Heinrich Mann

Der Weg zur Macht

Drama in drei Akten

Zuerst erschienen:
1919

 

Aus:
Schauspiele

Claassen Verlag GmbH
Düsseldorf

1986

1. Auflage

Personen

Bonaparte
 
   
Bourrienne
Thureau
Barras
Tallien
Boissy d'Anglas
Sieyès
Dubois-Crancé
Rühl
 
}      vom Collot
regierenden
Ausschuß des Konvents
Muscat
Talma
Junot
Drei Abgeordnete des Konvents
Haushofmeister
 
   
Madame de Bourrienne
Madame Thureau
Madame de Beauharnais
Madame Tallien
Cornelia Duplay
 
   
Volk, Soldaten, ein kleiner Neger,
Lakaien
 
   

Paris 1795

   

Erster Akt

Salon bei Bourrienne. Die Rokokomöbel sind nicht mehr neu, der Raum selbst ist in noch älterem Stil. Rechts vorn ein großer Kamin mit Spiegel, Stutzuhr, Kandelabern, weiterhin ein Fenster, noch weiterhin der Eingang in eine breite Galerie mit einem zweiten Fenster rechts, einer Tür links, einem Frauenbildnis auf der Rückwand. – Zu der Galerie führen zwei Stufen. Links von den Stufen, an der Rückwand des Salons steht eine Kommode mit aufgesetztem Schrank, neben dem linken Zimmerwinkel ist eine Tür. Vorn links ein Tisch mit Stühlen; vor dem Kamin fünf Sessel. Es ist abends zwischen neun und zehn. Im Kamin brennt Feuer und beleuchtet, zusammen mit den angezündeten Kandelabern auf dem Kaminsims, hell die rechte Hälfte des Raumes und die Gruppen der Personen am Kamin. Im Hintergrund liegt Dämmerung; links, zwischen Tür und Schrank, ist ein tiefdunkler Winkel.

 

Erste Szene

Vor dem Kamin sitzen: vorn, mit dem Rücken nach der Tür links, Madame de Bourrienne, dreißigjährig, elegant. Dann Madame Thureau, zweiundzwanzigjährig, schlicht. Einander gegenüber: Bourrienne, fünfunddreißig, blond, und Thureau, fünfundvierzig, ergraut, dieser bürgerlicher als jener. Collot, kräftiger Vierziger von gediegener Kleidung, lehnt am Kamin. Der junge Muscat, im ausschweifenden Kostüm des »Incroyable«, zeigt sich in häufig wechselnden Stellungen.

Muscat: Einige, auf jenem Ballfest, trugen rings um den Hals einen roten Streifen, als hätten sie schon einmal den Kopf verloren. Bei mehreren Damen bemerkte man nur im Nacken eine blutige Rinne, die Guillotine schien sie vergebens gekitzelt zu haben.

Madame de Bourrienne: Entsetzlich.

Bourrienne: Der Ball der Opfer.

Madame Thureau: Thureau, zeige den Unfug dem Konvent an! Noch lebt die Republik.

Collot zu Muscat: Adolf, wer war dabei? Ich sehe es gern, daß mein Kommis viel mitmacht.

Muscat: Die Tallien – ah! eine Königin, umringt von Sklaven. Ein Gürtel aus Gaze, das Kleid noch weniger als Gaze, und dann der rote Streifen.

Madame Thureau: Hätte Robespierre wenigstens sie noch im Ernst auf den Richtplatz geladen.

Bourrienne: Bevor er selbst dahin mußte.

Madame de Bourrienne: Ich haßte Ihren Robespierre, Herr Thureau. Aber nicht durch eine Tallien hätte er sterben dürfen.

Thureau: Dafür danke ich deiner Frau, Bourrienne.

Madame de Bourrienne zu Madame Thureau: In der Regierung sitzen dein Mann, Luise, der meine, und dann der Gatte einer Dirne.

Muscat ironisch: Nicht eifersüchtig, meine Damen, auf die Königin unserer Republik.

Collot: Mein Muscat ist Royalist. Ich sehe es gern, daß er auch bei dem ehemaligen Adel zu Hause ist.

Thureau: Collot, diese Republik ist nur deine. Wir ließen so viel Blut nicht fließen, damit endlich nur Geld daran verdient werde.

Bourrienne: So ist es aber gekommen mit euren Taten, Thureau! Damit einige reich wurden, mußten so viele sterben.

Thureau: Wir wollten die Idee. Reinheit und Einheit, dafür starben wir und töteten.

Bourrienne: Ich, dein Freund, mußte auswandern mit den Meinen. Zurückgekehrt kämpfte ich als Soldat für die Republik, indes sie meine Frau gefangen hielt. Willst du noch mehr Einheit? Noch mehr Reinheit?

Madame Thureau zu Madame de Bourrienne: Du warst gefangen, Emilie?

Madame de Bourrienne: Im Gefängnis gab es Spioninnen aus euren Reihen, die uns küßten, unsere Tränen tranken und mit unseren Seufzern die Namen unserer Liebsten auffingen, um sie auf das Schafott zu bringen.

Madame Thureau: Du gingst zu den Empfängen der Königin, ich aber war die Kammerfrau ihrer Kammerfrau. Ich war erst fünfzehn, ein Jahr vor der Erstürmung der Bastille. Die Nadeln aus dem Kleid der Königin steckte meine Herrin mir in den Arm, wie in ein Kissen. Ich zuckte zuletzt nicht mehr. Drum habe ich auch nicht mehr gezuckt, als auf dem Platz die Köpfe fielen.

Thureau: Auch wir waren in Gefahr, als ihr Robespierre tötetet. Hätte ich ihn doch auf das Schafott begleitet! Wenn sein Blut vergossen wurde, war alles frühere umsonst geflossen.

Bourrienne: Da haben dann wir Gemäßigten euch nach Kräften massakriert.

Thureau: Es droht noch wieder anzufangen.

Bourrienne: Von beiden Seiten.

Thureau: Aber da du mich in dein Haus ludest, Bourrienne, bin ich gekommen.

Collot: Nur vernünftig. Man lernt wieder leben, wenn man die Geschäfte bespricht. Man kann nicht ewig die Höchstpreise mit der Guillotine aufrechterhalten.

Thureau: Leben? Wir sitzen und dünsten das Blutbad aus.

Bourrienne: Bis wir wieder Kraft genug haben, zu hassen.

 

Zweite Szene

Die Vorigen. Bonaparte (sechsundzwanzig Jahre, kaum mittelgroß, gelb, mager, maurischer Typ; sein Haar fällt in pomadisierten schwarzen Strähnen bis auf die Schultern, seine Augen brennen düster, er hat gute weiße Zähne. Seine Kleidung ist dürftig. Dunkler Uniformrock, die schwarze Halsbinde verdeckt den weißen Kragen fast ganz. Zivilhose in hohen Stiefeln, die verbraucht und nicht sauber sind. Wenn er nicht starr und unbeteiligt dasteht, hat er manche weite, wilde Bewegungen. Seine kleinen Hände drücken aus, was er will, sein Mienenspiel ist überaus beweglich, er kann bezaubern. Die Stimme ist klangvoll im Affekt, mit rollendem R).

Bonaparte lautlos von links, drückt sich, den anderen unsichtbar, in den dunkelsten Winkel.

Madame de Bourrienne zuckt, ohne sich umzuwenden, heftig auf.

Madame Thureau: Du bist erschrocken, Emilie?

Madame de Bourrienne: Ich habe Anwandlungen von Furcht. Sie sind mir geblieben. Früh beim Erwachen höre ich noch manchmal die Räder des Karrens kreischen und die Verurteilten singen.

Bourrienne: Wer von uns wird wieder anfangen?

Thureau: Ihr Royalisten habt euch der Wahlen bemächtigen wollen, die Erlasse des Konvents haben euch daran verhindert. Eure Wut ist ungeheuer. Steht auf. Auf wann der Aufstand?

Bourrienne steht ihm gegenüber auf: Ich bin ein gemäßigter Republikaner. Heute abend übrigens regnet es.

Muscat: Wer weiß, ob Helden wie wir sich nicht sogar in den Regen getrauen.

Collot: Ihr werdet hoffentlich bedenken, wieviel Geld verlorengeht in einer Revolutionsnacht.

Muscat: Und gewonnen wird, Herr Collot.

Collot: Ich sehe es nicht gern, wenn mein Kommis gegen mich spielt.

Madame de Bourrienne wie abwesend: Ach, zittern ohne Ende um das Leben des einzigen Gutes, geliebter als das eigene Leben.

Madame Thureau: Du mußt um deinen Gatten nicht mehr zittern.

Madame de Bourrienne: Wo ist er? Welche Gefahren braut um ihn nun wieder die Nacht?

Madame Thureau: Um Herrn Bourrienne?

Thureau: Wir werden euch zuvorkommen, Bourrienne. Die Sache wird zwischen uns beiden ausgetragen, Collot. Die schwache Republik der Geschäftsleute wird erobert werden von der stärkeren der Menschenfreunde.

Bourrienne: Und der Guillotine.

Thureau: Kein Blut mehr! Ich rechtfertigte es einst mit meiner Wissenschaft. Was Leben, was Tod. Es sind nur wechselnde Phasen desselben ewigen Kreises, nur Operationen der Weltchemie.

Bourrienne: Und jetzt so empfindsam?

Thureau: Nicht die größten Gedanken von Menschen rechtfertigen es, daß andere Menschen sterben.

Collot: Meine Herren! Bürger! Die jetzige Regierung führt siegreiche Kriege. Könige schließen mit ihr Verträge. Wir haben den Kommunismus aus der Öffentlichkeit vertrieben. Die Kunst, die Feste leben auf. Kein Zweifel, daß diese Zeit uns bereichert hat.

Muscat: Welch ein Wort, von meinem Prinzipal!

Bourrienne: Ein einziger Makel an deinem Paradies.

Thureau: Die Masse hungert.

Madame Thureau: Gern würden wir alles fünffach bezahlen, wüßten wir nicht zu gut, wem es anschlägt.

Thureau: Ein Dieb, euer Barras.

Bourrienne: Das Haupt der Regierung ein gemeiner Dieb.

Muscat: Mit seinem Tallien, – leise – mit seinem Collot.

Thureau: Das der Nachfolger des unbestechlichen Robespierre!

Bourrienne: Und unserer Könige!

Collot zu Thureau: Er siegt öfter als dein Maximilian. Zu Bourrienne: Öfter als dein Heinrich der Vierte.

Thureau: Mit Generalen, die reich werden.

Collot: Siegt ohne Geld, wenn ihr könnt!

Thureau: Ein General wird kommen, der selbstlos für die wahre Republik siegt.

Bourrienne: Selbstlos für seinen – leise und verzückt – König.

Bonaparte aus seinem Winkel hervor.

Madame de Bourrienne fährt mit einem Schrei aus ihrem Sessel, wendet sich um und sieht Bonaparte entgegen.

Erwartungsvolle Stille.

Madame Thureau: Der Schrecken saß dir schon längst im Nacken, Emilie.

Bourrienne Bonaparte entgegen: Unser Freund Bonaparte! Umarmt ihn. Leise: Heute heißt es noch einmal heucheln.

Bonaparte verneigt sich vor Madame de Bourrienne.

Thureau: Mein Freund Bonaparte. Umarmt ihn. – Zu Madame Thureau: Du hast unseren General nicht vergessen, Luise.

Madame Thureau: Er wird nicht mehr wissen, wer vor einem Jahr die Frau des Kommissars der Republik war, der er am Col di Tenda seinen Krieg zeigte.

Bonaparte schweigt.

Madame Thureau: Obwohl er doch der Freundschaft des Konventskommissars seine ganze Stellung bei der italienischen Armee verdankte.

Bonaparte: Seiner Freundschaft und meinem Talent.

Thureau: So ist es.

Madame Thureau: Aber er hat es uns nicht vergessen, daß er nach unserem Sturz verhaftet wurde, unter dem Verdacht, unser Freund zu sein.

Thureau: Und der Freund Robespierres.

Bourrienne: Ich habe für ihn gebürgt. Ich bürgte für ihn schon auf der Militärschule, wenn der soviel kleinere den Kameraden verdächtig war durch sein fremdes Gesicht.

Collot: Er hat viele Freunde.

Muscat: Aber man möchte ihm nicht allein in einem Wald begegnen.

Collot: Er ist General. Wohl entlassen. Was hat er geleistet?

Muscat: Unbekannt.

Thureau: Wärest du doch damals aus Italien mit mir nach Paris gekommen, Bonaparte, um Robespierre zu retten!

Bonaparte: Mein Entschluß konnte die Weltgeschichte ändern.

Muscat schlägt Bonaparte auf die Schulter: Jetzt weiß ich, dies war der Kleine, der neulich im Theater so lächerlich verliebt in die Tallien war.

Madame de Bourrienne: Wie?

Bonaparte starrt Muscat an, bis sein Lachen erstirbt.

Madame de Bourrienne: Warum erfinden Sie Albernheiten, Herr Muscat?

Muscat: Es ist die Wahrheit, schönste Gottheit.

Madame Thureau zu Madame de Bourrienne: Nimm meinen Arm, Emilie. Die Schwäche befällt dich wieder.

Madame de Bourrienne: Laß! Nach links mit Madame Thureau.

Collot zu Bonaparte: Sie gaben also, als Sie ihren Freund Robespierre nicht retteten, Ihre Grundsätze preis, General.

Bonaparte emphatisch: Der Nutzen des Vaterlandes bestimmt den Wert aller Dinge, nicht Grundsätze.

Collot: So weltgewandt und doch entlassen. Hier geschieht ein Unrecht.

Bonaparte burlesk: Erfolg, nichts weiter, sagt sich ein General, der, die Guillotine im Rücken, eine Armee kommandiert.

Collot: Keine schlechte Erziehung.

Madame de Bourrienne mit erzwungener Heiterkeit: Herr Muscat! Wie war das Theater?

Muscat: Welches Theater? Ich war zuletzt mit der Tallien dort. Man gab »Der Taube oder Der volle Gasthof«. Baptist war so komisch, daß das Publikum ihn vor Lachen nicht weitersprechen ließ.

Madame de Bourrienne: Die Tallien unterhielt sich gut?

Muscat: Unvergleichlich.

Madame de Bourrienne: Mit wem?

Muscat: Mit mir.

Madame Thureau: Sie übertreiben. Gewiß war, wie gewöhnlich, die ganze Loge voll junger Leute. Auch der General Bonaparte war dabei.

Muscat: Der? Ah! zu komisch. Er war der einzige im Hause, der nicht lachte. Dann war er verschwunden, und einsam auf der Galerie fanden wir ihn wieder. Er saß, als brütete er Unheil, so verliebt war er. General – Dingsda, ist es wahr?

Bonaparte bei Collot, Bourrienne, Thureau: Mein Name ist in aller Mund seit Toulon.

Muscat führt Bonaparte am Arm: Ist es wahr, General Dingsda?

Madame Thureau: Daß Sie der eigentliche Sieger von Toulon sind?

Madame de Bourrienne: Ihr Herz, General Bonaparte, gab Ihnen die großen Gedanken ein, durch die Sie siegten.

