Susanna
Klementia
Eine Magd
Ein Knecht
Chor der Nonnen
Eine Spinne
Nachtigallen Mondschein Wind und Blüten
Klosterkirche
Zitternde Mondscheinstreifen; in der Tiefe von dem Hochaltare das ewige Licht, in der Mauernische vorne links vor dem überlebensgroßen Bilde des Gekreuzigten eine brennende massige Kerze.
Susanna liegt vor dem blumengeschmückten Altar der Himmelskönigin, der in der Nische rechtwinklig neben dem Kruzifixaltar steht, im Gebet, die Stirn auf die unterste Stufe gelegt, die Arme über die oberen Stufen gebreitet
Klementia einige Schritte hinter ihr ... Sancta Susanna!... sie legt die Hand auf Susannens Schulter
Susanna richtet sich auf
Klementia die Nacht ist angebrochen!...
Susanna geistesfern ... es klingt ein Ton...
Klementia die Orgel tönet nach!...
Susanna ... mir ist... als klängen bodenlose Tiefen... himmellose Höhen...
Klementia ... Ihr kommt daher... Ihr wart bei Gott!
Susanna in Sinnen ... ich... war
Klementia ... ihr seid krank... Ihr betet... Ihr lebt kaum mehr auf dieser Erde... Ihr habt auch einen Leib!
Susanna erhebt sich, starrt sie schreckhaft an
Klementia legt den Arm um sie ... kommt!
Die Turmuhr schlägt hell einmal; der Nachtwind rüttelt die Fenster, die Zweige rauschen
Klementia in sich Ave Maria!...
Susanna fährt auf ... wer spricht?!...
Klementia der Nachtwind wirft die Blüten gegen die Fenster
Susanna ... es rief etwas...
Klementia die Turmuhr schlug... ich sprach das Ave... Ein Fenster schlägt, der Nachtwind bricht ein in singend verklingendem Ton; Blätter und Zweige rauschen und raunen herab zu flüsterndem Säuseln
Susanna wendet sich mit Händen, die nach abwärts vom Körper gestreckt sind, zum dunkeln Chor, lautlos, starr
Klementia eine Scheibe schlug auf!... ich werde sie schließen!
Susanna laß sie... sie atmet schwer
Klementia der große Fliederstrauch, riechst du die Blüten? sie atmet ein... sie duften bis her! er blüht in weißen und roten Dolden... oh... solche Dolden...! ich werde ihn wegreißen lassen... morgen... wenn er dich stört!
Susanna ... er stört nicht... er blüht!...
Eine Frauenstimme erstickt in wimmernder Lust.
Klementia ... der Wiesenrain unter den Blüten! ich werde den Weg verbieten...
Susanna horcht ... sie... ist... nicht... allein...!
Klementia bekreuzigt sich
Susanna atmet schwer, setzt zum Kreuze an, doch die Bewegung erstarrt ... ob... sie... wohl... kommen... würde?!...
Klementia wer?!...
Susanna ......
Klementia faltet erschrocken die Hände.
Susanna schwer die Hand auf dem Betstuhl ... ich... will... ihr... ins... Gewissen... reden...
Klementia faltet die Hände, senkt das Haupt und geht.
Eine Fangtür klappt leise
Susanna ... der...
Der Schreckensschrei eines Weibes verhallt; die Zweige rauschen.
Susanna zuckt zusammen ... Flieder blüht!...
Die Fangtür klappt leise mit wehendem Nachschwingen; leise schlurfende Schritte nähern sich.
Magd hinter Klementia, zitternd in scheuem Umherblicken, die Hände gefaltet
Susanna ... Ave Maria!...
Magd sinkt in die Knie, tief zu Boden gebeugt
Susanna ... Kind!...
Magd hebt hilflos den Kopf und starrt sie an ... ik...k weeß nich! Sie bricht in erschrecktes Weinen aus und rutscht mit gefalteten Händen gegen den Mittelpfeiler hin, sich dahinter zu verstecken
Susanna ... ich will dir nichts Böses!... du... warst... unter... dem... Flieder?!...
Magd ist ganz still geworden, starrt Susanna an ik... ik... jar niks...!... hei... hei... wull... sie senkt den Kopf tief
Susanna schwer ... der...?!...
