*
1883
*
Ein alter, weißhaariger Bettler sprach uns um ein Almosen an. Mein Freund Davranche gab ihm fünf Franken. Ich war überrascht. Da sagte er: »Der arme Kerl erinnert mich an eine Geschichte. Ich will sie dir erzählen, so wie sie mir unvergeßlich in Erinnerung ist. Hör zu:
Wir stammen aus Le Havre und lebten nie im Überfluß. Wir kamen gerade so durch, das war alles. Der Vater hatte eine Stellung. Er kam spät aus dem Büro nach Hause, aber viel brachte seine Arbeit nicht ein. Zwei Schwestern waren auch noch da.
Meine Mutter litt sehr unter den beengten Verhältnissen, in denen wir lebten, und oft machte sie sich Luft mit spitzen Worten gegen ihren Mann, mit heimtückischen, niederträchtigen Vorwürfen. Der Ärmste antwortete nur mit einer Handbewegung, die mir aber tief in die Seele schnitt. Er fuhr mit der flachen Hand über die Stirn, wie wenn er sich den Schweiß abwischen wollte, wo nicht ein Tropfen zu sehen war, und sagte kein Wort. Ich ahnte den Grund seines ohnmächtigen Kummers. Man sparte, wo man konnte. Man nahm keine Einladung an, damit man keine zu erwidern hatte; man kaufte bei günstiger Gelegenheit, zu herabgesetzten Preisen, die ältesten Ladenhüter. Meine Schwestern nähten ihre Kleider selber, und um ein Stück Borte, das Meter zu fünfzehn Centimes, wurde lange hin und her geredet. Zum Essen kam unabänderlich eine Fettsuppe und Rindfleisch in irgendeiner Tunke auf den Tisch. Nun mag das gesund und kräftig sein, mir wäre aber etwas Abwechslung lieber gewesen!
Wenn ich einmal ein paar Knöpfe verlor oder mit den Hosen hängen blieb, dann gab es einen Höllenspektakel.
Aber jeden Sonntag ging's in feierlichem Aufzug mit der ganzen Familie nach dem Hafen. Vater im Gehrock, im hohen Hut, mit Handschuhen, führte die Mutter am Arm. Sie sah festlich aus wie eine bewimpelte Brigg am Feiertag. Die Schwestern waren immer zuerst fertig und warteten ungeduldig auf das Zeichen zum Aufbruch. Und jedesmal wurde im letzten Augenblick auf dem Rock des Familienoberhauptes ein übersehener Fettfleck entdeckt, der noch mit Benzin abgerieben werden musste.
In Hemdsärmeln, den Hut auf dem Kopfe, so wartete der Vater gelassen, bis der Rock gereinigt war. Die Mutter hatte die Brille aufgesetzt, weil sie kurzsichtig war, die Handschuhe noch einmal ausgezogen, um sie nicht zu verderben, und beeilte sich, so sehr sie konnte.
Endlich setzte sich der feierliche Zug in Bewegung. Die Schwestern eröffneten ihn, Arm in Arm. Sie waren in heiratsfähigem Alter, und man musste sich mit ihnen zeigen. Ich ging zur Linken meiner Mutter, der Vater zu ihrer Rechten. Ich erinnere mich noch sehr gut der Großspurigkeit, mit der meine armen Eltern bei diesen Sonntagsspaziergängen auftraten, ihrer hochnäsigen Mienen, des vornehmen Gehabes. Hoch aufgerichtet und steifbeinig stelzten sie einher, wie wenn sie auf dem Wege zu einer Staatssitzung wären.
Und jeden Sonntag, wenn mein Vater die großen Schiffe in den Hafen steuern sah, die aus fernen, fremden Ländern kamen, sagte er unverändert dasselbe: ›He! Wenn da Jules drauf wäre, das gab eine Überraschung!‹
Onkel Jules, der Bruder meines Vaters, war die einzige Hoffnung der Familie, so wie ehedem ihr Schrecken. Seit frühester Kindheit hatte ich von ihm erzählen hören und meinte, ich hätte ihn auf den ersten Blick erkennen müssen, so vertraut war er mir in Gedanken. Ich kannte sein Leben bis zum Tag seiner Abreise nach Amerika in allen Einzelheiten, wenn man auch von dieser letzten Zeit nur im Flüsterton zu sprechen pflegte.