Bonaparte brutal: Die Straßenräuber trachten immer, drei gegen einen zu sein. Das ist auch meine ganze Kunst.

Madame de Bourrienne leise: Ich hasse Sie. Wendet sich nach links.

Madame Thureau: Am Col di Tenda ließen Sie mich einen Vorpostenangriff sehen. Er schien nicht vorbereitet, aber er glückte.

Bonaparte: Er war vollkommen zwecklos.

Madame Thureau: Warum befahlen Sie ihn dann?

Bonaparte: Sie sahen zu.

Madame Thureau: Einige fielen.

Bonaparte: Noch heute werfe ich es mir vor.

Madame Thureau: Und wenn Sie es mit einer Frau zu tun gehabt hätten, der Ihre – Huldigung Eindruck machte?

Bonaparte: Dann würde ich sie verachten. Düster: Was aber macht Ihnen Eindruck?

Madame Thureau: Ein grades Herz. Wendet sich ab. Thureau!

Collot zu Bourrienne und Thureau: Sei die Regierung wie immer, meine Herren, ihre Erhaltung ist unsere Pflicht, denn wir gehören ihr an. Wir werden daher im Ausschuß beantragen, daß gegen den erwarteten Aufstand ein zuverlässiger General gewählt wird.

Bonaparte in die Mitte.

Bourrienne: Der ist zur Hand.

Thureau: Der könnte zur Hand sein.

Collot: Es wird sich erweisen. Aber unsere Kartenpartie?

Bourrienne: Ein guter Gedanke. Solange wir Karten spielen, werden wir einander nicht umbringen. Nach hinten ab, mit Collot und Thureau.

Muscat nimmt im Abgehen den Arm Bonapartes: Verlassen Sie sich nur nicht auf meinen Prinzipal. Der ist nicht ernst zu nehmen, außer wenn er verdienen will; und mit Ihnen –. Mich sehen Sie an! Ich kann Ihnen nützen. Soll ich Sie bei Barras einführen?

Bonaparte: Ich bin Ihr Diener, mein Herr.

Muscat: Oh! ich kenne es, wenn man entlassen ist und auf dem Pflaster liegt.

 

Dritte Szene

Madame Thureau. Thureau (indes die andern langsam nach hinten abgehen).
Madame de Bourrienne (links im dunkelsten Winkel).

Madame Thureau: Thureau!

Thureau wendet sich, kehrt zurück: Frau?

Madame Thureau: Laß dich nicht mit jenem Bonaparte ein!

Thureau: Was weißt du?

Madame Thureau: Er hat Heimlichkeiten hier im Hause.

Thureau: Gewiß nicht mehr als bei mir.

Madame Thureau: Doch!

Thureau: Er wartet auf Verwendung. Er ist noch farblos, aber zu allem Guten bereit. Er ist jung.

Madame Thureau: Jung? Ein Ehrgeiziger? Er hat Bourrienne umarmt, und er betrügt ihn.

Thureau: Verstehe ich dich?

Madame Thureau: Aber auch die Frau betrügt er.

Madame de Bourrienne schluchzt verhalten auf.

Thureau: Nennen wir ihn nicht schlecht! Verzeihen wir dem Knaben seine Leidenschaft!

Madame Thureau: Sage nicht zuviel!

Thureau: Ich liebte ihn.

Madame Thureau: Sage mir nicht zu viel!

Thureau sieht sie an: Ich schweige – und wende mich von ihm.

Madame Thureau: Jetzt ist es gut, mein lieber Mann. Jetzt magst du ihn benutzen, wie es dir recht scheint.

Thureau: Ich muß erfahren, wann sie den Aufstand machen. Deswegen bin ich hier. Um zu horchen, komme ich zu meinem Freund Bourrienne. Ist auch jener andere ein Verräter, dann ist er eingeweiht. Er soll reden.

Madame Thureau: Glaubst du, die Republik wird stehenbleiben?

Thureau: Auch diesmal. Wir leben immer noch.

Madame Thureau: Sollen wir aber sterben – tröste mich nicht, ich bin stark.

Thureau: Wir wollen uns vorbereiten.

Madame Thureau: Gib deine Hand!

Zusammen nach hinten ab.

 

Vierte Szene

Madame de Bourrienne. – Bourrienne.

Madame de Bourrienne schluchzt heftig.

Bourrienne von links: Ich habe mich davongeschlichen. Du weinst? Süße Emilie, nicht weinen. Alles steht gut.

Madame de Bourrienne: Nicht für mich.

Bourrienne: Du fürchtest immer Unheil.

Madame de Bourrienne: Noch nie umsonst.

Bourrienne: Heuchle ich nicht vortrefflich? Betrüge ich nicht alle, daß es eine Lust ist? Ich spiele den Gemäßigten, der nur schwätzt. Sie sollen noch sehen, was handeln heißt.

Madame de Bourrienne: Du möchtest dich furchtbar machen.

Bourrienne: Die Welt mit Schlechtigkeit übertrumpfen – sie will es nicht anders. Ich lade Thureau zu mir, damit er nicht sieht, wie draußen sein Grab geschaufelt wird. Das verzeihe ich meiner Zeit zuletzt, daß sie mich zwingt, zu lügen.

Madame de Bourrienne: Du hast doch Gewissen. Wen du mit hineinziehst in dein Unternehmen, der geht mit unter.

Bourrienne: Ich schone unsern Freund Bonaparte. Übrigens besser, ich traue auch ihm nicht. Niemandem ganz, das soll feststehen.

Madame de Bourrienne: Siehst du denn, daß er falsch ist?

Bourrienne: Er hat sich geweigert, gegen die Royalisten ins Feld zu ziehen, dafür ist er entlassen. Das weist auf ihn, als unseren Mann. Heilig hat er mir versprochen, die Republik zu verraten. Trotzdem.

Madame de Bourrienne: Trotzdem?

Bourrienne: Er liebt Frau Thureau.

Madame de Bourrienne: Du täuschest dich.

Bourrienne: Ich fürchte, nein. Verschaffe dir Klarheit darüber! Nach dem, was du sagst, weihe ich ihn ein oder nicht.

Madame de Bourrienne: Nach dem was ich sage, wird er der General sein –?

Bourrienne: Oder nicht. Aber ich wünsche es. Ich wünsche, daß mein lieber Freund sich bewährt.

Madame de Bourrienne: Du liebst ihn so sehr?

Bourrienne: Und nicht du auch? Umarme mich!

 

Fünfte Szene

Die Vorigen. Bonaparte.

Bonaparte von hinten.

Bourrienne Bonaparte entgegen, umarmt ihn: Gutes Vorzeichen, da bist du! Grade sagte ich zu Emilie: Mit ihm, kein Schwanken. Vertrauen um Vertrauen.

Bonaparte: Das darfst du sagen, Freund.

Bourrienne: Siehst du, wie leicht wir alle täuschen? Übernimm du besonders den ehrlichen Thureau! Er selbst soll dich zum General machen und seiner Republik den Hals abschneiden.

Bonaparte: Ich übernehme ihn. Was ist es mit Collot?

Bourrienne: Die Partei der Schwachen. Die Gier nach dem Geld läßt sie nicht links noch rechts sehen. Wir fangen sie im Fluge.

Bonaparte: Wann endlich fällt die Entscheidung?

Bourrienne: Glaube mir, diese Republik ruft ihren Retter, den sie mehr fürchtet als die Gefahr, erst in der allerletzten Stunde.

Bonaparte: In welcher Stunde?

Bourrienne: Wir werden sehen.

Bonaparte: Du verheimlichst es mir.

Bourrienne: Dir! Meinem Freund!

Bonaparte: Ich warte und verzehre mich. Ein Unbekannter, in Dunkelheit und Kälte gehe ich unter.

Bourrienne: Undank!

Bonaparte: Hüte dich, mich zu täuschen!

Bourrienne: Drohe Schwächeren!

Madame de Bourrienne: Um Gottes willen, keinen Streit! Eure Erbitterung, euer Ehrgeiz werden uns alle ins Unglück bringen. Laßt euch warnen, noch einmal, das letzte Mal! Was wollt ihr? Lebten wir nicht glücklich?

Bourrienne: Nicht Macht und nicht Erfolg sind eine solche Freundschaft wert.

Bonaparte: Bewahrt sie mir! Ich war heftig.

Bourrienne: Er hat seinen melancholischen Tag, er hat Werther gelesen.

Bonaparte: Laßt es mich nicht entgelten.

Bourrienne: Nach vollbrachter Tat wirst du königlicher Oberst.

Bonaparte: Nachdem ich nur General der Republik war.

Bourrienne: Ich schütze dich bei Hofe.

Bonaparte: Ich bin meines Lohnes sicher.

Bourrienne nach links: Lebt wohl, ich gehe dort hinaus! Es ist besser, wir kehren einzeln zurück zu dem ehrlichen Thureau, dem noch ehrlicheren Collot. In der Tür: Die Republik geht unter, indes sie Karten spielt. Es ist leicht, zu verraten.

Ab.

 

Sechste Szene

Bonaparte. Madame de Bourrienne.

Bonaparte: Auch vor dem Gecken Muscat bin ich gekrochen.

Madame de Bourrienne: Verzeih es mir!

Bonaparte: Dein Mann weiht mich nicht ein.

Madame de Bourrienne: Verzeih es mir! Auch meine Geduld währt nicht ewig. Tage und Tage sehe ich dich nicht und muß dann hören, mit der Tallien warst du im Theater, ein Höfling unter vielen. Aber du liebst nicht sie. Eine andere liebst du.

Bonaparte zuckt die Achseln.

Madame de Bourrienne: Ich laß mich nicht treten. Mißbrauche meine Liebe nicht, ich kann sie zurücknehmen. Ich kann deine Feindin werden. Du glaubst doch, daß ich es kann? Wenigstens höre mich! In welche Welt blickst du nur mit solchen Augen?

Bonaparte: Ich habe Hunger.

Madame de Bourrienne: Himmel! und ich quäle ihn. Zum Schrank: Das ist alles, was ich bekommen konnte, ein Huhn und sogar weißes Brot. Deckt den Tisch, stellt Licht hin, bedient ihn: Das Mehl hat unser Pächter des Nachts hereingebracht, und unser Konditor bäckt es uns heimlich. Ich wage die Guillotine, wie schön, damit du essen kannst.

Bonaparte ißt.

Madame de Bourrienne: Du hungerst schon lange.

Bonaparte: Seit gestern.

Madame de Bourrienne: Und vorher hattest du Geld? Von wem? – da ich es nicht sein darf.

Bonaparte: Du nicht.

Madame de Bourrienne: Grade ich nicht?

Bonaparte: Grade du nicht. Du weißt schon zu viel.

Madame de Bourrienne küßt ihm die Hand auf dem Tisch: Iß! Ich bin nur deine Dienerin. Schenkt ihm Wein ein. Ich muß nichts wissen.

Bonaparte: Ich ging am Fluß hin, da schenkte es mir jemand, der vorbeikam. Du möchtest wissen, wer. Ein Kamerad von Toulon her, Sergeant Junot. Was je aus mir wird, den vergeß ich nicht.

Madame de Bourrienne: Was wolltest du am Fluß?

Bonaparte: Fürchte nichts! So gut bin ich nicht mehr. So gut, so rein war ich mit fünfzehn Jahren. Damals wollte ich sterben – aus Freiheitsliebe und weil ich fühlte, in dieser Welt muß sie verlorengehen.

Madame de Bourrienne: Versprich mir –. Ach! laß mich nur weinen.

Bonaparte: Man sollte im Frieden leben. Was braucht es viel. Junot hat Geld im Getreidehandel. Geht zum Fenster. Das Haus gegenüber steht leer. Er und ich könnten es zusammen mieten. Das Haus dir gegenüber, meine Freunde, ein Wägelchen, und ich wäre der glücklichste Mensch.

Madame de Bourrienne bei ihm: Ich atme auf. Dann denkst du an mich, auch wenn du mich vor den anderen zu übersehen scheinst?

Bonaparte öffnet das Fenster: Hörst du keinen Lärm? Was geht vor?

Madame de Bourrienne: Nichts, sonst wüßtest du es.

Bonaparte: Von deinem Mann? Mir sagt es keiner. Regen. Immer nur im Regen irren wie ein Wolf und nach Neuigkeiten schnappen. Warten auf die Stunde, ein Jahr schon bald. Wenn dort die Katze nach links läuft, soll das Jahr nicht umsonst vergehen.

Madame de Bourrienne: Daran glaubst du?

Bonaparte: Sie bleibt stehen. Es gibt Vorbedeutungen. Ich weiß im voraus, wen die Kugel trifft. Lacht. – Bricht ab. Nichts, die Katze kriecht in den Keller. Schließt das Fenster. Neun Uhr, und es regnet. Auch heute geschieht nichts.

Madame de Bourrienne: Du bist so jung, und hast so viel schon getan.

Bonaparte: Wer kennt mich.

Madame de Bourrienne: Was ist ein Jahr?

Bonaparte: Ich habe mir geschworen: über ein Jahr bin ich berühmt oder tot. Sie werden mich durchlassen müssen, meine Vorgesetzten, die nie im Feuer waren, der Minister, der mein Manuskript über Italien unterschlägt. Die Republik verlangt nach mir! Ich bin ein besserer Republikaner als alle, denn ich liebe den Ruhm mehr als alle.

Madame de Bourrienne: Wie schön bist du so!

Bonaparte: Auf wann der Aufstand, sage es!

Madame de Bourrienne: Liebst du nur den Ruhm? Nicht ein wenig auch mich?

Bonaparte: Weißt du es denn wirklich nicht?

Madame de Bourrienne: Oh! Du liebst mich!

Bonaparte: Den Aufstand meine ich.

Madame de Bourrienne: Wieder betrogen. Aber merke dir, davon hängt es ab, ob du der General gegen den Aufstand wirst. Du darfst nicht Luise lieben!

Bonaparte: Nicht Luise?

Madame de Bourrienne: Du erschrickst. Du kennst ihren Namen. Du liebst sie.

Bonaparte: Ich verstehe. Dein Mann hat Furcht, ich könnte mit Thureau gehen. Er mag sich hüten. Die wahrste Freundschaft habe ich nur für Thureau, der noch immer so ehrlich ist wie ich mit fünfzehn Jahren.

Madame de Bourrienne: Wird er dir sagen können, wann der Aufstand beginnt? Das erfährst du, wenn ich Herrn de Bourrienne dafür bürge, daß du Luise nicht liebst.

Bonaparte stutzt. – Lachend: Wie du scherzen kannst! Den Arm um ihre Hüfte: Böse kleine Emilie, führt mich an der Nase. Und du weißt genau, daß ich nur dich liebe. Ich stoße die Frauen ab, außer dir.

Madame de Bourrienne: Ich bin in deiner Hand.

Bonaparte: Ich brauche deine Hilfe, ich muß mich rächen, an Thureau und an ihr, ja, an Luise. Ich will sie haben. Verschaffe sie mir!

Madame de Bourrienne: Schweig!

Bonaparte: Es bleibt dir nicht erspart. Sie soll mich nicht länger verachten. Er soll nicht länger ungestraft so sein dürfen, wie ich nicht sein konnte.