Magd hebt den Kopf und starrt sie an, lacht dann hell auf ... min Willem... heilige... sie hält erschrocken inne, scheu geduckt; das Lachen und die Worte hallen aus dem Gewölbe wider... zweimal... dreimal... durcheinander... in verschwindendem geisterhaften Echo
Susanna schaut sie unbeweglich an; dann überfällt sie ein plötzliches silberhelles Lachen, das ihre ganze Gestalt in Leben überläuft; in Silberglöckchen klingt das Lachen aus den Gewölben wider und zerrinnt in zitternden Schwingen
Susanna geht zur Magd, legt die Hand auf ihre Schulter, hebt ihr den Kopf und schaut ihr ins Gesicht ... steh auf!...
Magd steht auf mit gefalteten Händen
Susanna hast du ihn lieb?
Magd krampft die Finger ineinander, scheu, leise lachend, verschämt ... o... hilge Mudder... oh...
Susanna ... ich... möcht... ihn... sehn...
Klementia hebt die Hand
Magd starrt auf Klementia und schauert zusammen.
Ein lautes Pochen an der Tür im Chor... dreimal... und eine rufende Stimme
Alle schrecken zusammen
Klementia läßt den Arm fallen
Magd in befreiendem, verhaltenem Jubel dät is er!
Klementia geht in den Chor; ein Schlüssel schließt schwer, eine Tür geht knarrend und fällt dumpf ins Schloß, eine verhaltene Männerstimme spricht zürnend.
Schwere Schritte bemühen sich vergeblich zu dämpfen
Ein Knecht jung, stämmig, die Mütze in der Hand drehend, im Mittelweg zwischen den Pfeilern, die Augen scheu zu Boden gesenkt, mit scheuem Trotz ... ik wull min Mächen holen!
Klementia taucht hinter ihm aus dem Dunkel
Susanna starrt ihn an, wendet sich dann jählings um und geht zum Altar
Tiefe Stille, das Mädchen schleicht sich zum Knecht; der legt den Arm um sie; mit scheu dröhnenden Schritten gehen die beiden, gefolgt von Klementia ab
Der Schlüssel schließt, die Tür geht knarrend, ein Windstoß fährt polternd zwischen die Betstühle, dröhnend fällt die Tür ins Schloß, der Schlüssel schreit
Die Kerze vor dem Kruzifix verlischt aufflackernd und zitternd
Susanna starrt aufschreckend in das Dunkel, aus dem jetzt zwischen den Betstühlen das weiße Antlitz Klementias näher schwebt
Susanna schreit auf ... Satanas!... Satanas!...
Klementia bleibt einen Augenblick gelähmt stehen, eilt dann gejagt nach vorne und steht mit krampfhaft verschlungenen Händen vor Susanna
Klementia Susanna!!!
Susanna legt die Hand auf Klementias Schulter und beugt erschöpft das Haupt
Klementia erschüttert ... Schwester Susanna!!... Schwester!... Ihr müßt ruhn. will sie fortführen
Susanna setzt sich auf die Stufen des Altars ... zünd die Kerze an!
Klementia ...
Susanna zünde sie an...
Klementia nimmt einen Wachsstock aus der Nische und geht in den Chor; sie kehrt um in verwirrter Hast, die Augen hinter sich
Susanna was ist...?!...
Klementia in hauchender Angst ... ich... kann... nicht!... sie drängt ganz dicht zu Susanna hin
Susanna erhebt sich und schaut in das Dunkel
Klementia hockt auf die Stufen nieder ... ich weiß... nicht... es weht... es geht.
Susanna der Nachtwind...
Klementia es summt... es klopft...
Susanna die Orgel... die Blüten... sie nimmt ihr den Wachsstock aus der Hand
Klementia Sancta Susanna... kauert in sich zusammen und schlägt die Hände krampfhaft vors Gesicht
Susanna geht langsam zwischen den Betstühlen nach vorne, wo sie gänzlich im Dunkel verschwindet; das ewige Licht verlischt hinter ihrer Gestalt
Aus dem Dunkel nähert sich langsam ein Licht in gleicher Höhe, das Licht des Wachsstocks, den Susanna vor sich her trägt
Susanna zündet die Kerze an
Klementia stützt den Kopf auf die Hand ... es war eine Nacht... es war eine Nacht... wie diese... dreißig... vierzig Jahre... sind es... es war eine Nacht wie diese... steht starr auf, blickt in die Leere und hebt die Hand beschwörend
Susanna wendet sich um und starrt auf Klementia, unter deren Bann
Klementia der Nachtwind sang...
Susanna der... Nachtwind... sang...?
Klementia die... Blüten... schlugen.
Susanna die... Blüten... schlugen...?
Klementia und ich war jung...
Susanna jung...?
Klementia dem Herrn geweiht...
