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Als ich vor acht Jahren als Fähndrich in. Z. auf Werbung stund, um sonderlich vor meines Capitains Kompagnie etwa zehn bis zwölf Rekruten anzuwerben, bekam ich auf listige Art einen schönen und wohlgewachsenen Menschen von ohngefähr zwanzig Jahren, welcher seine Studia auf der Schule daselbst absolvierst hatte und bei seinen Eltern nur auf etliche Taler Geld laurete, um damit auf Universitäten zu gehen, womit ihm aber dieselben, weil sie wenig im Vermögen hatten, nicht alsobald helfen konnten. Ebendieses war wohl die meiste Ursache, daß er zwei Dukaten Handgeld und das Versprechen von mir annahm, daß er den ersten Furiersplatz, so unter dem Regimente aufginge, haben sollte. Allein wie es gemeiniglich zu gehen pflegt, daß dergleichen Versprechen nicht gar zu genau gehalten werden, so traf es auch bei dem ehrlichen Merillo zu, denn er mußte über Jahr und Tag die Flinte tragen, führete sich aber dabei sehr wohl und gelassen auf, hielt sich in der Montur allezeit reinlich und überhaupt alle seine Sachen sehr ordentlich, frequentierte keine liederlichen Kompagnien, sondern blieb lieber zu Hause, las in den Büchern, so er geborgt kriegen konnte, bemühete sich anbei sonderlich, die französische Sprache fertig reden und schreiben zu lernen, wie er denn auch dieselbe binnen kurzer Zeit fast vollkommen innehatte. Nach der Zeit, da er sich durch sein Schreiben einige Taler Geld erworben, mag ihm wohl auch ein Lüstgen ankommen, in Kompagnie zu gehen, derowegen attachiert er sich stets an die Unteroffiziers und andere reputierliche Leute, welche ihn wegen seiner guten Aufführung und klugen Diskurse lieben und ehren. Nur ist das schlimmste, daß das Geld nicht immer zureichen will; denn die Löhnung langete nicht allzuweit, und nach einiger anderer Soldaten Art, auf Marode oder, besser zu sagen, stehlen zu gehen, war seiner noblen Ambition zuwider, derowegen mußte er sich nolens volens nach der Decke strecken und manche lustige Kompagnie meiden. Bei seinerWirtin, die eine stürmische, geizigeWittbe und bereits etliche vierzig Jahre alt war, hatte er sich seit etlichen Wochen vor empfangene Viktualien in ein paar Taler Schulden gesetzt, durfte sich also, wenn er nicht gemahnet sein wollte, nicht allzu wohl vor ihr sehen lassen, sondern kroch manchen Nachmittag auf den Heuboden, nahm ein Buch mit dahin und las so lange darinnen, bis ihn der Mittagsschlaf überfiel.
Ich habe vergessen zu melden, daß wir damals schon nach einem zurückgelegten Marsche von etliche vierzig Meilen bei unserm Regiment umgekommen waren. Jedoch die Geschicht fortzusetzen, wie mir dieselbe von dem Merillo umständlich erzählet worden: So schlummert er eines Tages auf gedachten Heuboden abermals ganz süße; seine Frau Wirtin, die etwa ihr Heu besichtigen will, trifft ihn, und zwar in einer solchen Positur liegend an, die zwar ein junges Mägden, keineswegs aber eine Frau von solchen Jahren zur Liebe reizen sollen. Merillo ermuntert sich zwar und merkt, daß sie vor ihm stehet und ihn beschattet, jedoch aus Furcht, von ihr gemahnet und gescholten zu werden, bleibt er ganz stille liegen und fängt an zu schnarchen als ein Ratz. Die verliebte Alte bleibt eine gute Zeit ganz entzückt zu seinen Füßen stehen, endlich, da sie vermeinet, daß er in dem allerfestesten Schlafe läge, setzt sich ganz sanfte an seine Seite, suchet dasjenige, was ihr Herze begehrt. Weil aber Merillo sich hierdurch nicht ermuntern läßt und ihr die Zeit zu lang werden will, legt sich das verliebte alte Rabenfell auf ihn, liebkost und bittet ihn so lange, bis er ihr denjenigen Dienst leistet, den er, wenn er nur einige Taler im Vermögen gehabt, ihr vielleicht versagt hätte. Sie hat sich hierauf ungemein vergnügt und gütig gegen ihn erzeigt, ihm die Schuld erlassen und noch darzu etliche harte Taler in seine Tasche gesteckt, anbei versprochen, ihn täglich aufs beste zu traktieren und jederzeit mit benötigtem Gelde zu versorgen, daferne er sie in Zukunft ferner vergnügen wolle. Merille, entschließet sich demnach, in einen sauern Apfel zu beißen, um delikate Bißgen zu haben und ein gutes Leben zu führen. Er führete sich weit sauberer in Kleidung und Wäsche auf als sonsten, ging öfters in Kompagnie, spielete auch dann und wann ein Spiel mit, welches vorhero sein Werk nicht gewesen war, doch bei allen dem war er sehr akkurat in Versehung seiner Dienste und suchte sich beständig in der Gunst der Höhern zu erhalten, welches ihm denn erstlich die Korporals- und wenig Monat hernach die Furiersstelle zuwege brachte. Damals gab er denen andern Unteroffiziers einen vortrefflichen Schmaus, der ihm mehr als dreißig Taler kostete, hatte es auch eben nicht weit von sich geworfen, als ihm einige railliert, wie nehmlich er gewiß Frauenzimmerstipendia genösse. Niemand hätte aber auf seine unscheinbare Wirtin gedacht und geglaubt, daß bei derselben die Liebe den Geiz überwunden hätte. Allein die Alte gab alles her, was er von ihr verlangte, beide aber trieben ihr geheimes Liebesspiel so lange, bis sie einsmals von der Tochter beschlichen und in voller Arbeit angetroffen worden. Da sich nun die Tochter unterstehet, der Mutter wegen ihres unzüchtigen Lebens einen Verweis zu geben, wird das gute ehrliche Mägdgen von der erzürnten Mutter dergestalt mit Schlägen traktiert, daß sie in etlichen Tagen nicht aus dem Bette kommen, mithin, ihrer Bedrohung nach, dem Beichtvater nicht anzeigen kann, was sie mit ihren Augen gesehen. Mutter und Tochter versöhnen sich zwar bald wieder, allein in wenig Tagen gehet der Streit und das Drohen der Tochter von neuen an, bald hernach aber wird das Mägdgen frühmorgens in ihrem Bette tot gefunden und unter dem Vorwande, daß sie an einem Schlagflusse gestorben, in aller Stille begraben.