Madame de Bourrienne: Unmensch! Von mir verlangst du deine Geliebte.

Bonaparte nach links: Es war die Probe auf deine Liebe.

Madame de Bourrienne ihm nach. Über seiner Hand: Geh nicht!

Bonaparte: Willst du noch mit mir spielen? Mir noch Bedingungen stellen?

Madame de Bourrienne: Mein Gebieter.

Bonaparte: Führe sie mir ruhig zu. Was hab ich denn. Ich will Erfolge sehn.

Madame de Bourrienne: Ich will mich nicht schämen, daß ich dein bin. Links ab.

 

Siebente Szene

Bonaparte. Thureau.

Bonaparte überlegt. – Entschließt sich: Zu Thureau! Nach hinten.

Thureau ihm entgegen: Du suchst mich?

Bonaparte: Warum dich? Ich gehe.

Thureau: Denn ich suche dich.

Bonaparte: Ich habe Eile.

Thureau: Womit wohl?

Bonaparte: Meine Dienste den Türken anzubieten. Hier braucht sie niemand.

Thureau: Du wirfst mir vor, daß ich dich warten lasse. Aber deinen Brief konnte ich nicht beantworten. Ich war nicht der erste, der ihn öffnete und las. Vergessen wir niemals, in welcher Zeit, unter was für Menschen wir leben. Die besten Freunde tun gut, vor einander in verdeckten Worten zu reden.

Bonaparte mit hingestreckter Hand, aufrichtig: Nur zwei dürfen sich ganz vertrauen: der ehrliche Thureau und sein Freund Bonaparte.

Thureau: Ich habe dein Manuskript gelesen, General. Es ist bemerkenswert. Du machst den Verproviantierungsschwierigkeiten unserer italienischen Armee ein Ende, indem du Vado besetzest.

Bonaparte: Hilf mir, durchzudringen! Ich zähle nur auf dich.

Thureau: Ich habe dein Manuskript sogleich dem Minister gebracht. Er ließ sich grade rasieren. Dabei ward es ihm vorgelesen, und er soll mir nachgelaufen sein bis auf die Treppe. Ich war schon fort.

Bonaparte atemlos: Und dann? Aus?

Thureau: Wie leicht kommt etwas dazwischen. Ich habe gedrängt, da hieß es wieder: zu rasch aufgerückt, hat weder Kenntnisse noch Erfahrungen. Der, in Italien kommandieren? Eine Infanteriebrigade ist noch zu viel für ihn.

Bonaparte: Die Schurken siegen.

Thureau: Die Schurken besiegen die ehrlichen Leute immer nur im kleinen und vorläufig. Auf die Dauer siegen doch wir.

Bonaparte: Der Augenblick, die Gelegenheit sind das Wichtigste. Ich kenne niemand, ich gehöre keiner Partei an. Solche Soldaten braucht die Republik an ihren Entscheidungstagen.

Thureau nach einer Pause: Die Frau unseres Freundes Bourrienne ist zu beklagen, er läßt sie viel allein.

Bonaparte: Vielleicht hat Bourrienne Geschäfte, die jetzt sich entscheiden.

Thureau: Jetzt?

Bonaparte: Das möchtest du wissen.

Thureau: Von meinem Freund Bonaparte. Du bist vertraut mit der Frau und dem Mann.

Bonaparte: Du möchtest von mir wissen, wann deine Feinde losschlagen – und mißtraust mir doch. Tätest du es lieber nicht! Ich bin vielleicht am Scheidewege.

Thureau: Wem gehörst du!

Bonaparte: Meine Dienste gehören der öffentlichen Sache. Möchten sie genutzt werden. Die Republik könnte bereuen.

Thureau: Du drohst der Republik.

Bonaparte: Dich warne ich, Bürger Thureau. Du kennst deinen Freund seit Italien.

Thureau: Ich kannte dich als rauhen Soldaten und grades Herz. Du stelltest noch nicht der Frau deines Freundes nach.

Bonaparte gibt es auf. Veränderter Ton: Wann kann ein armer junger Mann sich das erlauben? Zur Not bei einem Freunde, der ihm nicht dem Erfolg bestimmt scheint.

Thureau: Ah!

Bonaparte: Mit dem er daher nie sich tiefer einlassen wird.

Thureau: Ah!

Madame de Bourrienne erscheint hinten.

Bonaparte emphatisch: Deine Frau, Thureau, achtete ich immer so hoch, wie dich.

Thureau: Soll ich dir danken?

Bonaparte burlesk: Auch war es mir bekannt, daß der keusche Robespierre dich mit meiner Beobachtung betraut hatte.

Thureau: Du hieltest mich für einen Spion! – indes wir zusammen aßen, indes wir zusammen vor Feind und Tod standen.

Bonaparte: Man muß mit Menschen zu leben wissen.

Thureau: Meinesgleichen stirbt lieber.

Bonaparte: Du wirst nicht für mich stimmen, ehrlicher Thureau.

Thureau: Du wirst mir nicht sagen, was du weißt, kluger Bonaparte. Nach hinten ab.

 

Achte Szene

Bonaparte. Madame de Bourrienne.

Madame de Bourrienne nähert sich Bonaparte.

Bonaparte sieht Thureau nach: Ich habe ihn verloren. Was wird aus mir. Ich lüge zu oft. Ich verrate zu viel. Ich verliere die Besten. Erblickt Madame de Bourrienne. Dich will ich nicht verlieren.

Madame de Bourrienne: Wie du gut bist!

Bonaparte: Es gilt zu handeln. Hat dein Mann dir geglaubt?

Madame de Bourrienne: Er hat mir geglaubt, du liebest Luise nicht.

Bonaparte: Und hat dir sein Geheimnis gesagt?

Madame de Bourrienne: Hörst du es noch regnen?

Bonaparte: Es weht. Der Mond!

Madame de Bourrienne: Es ist für heute Nacht. Sei im Konvent.

Bonaparte: Ein Stelldichein so süß gabst du mir noch nie. Ich bereue keine verlorene Zeit mehr.

Madame de Bourrienne: Die Zeit, die du an meine Liebe verlorst.

Bonaparte: Sprich! Bourrienne ist sicher, daß ich der Befehlshaber werde?

Madame de Bourrienne: Deine Sache ist es, die Truppen zu gewinnen.

Bonaparte: Mein Handwerk.

Madame de Bourrienne: Du sollst schwören, daß du sie zu den Unseren hinüberführst. Schwöre es mir.

Bonaparte: Nicht dir. Es könnte so kommen, daß ich dich belogen hätte.

Madame de Bourrienne: Mich niemals. Ich habe meinen Auftrag erfüllt. Ich selbst aber sage dir: Tu, was du willst, geh, wohin [du] bestimmst, ich halte dich nicht zurück, ich folge dir.

Bonaparte: Weißt du denn, wohin? Käme doch Talma! Einen Freund, dies alles auszusprechen! Das Land will mehr, als ihr ahnt. Einen König? Und warum nicht die Guillotine des Herrn Thureau? Ich muß hinweg über beide. Das Land erträgt ihren Zank nicht länger. Ich komme zwischen ihnen nicht vorwärts.

Madame de Bourrienne: Das Land und du. Hier bin ich, niemand wird jemals dein sein wie ich.

Bonaparte: Sei getrost, ich behalte dich.

Madame de Bourrienne: Fürchte nicht, du müssest uns schonen, Bourrienne oder mich. Geh über ihn dahin! Zerbrich auch mich! Aber wirf die Stücke meines Herzens nicht fort!

Bonaparte: Du sprichst, als sei ich zum Töten geboren. Emilie, verzeih mir! Über ihrer Hand: Verzeih im voraus!

Madame de Bourrienne: Töte nur eins nicht, deine Seele.

 

Neunte Szene

Bonaparte. Talma (fünfundzwanzig Jahre, blauer Rock, schwarze Beinkleider und Strümpfe. Bühnenstimme, tragische Gebärden, Stellungen wie nach Raphael).

Bonaparte steht, das Gesicht in den Händen.

Talma von links.

Bonaparte stürzt Talma entgegen: Talma! Bleibe bei mir!

Talma: Was gibt es?

Bonaparte: Ich leide Versuchungen, – im Augenblick, da ich handeln muß.

Talma: Du hast dich noch einmal geprüft. In unserer Lage tue ich dasselbe. Draußen unter den Menschen heißt es nur immer: heuchle, gedulde dich, dränge dein Herz zurück!

Bonaparte: Talma! Bin ich denn schlecht?

Talma: Wir sind die Besten. Die Welt nehme uns zu Meistern, sie wird es nicht bereuen.

Bonaparte: Die Menschen wollen das Gute nicht.

Talma: Schurken sind es, die mir, mir die erste Bühne der Nation verschließen. Meine nie erlebten Gaben bringen eine elende Vorstadt von Sinnen.

Bonaparte: Wer weiß, wie bald ich dich zum Mitglied des Nationaltheaters mache. Hast du das Freibillett?

Talma: Hier. Mein Gastspiel auf Anstellung ist am Freitag. Ich spiele den Brutus. Cäsar wird umgebracht von meinem Organ. Er soll mir nicht länger im Wege stehn.

Bonaparte: Mach es wie ich! Ich lege die Alten hinein. Siegen ist nicht genug, hineinlegen ist das Wahre.

Talma beginnt zu laufen: Bis Freitag! Drei Tage, drei Ewigkeiten.

Bonaparte läuft an ihm vorbei: Niemand kann fassen, welche Eile wir haben. Unwiederbringliches Heute! Eine flüssige Feuermasse sind Staat und Gesellschaft – forme sie!

Talma: Wer will mich aufhalten. Ich bin das Theater.

Bonaparte: Die Republik ist nur noch in mir.

Talma: Ich muß Cäsar spielen.

Bonaparte: Sie sollen ihn sehen.

Talma: Die Tallien soll mich sehen. Das Weib, das immer nur den größten Erfolg sieht.

Bonaparte hält an: Die Liebe ist ein Zeitvertreib. Ich habe Eile.

Talma hält an: Heuchle nicht, du begehrst sie genauso sehr.

Bonaparte: Ich begehre alle. Einer, der einst mein Freund war, hatte eine Frau, sie war rein wie keine, und mich verachtete sie. Talma! Hatte sie Recht, mich zu verachten?

Talma: Auch sie wird uns kennenlernen.

Bonaparte: Wie viel läßt sich tun für dies Land, für die Menschheit! Die Vernunft soll zur Macht gelangen. Wenn an der Spitze der Bajonette der Geist blitzt, wenn die Stimme der Jugend über die Welt hinschallt –

Talma: Meine Stimme.

Bonaparte: Wir werden stürmen, mitreißen, bezwingen.

Talma: Wir werden groß sein.

Bonaparte: Groß – welch ein Wort!

 

Zehnte Szene

Bonaparte. Talma. – Collot.

Collot von hinten: Ich störe die Herren?

Talma: Was will der? Er sieht aus wie mein Hausherr am Ersten.

Bonaparte: Sie kommen ungelegen, Herr Collot. Wir haben eine wichtige Unterredung.

Collot: Wir werden sehen, ob sie wichtiger ist als meine Vorschläge. Herr Talma!

Talma: Sie kennen mich?

Collot: Wie denn nicht? Die ganze Stadt spricht von Ihrem Brutus.

Talma: Auch mich hat er befriedigt.

Collot: Unsere Damen wünschen sich sehnlich, Ihre berühmte Stimme zu hören.

Talma: Ich eile. Nach hinten ab.

Collot: Zu Ihnen, General. Sie sind ein gefährlicher Mann. Vom belagerten Toulon haben Sie Ihren eigenen höchsten Vorgesetzten beim Wohlfahrtsausschuß verdächtigt. Sie sind erstaunt. Ich habe Sie schon längst im Auge.

Bonaparte: Ich kenne Sie auch, Herr Collot. Sie haben unseren Armeen zwölfmalhunderttausend Paar Schuhe geliefert, und die Armeen gehen im Wasser.

Collot: Sie gehen im Wasser, aber sie gehen doch. General, Sie sind ein Feind der Heereslieferanten.

Bonaparte: Ich mache kein Hehl daraus. Ich hasse Leute, die das Feuer scheuen und sich an armen Soldaten bereichern.

Collot zieht ein Manuskript hervor: Ganz recht, hierin steht es.

Bonaparte: Mein Manuskript in Ihren Händen!

Collot: Sie sehen, General, wohin alles ausmündet, und an wen Sie zuletzt doch geraten. Ich habe Geld. Sie haben Talent. Ich schlage Ihnen ein Geschäft vor.

Bonaparte: Ich bin Soldat.

Collot: Sie wollen sagen: ein Held. Trotzdem machen Sie mir einen guten Eindruck – wie jemand, der die Welt nimmt wie sie ist, und seinen Weg geht, gleichgültig, wer dabei ist.

Bonaparte: Mit Ihnen?

Collot: Noch heute nacht. Wozu sonst Ihr Putsch?

Bonaparte: Ich verstehe Sie nicht.

Collot: Mein alberner Kommis ist nicht umsonst dabei. Aber versäumen wir die Stimme Ihres Freundes Talma nicht!

Talma erscheint hinten. Aus der offengebliebenen Tür fällt ein Lichtschein über ihn. Er spricht die Verse singend und scharf rhythmisch. Für manches Wort braucht er eine Sekunde. Große Gesten:

Heut, Freunde, sprach ich, ist der große Tag erfüllt,
Da unser edler Plan Tat wird und sich enthüllt,
Das Schicksal Roms hat uns der Himmel aufgetragen,
Sein Heil verlangt, daß wir Einen zu töten wagen,
Für den der Name Mensch zu menschlich ist, zu gut,
Den Tiger, vollgesaugt mit allem Römerblut.

Noch sprechend ab, seine Stimme verklingt.

Collot: Sehr gut. Die Kunst ist unvergleichlich als Begleitung zu einem guten Geschäft.

Bonaparte: Cinna!

Collot: Von Corneille, ich weiß es. Ihr edler Plan, General, soll heute nacht Tat werden, und noch wissen Sie nicht: sollen Sie die Republik ermorden? Ich rate Ihnen ab. Es würde nicht gelingen – noch nicht.

Bonaparte: Sie kennen die Zukunft?

Collot: Ich habe Geld – zu verlieren und zu gewinnen. Gehen Sie also nicht mit dem leichtsinnigen Bourrienne – aber ebensowenig mit dem strengen Thureau. Was würde eine starke und ehrenhafte Republik Ihnen zu bieten haben? Gehen Sie heute nacht ganz einfach mit uns, die wir das Geld haben. Dafür, auf Ehre, mach ich Sie zum Herrn von Paris.

Bonaparte: Sie? Eher mach ich mich selbst zum Herrn der Welt.

Collot: Wer weiß. Es braucht Geduld und Geld.

Bonaparte: Es braucht Kraft.

Collot: Und Geld.

Bonaparte: Begeisterung.

Collot: Und Geld.

Bonaparte: Soldat des Geldes!

Collot: An den Klang des Wortes gewöhnt man sich. Hören wir Talma! Er wird uns die schrecklichen Folgen des römischen Bürgerkrieges schildern. Ich kenne meinen Corneille.