Susanna läßt den Kopf auf die Brust sinken
Klementia hier lag ich auf den Knien so wie... du...
Eine Nachtigall schlägt laut
Klementia schreit heiser auf ... Beata!... sie verhüllt entsetzt mit den Armen ihr Gesicht und läßt die Arme wieder fallen
Susanna hebt den Kopf, starrt sie an, mit großen schreckhaften Augen
Klementia die Worte gepreßt, ins Leere starrend ... bleich... ohne Brustschleier und Stirnband... nackt... so kam sie...
Eine Nachtigall lockt ferne
Klementia daher... zeigt mit starrem Arm nach rechts ... sie schritt die Stufen empor... und sah mich nicht... sie stieg auf den Altar... und sah mich nicht... in heißer Hast... sie preßte ihren nackten sündigen Leib gegen das gekreuzigte Heilandsbild... und sah mich nicht... sie umschlang ihn mit ihren weißglühenden Armen und küßte sein Haupt... und küßte... küßte...
Die beiden Nachtigallen jubeln nah und fern laut und anhaltend
Klementia aufschreiend ... Beata... ich rief... ich rief nur...! ermattet ... da fiel sie herunter... sie fiel...
Die Nachtigallen verstummen plötzlich
Klementia wir trugen sie fort... mit Grauen den Oberkörper halb zum Bilde des Gekreuzigten gewendet und die Hände abwehrend von sich gestreckt ... seitdem brennt die Kerze... ewig... die Kerze zur Sühne... seitdem gürtet der Schal die Lenden... die Lenden... dort... zeigt ins Dunkel hinter das Kruzifix ... dort haben sie... sie... eingemauert... Fleisch und Blut... in Mauer und Stein... heiser ... hörst du sie?!... hörst du...?! ich hab... sie gehört... lange... immer... vorhin... zeigt in das Dunkel zum Hochaltar ... dort... eben schlägt die Hände vors Gesicht ... allmächtiger Vater im Himmel!... die Kerze ist erloschen!
Susanna starr ich habe sie wieder entzündet!... sie stützt ihre Hand auf den Altar
Klementia läßt die Hände langsam sinken und starrt sie an
Eine faustgroße Spinne kriecht aus dem Dunkel hinter dem Altar hervor
Klementia sinkt entsetzt in die Knie, auf das Insekt weisend ... die... Spinne!...
Susanna wendet den Kopf zur Spinne und bleibt in lähmendem Zittern gebannt stehen
Die Spinne läuft über den Altar und verschwindet an der andern Seite hinter dem Kruzifix
Susanna wendet sich nach einer Weile Klementia zu, nimmt bebend und zusammenschauernd in mechanischer Bewegung die Hand vom Altar... die Hände vom Körper ab zu Boden gestreckt... erstarrend ... hörst du sie...?!
Klementia entsetzt ... hörst... du...
Susanna ... hörst... du
Klementia ....
Susanna ... die Stimme...
Klementia ... ich... höre... nichts
Susanna ....
Klementia macht eine Bewegung zum Aufschrei, bleibt aber heiser vor Entsetzen ... ich höre... nichts!
Susanna geisterhaft nachsprechend ... bekenne... bekenne... sie steht mit dem Rücken gegen das Kreuz gewendet.
Susanna ... sagt... er... was?!...
Klementia in höchstem Entsetzen ...?!
Susanna macht eine Kopfbewegung nach dem Kreuze hin
Klementia faltet die Hände, stotternd ... Ave... Maria...
Susanna sagt er nichts...?!...
Klementia schüttelt in stummem Entsetzen den Kopf
Susanna löscht mit der Hand den Wachsstock aus, der noch immer in ihrer Hand brennt und legt ihn auf den Altar, alle Bewegungen mechanisch ausführend; dann steigt sie vom Altar herunter... Schritt für Schritt... lautlos... bleibt dicht vor Klementia stehen
Susanna lacht kurz silberhell glücklich auf... ein zartes vielstimmiges Echo mischt sich mit dem verhallenden Singen des Windes und dem Raunen der Zweige... reißt sich Brustschleier, Kopftuch und Binde ab; ihr langes Haar fällt über die nackten Schultern Schwester Klementia... ich bin schön...!
Der Wind stößt stark, die Zweige rauschen gewaltig und die Nachtigallen schlagen hell zusammen
Klementia sinkt, die gefalteten Hände hoch erhoben, in die Knie.
Susanna Schwester Klementia... ich bin schön...
Klementia Sancta Susanna...
Susanna Schwester Klementia... ich bin...