Merillo schöpft hierüber arge Gedanken und mutmaßet aus verschiedenen Umständen, daß die Mutter ihre Tochter vielleicht durch Gift von der Welt gebracht, um das Liebesspiel desto sicherer zu treiben. Demnach bekömmt er einen heftigen Ekel und Abscheu vor diesem alten Felle und sinnet auf Gelegenheit, sich mit guter Manier aus den Fesseln derselben zu reißen. Hierzu ereignete sich nun dieses angenehme Mittel: Das alte Weib hatte von ihrem zusammengescharrten Gelde 1200 Stück alte Kremnitzer Dukaten in ihrem Speisegewölbe in die Erde gesetzt. Merillo kömmt ihr von Ohngefähr hinter die Schliche und merkt das Fleckgen; einige Tage hernach aber nimmt er diesen Schatz heraus und vergräbt denselben an einen andern, ihm gelegenern und sichern Ort, Lässet sich aber nichts merken, sondern stellet sich, als ob er immer ärmer und Geld bedürftiger würde, ja er macht sich gar unpäßlich, um der Aufwartung bei seiner alten Sara überhoben zu sein. Diese wartet und pflegt ihn aufs beste, um seine Kräfte wiederherzustellen, eines Tages aber kömmt sie ohnversehns als eine höllische Furie mit zerrauften Haaren und gräßlichen Zetergeschrei in seine Stube gelaufen und stellet sich nicht anders an als ein Mensch, das ganz von Sinnen kommen will. Merillo stellet sich ungemein erschrocken an und fragt, was ihr denn Leides widerfahren sei, worauf sie ihm mit allen Umständen klaget, daß ihr ihr größtes Kapital an 1200 Stück Dukaten weggenommen worden, auch hinzufügt, er und kein anderer müsse es entführet haben, derowegen möchte er es nur bekennen, weil sie ohnedem gesonnen gewesen, dieses Geld mit ihm zu verzehren. Merillo versucht anfänglich, ihr diesen Wahn in Güte zu benehmen, ermahnet sie auch, vorhero recht zu suchen, weil sich das vergrabene Geld oftermalen zu verrücken pflegte. Da sie aber nicht nachlässet, ihm diesen Raub auf den Kopf schuld zu geben, fähret er plötzlich mit anderen Worten heraus und spricht: «Du alte Bestia! kannst du mir so wohl beweisen, daß ich dich bestohlen habe, als ich dir dartun will, daß du, um deine Geilheit desto sicherer auszuüben – worzu du mich sozusagen bei den Haaren gezogen hast –, eine Mörderin an deiner einzigen Tochter geworden bist. Warte, warte», spricht er ferner, «ich will dich altes Luder bald in Schindershänden sehen, weil du mich als einen ehrlichen Unteroffizier zum Diebe machen willst.» Hiermit springt er auf, ziehet seine Kleider an und will zum Hause hinausgehen, allein die Alte, welcher das Gewissen schlägt, fällt zu seinen Füßen und bittet mit Tränen, ihr kein Unglück über den Hals zu ziehen, sie wolle gern alles vergessen und, ob sie gleich an dem plötzlichen Tod ihrer Tochter unschuldig, ihm doch noch hundert spec. Taler schenken, nur daß sie durch ihn nicht in bösen Verdacht und Nachrede gesetzt würde. Merillo läßt sich nach langen Weigern endlich besänftigen, nimmt die hundert Taler noch mit und verspricht, ihr weder Guts noch Böses nachzureden, gehet zum Hause hinaus, lässet seine Sachen durch ein paar Musketiers nachholen und kömmt nachhero nicht wieder zu ihr, erfähret aber wenig Wochen hernach, daß sie an einem hitzigen Fieber in größter Raserei dahingestorben sei.
Solchergestalt konnte er sich nun seines erworbenen Geldes etwas freier bedienen, doch fing er seine Sachen recht klug an, indem er vorgab, es wäre in seiner Heimat ein naher Anverwandter von ihm gestorben, welcher ihm zu seinem Avancement unter der Miliz ein ziemliches Kapital vermacht hätte. Nebst seiner guten Aufführung machten die geheimen Spendagen, daß er bald hernach Feldwebel wurde, da er sich denn so galant als der beste Oberoffizier auffährete. Er besuchte den Fecht- und Tanzboden fleißig, zeigte viel Courage; seiner guten Conduite wegen waren ihm aber auch diejenigen gewogen, welche einesteils Ursach gehabt hätten, ihn zu beneiden und sich feindselig gegen ihn zu erzeigen.
Wegen seiner propren Aufführung und wohlgebildeten Person nun verliebte sich ein Kammerfräulein einer gewissen vornehmen Dame, die als Wittbe in der Stadt lebte, wo wir in Garnison lagen, in unsern Merillo. Ich will die Dame bloß Livicarda und das Kammerfräulein Rosinde nennen. Diese Rosinde kann nicht ruhen, bis sie mit Merillo zu sprechen kömmt. Es geschieht endlich dieses durch Vermittlung einer alten Frau zum erstenMale, als von ohngefähr, in einem Garten. Beide Persollen gefallen einander, werden derowegen ihres verliebten Krams bald einig, worauf denn Merillo voll seiner Geliebten einsmals um Mitternachtszeit in ihrer Gebieterin, der Livicarden, Palast, ja sogar in ihre Schlafkammer geführet wird, allwo sie im größten Vergnügen eine Bouteille Wein und allerlei Sorten von Konfekt miteinander verzehren. Indem sie sich aber anschicken, die allersüßeste Kost der Liebe zu genießen, öffnet sich ganz plötzlich die Tür, welche Rosinde zuzuschließen vergessen. Livicarda kömmt selbsten hineingetreten und spricht: « Siehe da! ihr artigen Herzgen, trifft man euch also hier beisammen an. Beschimpft ihr solchergestalt meinen Palast? Rosinde! wollet Ihr schon Euren Jungferkranz durch einen Soldaten zerreißen lassen? Und Ihr!» so redet sie den Merillo an, «wer seid denn Ihr? Ich bitte um Vergebung nur derentwegen, daß ich Euch ein standesmäßiges Bad kann zubereiten lassen. Traget Ihr nicht mehr Respekt vor eine solche Dame, wie ich bin, als daß Ihr Euch unterstehst, eine von ihren Fräuleins zu schänden.»
