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Das »Leben des Tirolers Peter Prosch« gehört zu den Büchern, denen der Erdgeruch einer natürlichen, durch keine literarische Schulung und Absicht gebändigten Sprache anhaftet. Der 43jährige Verfasser hat sich nach dreiunddreißig Jahren eines beständigen Wanderlebens in seiner Heimat zur Ruhe gesetzt, findet Zeit zum Nachsinnen und erstaunt über die Buntheit und die Wechselfälle dieses Lebens. Aber dieses Nachsinnen und Rückschauen erfolgt nicht ohne einen bestimmten äußeren Anstoß. Den Höhepunkt und Abschluß seiner Erlebnisse bildet sein Aufenthalt in Paris. Als er in die Heimat zurückgekehrt ist und mit einer gelben Perücke auf dem Kopf in seiner Wirtsstube sitzt, strömen die Dorfbewohner zusammen, staunen ihn an wie ein Wundertier und begreifen nicht, daß dieser »Pariser« der unter ihnen geborene, ihnen allen bekannte, ehedem braungelockte Koppen-Peterl sein solle. Er muß erzählen und erzählen, und da kommt es ihm zu Bewußtsein, daß sein kurioser Lebenslauf es wohl verdiene, der Nachwelt überliefert zu werden. So setzt er sich denn hin und bringt ihn zu Papier. Man erstaunt, wie frisch, anschaulich und gewandt er seine Erlebnisse darstellt, wie humorvoll er sich selbst ironisiert. Es ist, als ob er über einen Dritten schriebe und nicht zum erstenmal sich als Schriftsteller versuche. Diese Plastik und Sachlichkeit der Darstellung ist indes keine bloß angeborene Gabe. Der Theriak- und Ölverkäufer, Handschuhhändler, Branntweinbrenner und Bierwirt, der an den weltlichen und geistlichen Höfen von Wien, München, Ansbach, Würzburg, Bamberg, Regensburg, Köln, Prag, Salzburg und Versailles verkehrt, ist dort als Hoftiroler, Nachtstuhlverwalter und Hofnarr die Zielscheibe mehr oder minder grober Späße großer Herren und hat immer wieder die Aufgabe, nach der Tafel beim Kaffee und Konfekt durch die humoristische Erzählung seiner jüngsten Abenteuer das Zwerchfell seiner wohlgesättigten fürstlichen Gönner wohltuend zu erschüttern und dadurch ihre Verdauung zu befördern. Aus dieser Übung bildet sich bei ihm ein knapper, drastischer Erzählungsstil heraus, der schließlich der Niederschrift seiner Lebensumstände zugute kommt und ein Buch hervorbringt, das sprachlich, zeit- und sittengeschichtlich und als Denkmal der Volksliteratur von nicht geringem Werte ist. Nirgends hält er sich mit Betrachtungen auf; die Fülle der Ereignisse seines zwischen höfischem Überfluß und tirolerischer Armut beständig hin und her pendelnden Daseins läßt auch dem Rückschauenden keine Zeit zu Reflexionen und beflügelt seine Feder. So langweilt sich der Leser keinen Augenblick und – holt schließlich für sich selbst die Reflexionen über dieses merkwürdige Stück Menschenleben und das primitive Gesicht der Zeit, das sich in seiner Schilderung abspiegelt, nach.
Peter Prosch hat die Niederschrift seiner Erinnerungen noch um sechzehn Jahre überlebt. Wie diese sich gestaltet haben, wissen wir nicht. Er starb am 5. Januar 1804 zu Ried im Zillertal, wo er am 28. Juni 1744 zur Welt gekommen war – nicht 1745, wie er schreibt. Die erste, außerordentlich selten gewordene Ausgabe seiner Erinnerungen erschien 1789 in München. Ein Neudruck erfolgte für die Ende der 40er Jahre des 19. Jahrhunderts erschienene Sammlung »Neue Volksbücher, unter Mithilfe Mehrerer herausgegeben von C. Rienitz« (Gustav Nieritz), Berlin. Möge die vorliegende dritte Ausgabe dem lesenswerten fesselnden Volksbuche neue Freunde erwerben!
Florens Ilmer.
Hier wär mein ganzer Lebenslauf.
Ihr Herren und Frauen nehmt ihn auf
Mit Gunst und hohen Gnaden.
Wenn dort und da ein Fehler ist,
Und sich das Ding nicht zierlich liest,
Wird's doch dem Buch nicht schaden.
Ein Autor bin ich wahrlich nicht,
Hab' weder Reime, noch Gedicht
Mein Leben durch gekritzelt:
Und schrieb ich so mein Leben hin,
So war der Stil nach meinem Sinn
Tirolerisch geschnitzelt.
In unsrer aufgeklärten Zeit
Kann meines Lebens Seltenheit
Vielleicht noch manchem dienen.
Er steck' die Nase nur hinein;
Sie wird ihm wahrlich nützlich sein:
Denn er wird manches innen.
Ich bin kein eitler Spatzlfing:
Es ist ein wunderliches Ding
Gewiß ums Menschenleben;
Der viel auf Glück und Schicksal baut,
Ist wahrlich eine arme Haut,
Und muß viel Lehrgeld geben.
Dem setzt das Glück den Lorbeer auf,
Den hebt es auf den Thron hinauf,
Dem gibt es eine Kappe;
Dem Haselnüsse, dem ein Reich.
Und doch sind alle Menschen gleich,
Der Doktor, wie der Lappe.
Wenn ich auch gleich ein Töffel war
So sah ich dennoch hell und klar
Mit meinen eignen Augen,
Daß gute Menschen nur allein
Das Glück der Menschen können sein,
Und böse zu nichts taugen.
Wenn's mit dem Beutel nissig steht,
Und wenn es einem übel geht,
Lernt man die Menschen kennen:
Im Unglück und in Traurigkeit
Lernt man den Wert der Menschlichkeit,
Und wahren Wert der Tränen.
Die Armut prüft den wahren Freund,
Sie zeigt, wer's gut und redlich meint,
Sonst gibt's nur eitle Worte.
Durch Unglück, wie Erfahrung lehrt,
Wird erst der wahre Freund bewährt,
Wie Gold in der Retorte.
Als Peter Prosch im Unglücksjahr
In Elend und in Jammer war,
War er in fremden Landen.
Von Brandenburg der Markgraf da,
Als er den Peter elend sah,
Der ist ihm beigestanden.
Die Markgräfin von Anspach dort
Half mir auch, und mit einem Wort,
Wie Bayerns Marianne,
Die mir mit Geld und gutem Rat
So viele große Gnaden tat
Zu meines Glückes Plane.
Euch drei (es ist auch meine Pflicht)
Euch drei vergeß ich ewig nicht;
Euch weih' ich dies mein Leben,
Das Peter Prosch in jeder Zeit
Für euch, weil er's vom Herzen weiht,
Bereit ist hinzugeben.