Klementia erhebt sich starr und steif, mit jedem Worte fester werdend Keuschheit... Armut... Gehorsam...
Susanna verstummt sie anstarrend, die Hand schwer auf dem Betstuhl
Klementia geht fest an ihr vorbei in das Dunkel; das Fenster klappt heftig zu, der jubelnde Gesang der Nachtigallen, das Rauschen der Bäume und das Singen des Windes erstirbt jäh
Klementia kehrt zurück
Susanna springt auf und faßt sie an das Fenster auf!... das Fenster...
Klementia hebt ihr das große Kreuz des Rosenkranzes entgegen
Susanna taumelt, das Kreuz anstarrend, Schritt für Schritt zurück bis zum Altar ... ich... ich sehe den... leuchtenden Leib...!... ich seh... ihn herniedersteigen... ich... fühle die Arme breiten...
Klementia hält das Kreuz hoch ... Keuschheit... Armut... Gehorsam... jedes Wort hallt klar aus den Wölbungen wider, zuletzt alle drei ineinander verschwimmend und verhallend
Susanna schreit auf und starrt umher wer spricht da?!...
Klementia ich!
Susanna ich... ich... ich... sprach das nie !!...
Klementia hält ihr das Kreuz entgegen
Susanna reißt das Lendentuch von dem großen Kruzifix in einem Riß herunter so helfe mir mein Heiland gegen den euren ...! sie sinkt in die Knie und schaut zu ihm auf
Die Spinne fällt hinter dem Kreuzesarm herunter ihr in das Haar
Susanna schreit gellend auf und schlägt mit der Stirn auf den Altar
Die Spinne kriecht über den Altar und verschwindet dahinter
Die Horenglocke läutet grell durch die Gewölbe, dazwischen schallt dumpf der Glockenschlag der zwölften Stunde
Susanna stört auf, fährt mit den Händen wild und wirr durchs Haar und kriecht auf allen vieren die Stufen des Altars herunter in Entsetzen vor sich selber fliehend
Mit dem letzten Stundenschlag verstummt die Horenglocke
Klementia läßt das Kreuz sinken Ave Maria!... ein neuer Tag!...
Susanna hockt stieren Blicks auf der untersten Altarstufe
Leise Schritte schlurfen und Gebete murmeln
Der Zug der Nonnen tritt ein
Vorbeterin kyrie eleison...
Chor kyrie eleison...
Vorbeterin regina coeli sancta...
Chor ora pro nobis...
Vorbeterin virgo virginum sancta...
Chor ora pro nobis...
Das Mondlicht, das bisher in hellen Streifen durch die Fenster fiel und bläuliche Lichter auf die Betstühle warf, verlischt; es wird ganz dunkel Die Nonnen kommen vor bis zum Weihwasserbecken, stocken, als sie auf Klementia stoßen, die unbeweglich im Mittelgang zwischen den Pfeilern steht und auf Susanna schaut. Das Gebet verstummt; die Nonnen sammeln sich in stummer Bewegung in weitem Halbkreis um Susanna; endlich stehen alle still unbeweglich in stummer Scheu
Alte Nonne tritt lautlos einen Schritt vor ... Sancta... Susanna!...
Susanna stört pfeilgerade in die Höhe
Alte Nonne senkt das Haupt Sancta Susanna...!
Susanna hinter dem Hofe liegen Steine...
Alte Nonne schaut auf
Susanna fest Ihr sollt mir die Mauer richten!...
Alte Nonne sinkt langsam die Arme breitend in die Knie
Chor folgt ihr
Klementia steht starr auf Susanna schauend
Susanna plötzlich stark nein!...
Alte Nonne springt auf
Chor folgt ihr
Alte Nonne hebt das Kreuz ihres Rosenkranzes über ihr Haupt
Chor folgt ihr
Alte Nonne beichte!...
Susanna ......
Klementia hebt das Kreuz
Klementia und Alte Nonne hart dringlich beichte!!!
Susanna nein!!!...
Klementia, Alte Nonne und Chor gellend beichte!!!
Das Wort hallt aus den Gewölben dreimal wider, die Kirchenfenster zittern, der Sturm heult draußen auf
Susanna nein!!! Das Echo des Wortes wird von dem vorigen verschlungen
Alte Nonne in Ekstase Satana!!!
Alte Nonne und Klementia Satana!!!
Alte Nonne, Klementia und Chor Satana!!!...
Gellendes, verworrenes Echo.
Susanna steht hoch aufgerichtet, in unberührter Hoheit
Alle stehen still und unbeweglich