Merillo will zwar seine Verantwortung und untertänigste Bitte um Gnade vor Livicarden kniend verrichten, doch dieselbe höret ihn nicht, sondern ergreift Rosinden beim Arme und schleppt sie aus der Stube, verriegelt dieselbe und spricht, er solle nur Geduld haben, sie wolle ihm etwas anders weisen. Daß dem guten Merillo nicht allzuwohl bei der Sache gewesen sein müsse, ist leicht zu glauben; er hatte die Fenster betrachtet, um herunterzuspringen, allein sie sind zu hoch und darzu mit eisernen Stäben verwahrst, auch ist die Tür dergestalt befestigst, daß er sie nicht aufbrechen kann. Ob nun zwar sein Verbrechen keine Todsünde war, so wollte ihm doch schon im voraus von einer scharfen Züchtigung und starken Prostitution träumen, derowegen blieb er über eine Stunde lang in den allerängstlichen Sorgen und Bekümmernissen sitzen; nach Verlauf derselben aber stellet sich die zwar sehr schön, doch darbei sehr zornig aussehende Livicarda wieder ein und redet ihn mit folgenden Worten an: «Wohlan! freveler Soldat! hieraußen vor meiner Tür stehen vier bewehrte Knechte, getrauet Ihr Euch mit Euren Degen durchzuschlagen, so waget Euch hinaus, die Türen meines Palasts sind geöffnet, daß ihr weiterkommen könnet.» Merillo fällt abermals zu ihren Füßen, bittet um Gnade, stellet vor, es würde ja einer solchen irdischen Göttin, welcher lauter Güte und Barmherzigkeit nebst anderen unaussprechlichen Annehmlichkeiten aus den Augen leuchteten, eben nicht mit einer Handvoll seines Blutes gedienet sein, zudem so wäre ja das Verbrechen, worzu ihn die hitzige Jugend verleiten wollen, noch nicht vollführet worden etc. etc., worauf Livicarda mit einer etwas gnädigern Miene spricht: «Rosinde hat mir bereits gestanden, wievielmal ihr Unzucht miteinander getrieben habt; werdet Ihr nun auch in diesem Stücke, die reine Wahrheit bekennen, damit ich höre, ob eure Reden übereintreffen, so soll Euch dennoch ein Teil meiner Gnade angedeihen.»
Merillo bekräftiget demnach mit teuren Schwüren, daß dieses ihre erste geheime Zusammenkunft wäre, und setzet noch hinzu, daß er sich zeitlebens noch mit keinem Frauenzimmer fleischlich vermischt habe. Hierauf erkundigt sie sich wegen seiner Charge, Herkommens und anderer seine Person betreffenden Umstände, und da er sie dessen allen mit wohlgesetzten Worten und manierlichen Gebärden berichtet hat, sagt sie endlich mit lachendem Mund: «Ich glaube Euch alles wohl, nur daran zweifele ich, daß Ihr noch ein reiner Junggeselle seid.»
Dieses nun versicherte Merillo nochmals mit den kräftigsten Worten, worauf Livicarda mit einer verliebten Miene spricht, dergleichen Wildbret wäre etwas Rares und viel zu delikat vor ein armes Fräulein. «Wo mich mein Spiegel nicht betrügt oder ich mir nicht selbst schmeichele, so hielte ich mich fast um ein gut Teil wohlgebildeter als meine Rosinde. Wie gefiele Euch demnach der Tausch, Merillo, wenn Ihr anstatt Rosinden mich karessieren dürftet?» – «Madame!» antwortete Merillo, «Sie suchen vielleicht ein Wort von mir herauszulocken, welches mir das Leben kosten soll; doch muß ich bekennen, daß mir dergleichen übermenschliche Schönheit, wie die Ihrige ist, zeit meines Lebens noch nicht vor Augen gekommen, ich aber bin ein Wurm gegen Dero unvergleichliche Person und genieße mehr als zu vieles Glück, wenn ich nur den Staub zu Dero Füßen küssen darf.» – «Eurer Gestalt und Geschicklichkeit nach», versetzte Livicarda, «wäret Ihr würdig, ein geborner Prinz zu sein; demohngeacht aber, wo Ihr vernünftig lieben und schweigen könnet, so steht Euch bei mir dasjenige Vergnügen offen, welches Ihr diese Nacht bei Rosinden zu finden verhofft habt; saget demnach kürzlich Eure Meinung und was Ihr Euch selbsten zutrauet.»
Bei so gestalten Sachen hielt Merillo mit der Resolution nicht lange zurücke, sondern gab die Livicarden wohlgefällige Erklärung mit zitierender Freude von sich, worauf sie ihm selbst den ersten Kuß gab, ihn nach einigen verliebten Tändeleien bei der Hand nahm und eine Treppe hinunter in ihr Schlafzimmer führete, allwo er auf den gehabten Schrecken erstlich einen guten Trunk von einer köstlichen Herzstärkung tun, hernach sich kommode machen und bei Livicarden, ihrer Meinung nach, die ersten Proben seiner Tapferkeit im Venuskriege ablegen mußte.
Er hat mir ... teuer zugeschworen, daß ihm damals tausendmal besser um die Leber gewesen als bei seiner alten Wirtin auf dem Heuboden; allein er hätte solches eben nicht nötig gehabt, denn ich konnte es ohnedem wohl glauben sowohl als dieses, daß beide keinen Schlaf in ihre Augen kommen lassen, bis endlich der anbrechende Tag erinnert, daß es Zeit sei, voneinander zu scheiden, da ihm denn Livicarda die Verschwiegenheit nochmals bei Verlust seines Lebens eingebunden, diese erste Visite mit einer guten Handvoll Dukaten, die sie ihm in den Hut gelegt, belohnet, auf folgende Nacht seine Wiederkunft durch eine kleine Gartentür, die sie ihm bezeichnet, verlangst und also diesen wohlbestellt befundenen Venusritter fortwandem läßt.
Solchergestalt hatte sich nun Merillo das gestörte Liebesvergnügen bei Rosinden gar nicht gereuen lassen, dieses arme Mägdgen aber hat selbige Nacht ihre heiße Liebesglut in einem kalten Gewölbe abkühlen müssen; folgenden Morgens aber ist sie in einen zugemachten Wagen gesetzt und sechzehn Meilen von dannen zu den Ihrigen geführt worden, weswegen denn Merillo dieselbe nach der Zeit nicht wieder zu sehen bekommen.
Livicarda lebte, wie ich bereits gemeldet, als eine Wittbe, indem ihr Gemahl, mit dem sie kaum zwei Jahr in einer sehr vergnügten Ehe gelebt, an einer Blutstürzung nur etwa vor einem halben Jahre plötzlich gestorben war. Sie war sehr schön, ihres Alters ohngefähr einundzwanzig bis zweiundzwanzig Jahr, darbei stark bemittelt. Es hatten sich zwar schon verschiedene Freier bei ihr antragen lassen, allein sie mochte bei jedweden etwas auszusetzen haben, indem sie sehr eigensinnig war, jedoch weil sie sehr propre und delikat lebte, konnten die wollüstigen Liebestriebe wohl ohnmöglich außen bleiben, derowegen suchte sie sich in geheim zu vergnügen, vor den Leuten aber wußte sie sich dergestalt zu verstellen, daß man hätte glauben sollen, es wäre ihr an nichts weniger als an dem Venusspiele gelegen, wie sie denn auch noch niemals gesegnetes Leibes gewesen war; allein die öftern Umarmungen des muntern Merillo verursachten, daß sie binnen wenig Wochen bei sich verspürete, wie sie zwei Lebern im Leibe hätte. Es stiegen ihr dieserwegen verschiedene Grillen in den Kopf, doch alles dieses gibt der Liebe zu dem Merillo nicht den geringsten Stoß, welches er daraus abmerken konnte, da sie ihm immer eine starke Geldsumme über die andere in die Taschen steckte, welches er denn nicht übel anlegte, sondern vermittelst desselben erstlich die Fähndrichs- und etwa drei oder vier Monat hernach die Lieutenantsstelle erhielt, auch einen kavaliermäßigen Staat führete.