Er hatte sich, so scheint es, übel aufgeführt, das heißt, er hatte Geld durchgebracht. Und das ist natürlich bei armen Leuten das größte Verbrechen. Bei Reichen begeht einer, der leichtsinnig Geld verjubelt, höchstens Dummheiten. Mit verständnisvollem Lächeln nennt man ihn einen ›Bruder Lustig‹. Ein junger Mann aber, der arme Eltern dazu nötigt, ihr bißchen Kapital anzugreifen, ist ein schlechter Kerl, ein Lump, ein übler Bursche. Und diese Unterscheidung ist richtig, auch wenn tausendmal der Tatbestand der gleiche ist; denn die Tat wird beurteilt nach ihren Folgen. Nun hatte Onkel Jules erst seinen Teil der Erbschaft bis auf den letzten Sou verbraucht und dann noch den Teil, auf den mein Vater rechnete, ganz erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Und da hatte man ihn auf einem Schiff, das von Le Havre nach New York segelte, nach Amerika abgeschoben, wie das damals so üblich war.
Drüben fing er einen Handel an, ich weiß nicht, womit, und schrieb ziemlich bald an meinen Vater, er verdiene etwas Geld und hoffe, meinen Vater für das Unrecht, das er ihm angetan habe, zu entschädigen. Der Brief verursachte in der Familie einen tiefen Aufruhr der Gemüter. Jules, der ganz elende Nichtsnutz, wie er erst allgemein hieß, war mit einemmal ein anständiger Mensch, ein Mann mit Ehre im Leibe, ein echter Davranche, untadelig wie alle Davranches.
Wir hörten auch wirklich einmal von einem Kapitän, daß Jules sich einen großen Laden gemietet habe und recht gute Geschäfte mache. Zwei Jahre darauf erhielten wir wieder einen Brief: ›Lieber Philippe, ich schreibe Dir, damit Du über mein Befinden unbesorgt bist. Ich bin wohlauf. Mein Geschäft geht gut. Morgen gehe ich auf eine längere Reise nach Südamerika. Vielleicht wirst Du ein paar Jahre nichts von mir hören. Sollte ich nicht schreiben können, so beunruhige Dich nicht. Wenn ich erst mein Glück gemacht habe, komme ich zurück nach Le Havre. Ich hoffe, es wird nicht sehr lange dauern, und dann wollen wir miteinander glücklich leben.‹
Dieser Brief wurde das Evangelium der Familie. Bei jeder Gelegenheit wurde er vorgelesen, aller Welt wurde er gezeigt.
Tatsächlich blieben von Onkel Jules zehn Jahre lang alle Nachrichten aus. Aber die Hoffnung meines Vaters wurde mit den Jahren immer zuversichtlicher, und auch die Mutter sagte häufig: ›Wenn unser guter Jules erst da ist, dann wird alles anders. Das ist ein Mann, der verstanden hat, eine Scharte auszuwetzen!‹
Und jeden Sonntag, wenn der Vater die großen, schwarzen Dampfer vom Horizont heraufkommen und ihre dicken Rauchfahnen über den Himmel hinziehen sah, wiederholte er unverändert dieselben Worte: ›He! Wenn Jules darauf wäre, das gab eine Überraschung!‹ Man war eigentlich darauf gefasst, ihn das Taschentuch schwenken zu sehen und seinen Ruf zu hören: ›Hallo, Philippe!‹
Wir hatten auf die bestimmt zu erwartende Heimkehr hin schon tausend Pläne geschmiedet. Wir wollten mit dem Gelde des Onkels sogar ein kleines Landhaus bei Ingouville kaufen. Ich bin mir nicht sicher, ob nicht mein Vater schon Unterhandlungen dahingehend eingeleitet hatte.
Die älteste Schwester war ^einundzwanzig, die andere sechsundzwanzig Jahre. Es fanden sich keine Männer für sie, zum großen Kummer der ganzen Familie.