Talma erscheint hinten, tritt sprechend auf:

– die schmachbedeckten Schlachten,
All wo die Hände Roms sein Herz zum Bluten brachten.
Wo der Adler schlug den Aar, und gegen die Freiheit im Land
Unser Heer so drüben wie hier in Waffenrüstung stand:
Wo der tapferste Soldat, der beste General
Seine Ehre, seinen Ruhm der Sklaverei befahl. –
Daß ihre Kettenschmach nichts mehr solle bewegen
Begehrten sie sie auch dem Weltall anzulegen.
Wenn es nur, frevler Ruhm, von ihnen nahm den Herrn,
Hörten sie selbst den Schimpf des Worts Verräter gern.
Römer vom gleichen Stamm und blutsverwandte Mannen
Kämpften nur um die Wahl des härtesten Tyrannen.

Noch sprechend ab.

Bonaparte: Das Geld.

Collot: Eine schwache Regierung sollten wir beide nicht stürzen. Unter ihr verdiene ich, und Sie können erobern. Mir der Reichtum, Ihnen überdies noch der Ruhm. Und uns beiden die Macht.

Die Stimme Talmas hinter der Szene:

Und mit der Freiheit wird aufs neue Rom geboren,
Den wahren Römer zeigt aufs neue dein Gesicht,
Wenn erst dein Arm das Joch, das Rom belastet, bricht.

Collot: Für seine Zukunft gebe ich eine Million.

Bonaparte: Und für meine?

Collot: Nicht zu errechnen. Bedenken Sie, daß Sie die anständigen Leute vor dem Umsturz schützen werden.

Bonaparte: Die Leute sind es nicht wert. Für die Menschen will ich kämpfen!

Collot: Sie sind ein Held. Sie werden der bürgerliche Held sein. Auf heute nacht. Nach hinten ab.

Bonaparte steht düster gebeugt.

Die Stimme Talmas:

Wenn mich verraten will ein schlechtgesinnter Wicht,
Meine Tugend, meine Ehr verraten mich doch nicht.
Sie wirst du sehen am Rand des Höllenschlundes glänzen
Und sich der Höllenpein zum Trotz mit Ruhm bekränzen.

Beifall hinter der Szene.

Talma nach vorn, zu Bonaparte: Kein Wort! Ich bin zerschmettert. Mit hochgemuten Träumen ist nichts getan. Die Leistung ist furchtbar. Ich bin ein Mensch, ein Rohr im Winde, – und soll ein Leben lang kämpfen.

Bonaparte sinkt aufweinend an die Brust Talmas.

Vorhang.

Zweiter Akt

Sitzungszimmer des Vierzigerausschusses des Konvents. Links ein übermäßig großer und breiter Tisch mit grüner Decke bis zum Boden und einer Glocke vor dem Stuhl des Vorsitzenden. Eine kleine Tür links beim Tisch, eine größere hinten rechts. Eine Glastür rechts auf den Garten der Tuilerien hinaus. Vorn rechts die Mündung einer Galerie, und davor eine Schranke, die im Bogen von der Glastür bis vor die Rampe führt. Die Wände kahl, nur Leuchter zwischen allen Türen. Die Lichter brennen hell, im Garten Laternenschein. Eine Uhr an der rückwärtigen Wand rückt von eins auf zwei.

 

Erste Szene

Auf Sesseln um den Tisch drei Gruppen: an der Breitseite gegen die Wand, in der Mitte der Vorsitzende Boissy-d'Anglas (bleich und schwarz mit hohlen Augen), zu seiner Rechten Bourrienne, zu seiner Linken Sieyès (alter Gelehrter). Ihnen gegenüber, von vorn nach hinten, Thureau, Dubois-Crancé (Militär) und Rühl (bärtiger Greis). Die dritte Gruppe nimmt die beiden Schmalseiten des Tisches ein, drüben Collot, vorn, von links nach rechts Tallien (schöner Mann, gelockt, auch die kurzen Bartkotelettes, fleischig, blutreich und stimmkräftig), und Barras (stattlich, vornehm, in Generalsuniform; hartes Gesicht, finsteres Lächeln, zuweilen gemeine, freche Töne, nicht in Übereinstimmung mit seiner Erscheinung).

Boissy klingelt: Der General Menou ist vor den aufständischen Sektionen zurückgewichen. Die Menge stürmt den Konvent, sogleich hat der regierende Ausschuß das Volk bei sich zu erwarten. Anstatt vierzig Mitglieder sind wir in dieser Gefahr nur neun. Wir gehen zur Tagesordnung über.

Bourrienne: Boissy ist groß.

Thureau: Er sagt nicht, daß es seine eigenen royalistischen Sektionen sind, die den Aufstand machen.

Bourrienne zu Boissy, zu Sieyès: Betrügen wir Sie! Laut: Beweist uns, daß wir schlechtere Republikaner sind als ihr!

Thureau: Ich verlange die Wahl eines Generals des Konvents.

Sieyès: Die Regierung ist von niemand ernstlich bedroht.

Dubois: Sieyès, so spricht ein Verräter.

Barras: Keine Übertreibungen! Das Volk ist nicht der Feind des Konvents.

Dubois zu Boissy, zu Bourrienne: Ihr seid es!

Bourrienne zu Tallien, zu Barras: Tallien, Barras, das sprechen eure Mörder.

Tallien zu Barras: Welche von beiden sind gefährlicher?

Barras Blick auf Thureau, Dubois, Rühl: Die Ehrlicheren.

Sieyès: Beraten wir das Gesetz über die Kinderzahl!

Bourrienne: Auch Sieyès ist groß.

Rühl: Wohl wahr, das Land ist entvölkert.

Sieyès: Rühl, wer hat es entvölkert?

Boissy vergißt sich, zu Rühl, Dubois, Thureau: Ihr!

Dubois: Wir haben euch guillotiniert; aber ihr uns weniger? Boissy? Sieyès?

Thureau: Und du, Bourrienne?

Bourrienne: Ich liebe euch, ich beteuere es.

Tallien unvermittelte Wut: Ich nicht. Ich bin Tallien. Auf diesen Tisch hier warf ich euren Robespierre, die Kinnlade zerschossen, verkrümmt wie ein Wurm.

Dubois: Auf Befehl deiner Frau.

Rühl: Wer wird heute so daliegen?

Tallien: So sterbe jeder Tyrann!

Barras: Ich würde verzeihen, wenn ich nicht Brutus wäre.

Thureau: Barras, das haben wir alle zu oft gesagt.

Collot: Warum es noch immer Menschen gibt, die nicht zufrieden sein wollen. Weder ein König noch die Guillotine hindern uns mehr, gute Geschäfte zu machen.

Tallien: Ich bin zufrieden. In dieser Zeit kann man sich endlich wälzen wie in einem Hurenbett.

Barras zu Thureau: Ich wollte, Thureau, es wäre anders.

Thureau: Dann sei mit uns!

Barras: Ich habe Schulden.

Thureau: Das Laster, armer Barras, bringt dich so sicher um, wie uns die Tugend.

Collot: Zur Tagesordnung! ... Zu spät.

 

Zweite Szene

Die Vorigen. – Junot. Frauen. Madame Thureau. Dann Bonaparte. – Dann Madame Tallien. Madame de Beauharnais. Muscat. Ein kleiner Neger. – Dann Männer.

Junot von hinten: Die Weiber kommen!

Barras: Ich lasse dich erschießen. Wo ist die Wache?

Junot: Sie gehorcht nicht.

Thureau: Wir erwarten das Volk. Unsere Tür steht ihm offen.

Barras schüttelt Thureau die Hand: Bürger Thureau, du bist ein Römer. Zu Boissy, zu Bourrienne: Heute fangen wir ihn.

Bourrienne: Sie lassen sich fangen.

Frauen reißen Junot fort, dringen ein: So sollen wir Hungers sterben mit unseren Kindern? Es gibt zu viele Menschen, wir sollen sterben.

Andere Frauen: Es ist eine Verschwörung gegen das Volk.

Dubois gegen Collot, gegen Tallien: Wucherer!

Boissy gegen Dubois, Thureau, Rühl: Es sind die Jakobiner! Sie wollen die Schreckensherrschaft wiederaufrichten.

Madame Thureau unter den Frauen, weist auf Boissy: Siehst du das bleiche Gesicht dort? Auf Bourrienne: Und jene Verrätermiene?

Lärm.

Thureau: Bürgerinnen! Hört mich an!

Langsame Beruhigung.

Bonaparte, Junot erscheinen hinter der Schranke, sprechen eilig.

Bonaparte: Sieh sie dir an. Sie kriechen vor dem Pöbel, der sie verhöhnt.

Junot: Eine einzige Kanone, und wir haben sie.

Bonaparte: Die Wache ist uns sicher?

Junot: Keine Sorge! Sie gehorcht nicht früher, als bis Sie den Befehl übernehmen, General.

Bonaparte: Höre Junot. Du weißt nicht, daß ich hier bin.

Junot: Weiß nicht.

Bonaparte: In ihrer Angst werden sie mich zu Hilfe rufen. Im richtigen Augenblick erkennen wir uns. Begriffen?

Junot: Begriffen, General.

Bonaparte, Junot ab.

Thureau: Bürgerinnen, ihr sollt Brot haben, und kein Blut darf mehr fließen.

Frauen: Einen König! Aber Brot!

Collot bemächtigt sich der Glocke des Vorsitzenden: Zur Tagesordnung! Das Gesetz über die Kinderzahl!

Frauen: Kinder? Damit ihr sie abschlachtet?

Rühl: Die Familien sind zahlreich, deren Kinder –

Tallien schreit: – auf den Ertrag der spanischen Papiere hoffen. Wann endlich werden diese Papiere dem Handel freigegeben werden? Die Freiheit vor allem!

Barras: Tallien, lebe wohl! Ich überlaß dich deinem Schicksal. Von ihm fort.

Thureau: Wahrhaftig, ihr geht weit.

Bewegung unter den Gruppen. Madame Tallien, auffallend hergerichtet, Madame de Beauharnais, 33 Jahre, die Kleidung herausfordernder als das anmutige Benehmen, Muscat, mit einem Knüppel, ein kleiner Neger, mit einem großen Fächer, erscheinen an der Schranke.

Muscat: Hier geht es heiß her. Glücklicherweise, meine Damen, haben Sie gegen die Frechheiten des Pöbels – meine Muskeln.

Tallien: Freiheit! Freigabe der spanischen Papiere!

Madame Tallien: Tallien ist geschickt.

Madame de Beauharnais: Die Liebe zu dir macht ihn geschickt.

Madame Tallien: Oder die Liebe zu dir. Werden wir in der allgemeinen Verwirrung unser Geschäft machen mit den spanischen Papieren?

Madame de Beauharnais: Kaufst du mir dann einen Schal ab für zehntausend Pfund?

Madame Tallien: Nein, Josefine, aber ich weiß eine Käuferin für die Ware, die du vermittelst.

Madame de Beauharnais: Ich bin in Verlegenheit.

Madame Tallien: Trotz Barras? Trotz Tallien?

Madame de Beauharnais: Und du nicht auch? Trotz Tallien? Trotz Barras?

Muscat: Aber meine Damen!

Tallien: Die Abstimmung über meinen Antrag! Tritt zu Madame Tallien. Ich tue es für dich, meine Gottheit, du wirst reich werden. Erwarte mich heute!

Sieyès zu Collot: Vor lauter Schamlosigkeit ist er groß.

Collot: Ich bin nicht kleiner. Laut: Ich unterstütze den Antrag.

Muscat: Sie siegen auch diesmal, göttliche Tallien.

Barras tritt zu Madame de Beauharnais: Tallien bricht sich den Hals. Sanfter Engel, erwarte mich heute!

Dubois: Diese Gattung Menschen wird noch auf der Guillotine ein Geschäft machen.

Rühl: Mit der Guillotine selbst machen sie Geschäfte.

Tallien tritt an die Stelle Barras'. Zu Madame de Beauharnais: Für dich wage ich den Kopf, göttliche Beauharnais. Du wirst reich werden. Erwarte mich!

Barras an die Stelle Talliens: Für seinen Verlust, schöne Tallien, entschädige ich dich. Erwarte mich!

Dubois: Verhaftet Tallien! Verhaftet Collot! Sie sind beim Diebstahl ertappt.

Frauen: Verhaftet sie!

Männer dringen ein: Wen?

Tallien dem Volke entgegen: Bürger! Ihr kennt mich, ich bin einer von euch. Ich verehre euch. Mag jemand euch mehr verehren, wenn er kann! Ich bin in einer Küche zur Welt gekommen, ich kenne nur Hunger, kein Hunger, Hunger.

Madame Tallien: Was sage ich? Ein Bauch.

Rühl: Über euren Schandtaten darf nicht noch einmal die Sonne aufgehen.

Dubois: Sterbt!

Boissy zu Thureau, Dubois, Rühl: Bürger, werdet ihr es dulden, daß die Versammlung abgeschlachtet wird?

Thureau: Still, Dubois! Still Rühl! Ich will kein Blut.

Rühl: Wir wollen kein Blut? Dann sind wir verloren.

Thureau: Tallien ist mißleitet von seiner Frau.

Madame Thureau: Seht die Aristokratinnen! Zu Tallien, zu Collot: Feige Plebejer! Was tut ihr? Heute umarmen sie euch. Morgen werden sie euch erdrosseln.

Frauen: Welche ist es? Die Blasse! Für dich sollen unsere Kinder verhungern?

Madame Tallien: Nein, ich!

Madame de Beauharnais: Himmel! Die Sinne schwinden mir.

Der kleine Neger fächelt sie.

Madame Tallien: Ich bin die Tallien. Für mich brachten sie euren Robespierre um.

Frauen: Sie beschimpft den Unbestechlichen!

Madame Thureau: Wie sie dort steht, die Dirne, wird sie am Pranger stehen, noch in der Geschichte.

Muscat: Hinter mich, meine Damen! Schwingt seinen Knüppel. Weiber pack! Ihr stoßt auf einen Mann.

Frauen: Das, ein Mann? Ziehen ihn über die Schranke. Ins Wasser!

Andere Frauen: Im Garten sind Brunnen. Badet ihn! Kreischend ab mit Muscat.

Madame Tallien, Madame de Beauharnais, der kleine Neger fliehend rechts vorn ab.

 

Dritte Szene

Die Vorigen. – Dann zwei junge Herren mit Muscat. Dann Bonaparte mit Soldaten.

Männer packen Madame Thureau an: Auch du bist eine Aristokratin!

Thureau: Meine Frau!

Boissy: Nehmt auch ihn mit!

Frauen: Sie ist unsere Freundin!

Ein Betrunkener mit der Faust im Nacken Thureaus: Sieh dich um nach deiner Frau, wenn du kannst!

Thureau: Höre, Frau, bevor es hier zum Äußersten kommt, geh, nimm so viele Tapfere mit als du findest, und schaffe die Kanonen in die Stadt! Der Konvent hat keinen Verteidiger. Wer die Kanonen herbeischafft, rettet ihn. Geh!