Mittlerweile wird ihrer beider Liebe und die nächtlichen Zusammenkünfte dergestalt geheim praktiziert, daß kein Mensch das geringste davon erfähret, da aber die Zeit ihrer Niederkunft immer näher herbeikömmt, tritt sie eine Reise in ein anderes Königreich an. Merillo erlangt zu gleicher Zeit Urlaub, auf etliche Monate in seine Heimat zu reisen, also kommen sie beide an einem bestimmten Orte zusammen, allwo Livicarda ihre Bagage und übrigen Bedienten zurücklässet, weiter aber niemand mit sich nimmt als eine einzige vertraute Frau und ein getreues Mägdgen, die von Jugend auf bei ihr erzogen worden. Merillo, der sichWagen und Pferde, ingleichen zwei fremde Bedienten angeschafft, führet sie also etliche fünfzig Meilen weit in das fremde Land hinein, so lange bis der junge Merillo sich zu stark reget und das fernere Reisen verhindert. Indem sich nun beide Verliebte vor ein Paar Eheleute ausgeben, wird das Kind, nachdem es frisch und gesund zur Welt gekommen, in einem Dorfe getauft. Livicarda pflegt daselbst drei bis vier Wochen ihrer Gesundheit, nach diesen lassen sie die alte Frau mit dem Kinde in besagten Dorfe und begeben sich wieder auf die Rückreise. Merillo begleitet sie bis nahe an den Ort, wo sie ihre Suite zurückgelassen, sodann gehet er genommener Abrede nach abermals zurück und nimmt das Kind nebst der alten Frauen und einer tüchtigen Amme mit sich nach Deutschland, bringet es bei gute Leute zur Auferziehung, mit dem Begehren, daß es als ein adeliches Kind traktiert und besorgt werden solle; hierzu deponiert er vorerst fünfhundert spec.Taler, indem er von Livicarden noch einmal soviel empfangen hatte, und verlangst, daß man ihm wenigstens alle Monat einmal von des Kindes Zustande Rapport abstatten solle.
Seinen Eltern gibt er bei dieser Gelegenheit auch eine Visite, sagt ihnen aber von der Vermehrung ihres Geschlechts nicht das geringste. Da aber dieselben sich über sein jählinges Avancement zum höchsten verwundern, gibt er bei ihnen vor, er sei einsmals des Nachts von einem Gespenste aufgeweckt worden, welches ihm anbefohlen, gleich aufzustehen und mitzugehen, weil er in dieser Nacht denjenigen Schatz heben könne, welcher ihm bescheret sei, widrigenfalls würde dieser Schatz nach sieben Jahren einem andern zuteil werden. Er als Soldat habe demnach das Herze gefasset und wäre dem Gespenste gefolget, welches ihm den Schatz frei und sicher heben und hinwegtragen lassen, auch weiter nichts von ihm verlangt, als daß er jährlich auf diesen Tag zum Gedächtnisse des gehobenen Schatzes sein Hemde ausziehen und dasselbe einen armen Menschen geben solle.
Ich weiß nicht mehr zu sagen, ... was er seinen Eltern und Befreundten noch mehr vor Wind vorgemacht, denn es fehlete ihm niemals an geschickten Einfällen. Er lässet aber ein gut Stück Geld zu Hause, worgegen ihm liegende Güter verschrieben werden, den usum fructum aber schenkt er seinen Eltern, bis er nach gebüßeter Soldatenlust wieder nach Hause käme. Nachdem er nun die Sachen in seiner Heimat gehörig eingerichtet, verkaufte er die Kutsche und die Pferde, bis auf drei tüchtige Reitklepper, gab den ausländischen Bedienten eine raisonnable Belohnung, schenkte ihnen die Liberei, die sie nur wenig Wochen getragen, mit auf den Weg, nahm sich einen Reitknecht aus seiner Vaterstadt an, der ihn zugleich als Laquais bedienen konnte, und reisete, nachdem seine Urlaubszeit beinahe verflossen war, wieder zum Regimente.
Das Liebesspiel mit Livicarden fing er also aufs neue an, jedoch muß er auf ihr banges Zureden mehr Behutsamkeit als anfänglich gebrauchen, weilen ihr ohngelegen, dergleichen Fatiguen so bald wieder auszustehen und einen solchen Hazard zu wagen, der vielleicht nicht so glücklich ausschlagen dürfte als der erste. Solchergestalt war nun Livicardens Trauerzeit, und zwar noch ein großer Teil drüber, auf eine ganz plaisante Art verbracht. Es melden sich zwar, wie schon gedacht, verschiedene standesmäßige Freier, muß aber einer nach dem andern mit einem Korbe abziehen, weil sie vielleicht von keinem unter allen vermuten können, daß er so geschickt sei, sie zu vergnügen, als Merillo. Endlich kömmt ein junger feiner Herr namens Ch. mit seiner Werbung bei Livicarden angestochen, zu diesem bekömmt dieselbe Appetit, weiln er dem Merillo an Jahren, Gestalt und galanten Wesen ziemlich zu gleichen geschienen, an Reichtum aber übertraf er fast die Livicarda selbst; allein, sie will dennoch nicht eher zuschlagen, bis sie vorhero ihren Trampelgalan mit guter Manier abgeschaffet hat.
Merillo, welcher zwar vor wie nach seine Aufwartung noch bei Livicarden machen muß, merket jedoch gar bald, daß er, nur um ihre Brunst zu löschen, Notknecht sein müsse, indem er nicht des zehenden Teils mehr so zärtlich traktiert und karessiert wird als vorhero. Derowegen fängt er an, sich einigermaßen über ihre Kaltsinnigkeit zu beklagen und ihr vorzurücken, daß sie vielleicht seiner überdrüssig sein müsse, indem sie gemeiniglich nach vollbrachten Liebesspiele einen besonderen Ekel gegen seine Person spüren ließe, worauf Livicarda freimütig bekennet, daß sowohl des Staats als ihr eigenes Interesse erforderte, die Anwerbung des Herrn G. von Ch. nicht auszuschlagen, sondern ihm die eheliche Hand zu geben; derowegen würde er, Merillo, sie nicht verdenken, wenn sie sich gewöhnen mußte, sich seiner nach und nach zu enthalten; inzwischen würde sie das mit ihm genossene Liebesvergnügen beständig in geneigten Andenken behalten und allezeit eine gute Freundin von ihm verbleiben.