Endlich stellte sich ein Bewerber ein – für die jüngere. Es war ein Angestellter. Vermögen hatte er nicht, aber er war ein ehrenwerter Mann. Ich denke noch immer, der Brief des Onkels, der natürlich auch ihm eines Abends gezeigt wurde, hat ihm alle Bedenken zerstreut und ihn in seiner Absicht bestärkt.
Man nahm ihn mit offenen Armen auf, und in der allgemeinen Freude wurde beschlossen, nach der Hochzeit eine gemeinsame Fahrt nach Jersey zu unternehmen.
Jersey ist das Reiseziel für alle, die kein Geld im Beutel haben. Es liegt sozusagen vor der Tür. Man fährt ein Stück mit dem Dampfer, und schon ist man im Ausland. Die Insel ist ja englisch, und so kann sich hier ein Franzose nach einer Seereise von zwei Stunden den Anblick eines fremden Volkes in dessen eigenem Land verschaffen und kann die Sitten – übrigens recht bedauerliche Sitten – dieser Insel studieren, über der die britische Flagge weht, wie man sagt, wenn man sich recht einfach ausdrücken will.
Wir sprachen von nichts anderem mehr als von der Reise nach Jersey. Wir waren voller Erwartung und träumten Tag und Nacht von der Fahrt.
Endlich brachen wir auf. Ich sehe es noch vor Augen, als wäre es gestern gewesen: wie der Dampfer an den Kai von Granville heranschnaufte, wie aufgeregt der Vater war, wie er die Übernahme unserer drei Gepäckstücke überwachte. Voller Unruhe war auch die Mutter. Sie hatte sich bei meiner unverheirateten Schwester eingehängt, die sich recht verloren vorkam, seit uns die andere verlassen hatte, wie ein vereinsamtes Kücken, das von einer Brut noch übrig ist. Und hinter uns folgte das junge Paar. Sie blieben immer zurück, und oft musste ich mich nach ihnen umsehen.
Die Dampfpfeife heulte. Wir waren an Bord. Das Schiff fuhr aus dem Hafen und glitt über das stille Meer dahin, das unbewegt dalag wie grüner Marmor. Wir sahen zu, wie die Küste in die Ferne rückte, und fühlten uns stolz und glücklich wie Leute, die nicht oft aus ihrem Nest herauskommen.
Selbstbewußt streckte mein Vater im Gehrock, aus dem am Morgen noch sorgsam die letzten Flecke entfernt worden waren, seinen Bauch vor.
Er verbreitete um sich den Benzingeruch der Ausflugstage, an dem ich immer merkte, daß Sonntag war.
Plötzlich entdeckte er zwei bestrickend vornehme Damen. Sie aßen Austern, die ihnen von zwei Herren gereicht wurden. Ein alter, zerlumpter Matrose brach die Schalen mit dem Messer auf, hielt sie den Herren hin, und diese boten sie dann den Damen an. Dem Essen zuzusehen war ein Genuss. Die Damen hielten die Schalen mit ihrem feinen Taschentuch, streckten den Mund weit vor, um ihre Kleider nicht in Gefahr zu bringen, schlürften die Austern mit einem raschen Schluck und warfen dann die Schalen ins Meer.
Austern genießen auf einem Schiff in voller Fahrt – das war vornehm! Mein Vater war begeistert. Das war Lebensstil, das war Feinschmeckerart, das war weltmännisch! Er kam zur Mutter und den beiden Schwestern und sagte: ›Was meint ihr, wenn ich euch zu ein paar Austern einlüde?‹
Die Mutter wollte nicht recht heran. Das kostete unnötiges Geld. Aber die Schwestern waren sofort dabei. Ärgerlich sagte die Mutter: ›Ich fürchte, ich verderbe mir damit den Magen. Gib sie den Kindern, aber nicht zu viel, daß sie nicht krank werden!‹
Dann wandte sie sich zu mir und meinte: ›Und Joseph, der braucht keine. Jungen darf man nicht so verwöhnen!‹
Ich fand solche Zurücksetzung zwar ungerecht, aber ich musste doch bei der Mutter bleiben und konnte dem Vater nur nachblicken. Stolz und selbstbewußt führte er seine beiden Töchter und den Schwiegersohn hinüber zu dem alten, zerlumpten Matrosen.