Madame Thureau: Leb wohl, – solltest du mich nicht wiedersehen.

Der Betrunkene zu Thureau: Sieh dich um, wenn du kannst!

Ein Mann zu Madame Thureau: Du wirst mich doch mitnehmen?

Madame Thureau: Komm mit zu den Männern von deiner Sektion! Mit dem Mann rechts ab.

Sieyès: Gesetz vom Germinal! Wer Hand an einen Volksvertreter legt, soll sterben.

Tallien vom Volk bedrängt, fuchtelt mit einem Dolch gegen seine Brust: Tallien bleibt frei! An mich legt niemand Hand als nur ich selbst!

Barras: Da seht den wahren Freund der Freiheit! Zu Bourrienne: Sein alter Witz. Mit ihm stürzte er Robespierre.

Männer: Er ist tapfer. Lassen ab von Tallien.

Dubois befreit Thureau: Das sieht kein Soldat an.

Rühl: Und kein Mitglied des Konvents, dessen Heere am Rhein und in Italien stehen.

Thureau: Laß, Dubois! Es ist ein Anschlag von Barras, von Boissy. Gib ihnen keine Gelegenheit, uns niedermachen zu lassen!

Bourrienne zu Boissy: Es gelingt, sie werden sterben.

Collot angegriffen: Tax Hilfe! Flieht durch die Tür links.

Barras: Wem gilt dies? Sie machen keinen Unterschied. Und die Wache? Ruft: Wache!

Bourrienne ironisch: Die Regierung war nie sicherer.

Barras: Ah! Bourrienne, das ist wider die Abrede.

Tallien: Die Reste Robespierres, tut sie ab; aber nicht uns, die wir ihn beseitigt haben, nicht Barras, nicht Tallien!

Muscat, zwei Herren wie er mit Knüppeln von rechts.

Muscat: Da sind wir. Wir haben Knüppel; uns wirft man nicht in den Brunnen.

Bourrienne zu Boissy: Grade rechtzeitig.

Barras zu Bourrienne: Ich durchschaue euch endlich. Also Kampf!

Boissy zu Muscat und seinen Genossen: Achtung, Bürger, vor dem leitenden Ausschuß des Konvents. Leiser: Mut, meine Herren!

Muscat: Wir überbringen die Forderungen der aufständigen Sektionen von Paris.

Rühl, Dubois: Forderungen!

Thureau: Die Feinde der Republik wollen fordern?

Muscat: Hier die hungernden Bürger unterstützen unsere Forderungen.

Barras zu Tallien: Die Reaktion bedient sich des Pöbels. Die Republik ist verloren. Schreit: Einen General zum Schutze des Konvents! Dubois, hast du keinen General?

Dubois: Bist du selbst keiner mehr?

Muscat: Die Truppen sollen zurückgezogen, die Wahlen für ungültig erklärt werden.

Männer: Und Brot!

Frauen: Einen König! Aber Brot!

Tallien: Wollt ihr die Freiheit verlieren, Bürger? Wozu dann noch Brot essen? Das sage ich, Tallien, der aus einer Küche stammt.

Muscat: Eure Antwort, Bürger Kommissäre!

Boissy: Unsere Antwort, Bürger, ist –

Rühl: Ein General!

Bonaparte von hinten, mit Soldaten: Platz für die Mitglieder der Regierung!

Madame Tallien, Madame de Beauharnais erscheinen wieder an der Schranke.

Madame Tallien: Was tut denn der da?

Madame de Beauharnais: Es wird ein großer General sein.

Madame Tallien: Der kleine Bonaparte? Nicht einmal Hosen würde er anhaben, hätte er nicht durch meine Vermittlung von der Behörde den Stoff bekommen.

Bourrienne zu Muscat: Widersteht diesem General nur zum Schein! Er gehört zu den Unseren. Wir werden durch Verrat siegen.

Muscat: Aus Achtung vor der Regierung der Republik weichen wir.

Bonaparte wirft einen Mann beiseite: Ich lasse schießen!

Der Mann: Wir machen schon selbst Platz.

Das Volk zieht ab.

Muscat, die zwei Herren rechts ab.

Barras zu Tallien: Es war nicht gefährlich. Zu Bonaparte: Du machst viel Lärm, General.

Madame Tallien lacht laut.

Lachen.

Bonaparte: Ich war voll Eifer für die Regierung der Republik. Ich ziehe mich bescheiden zurück. Er bleibt.

Madame de Beauharnais: Himmel! Diese Augen!

Bourrienne: Der General Bonaparte hat uns gerettet!

Tallien zu Barras: Du läßt ihn gehen? Sie könnten wieder anfangen.

Barras: Der bleibt.

Collot aus der Tür links: Ist es wahr, wir sind gerettet? Durch wen denn? Ah! der kleine Bonaparte.

Barras: Du kennst ihn?

Collot: Er leiht sich manchmal Geld von mir, für ein Mittagessen.

Barras: So sieht er aus.

Tallien: Scheint ungefährlich?

Barras: Nur hartnäckig.

Bourrienne verstohlen mit Bonaparte nach rechts: Ein letztes Wort: wir sind einig? Sie gehen mit den Truppen zu uns über. Der König macht Sie zum Connetable.

Bonaparte antwortet nicht.

Collot drängt Bourrienne fort. Zu Bonaparte: Machen Sie endlich, daß Sie fortkommen! Es geht sonst nicht vorwärts.

Bonaparte eilig ab.

Madame Tallien: Wer betrügt hier, und für wen?

 

Vierte Szene

Die Vorigen, ohne Volk, ohne Muscat und die zwei Herren, ohne Bonaparte. – Dann Bonaparte.

Die Mitglieder des Ausschusses ordnen ihren Anzug, nehmen ihre Plätze ein und geben sich Haltung.

Barras: Die Freiheit der Regierung ist wiederhergestellt.

Tallien: Uff.

Boissy klingelt: Wir gehen zur Tagesordnung über.

Bourrienne: Boissy ist groß.

Madame Tallien: Schon nehmen sie sich wieder ernst – genau wie bei uns, nachdem sie sich vergessen haben.

Madame de Beauharnais: Wem glich der magere General mit den furchtbaren Augen?

Thureau: Auf der Tagesordnung steht die Einigkeit der Republik. Vereiteln wir das Komplott ihrer Feinde!

Dubois zu Thureau: Unglücklicher! Du hast es nicht gewollt.

Tallien: Wir sind einig in dem Gedanken der Freiheit, wie ihr Priester, Sieyès, es in dem der Ewigkeit seid. Unser Marat wandelt nach seinem Tode unter uns, wie euer Jesus.

Madame Tallien: Er predigt. Er ist doch stark.

Madame de Beauharnais: Er hat meinen Gatten gerächt an dem Tyrannen Robespierre. Himmel! Da ist er.

Madame Tallien: Wer?

Bonaparte von rechts vorn.

Madame de Beauharnais: Der Tyrann.

Madame Tallien: Du phantasierst. Robespierre puderte sich.

Madame de Beauharnais: So mager war er. So blickte er. Mir wird schlecht. Fort!

Madame Tallien: General Bonaparte, man hat über Sie gelacht.

Bonaparte knirschend: Man wird noch stöhnen.

Madame Tallien: Komödiant, ich mag Sie.

Bonaparte: Ich bin der Sklave Ihrer Schönheit und Größe.

Madame Tallien: Sie kennen nicht meine Freundin Beauharnais? Sie liebt die Helden. Josefine, er liest aus der Hand. Gib sie ihm!

Bonaparte: Bürgerin, in Ihrer Hand sehe ich –

Barras: Thureau hat für uns alle gesprochen. Zum Schutze der einigen Republik wählen wir einen General.

Boissy: Auf der Tagesordnung steht die Wahl eines Generals gegen den Aufruhr der Sektionen.

Dubois: Deiner Sektionen!

Boissy zu Bourrienne: Ist dieser Bonaparte uns wirklich sicher?

Bourrienne: So wahr ich in Freiheit den Morgen sehen soll. Laut: Es gibt nur einen einzigen General.

Tallien: Wen denn?

Barras: Als ob es so leicht wäre, ihn zu finden.

Thureau: Er steht vor der Tür.

Bourrienne: Ganz recht, vor der Tür!

Thureau: Nicht deiner, Bourrienne! Der meine kommt nicht ungebeten. Er drängt sich nicht auf, er wartet.

Tallien: Wer ist es?

Dubois: Du kannst fragen? Wer ist der größte General der Republik?

Rühl: Hoche.

Schweigen.

Bonaparte: Er soll es nicht bleiben, wenn Gott mir hilft.

Madame Tallien: Wie wäre es, wenn der General, den man sucht, nicht Hoche, sondern Bonaparte hieße?

Thureau: Ein Hoche ist herbeigeeilt von der siegreichen Rheinarmee. Er hat der Republik zehn Schlachten gewonnen. Er steht vor der Tür – und muß warten!

Barras: Thureau, willst du es wissen? Hoche würde zu groß werden.

Bourrienne: Ich lobe mir den kleinen Bonaparte, der uns heute schon einmal gerettet hat.

Madame Tallien: Sagte ich es nicht? Sie sind nicht aufrichtig mit mir. General, das könnte sich rächen.

Bonaparte: Ihre Gnade, göttliche Tallien, hat erst aufmerksam gemacht auf meine Wenigkeit. Sie sollen es nie bereuen.

Barras: Der Konvent, siegreich überall, muß nicht gerettet werden.

Tallien: Tallien trotzt mit der eigenen Brust den Gefahren.

Bourrienne: Rühl! Er hat uns Achtung verschafft.

Rühl: Der junge Mensch hat Eifer. Ich traue ihm nicht. Der ehemalige König hat ihn vor der Zeit zum Hauptmann befördert.

Barras erstaunt: Und ich ihn vor der Zeit zum Brigadegeneral.

Thureau: Trotzdem kannte ich ihn in Italien als den Freund deiner Feinde.

Tallien: Der kann mehr als du, Tallien.

Barras: Dubois?

Dubois: Zugegeben, er ist ein Soldat. Ich sah ihn vor Toulon.

Barras: Sieyès? Du hast dir Zeit gelassen, ihn dir anzusehen.

Sieyès: Ein bescheidener Mann. Ein Mann, der weiß, was er will.

Barras: Aber wissen wir es? Zu Tallien: Die ehrlichen Leute lehnen ihn ab. Ein gutes Zeichen für diesen Bonaparte. Laut: Ich sehe ihn zu oft. Er belagert die Ämter, und wo etwas vorgeht, ist er da, ehe irgendwer davon ahnt.

Collot zu Barras: Er ist unser Mann.

Barras: Ah! Dank deinem Mittagessen?

Collot: Dank seinem Ehrgeiz – und was der kostet.

Barras: Dann ist er gefährlich.

Collot: Du hast bei mir verdient. Dein Geld liegt bereit.

Barras: Verstanden.

Madame Tallien: General, es wird ernst.

Bonaparte zu Madame de Beauharnais: In Ihrer Hand, Bürgerin, las ich, daß wir uns wiedersehen werden.

Madame de Beauharnais: Sonst nichts?

Bonaparte: Noch etwas, – das ich nicht sagen darf.

Madame de Beauharnais: Himmel! Was wäre es?

Bonaparte: Erschrecken Sie nicht! Hier ist jemand, den Ihr Schicksal nicht schreckt. Sie sehen sich an.

Barras: Er ist undurchsichtig; aber würde es lohnen, hindurchzusehen?

Collot: Was hättet ihr zu fürchten von einem armen Korsen?

Tallien: Mit einem Gesicht, zu traurig, um volkstümlich zu werden.

Barras: Er könnte sogar schwindsüchtig sein. Sieyès?

Sieyès: Man kann ihn anhören.

Bourrienne: Man muß ihn anhören.

Barras ruft nach der Tür hin: Der General Bonaparte!

Bonaparte springt über die Schranke: Da bin ich.

 

Fünfte Szene

Die Vorigen.

Barras: Sie kennen die Lage, General.

Bonaparte: Ich kenne meine Pflicht. Ich bin der Mann der Regierung.

Tallien: Das klingt gut.

Dubois: Es läßt sich hören.

Bonaparte: Ich werde der General der ehrbaren Leute sein.

Thureau: So nennen sich die, die gute Geschäfte machen.

Bonaparte: Ich will dem Eigentum seine Sicherheit gewährleisten.

Collot: Der Staat ist gesichert, in dem man gute Geschäfte macht.

Boissy: Die öffentliche Sicherheit verlangt nach dem Befehl eines einzigen.

Bonaparte: Ich erbitte gehorsam die Vollmachten der Regierung.

Bourrienne: Da habt ihr euren Retter!

Boissy: Das ist kein Royalist.

Rühl: Das ist kein Republikaner.

Barras, Tallien: Man kann es versuchen.

Bourrienne zu Boissy: Vertraue ihm!

Beratung. Bonaparte bei Collot.

Madame Tallien: Mit Collot geht der Schlaukopf. Hat er mich für sein Werkzeug gehalten? Er ist meines, er wird es merken.

Madame de Beauharnais: Der General Bonaparte wird weit kommen.

Madame Tallien: Mit dir, sanfte Josefine. Ich gebe ihn dir.

Madame de Beauharnais: Du scherzest.

Madame Tallien: Du magst nicht? Er wird reich werden.

Madame de Beauharnais: Ach! ich glaube nicht mehr an das Glück. Meine Männer verarmen oder lassen sich guillotinieren.

Madame Tallien: Versuch es mit diesem! Du wirst nicht mehr mit Schals hausieren müssen.

Bonaparte zu Collot: Sie zögern. Ich wende unser großes Mittel an.

Collot: Nur zu!

Bonaparte: Hat es keine Gefahr mehr?

Collot: Hoche ist abgetan.

Bonaparte: Ich sehe wohl, Bürger Kommissäre, euer Zögern hat denselben Grund, der auch mein Gewissen beschwert. Ach! wer bin ich! Das Schicksal einer Versammlung, die die größten Männer der Welt umfaßt, sollte von mir abhängen, – und ein Hoche ist bereit, euch zu retten! Ich beschwöre euch, wählt den Helden Hoche!

Rühl: Falsche Seele!

Thureau zu Rühl: Maßvoller Geist. Kann sein, er rettet die Republik.

Rühl: Die Republik Barras'! Die Republik Talliens!

Thureau: Soll noch immer Blut fließen? Versöhnung! Einigkeit! Oder nicht mehr leben!

Rühl: Mir ahnt, wir werden nicht mehr leben.

Bonaparte hält Thureau die Hand hin: Versöhnung, Bürger Thureau!

Thureau gibt die Hand, erstarrt. Zu Rühl: Ich habe in die Augen meines letzten und größten Feindes gesehen.

Sieyès zu Bonaparte: Sie hören sie, General; sie reden, indes sie handeln müßten. Körperschaften taugen nicht, um Armeen zu leiten, denn sie kennen nicht den Wert von Zeit und Gelegenheit.

Bonaparte: Und um den Staat zu leiten?

Sieyès: Sie fragen verfänglich.

Bonaparte: Herr Sieyès, ich frage den, dessen Stimme den Ausschlag dafür gab, daß der König sterbe.