«Wohl gut, Madame!» sagt Merillo mit einer etwas ernsthaften Stimme und Miene, «ich muß mir gefallen lassen, meine Glückseligkeit und Vergnügen, zu welchem ich plötzlich und unverhofft gelanget, auch plötzlich und unverhofft wiederum zu quittieren, schätze mich auch verbunden, vor Dero Interesse mehr als mein Vergnügen aufzuopfern, und bin bereit, das letzte Adieu von Ihnen zu nehmen, doch bitte nur vorhero von ihnen Ordre aus, ob die Frucht Ihres Leibes zum bürgerlichen oder adelichen Stande erzogen werden soll.» Sie lässet durch Gebärden nicht undeutlich spüren, daß sie sich über diese Reden alteriert, gehet aber, nachdem sie ihn noch ein wenig warten heißen, in ein Nebenzimmer und kömmt erstlich nach Verlauf einer halben Stunde wieder zurück, da sie denn mit einer negligenten Miene zu ihm spricht: «Ich bin voritzo nicht imstande, Euch zu kontentieren. Gehet diesesmal hin, ich will Euch bei nächster Zusammenkunft in allen Satisfaktion geben.» Er macht sein Kompliment und geht ziemlich trotzig seiner Wege, ist aber kaum drei oder vier Schritt von der Gartentür hinweg, als er in der dicken Finsternis, und zwar in einem Tempo, zwei Stiche, einen von vorne in die rechte Schulter und den andern durch die linke Weiche, bekömmt. Er tut einen Sprung auf die Seite, ziehet seinen Degen, um bei weiterer Attaque einen seiner Feinde mit in den Tod zu nehmen, da er aber vermerkt, daß dieselben davonlaufen, hält er nicht vor ratsam, größern Lärm zu machen, sondern schleicht in aller Stille nach seinem Quartiere, läßt einen Feldscher kommen und sich verbinden. Etliche Tage sahe es sehr schlimm mit ihm aus; jedoch weil keine Hauptteile im Unterleibe verletzt waren, wurde er in wenig Wochen vollkommen restituiert.
Inmittelst erfuhr er, daß Livicarda ehester Tages mit dem G. von Ch. Beilager halten würde, derowegen trieb ihn der heftige Chagrin an, folgende Zeilen an Livicarden zu schreiben:
Geht diesesmal hin, ich will Euch bei nächster Zusammenkunft in allen Satisfaktion geben.
Madame!
Dieses waren die letzten Worte, so ich neulich von einer vornehmen Dame hören mußte, die mich ehedem sehr öfters kommen, aber niemals weggehen heißen. Doch Glücke, Glas und die Liebe eines vornehmen Frauenzimmers gegen eine Mannsperson geringeren Standes zerbricht gar leichtlich, und also bewundere ich nichts, als daß Dero heftige Brunst von so langer Dauer sein und durch mein unermüdetes Bemühen nicht eher als itzo gelöschet worden. Jedoch was will ich von löschen sagen, da vielleicht die Glut dermalen durch den Anblick eines vierschrötigen Landsmannes noch heftiger angeblasen worden, von welchen etwa präsumiert wird, daß er seine Rebus besser machen werde als ein politer Deutscher. Demnach verwundete ich mich auch nicht, daß ich meinen Abschied von Ihnen bekommen, nur wundert mich, daß, da beschlossen gewesen, mir das Lebenslicht ausblasen zu lassen, Sie keine geschicktern Meuchelmörder, sondern solche feige Kanaillen choisiert haben, welche die rechten Fleckgen nicht zu treffen gewußt, sondern, nachdem sie ihre Stöße mit selbst eigener Angst und Zittern angebracht, sich, sobald sie nur meinen Degen aus der Scheide fahren höreten, auf die Flucht begaben. War denn etwa dieses, Madame, die versprochene Satisfaktion? Sollte dieses der Rekompens vor meine oft über die Gebühr angespannete Kräfte sein? Sollte solchergestalt das kostbare Geheimnis erstickt und keinem Menschen kundgemacht werden, ob der arme kleine Livicardomarillus vom Himmel gefallen oder hinter den Zaune gefunden sei, mithin dieses unschuldige Kind zu einer vater- und mutterlosen Waisen gemacht werden? Ja, ja! ich besinne mich, die Staatsraison hat solches absolutement erfordert. Doch nein, Madame! das Militärleben ist vermögend, einem bürgerlichen Körper ein adeliches Herze einzupfropfen. Ob es aber zwar gleich keine Heldentat ist, dergleichen Cameralia, als wir eine Zeit dahero miteinander traktieret, auszuplaudern, so wird doch hoffentlich die galanteWelt, in Betrachtung meiner ausgestandenen Fatiguen, mich nicht verdenken, wenn ich auf Mittel sinne, meinen Hohn zu rächen, welches ich wohl unterlassen, wenn man nicht versucht hätte, mich auf eine so liederliche Art ums Leben zu bringen.
Demnach kündige ich Ihnen, Madame! meine vorgesetzte Rache an, worbei ich meinen Körper tausend Gefährlichkeiten exponiere, jedoch garantiere, daß, ob auch mein Körper in tausend Stücke zerteilst würde, dennoch keine menschliche Gewalt vermögend sein soll, die Publikation des Geheimnisses zu verhindern, welches zur Zeit noch meines Wissens niemanden als uns beiden bekennt ist; denn es liegt bereits mit allen akkuraten Umständen der ganzen Welt zur Nachricht aufgeschrieben an einem sichern Orte, welches ich darum getan habe, weil ich nicht weiß, ob ich vor meinem Ende noch imstande sein möchte, solches mündlich publik zu machen. Zwar glaube ich nicht, daß mein vertrauter Umgang mit Ihnen Dero hohen Stande eben so gar sehr despektierlich sein kann, weil ein braver Soldat ebensowohl von Adam und Even herstammet als eine Staatsdame hiesigen Landes. Vielleicht ist auch der Herr G. von Ch. eben so ekel nicht, daß er nach Vernehmung dieser Liebesbegebenheit Dieselben nicht ebenso feurig, als Sie sich ohnfehlbar schon im Geiste vorstellen, embrassieren sollte, wo er ja die Probe nicht bereits abgelegt. Dem sei aber wie ihm sei, so will doch ich erstlich eine mit Pulver, Blei und Blut geschriebene Protestation wider das fernere Verfahren einlegen, um wegen meines mir meuchelmörderischerweise abgezapften unschuldigen Bluts Revange zu nehmen. Solches meldet Ihnen zur dienstlichen Nachricht
der beherzte
Merillo
... da Merillo eines Tages auf dem großen Platze vor ihrem Palais herumspazieret und wegen seiner in Gurt gesteckten Pistolen mutmaßen lässet, als ob er auf dem G. von Ch., der eben damals von Livicarden traktiert wurde, laurete, schickt sie eine ihrer Getreuen an ihn ab, lässet ihm eine ziemliche Summa Geldes bieten, wenn er sie ferner ungekränkt lassen und sich gar von dannen hinweg in andere Dienste begeben wolle; anbei läßt sie versprechen, sich noch selbigen Abends in einem Schreiben wegen des auf sie gelegten Verdachts, den Meuchelmord betreffend, zu entschuldigen und ihm bessere als vermeinte Satisfaktion zu geben. Dieser stellet sich anfänglich ziemlich spröde, weiln aber dennoch seine Absichten bloß allein auf das Geld gerichtet sind, verspricht er endlich, die Satisfaktionspunkte in seinem Quartiere zu erwarten, begibt sich also, nachdem er vor Livicardens Palais ein Pistol in die Luft geschossen, in sein Quartier.