Die beiden Damen waren weitergegangen, und nun zeigte mein Vater den beiden Schwestern, wie man Austern schlürft, ohne daß der Saft herunterläuft. Er wollte es vorführen, nahm eine Auster und versuchte, es den Damen nachzuahmen. Aber die ganze Flüssigkeit ergoß sich auf seinen Gehrock, und meine Mutter schalt vor sich hin: ›Er täte wahrhaftig besser, die Finger davon zu lassen!‹
Mit einemmal schien mein Vater zu stutzen. Er trat ein paar Schritte zur Seite, sah scharf nach Töchtern und Schwiegersohn hinüber, die dort beim Austernverkäufer standen, und kam dann zu uns. Ich fand ihn sehr blaß. Sein Blick war sonderbar. Leise sagte er zur Mutter: ›Das ist doch einfach toll, wie der Kerl mit den Austern dem Jules ähnelt‹ Bestürzt fragte die Mutter: ›Welchem Jules?‹ Der Vater erwiderte: ›Nun ... meinem Bruder ... wenn ich nicht ganz genau wüßte, daß er in Amerika ist und dort in guten Verhältnissen lebt, würde ich meinen, er sei's!‹
Entsetzt flüsterte die Mutter, sie stotterte förmlich: ›Bist du verrückt? Wie kannst du so dummes Zeug reden, wenn du genau weißt, daß er's nicht ist!‹ – Aber Vater gab sich nicht zufrieden. ›Clarisse‹, sagte er, ›sieh ihn dir doch auch mal an. Es wäre mir lieb, wenn du dich mit eigenen Augen überzeugtest!‹
Sie stand auf und ging zu den Töchtern hinüber. Jetzt sah auch ich mir den Mann genauer an. Er war alt, schmuddelig, hatte ein ganz verrunzeltes Gesicht und blickte von seiner Beschäftigung nicht auf. Die Mutter kam zurück. Sie zitterte. Hastig sagte sie: ›Ich glaube auch, er ist's. Erkundige dich mal beim Kapitän, aber vorsichtig, daß uns der Lump nicht noch zur Last fällt!‹
Der Vater ging, und ich ging mit. Ich hatte ein ganz merkwürdiges Gefühl dabei.
Der Kapitän war ein langer, hagerer Mann mit wallendem Backenbart. Er schritt auf seiner Kommandobrücke gewichtig hin und her, wie wenn er einen Ostindienfahrer unter den Füßen hätte. Der Vater begrüßte ihn sehr formell, fragte ihn nach Dingen aus seinem Beruf und wusste dabei auch genügend schmeichelhafte Wendungen mit einzuflechten.
Welche Bedeutung Jersey habe? Was dort erzeugt werde? Wie die Bevölkerung sei? Ihre Sitten? Ihre Bräuche? Wie der Boden beschaffen sei, usw. usw. Man hätte glauben können, es handle sich mindestens um die Vereinigten Staaten von Nordamerika.
Dann kam das Schiff an die Reihe, auf dem wir fuhren, die ›Express‹, ihre Mannschaft, und schließlich fragte der Vater mit unsicherer Stimme: ›Da ist mir Ihr alter Austernverkäufer aufgefallen. Was ist das für ein Mann? Wissen Sie Näheres über ihn?‹
Der Kapitän, der von der Unterhaltung schließlich genug hatte, erwiderte trocken: ›Das ist ein alter Landstreicher aus Frankreich. Ich habe ihn im vorigen Jahr in Amerika aufgelesen und mit hierher genommen. Er muss Verwandte in Le Havre haben, aber er will nicht zu ihnen, weil er ihnen Geld schuldet, Jules heißt er ... Jules Darmanche oder Darvanche oder so ähnlich. Er scheint da drüben sogar mal steinreich gewesen zu sein, aber Sie sehn ja, wohin es jetzt mit ihm gekommen ist!‹
Mein Vater wurde kreidebleich. Sein Blick war verstört. Mit gepreßter Stimme brachte er hervor: ›Ja, ja! Sehr gut ... ausgezeichnet ... das wundert mich gar nicht ... ich danke Ihnen verbindlich, Herr Kapitän!‹
Und dann stapfte er davon. Verwundert sah der Kapitän ihm nach.