Sieyès: Der König mußte sterben. Viele, viele mußten sterben. Ich bin am Leben geblieben, denn ich war ein Philosoph. Das Kennzeichen des geistigen Menschen ist es, sich in die jeweils herrschenden Zustände zu schicken und sie, wenn nicht gar zu verteidigen, so doch für sich selbst unschädlich zu machen. So haben wir den blutigsten Schrecken überstanden. So nehmen wir auch dieser Zeit der Diebe den Stachel. Wir glaubten an das Volk, als das Volk den Augenblick seiner großen Begeisterung hatte. Und da schließlich doch alles wieder auf die Macht eines einzigen wird hinauswollen, sind wir gefaßt auf den Herrn.

Bonaparte: Sie sprechen wie ein Weiser.

Sieyès: Handeln Sie wie ein Mann!

Bonaparte: Sie werden sehen.

 

Sechste Szene

Die Vorigen. Junot. Soldaten.

Bonaparte zur Tür hinten, reißt sie auf: Soldaten! Wache des nationalen Konvents! Eure große Stunde hat geschlagen. Ihr seid berufen, die Republik zu retten.

Soldaten: Hoch die Republik!

Bonaparte: Rufet: Hoch die Regierung!

Soldaten schweigen.

Bonaparte: Wer führt euch?

Junot: Der Sergeant Junot.

Bonaparte: Wie? Sehe ich recht? Du, Junot? Welch ein Wiederfinden! Wir beide sind nicht dicker geworden seit Toulon. Noch immer Sergeant? Und ich – du siehst. Ah! Kamerad, als neben uns beiden die englische Granate in den Sand schlug, daß er uns anspritzte! Ich schrieb einen Befehl, du sagtest: Sie schicken uns Streusand. Umarmt Junot.

Soldaten lachen.

Bonaparte: Wenn ein tapferer Mann wie du übergangen wurde, wird es Zeit, daß jemand dich zum Leutnant ernennt. Ich ernenne dich.

Soldaten: Bravo, General!

Barras: Jetzt weiß ich wieder, warum ich ihn vor der Zeit zum General machte. Jemand sagte mir: Befördere den jungen Mann, sonst befördert er sich selbst.

Junot: Hoch der General Bonaparte! Er soll uns gegen die Aufständischen führen.

Soldaten: Hoch unser General!

Bonaparte: Die Truppen haben mich gewählt. Der Konvent wird ihre Wahl bestätigen.

Junot: Sonst wehe ihm!

Soldaten: Wir marschieren mit dem General Bonaparte.

Bonaparte: Ihr marschiert mit der Regierung.

Barras: General Bonaparte, die Regierung ernennt dich. Unter meinem Oberbefehl übernimmst du die Leitung der Operationen in Paris.

Bonaparte: Ich gehorche, General.

Madame Tallien: Ein Meisterstück!

Rühl: Der Oberbefehl ist angemaßt. Du bist nicht ernannt worden, Barras, und noch weniger der dreiste Bursche dort.

Boissy: Hütet euch!

Bourrienne: Dich meinen sie, General.

Dubois: Ein General der Republik, Rühl!

Rühl: Dies schmeckt nach Verrat.

Bonaparte: Ich achte deine weißen Haare, Bürger Rühl.

Dubois: Thureau, auch du schmeckst Verrat?

Thureau schweigt.

Bourrienne: Ihr habt nicht mehr für lange!

Dubois: Thureau!

Thureau: Geschehe es denn!

 

Siebente Szene

Die Vorigen. Zwei Abgeordnete des Konvents. Vier Frauen. Cornelia Duplay.

Erster Abgeordneter: Was tut ihr? Wir sind verloren.

Zweiter Abgeordneter: Der Pöbel ist eingedrungen, er verhöhnt den Konvent.

Erster Abgeordneter: Halbstündlich solltet ihr dem Konvent eure Meldungen schicken, was tut ihr?

Zweiter Abgeordneter: Die republikanischen Sektionen erflehen von uns Hilfe. Hier seht, wen sie uns schickten!

Eine Frau: Seht Cornelia, die Braut des Unbestechlichen!

Die zweite Frau: Den ihr ermordet habt!

Thureau: Robespierre! Du kehrst wieder.

Barras weicht.

Tallien weicht schleunig.

Dritte Frau: Sie ist so weiß, weil er tot ist.

Vierte Frau: Sie spricht nicht mehr, weil er verstummt ist.

Cornelia Duplay in Schwarz, sehr bleich zwischen den Frauen hervor, allein nach vorn.

Erste Frau: Der Tisch! Sie sieht den Tisch an.

Zweite Frau: Auf dem er lag.

Dritte Frau: Ermordet.

Vierte Frau: Von euch.

Thureau: Maximilian, ich verrate dich nicht. Zu Bonaparte: General, du bist uns verdächtig. Gib das Kommando ab!

Rühl, Dubois: Gib das Kommando ab!

Bonaparte: Nur die Regierung kann mich von ihm entbinden.

Thureau: Soldaten der Republik, verhaftet den General Bonaparte!

Bonaparte wartet. Zu Thureau: Du hast verloren, Thureau. Zu Barras: Einen schnellen Entschluß, Barras! Morgen sind Sie der wahre Herr der Republik.

Barras: Er soll sterben? Gleich jetzt? Ohne Urteil noch Gericht?

Bonaparte: Wenn Sie nicht untergehen wollen statt seiner.

Barras: Aber gleiches Recht. Ein anderer glaubt sich Ihrer sicher.

Bonaparte: Meiner ist niemand sicher.

Thureau: Sergeant, gehorche!

Barras küßt Thureau: Thureau, ich liebe dich.

Thureau: Folgt mir, Soldaten! Stürmend: In die Freiheit!

Bonaparte erhebt den Degen.

Soldaten fällen die Bajonette.

Thureau läuft in die Bajonette.

Starres Entsetzen.

Bonaparte: Werft ihn auf den Tisch!

Thureau von Soldaten auf den Tisch geworfen, stirbt.

Tallien, Boissy, Collot entfliehen vom Tisch, zur Tür links.

Die Frauen flüchtend ab.

Cornelia Duplay allein zu dem Toten, küßt ihn langsam auf den Mund. Geisterhaft rechts ab.

Madame Tallien: Feiglinge! Ihr lauft davon und seid doch doppelt sicher. Dort liegt er noch einmal!

Dubois: Denkst du, Rühl, daß es so weit ist?

Rühl: Ich denke, daß wir gehen sollen.

Barras: Geht nicht! Wohin geht ihr?

Rühl: Wir haben nur noch den einen Weg.

Dubois: Dir, armer Barras, steht er nicht offen.

Rühl, Dubois Arm in Arm rechts ab.

Madame de Beauharnais ruhig: Wie wird dies weitergehen?

Bourrienne: Jetzt, General Bonaparte, unser Pakt!

Bonaparte: Aus dem Weg!

Bourrienne: Wie? Du hast geschworen. Dank mir befiehlst du hier.

Bonaparte: Wer bist du?

Bourrienne: Heuchle nicht länger! Es lohnt nicht mehr. Zu den Soldaten: Auf, zu den Verteidigern der Freiheit und des Königs! Nieder die Republik!

Soldaten schweigen.

Bourrienne: Euer General führt euch hin, mein Freund, mein Bruder.

Bonaparte: Junot! Fesseln!

Soldaten fesseln Bourrienne. Er wehrt sich, sie schlagen ihn nieder.

Bourrienne: Freund! Bruder!

Bonaparte: Knebeln!

Junot knebelt Bourrienne.

Barras vor dem daliegenden Bourrienne: Ist es so leicht, zu betrügen, wie du glaubtest, harmlose Seele? Dachtest den Verräter zu spielen, anständiger Mensch! Dem öffentlichen Leben warst du weniger bestimmt als den Freuden der Familie. Du hörst meinen Nachruf wohl nicht mehr? Werft ihn zu der Leiche!

Soldaten werfen Bourrienne auf den Tisch.

Bonaparte wendet sich fort.

Boissy fliehend links ab.

Barras zu Tallien, zu Collot: Nur näher, ein gutes Gewissen hat nichts zu fürchten. Jetzt muß er unser Mann sein. Wo irgend ehrliche Leute das Wort haben, würde er aufgehängt werden.

Tallien vor dem Tisch: Die ehrlichen Leute machten unter sich so große Unterschiede. Da liegen sie friedlich beisammen. Drohend: Mehrere fehlen noch. Links ab.

Sieyès auf seinem Platz, allein am Tisch: Der General Bonaparte hat keinen Unterschied gemacht; das ist das Merkmal eines Staatsmannes. Links ab.

Collot: Aber er mußte entdeckt werden. Mit Tallien links ab.

 

Achte Szene

Bonaparte. Barras. Junot. Soldaten. Dann Madame Tallien, Madame de Beauharnais, Madame Thureau.

Bonaparte: Grenadiere, wo habt ihr eure Artillerie? Ihr habt kein Recht zu leben mehr, oder ihr schlagt euch durch zu den Kanonen.

Madame Thureau zwischen den Soldaten hindurch: Sie sind da. Wir haben sie noch hindurchgebracht, das Volk und ich.

Barras verdeckt mit dem Rücken die Leiche Thureaus: Bürgerin, du hast mehr für die Republik getan als – wir hier.

Madame Thureau: Was tatet – ihr hier? Sieht Blut am Boden. Ihr habt getötet! Wo ist Thureau?! Stößt Barras fort: Thureau, mein Mann! Wimmernd: Wir wußten es voraus. Ich hatte ihm geschworen, stark zu sein. Es ist doch schwer. Aufgerafft: Wer tat es? Ach! hier ist nur einer, der aus Klugheit töten kann. Der da! Einen Dolch geschwungen, auf Bonaparte zu.

Bonaparte schließt die Augen, sinkt rückwärts in die Arme der Soldaten.

Junot entwaffnet Madame Thureau: Hinaus mit ihr, bevor der General erwacht! Führt sie rechts ab.

Madame de Beauharnais: Himmel! Die Sinne schwinden mir.

Madame Tallien: Am Ende doch? Selbst die Tallien hat genug. Barras, Vorsicht mit einem, der so leicht tötet und so rechtzeitig in Ohnmacht fällt.

Barras: Das sagst du spät.

Bonaparte kommt zu sich: Wo ist sie?

Junot zurückkehrend: Im Garten lagen die Leichen der beiden Kommissäre.

Barras: Rühl! Dubois!

Junot: Noch hielten sie in den Händen die Dolche. Die Bürgerin Thureau war schneller als ich.

Bonaparte: Sie ist tot. Beginnt abwesenden Blickes umherzuirren.

Madame Tallien: Wir gehen.

Madame de Beauharnais folgt ihr, wendet sich, bleibt.

Barras: Erteile deine Befehle, General Bonaparte.

Bonaparte hört nicht.

Barras sieht ihm nach; schnell zur Tür, befiehlt gedämpft: Ihr stoßt zu eurem Regiment. Die Regimenter sollen ihre Stellungen halten, bis ich Befehle schicke. Schließt die Tür.

Junot schreit noch in der Tür: Marsch!

Bonaparte: Was war das?

Barras: Sie fühlen sich wohler, General? Ich habe die nötigen Befehle erteilt. Sie können sich ausruhen. Erwarten Sie meine Rückkehr! Zur Tür links. Kehrt um: Ihr Weg ist nicht mehr zu verfehlen, Herr von Bonaparte. Er wird durch Leichen bezeichnet.

Bonaparte: Marquis, ich gehe ihn mit Gott.

Barras links ab.

 

Neunte Szene

Madame Tallien. Madame de Beauharnais. Bonaparte. (Auf dem Tisch: Bourrienne, Thureau.)

Madame Tallien: Ah! meine blasse Blonde kann sich nicht trennen von dem Idyll.

Madame de Beauharnais: Ich bin ermüdet. Endlich ist es hier ruhig geworden.

Madame Tallien: Ich sehe es: der General ist allein. Die beiden stillen Zuschauer stören nicht. Welch günstige Gelegenheit für ein Schäferstündchen!

Madame de Beauharnais: Du verleumdest mich.

Madame Tallien: Du hintergehst mich. Sanfte Josefine, was bekomme ich, wenn ich jetzt verschwinde? Ich bekomme den Schal.

Madame de Beauharnais: Er ist zu teuer. Und was gibt es denn hier zu holen?

Madame Tallien: Ich lasse dir auch noch das Negerchen da; es macht immer Eindruck.

Madame de Beauharnais: Meinetwegen.

Madame Tallien: Glaube nicht, du könntest mich schon entbehren. Ab.

Madame de Beauharnais winkt dem Neger, ihr einen Spiegel zu halten, richtet ihr Gesicht her, solange Bonaparte abgewendet steht.

Bonaparte vor dem Tisch: Mit Gott! Aber wohin? Und wozu? Ich habe es vergessen. Ah! Barras will mich täuschen, mich beiseite schieben, ich merke es wohl. Gleichviel, warum tat ich es. Freunde, noch heute in meinen Armen! Ich will fliehen, ich bin dies nicht. Mein Weg ist nicht dieser. Ich wollte Besseres. Erblickt Madame de Beauharnais. Sie noch hier? Sie die einzige, die dies erträgt?

Madame de Beauharnais: Sollte ich mich fürchten? Ich habe diese Jahre so schrecklich zittern müssen, daß endlich selbst der Tod nicht mehr schrecklicher schien als die Furcht. Mein Mann, der General Beauharnais, starb in der Art, wie letzthin alle starben. Man wird gleichgültig. Nicht aber gegen Helden.

Bonaparte: Wollen Sie mich verhöhnen? Sie sollen mich nicht für schwach halten.

Madame de Beauharnais: Man hat mir gesagt, Sie seien hier der Stärkste.

Bonaparte: Sie werden beraten von der Tallien? Eine kluge Frau!

Madame de Beauharnais: Oh! Meine Freundin Tallien warnt mich vor Ihnen, General Bonaparte. Sie würden mich von ihr trennen wollen, die mich doch schützt. Sie würden ihr zahllose Liebhaber nachsagen, und daß sie mich für Geld verkuppeln möchte.

Bonaparte: Ich spreche von keiner andern. Sie sind keusch, das glaube ich. Sie sind schön, das sehe ich.

Madame de Beauharnais: Gib nun du mir deine Hand, Bürger Bonaparte.

Bonaparte: Warum Bürger?

Madame de Beauharnais: Sie retten die Republik. In Ihrer Hand steht das Gegenteil.

Bonaparte: In Ihrer auch.

Madame de Beauharnais: Die Negerin sagte mir: mehr als Königin.

Bonaparte: Sie werden mehr sein als eine Königin. Ich las es selbst – und frage noch, wozu ich hier bin! Wollen Sie, daß ich der sei, der es wahr macht?!

Madame de Beauharnais: Das wäre eine Liebeserklärung?

Bonaparte: Es ist eine Entscheidung.

 

Zehnte Szene

Die Vorigen. Madame de Bourrienne.

Madame de Bourrienne: Ein Unglück? Ich ward gerufen, weil ein Unglück – Auf den Tisch zu: Oh! Das soll nicht wahr sein, Öffne die Augen!

Bourrienne öffnet die Augen.