Von ohngefähr fügte sich's, daß ich nebst noch einem Offizier durch solche Straße passierte, weiln wir nun den Merillo im Fenster gucken sahen und wußten, daß er öfters lieber ein paar gute Freunde auf der Stube hatte als in starke Kompagnien ging, trafen ihn aber sehr konsterniert und kaltsinnig an. Doch weiln sich bekannte Offiziers untereinander nicht viel hieran zu kehren pflegen, so machten wir beide auch diesmal uns keine Sorge daraus, setzten uns nieder, spielten ein L'hombre und rauchten eine Pfeife Tobak darbei. Merillo stellete sich, da es Abend zu werden begunnte, etwas unpäßlich und schläfrig an, allein mein Kamerad, der etwas lustiges Geistes war, sagte: «Herr Bruder! du magst im Ernste krank oder schläfrig sein, so gehe ich doch vor Mitternachts nicht vom Flecke.» Wie er demnach sehe, daß es nicht anders war, stellete er sich etwas aufgeräumter. Ohngefähr um zehn Uhr des Nachts aber kam sein Bedienter und meldete, daß zwei Personen da wären, welche etwas an ihn zu überbringen hätten. Derowegen sprach Merillo zu mir: «Messieurs, seid von der Güte, nehmet ein Licht und gehet nur auf einige Minute in dieses Nebenzimmer, weil ich nur noch etwas zu negotiieren habe, worvon ich Euch nachhero Part geben will.» Wir weigerten uns nicht, dieses zu tun, weil ich aber curieus war zu sehen, was passierete, guckte ich durch das Schlüsselloch und wurde gewahr, daß sein Diener zwei Weibspersonen hineinbrachte, von welchen die eine einen schwer angefülleten Korb truge und von einer sogenannten wohlbewußten Person einen Gruß wie auch ein Schreiben brachte, anbei den Merillo bat, er möchte von der Güte sein und seinen Diener bis an die Ecke der Straße gegen den Markt zu schicken, weiln zwei Weiber unterwegs wären, die das Beste trügen, sich aber vielleicht verirren könnten. Dieser schickte also seinen Diener mit der Laterne fort, trat zum Lichte und erbrach den empfangenen Brief, inmittelst half eine der andern den Korb auf die Erde setzen, welcher, wie wir hernach befanden, mit etlichen wohlversiegelten Kästlein, worinnen lauter Sand befindlich, unten aber mit Steinen beschwert war. Da dieses geschehen, zohen sie eine seidene starke Schlinge hervor, warfen dieselbe dem Merillo mit größter Geschwindigkeit über den Kopf um den Hals, rissen ihn zu Boden, so daß er sich kaum regen, viel weniger um Hülfe rufen konnte.
Es ist leicht zu erachten, daß mein Kamerad und ich nicht lange gezaudert haben, dem ehrlichen Merillo in seinen Todesnöten beizuspringen. Ich kam eben noch zur rechten Zeit, demjenigen Stoße Einhalt zu tun, welchen die eine Verteufelte mit einem Dolche in seine Brust tun wollte; indem ich nun bemühet war, dieselbe zu entwaffnen, wollte mein Kamerad dem gurgelnden Merillo die Schlinge vom Halse machen, bekam aber darüber von der andern Bestia einen Dolchstich ins Gesäße und hatte also Ursach, dem Himmel zu danken, daß sie seines hohlen Leibes verfehlet. Ich wurde es so bald als er selbst gewahr, zohe derowegen alsofort meinen Degen und Hieb ihr die Hand, worinnen sie den Dolch führete, vom Leibe, so daß beides zu ihren Füßen fiel. Die andere fetzte ich gleichfalls etlichemal über den Kopf ins Gesicht und über die Hände. Da nun mittlerweile mein Kamerad dem ehrlichen Merillo die Schlinge abgemacht und es dahin gebracht, daß er wieder Luft schöpfen und die Augen eröffnen konnte, stießen wir beide Kanaillen zu Boden, bunden ihnen selbst Hände und Füße so fest als möglich zusammen, befanden aber, daß das eine zwar eine Weibs-, das andere aber eine Mannsperson war. Wir ließen die beiden Mordbestien liegen und strampeln, den ohnmächtigen Merillo aber trugen wir auf sein Feldbette, da ihn denn mein Kamerad den Hals und das Gesichte mit Franzbrannteweine riebe, dessen er kaum eine halbe Stunde vorhero eine ganze Bouteille voll holen lassen, ich aber trat an ein Fenster und rufte;dessen ausgeschickten Diener mit lauter Stimme, allein ich hätte lange rufen mögen, denn derselbe war ebenfalls von etlichen Straßenräubern überfallen, zu allem Glücke aber von der darzukommenden Patrouille noch errettet und in die Corps de Garde gebracht worden. Solches erfuhren wir von einem die Wacht habenden Soldaten, welchem ich befahl, daß er augenblicklich einen von seinen Kameraden, den nächsten den liebsten aufsuchen und ihn sogleich zu uns schicken sollte. Es währete keine drei Minuten, so stellete sich einer ein, dem wir ein Paar geladene Pistolen gaben, um daferne er etwa auf der Straße von Mördern angegriffen würde, sich damit zu wehren, nur aber ohne Zeitverlust einen Feldscher herzubringen. Er kam nebst dem Feldscher eiligst wieder, demnach wurde dem ehrlichen Merillo vor allen andern Dingen eine Ader geschlagen und etwas Arzenei eingeflößet, worauf er sich wieder besinnen, auch einige Worte sprechen konnte. Mein Kamerad ließ sich auch nach seiner Wunde sehen, es wurde aber dieselbe, wiewohl etwas tief, aber doch nicht gefährlich befunden. Die beiden Meuchelmörder wurden gleichfalls verbunden, und unser Soldat mußte sie bewachen, der Feldscher aber und ich bewachten unsere beiden Patienten, welche wir in das Nebenzimmer zur Ruhe gebracht hatten.
