine Freundin. Aber da war immer eine Disharmonie, wenn du zu uns nach Hause kamst, weil ich sah, dass mein Mann dich nicht leiden konnte – und da fühlte ich mich unbehaglich, wie wenn man schlecht sitzende Kleider trägt. – Ich tat alles, ihn dazu zu bringen, dass er sich dir gegenüber freundlich zeigte, aber ohne Erfolg. – Bis du dich verlobt hast! Da flammte eine heftige Freundschaft auf, so dass es für einen Moment aussah, als ob ihr es erst jetzt wagtet, eure wahren Gefühle zu zeigen, da du in Sicherheit warst – und dann – was geschah dann? – Ich wurde nicht eifersüchtig – merkwürdig! – Und ich weiß noch, bei der Taufe, als du Patin warst, dass ich ihn drängte, dich zu küssen – er tat es, aber du reagiertest so verwirrt – das heißt: damals habe ich das nicht bemerkt – habe auch später nicht daran gedacht – nicht daran gedacht, bis – jetzt! (Erhebt sich heftig.)
Warum schweigst du? Die ganze Zeit über hast du kein Wort gesagt, sondern mich einfach nur reden lassen! Du hast geschaut und mir all diese Gedanken entlockt, die da lagen, wie Rohseide in ihrem Kokon – Gedanken, Verdächtigungen vielleicht – lass mich sehen. – Warum hast du die Verlobung gelöst? Warum hast du danach nie mehr unser Haus betreten? Warum willst du heute abend nicht zu uns kommen?
Mlle Y (will etwas sagen)
Frau X. Still! Du brauchst nichts zu sagen. Jetzt verstehe ich alles selbst! – Das war also der Grund – und das – und das! – Aha! – Jetzt passt alles zusammen! So ist das also! – Pfui, mit dir will ich nicht an einem Tisch sitzen! (Trägt ihre Sachen zu einem anderen Tisch.)
Darum sollte ich Tulpen, die mir zuwider sind, auf seine Pantoffeln sticken, weil du Tulpen liebst; darum – (Wirft die Pantoffeln zu Boden) – sollten wir im Sommer am Mälarsee wohnen, weil du das Meer nicht leiden kannst; darum sollte mein Junge Eskil heißen, weil dein Vater so hieß; darum sollte ich deine Farben tragen, deine Schriftsteller lesen, deine Lieblingsgerichte essen, deine Getränke trinken – deine Schokolade zum Beispiel; darum – oh, mein Gott – es ist schrecklich! – Alles, alles kam von dir zu mir, sogar deine Leidenschaften! Deine Seele ist in meine gekrochen wie ein Wurm in den Apfel, hat gefressen und gefressen, gegraben und gegraben, bis nur noch die Schale übrig war und ein paar schwarze Krümel! Ich wollte vor dir fliehen, aber ich konnte nicht; wie eine Schlange lagst du da mit deinen schwarzen Augen und hast mich verzaubert – ich fühlte, wie die Schwingen sich nur hoben, um mich hinunterzuziehen; ich lag im Wasser mit zusammengebundenen Füßen und je stärker ich mit den Armen zu schwimmen versuchte, desto tiefer arbeitete ich mich hinab, hinab, bis ich auf den Grund sank, wo du lagst wie eine Riesenkrabbe, um mich mit deinen Zangen zu packen – und da liege ich jetzt!
Pfui, ich hasse dich, hasse dich, hasse dich! Aber du, du sitzt nur da und schweigst, ruhig, gleichgültig; gleichgültig, ob es zunehmender oder abnehmender Mond ist, Weihnachten oder Neujahr, ob andere glücklich oder unglücklich sind; ohne die Fähigkeit zu hassen oder zu lieben; unbeweglich wie ein Storch vor einem Rattenloch – du konntest deine Beute nicht selbst herausholen, konntest sie nicht verfolgen, aber du konntest warten, sie belagern, auf sie lauern! Hier sitzt du in deiner Ecke – weißt du eigentlich, dass sie dir zu Ehren »Rattenfalle« genannt wird? – sitzt und liest deine Zeitschriften, um zu erfahren, ob es jemandem schlecht geht, ob jemand in eine Misere geraten ist, ob jemand vom Theater entlassen wird; hier sitzt du und wartest auf deine Opfer, rechnest deine Chancen aus, wie ein Lotse seinen Schiffbruch, nimmst deine Huldigungen entgegen!
Arme Amelie! Weißt du, dass es mir genauso wehtut wie dir? Weil ich weiß, dass du unglücklich bist, unglücklich und verletzt, und bösartig, weil du verletzt worden bist! – Ich kann dir nicht böse sein, obwohl ich es will – trotz allem bist du ja doch meine Kleine. – Ja, das mit Bob, das kümmert mich nicht! – Was habe ich dadurch schon verloren! – Und ob du mir beigebracht hast, Schokolade zu trinken, oder jemand anders es mir beigebracht hat, kommt auf das Gleiche heraus! (Nimmt einen Löffel aus der Tasse. Altklug.) Schokolade ist übrigens sehr gesund! Und wenn ich von dir gelernt habe, mich zu kleiden – tant mieux – das hat meinen Mann nur noch stärker an mich gebunden – und du hast verloren, was ich gewonnen habe – ja, ich glaube, nach gewissen Hinweisen zu schließen, hast du ihn bereits verloren! – Es war wohl deine Absicht, dass ich mich davonmachen würde – so wie du es getan hast, und nun sitzt du da und bereust es – aber schau, das tue ich nicht! – Wir sollen nicht kleinmütig sein, weißt du! Und warum sollte ich nur das nehmen, was kein anderer haben will! –
Vielleicht, meine Liebe, alles in allem genommen, bin ich jetzt, in diesem Augenblick, tatsächlich die Stärkere – du hast ja niemals etwas von mir bekommen, sondern hast nur von dir gegeben – und jetzt ist es mit mir wie mit dem Dieb – als du aufwachtest, besaß ich alles, was du vermisstest!
Wie kam es denn sonst, dass alles so wertlos, so steril war in deiner Hand? Mit all deinen Tulpen und deiner Leidenschaft konntest du doch nicht die Liebe eines Mannes halten – wie ich es konnte; von all deinen Schriftstellern konntest du doch nicht die Kunst zu leben erlernen, so wie ich es tat; und es warst nicht du, die den kleinen Eskil bekam, obwohl dein Vater Eskil hieß!
Und warum schweigst du immer und ständig, schweigst, schweigst? Ja, ich glaubte, das es Stärke sei; aber vielleicht lag es nur daran, dass du nichts zu sagen hattest! Daran, dass du nichts denken konntest! (Erhebt sich und nimmt die Pantoffeln auf.) Jetzt gehe ich nach Hause – und nehme die Tulpen mit – deine Tulpen! Du konntest nicht von anderen lernen, du konntest dich nicht beugen – und darum bist du wie ein trockener Rohrstock zerbrochen – aber ich bin nicht gebrochen!
Ich danke dir, Amelie, für all die guten Dinge, die du mich gelehrt hast; danke, dass du meinem Mann beigebracht hast zu lieben! - Nun gehe ich nach Hause und liebe ihn!
(Geht.)