Madame de Bourrienne: Was ist mit dir geschehen? Du hast gekämpft? Du hast verloren? Wer ist dein Feind? Du kannst nicht sprechen, ich befreie dich. Entfernt den Knebel. Nun sprich! Folgt seinen Augen, erblickt Bonaparte. Du? Und dieses steinerne Gesicht? Dann warst du es, der ihn dorthin warf? Keiner als du? Seine Augen wollen es mich glauben machen. Sag, daß es nicht wahr ist! ... Kein Wort? Hassest du denn auch mich, seinetwegen? Ich bin nicht seine Frau, bin deine! Laß ihn daliegen! Laß ihn sterben! Was geht es mich an. Was du willst, daß ich tue, was du willst, daß ich sei, – Erbarmen!

Bourrienne: Auch mit dir nicht.

Madame de Bourrienne fährt schreiend herum. Bourrienne: Du hast betrogen, wie ich. Komm zu mir! Auch dein Platz ist bei der Leiche.

Madame de Bourrienne die Hände gegen Bourrienne, gegen Bonaparte: Was wollt ihr? Zu Bonaparte: Hast du mich nur geliebt, um besser ihn zu vernichten?

Bonaparte hebt beteuernd die Hand, will sprechen, sieht Madame de Beauharnais, schweigt.

Madame de Bourrienne erblickt Madame de Beauharnais, schreit auf: Das ist sie! Für die! Wankt gebrochen zu Bourrienne. Da bin ich. Wir sind beide betrogen um den Preis unseres Betruges. Arme Betrogene! Arme alte Leute! Die Faust gereckt gegen Bonaparte: Der kennt keine Treue, und ich muß ihn lieben. Dem zählt kein Mensch, und ich muß ihn lieben. Was weiß der von Liebe, und ich muß ihn lieben.

Vorhang.

Dritter Akt

Säulenhalle. Die Tapete blauer Himmel, darin weiße Götterbilder. Hohe Fenster rechts. Tür links nach dem Vorzimmer. Hinten führen die Säulen in einen inneren Saal. Hinter den Säulen links der Ausgang. Mittagslicht.

 

Erste Szene

Haushofmeister, Lakaien. – Dann Bonaparte.

Haushofmeister zu den Lakaien: Die Armleuchter hierher, dorthin, vor die Fenster besonders. Man muß uns von draußen sehen können, wozu sonst die ganze Herrlichkeit. Wie es hier noch angenehm nach Tünche riecht! Die Herrschaft übrigens auch.

Draußen rührt die Wache das Spiel.

Bonaparte Uniform mit Goldstickerei, glänzende Stiefel, stürmisch von links: Meine Gäste? Madame de Beauharnais?

Haushofmeister: Madame Tallien ist da, Herr Kommandant. Mit Herrn Barras, schon seit einer Stunde. Sie haben sich Essen auftragen lassen.

Bonaparte: Madame de Beauharnais?

Haushofmeister: Noch nicht, Herr Kommandant.

Bonaparte: Von Paris.

Haushofmeister tiefe Verbeugung: Herr Kommandant von Paris.

Lakaien stehen stramm in einer Reihe.

Bonaparte: Sie sind brauchbar. Hat Herr Barras das beste Tafelsilber? Jene große Stücke tragt hinein, das wird Eindruck machen.

Haushofmeister winkt den Lakaien: Ich selbst übernehme den Dienst, Herr Kommandant von Paris. Mit den Lakaien nach hinten ab.

Bonaparte will den Haushofmeister zurückrufen, besinnt sich, läßt es. Allein geblieben: Der Farbengeruch hier macht mich ernstlich krank. Man sagt das besser nicht. Horcht; stürmt nach hinten. Josefine? du, Junot.

 

Zweite Szene

Bonaparte. Junot. – Dann Muscat. Dann Haushofmeister. Madame de Beauharnais.

Junot: General, wichtige Neuigkeiten.

Bonaparte: Ist ihr Wagen in Sicht?

Junot: Barras hat die Leibwache der Direktoren das Haus umstellen lassen. Ich weiß es von der Tallien.

Bonaparte: Sofort umzingelt eine Halbbrigade die Leibgarde.

Junot: Ist geschehen.

Bonaparte: Ach so. – Das sind freundschaftliche Mahnungen, die einer an den andern richtet. Was macht mein Freund sonst?

Junot: Herr Barras mit der Tallien?

Bonaparte: Über Italien, was sagt er!

Junot: Sie rät ihm zu. Aber er ärgert sich, weil die Wache vor Ihnen das Spiel gerührt hat.

Bonaparte: Er, der durch mich an die Spitze der Republik gelangt ist.

Junot: Und sie, eine –. Aber ich gefalle ihr.

Bonaparte: Ich werde Oberbefehlshaber in Italien werden, oder es gibt keine Republik mehr.

Junot am Fenster: Der Wagen Ihrer Dame fährt vor.

Bonaparte: Sie ist da! Stürmt nach links, fällt dem eintretenden Muscat in die Arme.

Muscat: Achtung! Meine Spitzen!

Bonaparte nimmt sofort Haltung ein: Was wollen Sie?

Muscat lacht, will Bonaparte auf die Schulter klopfen: Gratuliere, kleiner Schäker, der Streich ist Ihnen gelungen.

Bonaparte: Wer sind Sie?

Muscat: Er kennt seine Freunde nicht mehr. Er nimmt sich selbst so ernst, wie er uns genommen hat, als er unseren sogenannten Aufstand besiegte. Hu, was für ein fürchterlicher Sieger! Der wahre Schreckensmann. Robespierre, neu aufgelebt. Hat die Republik gerettet, es ist zum Wälzen.

Bonaparte sieht drohend dem Gelächter zu.

Muscat: Kein Mensch kann so lange ernst bleiben wie er.

Bonaparte: Soll ich es Sie lehren?

Muscat: Hat unserer guten Regierung so lange angst gemacht, bis sie ihn zum König von Paris ernannte. Und welch ein Stratege! Nicht einmal die Fenster, Herr, hatten Sie besetzt, aus denen geschossen ward. Ah! den Parisern werden Sie es nicht sobald abgewöhnen, zu lachen.

Junot: Sie wollen sagen, daß Sie den General lächerlich finden?

Muscat: Ich bin immer der Meinung von Paris.

Junot: Sie werden mir Genugtuung geben.

Muscat: Ihnen?

Junot zieht an einer Säule den Glockenzug.

Haushofmeister von hinten.

Madame de Beauharnais von links hinten.

Junot auf den Haushofmeister: Das ist Ihr Zeuge. Auf Bonaparte: Das ist meiner.

Haushofmeister drückt Muscat einen Degen in die Hand.

Muscat: Ich bin in einer Mördergrube.

Junot: Los.

Muscat verwundet: Das ist nicht mehr zum Lachen.

Bonaparte: Sehen Sie? Nun verbindet ihn! Es war nicht schlimm gemeint. Es hatte den Zweck, Herr Muscat, Sie in der gehörigen Art mit mir zu befreunden.

Muscat: Zu gütig.

Bonaparte: Ich brauche Freunde, vor allem in der Presse, – wo Sie bekannt sind. Sorgen Sie doch dafür, daß Hoche nicht mehr erwähnt wird, und besonders nicht Massena. Mich kennen Sie nun, und das nächstemal sollen Sie sehen, daß ich Sie schätze. Auf Wiedersehen.

Junot, Haushofmeister führen Muscat links ab.

 

Dritte Szene

Bonaparte. Madame de Beauharnais. – Dann Madame Tallien.

Madame de Beauharnais: Immer trifft man Sie bei heroischen Handlungen.

Bonaparte auf Madame de Beauharnais zu: Lacht Paris?

Madame de Beauharnais: Es kennt Sie noch nicht.

Bonaparte: Sehe ich aus wie ein Jakobiner?

Madame de Beauharnais: Schließlich haben Sie die Republik gerettet.

Bonaparte: Ich bin zu weit gegangen. Die anständigen Leute werden mir mißtrauen.

Madame de Beauharnais: Herr de Bourrienne sitzt nun einmal im Gefängnis.

Bonaparte öffnet einen Brief: Er hat mir geschrieben, was will er? Ah! das ist gut zu wissen. Sie werden mich ernst nehmen müssen.

Madame de Beauharnais: Wen werden Sie wieder zur Ader lassen?

Bonaparte: Gehen wir jetzt essen, Herr Barras wartet.

Madame de Beauharnais: Ich esse selten.

Bonaparte: Wenig essen schadet nie.

Madame de Beauharnais: Sie sprechen leidenschaftlich.

Bonaparte: Sie wollen noch spotten? Ich habe Sie begehrt den ganzen Tag. Wo waren Sie?

Madame de Beauharnais: Meine Freundin Tallien wollte mich ablenken von Ihrem Verkehr, der mich angreift.

Bonaparte: Mit welchen Männern hat Ihre Tallien Sie wieder zusammengeführt?

Madame de Beauharnais: Sagen Sie nur nichts gegen meine Freundin!

Bonaparte: Sie muß fort aus Ihrer Nähe.

Madame de Beauharnais: Wen habe ich dann noch?

Bonaparte: Sie können fragen? Sie reizen mich immer nur. Erhören Sie mich endlich!

Madame de Beauharnais: Vergessen Sie denn, daß Sie zu einer anständigen Frau sprechen?

Bonaparte: Sie stören mich. Ich habe für das Wichtigste den Kopf nicht mehr.

Madame de Beauharnais: Naiver Bauer! Wenn Sie ihn zurück haben wollen, gibt es ein Mittel.

Bonaparte: Und ich hatte bis jetzt eine Frau, die nur für mich lebte.

Madame Tallien von hinten: Ist er zu verliebt? Braucht mich meine kleine Josefine?

Bonaparte: Meine Frau wird Sie, Madame Tallien, nicht mehr brauchen.

Madame Tallien: Ihre Frau?

Madame de Beauharnais: Seine Frau!

Bonaparte: Denn meine Frau wird von mir eine streng ehrbare Umgebung bekommen.

Madame de Beauharnais: Ich habe ihm nichts gesagt.

Madame Tallien: Unartiger Bube! Denken Sie nicht mehr an die Hose, die ich Ihnen gekauft habe?

Bonaparte: Sie ist bezahlt. Ich hätte Sie, Madame Tallien, verantwortlich machen können für die Diebstähle Ihres Gatten. Für Sie hat er gestohlen.

Madame Tallien Lorgnon: Der Kleine möchte furchtbar sein.

Bonaparte: Habe ich es nicht gezeigt?

Madame Tallien: So sehr, daß man noch lacht.

Bonaparte: Wer lacht, kommt an die Mauer!

Madame Tallien: Die schönen Frauen? Sie arbeiten doch nur für uns, General Bonaparte, wenn Sie die Gleichheit beseitigen. Von Ihnen wird drei Monate lang die Rede sein. Nach hinten ab.

Bonaparte zittert vor Wut.

Madame de Beauharnais: Mein Geliebter! Sie haben mich von meinem bösen Geist befreit. Verzeihen Sie auch mir, ich war nicht bescheiden genug.

Bonaparte schnuppert: Es war nur dieser widerwärtige – Besinnt sich: Es waren schwerste Entscheidungen, was mich erregte. Sagen Sie mir, Josefine, beten Sie?

Madame de Beauharnais: Ob ich –. Ja gewiß. Sie zweifeln doch nicht, ich bete.

Bonaparte: Eine Frau, die nicht glaubt, könnte ich nicht heiraten. Über Menschen ohne Religion wird niemand der Herr.

Madame de Beauharnais: Sie tun etwas, das niemand voraussieht. Diese Heirat wird die Welt Ihnen vielleicht nachtragen.

Bonaparte: Ich tue, was ich will.

Madame de Beauharnais: Sie sind ein Mann.

Bonaparte küßt sie zart: Sie sind der Inbegriff der Frau, so sanft, so rein.

Madame de Beauharnais: Wie viel Edelmut in Ihnen! Meinem Sohn gaben Sie den Degen seines Vaters zurück.

Bonaparte: Zu denken, wenn Sie mir den Jungen nicht geschickt hätten, ich war so beschäftigt, wir würden uns vergessen haben.

Madame de Beauharnais: Erst heute weiß ich, daß mein Herz gesprochen hat.

Bonaparte: Es ist eine Tatsache, daß ich glücklich bin. Ich glaube an Ihre Tugend. Haben Sie etwa Schulden?

Madame de Beauharnais: Was denken Sie von mir?

Bonaparte: Das Leben ist schwer.

Madame de Beauharnais: Ich habe es ertragen gelernt.

Bonaparte: Meine Liebe führt dich in den Glanz.

Madame de Beauharnais: Für Sie, den Kriegsmann, ist Liebe doch nur ein Zeitvertreib. Ich aber wartete immer auf dich, einzig Geliebter.

Umarmung. – Geräusch hinter der Tür links.

Bonaparte tritt zurück.

Madame de Beauharnais flieht nach vorn.

 

Vierte Szene

Die Vorigen. – Tallien. Dann Junot.

Tallien von links, ohne Bonaparte zu sehen: Göttliche Beauharnais! Da sind wir. Bist du die Herrin des Schlachtfeldes? Laß dich dafür küssen! Küßt sie.

Madame de Beauharnais: Vorsicht!

Bonaparte: Was fällt Ihnen ein!

Madame de Beauharnais: Seine Manieren waren immer schlecht.

Bonaparte: Gegen Sie?

Madame de Beauharnais: Ihr Argwohn kränkt mich tief. Wendet sich ab.

Tallien: Bonaparte, Sie haben ernstere Rechte, ich trete zurück.

Bonaparte: Er wäre unterrichtet? Erklären Sie mir dies alles, Madame de Beauharnais.

Madame de Beauharnais: Sie selbst würden mich verachten, stände ich Ihnen jetzt noch Rede.

Tallien: Ich begrüße Ihre Heirat, Bürger Bonaparte, mit einer Dame, die wir alle kennen. Sie bietet uns für Ihre republikanische Gesinnung Bürgschaften, die wir noch nicht hatten.

Bonaparte: Sie werden sie ungeahnt bekommen.

Tallien drohend: Ich sage, was ich weiß. Sie waren der beste Freund im Hause des Verräters Bourrienne.

Bonaparte: Ich tat meine Pflicht und verhaftete ihn.

Tallien: Aber Thureau? Der ehrliche Thureau fiel durch Sie.

Bonaparte: Euch war er unbequem – mein Freund, mein wahrer Freund, den ich nie vergessen werde.

Tallien: Ich wußte bis jetzt nicht, wie sehr ich ihn liebte. Die Republik ist um sein Leben betrogen worden, wir haben sie zu rächen. General Bonaparte, Sie werden der Vollstrecker der Revolution sein.

Bonaparte: Und Sie ihr Geist?

Tallien: Ich fordere die Wiedereinsetzung des Revolutionstribunals. Keine Gnade den ertappten Verrätern. Boissy, Sieyès, in schwarz verhangenem Saal, beim Fackelschein, sollen sie abgeurteilt werden.

Bonaparte: Herr Tallien! Im Namen der Freiheit kann man ihre Feinde sterben lassen. Hält den Brief hin. Aber man erpreßt nicht Lösegeld von ihnen.