Frühmorgens befande sich unser Merillo ziemlich besser, da aber der Feldscher weggegangen war, um einige Medicamenta zu holen, dankte er uns aufs verbindlichste vor die Rettung seines Lebens, sagte anbei, wir als seine Schutzengel müßten gewiß durch eine besonders gnädige Fügung des Himmels ihm zugeschickt worden sein, da er doch nicht leugnen könnte, daß er gestrigen Abend wegen ein und anderer Grillen lieber allein zu sein gewünschet, wo er aber alleine gewesen, würde er sich nunmehro ohnfehlbar schon im Reiche der Toten befinden. Nach diesen, weiln er merkte, daß aus dem gefundenen und mit Livicardens Namen unterschriebenen Briefe uns ein und anderes von seinen Liebeshändeln müsse bekannt worden sein – denn ohngeacht dieser Brief, unter dessen Durchlesen ihm die Kähle bald zugeschnüret worden war, ziemlich mit Blut besiedelt, er doch noch ziemlich leserlich –, so erzählete er uns verschiedenes von seinen Avanturen, bat sich aber hierbei noch zur Zeit unserer Verschwiegenheit aus und versprach dargegen vor redlich geleistete Hülfe und Lebensrettung uns eine ansehnliche Diskretion zu verschaffen.
... Livicardens Brief aber, den ich noch jetzo in meiner Brieftasche bei mir führe, klinget also:
Mein Merillo!
Ihr glaubt, daß ich Euch geliebt habe, daß ich Euch aber noch liebe, wollet Ihr nicht glauben; allein ich versichere Euch dessen vollkommen, ja ich rufe den Hirnmel zum Zeugen an, daß ich alle Staatsmaximen verdammen und niemand auf der Welt lieber als Euch zum Ehegemahl haben wollte. Doch wo Ihr vernünftig seid, so erwäget selbst, daß die rasende Wut meiner Landsleute uns alle beide nicht einen Monat lang würde leben lassen. Wie könnet Ihr nun verlangen, daß ich meine zeitliche Glückseligkeit, ja sogar mein Leben in die Schanze schlagen und an Euren und meinem Tode Ursächerin sein sollte? Zwar wie ich aus Eurem Schreiben ersehe, so stehet Ihr bereits in den Gedanken, als ob ich die Bosheit begangen und einen meuchelmörderischen Anschlag auf Euer Leben gemacht; allein mein Gewissen ist von dieser Sünde frei. Ich glaube wohl, daß Euch jemand bei meinem Garten mag aufgepasset haben, denn die Bangigkeit meines Herzens und das auf derselben Stelle gefundene frische Blut, sodann die Nachricht, daß Ihr Euch unpaß befändet, überzeugten mich, daß Euch ein Unglück widerfahren sein müsse. Ich konnte aber keine genauere Nachricht davon einziehen, weil man mir sagte, daß Ihr Tag und Nacht gute Freunde um Euch hättet; unterdessen weil ich in Eurem Unglück unschuldig, so hat Euer auf mich gelegter Verdacht mir wohl mehr Tränen als Euch der Mörderstahl Blutstropfen gepresset. Hierbei bin ich auf die Gedanken geraten, ob etwa einer von meinen Freiern eins von meinen Bedienten mit Gelde bestochen und zur Untreue bewogen, mithin einige Nachricht von unsern geheimen Zusammenkünften erfahren und Euch also auf den Dienst gelauret. Ihr sehet also, daß die Gefahr vor uns beiderseits sehr groß ist, derowegen handelt klug, nehmt von mir sechstausend Taler bar Geld, verlasset diesen fatalen Ort, gehet auf eine Zeit in andere Dienste und machet damit vor diesesmal mich ruhig, Euch aber glücklich und vergnügt. Ja! mein Merillo, folget mir und entfernet Euch auf diesmal, was Euch hinfüro mangeln möchte, sollet Ihr jederzeit par Wechsel von mir zu gewarten haben; denn Livicarda wird Euch nebst ihrem eigenen Fleische und Blute nimmermehr Not leiden lassen. Nach einigen Jahren ist Euch die Zurückkunft unverwehrt, ja Ihr könnet sodann Euer Vergnügen vielleicht in reicherer Maße wieder finden als jetzo, da Ihr es vor verloren schätzet. Folget mir anjetzo, mein Merillo, denn Euer und mein Glück beruhet darauf, bleibt auch versichert, daß ohngeachtet ihrer Vermählung mit einem andem Euch dennoch bis in den Tod beständig lieben wird
L. v. c. A.
Es ist erstaunlich, wenn man das verzweifelte Gemüte einer solchen falschen Sirene betrachtet, welche zwar Honig im Munde, Strick und Dolch aber in Händen führet.Wenn ich an des Merillo Stelle gewesen wäre, so hätte mich der Jachzorn ohn allen Zweifel dahin verleitet, Livicarden auf ihren Zimmer zu erschießen oder sie aufs wenigste vor aller Welt zu prostituieren. Doch dieser hatte sich von der gesunden Vernunft und seinem eigenen Interesse regieren lassen, setzte demnach folgendes Schreiben an sie auf:
Tyrannische Dame!