Der Vater ging zur Mutter zurück. Er war so aus der Fassung, daß sie sagte: ›So setz dich doch erst mal! Wir erregen ja schon Aufsehen!‹
Er warf sich auf die Bank und stammelte: ›Er ist's, er ist's wirkliche
Und dann fragte er: ›Was sollen wir bloß tun?‹
Die Mutter antwortete sofort: ›Zunächst die Kinder dort wegbringen! Joseph kennt nun die ganze Geschichte; er mag sie holen. Vor allem darf der Schwiegersohn nichts merken!‹
Mein Vater war völlig niedergeschmettert und murmelte vor sich hin: ›Das ist ein Schlag!‹
Die Mutter wurde plötzlich von Wut gepackt und sagte: ›Ich habe es doch immer geahnt, daß der Spitzbube es zu nichts bringt und uns noch zur Last fallen wird. Wie kann man von einem Davranche auch etwas anderes erwarten ...!‹ – Vater fuhr sich über die Stirn, wie immer bei den Vorwürfen seiner Frau.
Sie sprach noch weiter: ›Gib Joseph Geld; er soll gleich gehn und die Austern bezahlen! Jetzt fehlt nur noch, daß der Bettler uns erkennt. Das gäbe ein wunderbares Schauspiel auf dem Schiffe! Laß uns zum andern Ende gehn, und sorg dafür, daß der Kerl nicht etwa in unsere Nähe kommt!‹
Sie stand auf. Ich bekam ein' Fünffrankenstück, und sie gingen davon.
Die Schwestern staunten. Sie hatten den Vater erwartet. Ich brachte vor, daß sich Mama etwas seekrank fühle, und fragte den Austernmann: ›Was bekommen Sie, Monsieur?‹
Es lag mir auf der Zunge zu sagen: ›Onkel!‹
Er antwortete: ›Zwei Franken fünfzig.‹
Ich zahlte mit dem Fünffrankenstück, und er gab mir heraus. Da sah ich seine Hand, eine arme, faltige Matrosenhand. Ich sah ihm ins Gesicht, in dies alte, elende, traurige, hoffnungslose Gesicht und sagte mir – Und das ist der Onkel, der Bruder von Papa, mein Onkel!
Ich gab ihm zehn Sous Trinkgeld. Er dankte: ›Gott lohn's Ihnen, junger Herr!‹
Das war der Tonfall eines Bettlers, der für ein Almosen dankt. Er musste drüben betteln gegangen sein!
Die Schwestern staunten mich an. Sie waren sprachlos, wie freigebig ich war.
Als ich dem Vater zwei Franken zurückbrachte, fragte die Mutter erstaunt: ›Für drei Franken Austern? ... Das ist nicht möglich!‹
Ich sagte trotzig: ›Zehn Sous habe ich ihm Trinkgeld gegeben!
Die Mutter fuhr auf und sah mich wütend an: ›Bist du verrückt? Diesem Kerl, diesem Bettler zehn Sous zu geben!‹
Ein Blick des Vaters nach dem Schwiegersohn hin ließ sie verstummen.
Niemand sagte mehr ein Wort.
Vor uns stieg ein violetter Schatten aus dem Meer; es war Jersey.
Als wir uns den Landebrücken näherten, hätte ich gern Onkel Jules noch einmal gesehen, wäre zu ihm hingegangen und hätte ihm ein freundliches, tröstliches Wort gesagt.
Aber es aß niemand mehr Austern, und so war er verschwunden, ohne Zweifel in den stickigen Kielraum hinunter, in dem er hauste.
Wir sind mit dem Dampfboot nach Saint-Malo zurückgefahren, um ihm nur ja nicht wieder zu begegnen. Meine Mutter kam fast um, so bangte sie vor der Möglichkeit.
Ich habe den Bruder meines Vaters nie wieder gesehen.
Aber nun wirst du verstehn, warum ich ab und zu einem armen Landstreicher ein Fünffrankenstück in die Hand drücke.«