Gestrenge Gebieterin der Henker und Meuchelmörder! Wisset, daß Euer verteufelter Anschlag, mich von zweien verkleideten Furien – wovon Ihr ohnfehlbar die dritte seid – mit Strick und Dolch ums Leben bringen zu lassen, durch Schickung des Himmels abermals rückgängig worden und nicht nach Eurem Wunsche abgelaufen ist; denn Merillo lebet noch, ohngeachtet ihm der Hals bereits zugeschnüret und alle Gedanken vergangen waren. Ja, er lebt noch und vielleicht zu Eurem Unglück, wenigstens Spotte, Hohne und Verachtung bei der honetten Welt. Wisset ferner, daß wo Ihr mir nicht heutigen Tages vor Untergang der Sonnen sechstausend spec. Taler zu meiner Rekreation und zur Auferziehung Eures zur Welt gebrachten uneheligen Kindes, nächst diesen tausend spec. Taler vor vier Personen, welche mir mein Leben errettet und um diese Begebenheit Wissenschaft haben, in mein Quartier anhero sendet, so will ich die in meiner Gewalt habenden Meuchelmörder morgen mit dem allerfrühesten in die Hände der Justiz liefern und nebst Eingebung einer ordentlichen Specie facti der curieusen Welt solche Geheimnisse vor Augen legen, die sich der tausende Mensch von einer solchen Person, wie ihr angesehen sein wollet, wohl schwerlich hätte träumen lassen. Bekomme ich aber das Verlangte ungesäumt, so soll nicht allein alles, was geschehen, unterdrückt und verschwiegen bleiben, sondern es sollen auch die zwei gefangenen Mörder an Euch ausgeliefert werden. Nehmet es als eine besondere Marque meiner ehemaligen Liebe und noch jetzigen Höflichkeit und Gelassenheit an, daß ich mich den Jachzorn nicht verleiten lasse, anders zu verfahren. Überleget Eure Affären aufs beste, inzwischen wird seine Avantage auch zu überlegen bemühet sein
Merillo
Diese Zeilen lieferte ich auf des Merillo Bitten Livicarden in ihre eigenen Hände,sie erbrach dieselben und wendete sich damit an ein Fenster. Ohngeacht ich ihr nun nicht ins Gesichte sehen konnte, so bemerkte ich doch, daß sie unter dem Lesen recht erzitterte und eine gute Weile als eine Statue auf einer Stelle stehenblieb, endlich besonne sie sich wieder, wendete sich herum, sahe so blaß aus als eine Leiche und sagte zu mir: «Monsieur! weil ich nicht zweifele, daß Sie ein vertrauter Freund von dem Herrn Lieutenant Merillo sind, so bitte ihm von meinetwegen zu melden, daß es zwar einen starken Schein habe, als ob ich an dem ihm begegneten Zufalle schuld habe, allein es ist nicht an dem, sondern ich bin unschuldig und will mich schriftlich deutlicher erklären, auch heute abend, sobald es dämmrig wird, dasjenige übersenden, was er verlangst hat, worgegen ich verhoffe, daß er als ein redlicher Offizier seine Parole halten werde.» Wie sie nun Miene machte, sich in ihr Cabinet zu begeben, versprach ich, dero Befehle wohl auszurichten, machte meinen très humble und brachte dem Merillo die fröhliche Post zurücke. Livicarda hielt ihr Wort redlich, denn sobald es abends dämmerig zu werden begonnte, meldeten sich zwei Personen, die eine Sänfte mit sich gebracht hatten, lieferten in sieben Säcken siebentausend spec. Taler an Merillo, welcher die Säcke sogleich aufschnitt, um zu sehen, ob nicht abermals ein Betrug darunter vorginge, mittlerweile stunden unser vier Personen bei einem Tische, worauf sechs Paar geladene Pistolen und vier Pallasche lagen. Da aber Merillo merkte, daß alles richtig sein und die Summa wohl zutreffen würde, ließ er die zwei blessierten Arrestanten verabfolgen, welche in die Sänfte gelegt und fortgetragen wurden, ohne daß weiter jemand etwas von der Hauptsache gemerkt hätte; denn Merillo bewohnete sein Quartier ganz alleine mit seinem Bedienten. Den Brief, welchen er nebst der Geldsumme von Livicarden empfangen, hat er mir nicht gezeiget, doch merkte ich, daß sich sein Zorn gegen dieselbe ziemlich gelegt hatte; denn er ließ sich verlauten, wie er sich nicht genug verwundern könne, daß Livicarda ein so großes Vertrauen auf seine Parole gelegt, und er schlösse fast aus gewissen Umständen, daß sie an der Meuchelmörderei keinen Teil habe; derowegen bat er mich und meinen Kameraden höchlich, alles das, was er uns von seinenLiebesavanturen erzählet, sowohlals alles dasjenige, was in vergangener Nacht und heute passiert, verschwiegen zu halten, damit weder er noch Livicarda prostituiert und auf der Leute Zungen herumtanzen müßten. Wir gelobten ihm demnach nicht nur auf Offiziersparole das Stillschweigen an, sondern verschworen uns auch teuer, weder zu seinem noch Livicardens Verdruß etwas auszuplaudern, und obgleich ich anitzo diese Geschicht erzählet habe, so wird doch ... wohl keiner erraten, was eigentlich vor Personen unter den fingierten Namen gemeinet sein.
Jedoch zum Schlusse meiner Erzählung zu kommen, so muß ich bekennen, daß Merillo so liberal war und uns beiden Offiziers jeden fünfhundert spec. Taler vor unsere gehabte Bemühung aufzwange. Dem Feldscher gab er zweihundert, dem Musketier aber wie auch seinem eigenen Bedienten jeden hundert Taler, welche drei letztern in unsern Beisein einen ordentlichen Eid schwören mußten, von dieser Begebenheit und alledem, was sie gesehen und gehöret, nichts auszuplaudern. Mein Kamerad und ich blieben noch einige Tage bei ihm, ausgenommen, wenn mich die Wache traf, brachten auch auf des Merillo Verlangen verschiedene andere Offiziers mit, die ihm, weil er würklich vom Schrecken noch etwas unpaß war, die Zeit passieren mußten. Ferner hielt er alle Nacht vier bis sechs Musketiers von der Kompagnie, bei welcher sein Hauptmann damals nicht gegenwärtig war, in der untern Stube seines Quartiers mit Essen und Trinken frei, welche die Nachtwache mit ihrem Gewehr bei ihm halten mußten, indem er sich immer noch eines meuchelmörderischen Überfalls befürchten mochte. Sobald aber sein Capitain wieder zur Kompagnie kam, nahm Merillo abermals Urlaub zu verreisen, ließ seine beschwerliche Bagage in meiner Verwahrung und machte sich mit einer Extrapost aufs eiligste fort. Wenig Wochen hernach kamen Briefe von ihm, worinnen er bei dem Chef um seinen Abschied anhielt, welchen er auch bald hernach nebst seinen zurückgelassenen Sachen bekam. Nach diesen habe ich zwar den ehrlichen Merillo nicht wieder gesprochen noch gesehen, jedoch vernommen, daß, nachdem er bei einer nordischen Puissance Dienste genommen und sich in ein paar Kampagnen wohl gehalten, er nunmehro den Obristlieutnantsposten erstiegen. Ich aber bin immer noch Lieutenant...,das macht, weiln ich kein Geld, mithin nur einen Sack voll Hoffnung habe, mit der Zeit, wenn es einmal buntüber gehet, höher zu steigen. Unterdessen siehet man doch, wie das Glücke mit dem Menschen zu spielen pfleget; denn hätte Merillo bei dem Frauenzimmer keine Goldgrube gefunden, was gilt's?, er sollte mir wohl noch bis auf diese Stunde Korporal, wenn es viel wäre Furier oder höchstens Sergeant sein.