Tallien behält die Fassung: Das ist ein Ränkespiel ohnegleichen. Aber damit stürzt ihr noch keinen Tallien.

Bonaparte: Wir werden es sogleich sehen.

Tallien: General Bonaparte, Sie waren uns schon verdächtig, wir haben unsere Vorsichtsmaßregeln getroffen. Schnell zur Tür links.

Junot stellt sich Tallien entgegen.

Bonaparte: Und ich die meinen.

Tallien: Was heißt das? Gibst du den Weg frei?

Junot: Sie sind verhaftet, Herr Tallien.

Tallien: Von dir, kleiner Bonaparte? Ich bin mit Robespierre fertig geworden, ein General macht mir nicht bange.

Bonaparte: Warten Sie es in jenem Zimmer ab!

Tallien Wutausbruch: Ich bin ein Erzvater der Revolution. An mich rührt niemand. Noch aus meinem Kerker zerschmettere ich dich.

Bonaparte zu Junot: Zwei Grenadiere sollen bei dem Verhafteten bleiben und ihn daran hindern, daß er Zeichen aus dem Fenster gibt.

Tallien beruhigt: Sie verstehen Ihr Geschäft.

Bonaparte: Ich kann Ihnen das gleiche nicht zugeben.

Tallien: Haben Sie es sich jemals gewünscht, ein reiner Mensch zu sein? Die Freiheit wäre so schön, aber wer in die Küche hineinriecht, wo sie gemacht wird, – schlägt sich auf die Brust – der ist verloren. An Junot vorbei. – Kehrt in der Tür um. Was nicht hindert, daß ich Hunger habe. Schließlich hatten Sie mich eingeladen.

Bonaparte: Drinnen finden Sie ein gutes Essen. Ich hoffe sogar, Ihnen eine Frau nachschicken zu können.

Tallien: Welche?

Bonaparte: Ihre.

Tallien: Armer junger Mann! Lachend ab.

Junot hinter Tallien ab.

 

Fünfte Szene

Die Vorigen. – Dann Barras. Madame Tallien. Dann Junot.

Bonaparte: Was hieß das?

Madame de Beauharnais: Es hieß, daß Sie die Frauen nicht kennen. Eben darum zweifelten Sie vorhin an mir.

Bonaparte: Ich soll Ihnen glauben, gegen den Augenschein?

Madame de Beauharnais: Wenn der Augenschein Tallien heißt?

Bonaparte: Ein Prahlhans, den ich verachte. Ich bin zu stolz, Josefine, um Ihnen zu mißtrauen. Über ihrer Hand: Verzeihen Sie mir!

Madame de Beauharnais: Sehen Sie.

Bonaparte: Ich bin erst am Anfang meines heutigen Tagewerkes. Die anständigen Leute sollen zufrieden sein. Nach hinten, ruft der Wache zu: Laßt jeden herein, hinaus niemand!

Barras von hinten, leicht angetrunken: Bonaparte, ich gehe. Sie lassen mich zu lange warten. Glauben Sie, eine Lebedame ist immer unterhaltend?

Madame Tallien Blickt auf Madame de Beauharnais: Für den General Bonaparte, bis jetzt noch immer.

Barras: Die Tallien, die Beauharnais, immer dasselbe.

Bonaparte: Die Beauharnais?

Barras greift vergebens nach Madame de Beauharnais: Guten Tag, mein Liebchen.

Madame de Beauharnais flieht: Feigling! Sie sind verschworen mit der Tallien.

Bonaparte: Auch der?

Madame de Beauharnais: General, verteidigen Sie mich!

Bonaparte unterdrückte Wut: Eine Dame, Herr Barras, bittet Sie um Genugtuung für Ihren Scherz. Blick auf Madame de Beauharnais: Denn es war nur ein Scherz.

Barras: Ihre Dame, Bonaparte? Gern gewährt. Nehmen Sie mir auch die Tallien ab? Fängt Madame de Beauharnais, führt sie und Madame Tallien vor Bonaparte hin: Zwei vollkommene Gottheiten. Sehr teuer; – aber ich würde mich Ihnen erkenntlich zeigen.

Bonaparte: Es sind um zwei zuviel.

Madame de Beauharnais: Ich sterbe an der Schande.

Bonaparte nahe an Madame de Beauharnais: Es ist der Schande noch zu wenig.

Madame de Beauharnais flieht nach hinten. Kehrt zurück, um zu horchen.

Madame Tallien: Was bieten Sie ihm, Herr Barras?

Bonaparte: Geben Sie mir den Oberbefehl in Italien!

Barras ernüchtert: Scherzen wir noch?

Bonaparte: Niemand sorgt ernster als ich für die Regierung. Ich weiß an jedem Morgen, wo jeder Jakobiner geschlafen hat.

Barras: Das ist wertvoll.

Bonaparte: Ich weiß sogar, wo der zum Schreckensmann gewordene Tallien steckt.

Barras: Seine Freunde darf man nicht vernachlässigen.

Bonaparte: Ich will den Oberbefehl in Italien meinen Verdiensten verdanken und der Einsicht der Regierung. Sonst wäre es mir ein Leichtes, mich an die Jakobiner zu halten.

Barras: Sie wollen mir drohen?

Bonaparte: Die Jakobiner verlangen die Einkommensteuer. Sie sind die Feinde der anständigen Leute, die sich bereichern: Ihre Feinde, Herr Barras.

Gepolter hinter der Tür links.

Die Stimme Talliens: Holla! Mehr Wein! Wo bleiben die Damen? Bonaparte, ich verstehe Scherz, aber nicht zu lange.

Barras: Tallien!

Die Stimme Talliens: Barras? Gehst du noch frei umher? Man weiß das nie, bei unserem Gastgeber.

Madame Tallien zu Madame de Beauharnais: Hat er dich auch mit Tallien erwischt?

Bonaparte: Herr Tallien hat an dem Gefangenen Bourrienne einen Erpressungsversuch gemacht.

Die Stimme Talliens entfernter: Verdammt!

Barras: In Ihnen, General, sehe ich den ehrlichen Thureau wieder aufstehen. Mir hat er niemals etwas nachgewiesen.

Bonaparte: Meine Absichten sind zugleich die redlichsten und die ergiebigsten. Ich fuße darauf, daß Italien ein unausgebeutetes Bergwerk ist. Von seinen Kirchenschätzen und Kunstsammlungen können alle Heere der Republik leben. Geben Sie mir den Oberbefehl, ich verlange kein Geld, ich bringe Ihnen welches ein.

Madame Tallien zu Madame de Beauharnais: Er ist stärker, als ich glaubte.

Madame de Beauharnais: Mich liebt er.

Madame Tallien: So stark ist er noch nicht, daß er es wagen kann, dich zu heiraten.

Barras: Sie schlagen mir ein Geschäft vor.

Bonaparte: Ich hasse die diebischen Lieferanten.

Barras: Wenn schon gestohlen werden muß, warum sollen es die Lieferanten allein sein? Wollen Sie sich vielleicht an unserem Collot rächen? Wegen der Damen?

Madame Tallien zu Barras: Lachen Sie nicht! Er ist gefährlich.

Bonaparte bei Madame de Beauharnais: Ich werde siegen. Sie werden viel zu bereuen haben.

Madame de Beauharnais sanft: Ich bin das Unglück gewohnt. Sehen Sie, was ich für Sie tue. Herr Barras, ich bitte für meinen künftigen Gatten. Lassen Sie ihn siegen – oder auch mich mit ihm untergehen.

Bonaparte: Ich darf nicht rot werden.

Barras lacht: Ich habe dir nichts abzuschlagen, schöne Beauharnais. Er will dich heiraten? Für dich, eine solche Leidenschaft? Dann wäre er eine überwundene Gefahr.

Madame Tallien: Hüten Sie sich vor der Falle! Er denkt nicht an die Heirat.

Madame de Beauharnais: Verräterin!

Barras: Politische Generale bringen Unglück. Noch lacht Paris über Ihre Siege. Wollen Sie ernst genommen werden, General Bonaparte, dann zwingen Sie mich!

Madame Tallien: Ihren Arm, kleiner Bonaparte. Oder nehme ich den Arm Ihres hübschen Junot?

Bonaparte: Ich schwöre Ihnen, nicht Sie werden zuletzt lachen.

Junot von links, flüstert Bonaparte ins Ohr.

Bonaparte: Ein dringlicher Besuch.

Madame Tallien: Wir werden nicht stören. Zu Madame de Beauharnais: Eine Rivalin. Nach hinten ab.

Barras nach hinten ab.

Madame de Beauharnais zögert abzugehen.

Bonaparte: Ob ich dich zwingen werde, Schurke! Ich konnte haben, was ich wollte, wenn ich mit ihm stahl, wenn ich seine Dirne nahm. Erblickt Madame de Beauharnais. Ich nehme sie. Nicht fortlaufen! Der Anblick der Unschuld sei Ihre Strafe.

Madame de Beauharnais erblickt Madame de Bourrienne, kehrt zurück.

 

Sechste Szene

Bonaparte. Madame de Beauharnais. Madame de Bourrienne. Dann Junot.

Madame de Bourrienne von hinten links; verfallen, die Haare weiß geworden, naht langsam, sieht sich um nach Madame de Beauharnais.

Bonaparte: Ich höre Sie – nur Sie, Emilie. Kommen Sie, damit ich zu Ihnen zurückkehre? Ich denke daran, ich sage es Ihnen vor jener Dame.

Madame de Beauharnais höhnisch: Sie pudern sich wieder das Haar, Madame?

Madame de Bourrienne demütig: Herr Kommandant, ich bitte für Herrn de Bourrienne, der im Kerker schmachtet.

Bonaparte: Noch immer?

Madame de Bourrienne: Er ward umhergeschleppt von bewaffnetem Pöbel und dann hinabgestoßen zu den Verbrechern. Er ist verwundet und krank.

Bonaparte: Ich kann Ihren Mann nicht freilassen. Ich bemitleide Sie, möge die Religion Sie trösten. Die Staatsvernunft ist gegen Ihren Mann.

Madame de Bourrienne: Er war Ihr Freund.

Bonaparte betroffen: Ich darf nicht hinhören, wenn meine Erinnerungen sprechen.

Madame de Bourrienne: Ihnen entfällt viel, Sie gehen so schnell.

Bonaparte: Noch stütze ich mich auf seine Feinde. Sie verstehen meine Lage, Sie haben mich immer verstanden.

Madame de Bourrienne schwankt: Mich verläßt die Kraft.

Madame de Beauharnais: Komödiantin, ihr glaubt er.

Bonaparte setzt sie in einen Sessel: Ihre weißen Haare! Und ich tat nur meine Pflicht.

Madame de Bourrienne: Denn Ihre Pflicht ist es, Erfolg zu haben.

Bonaparte: Ihr härtestes Wort, Emilie.

Madame de Bourrienne: Ich durfte es nicht sprechen, ich hatte Ihnen im voraus verziehen. Ich darf nur bitten. Gleitet auf die Knie.

Madame de Beauharnais drückt aufweinend das Gesicht an die Lehne ihres Sessels.

Bonaparte hebt Madame de Bourrienne auf: Ich wage alles. Madame de Bourrienne, Ihr Gatte verläßt noch heute das Gefängnis. Schreibt ein Billett.

Madame de Beauharnais: Um Gottes willen! Sie richten sich zugrunde.

Bonaparte: Es wird mir Glück bringen. Gibt das Billett an Madame de Bourrienne. Ich war Ihr Schuldner. Habe ich bezahlt?

Madame de Bourrienne: Bezahlt? Was würde Madame de Beauharnais darauf antworten?

Bonaparte: Sie sagt ja.

Madame de Bourrienne: Ja. Hinten links ab.

Junot geleitet Madame de Bourrienne.

 

Siebente Szene

Bonaparte. Madame de Beauharnais.

Madame de Beauharnais: Ich sage nein. Sie können nicht bezahlen, weder die noch mich. In uns beiden demütigen Sie unser Geschlecht, Barbar!

Bonaparte: Sie haben mich betrogen!

Madame de Beauharnais: Diesmal verzeihe ich nicht wieder so leicht. Sie beschuldigen mich wahrer Greuel; alle Männer Ihrer Bekanntschaft sagen Sie mir nach; und dann zwingen Sie mich, Ihrem Stelldichein beizuwohnen mit Ihrer alten Geliebten.

Bonaparte: Die mehr wert ist als Sie.

Madame de Beauharnais: Sie haben sie genauso ungerecht gequält wie mich. Ich hasse Sie, ich will fort. Nach links.

Die Stimme der Wache: Niemand passiert.

Madame de Beauharnais: Ihre Gefangene, das bin ich lieber als Ihre Geliebte.

Bonaparte: Wer ist hier gefangen? Ihre Sanftmut hat mich entwaffnet. Ihr Zorn zwingt mich zur Übergabe. Faßt sie an.

Madame de Beauharnais: Lassen Sie mich! Nach hinten ab.

 

Achte Szene

Bonaparte. – Collot. Dann Barras.

Collot von links hinten.

Bonaparte: Der kommt zurecht. Ich erwarte Sie hier, Herr Collot, um Ihnen zu sagen, daß Barras ein Schurke ist.

Collot: Welche Neuigkeit!

Bonaparte: Er betrügt Sie.

Collot: Das würde mich doch wundern.

Bonaparte: Er gibt mir den Oberbefehl in Italien, damit ich das besetzte Land brandschatze. Er denkt mit mir zu verdienen, mehr als mit Ihnen.

Collot: Schwarzer Undank, das glückt dir nicht. Ich kann Barras unmöglich machen.

Bonaparte: Wer wird heute unmöglich. Wer schlechte Geschäfte macht, – und Barras macht gute.

Collot: Sie wissen nichts. Er ist an den skandalösen Schuhlieferungen beteiligt. Unsere Armeen gehen im Wasser.

Bonaparte: Aber sie gehen doch.

Collot: Schlachten können verlorengehen mit solchen Schuhen. Das ist mehr als eine Bestechungssache. Das ist Landesverrat.

Bonaparte: Wenn Sie es sagen. Aber den Beweis!

Collot hält ein Papier hin: Hier. Die einzige Unterschrift, die ich von ihm habe. Er ist vorsichtig; erst die runde Million hat ihn verwegen gemacht.

Bonaparte steckt das Papier ein: Gut.

Collot: Was haben Sie vor?

Bonaparte besieht Collot ringsum: Daß ich euch in Händen halte, euch Gauner, endlich mir ausgeliefert.

Collot: Es fragt sich, ob Sie Ihren Vorteil dabei finden. Die Schuhe würden auch für Sie noch eine Million abwerfen.

Bonaparte: Das Land erst von euch gesäubert, und eine ganze Menschheit atmet auf.

Collot: Worte! Wer hat einen hungrigen armen Teufel in diesen Saal gestellt? Das Geld.

Bonaparte: Das Geld! Es hindert den Geist solange am Heraufkommen, bis es ihn endlich ausnutzt.

Collot: General des Geldes!

Bonaparte: Ich habe mich selbst geschaffen und verdanke euch nichts.

Collot: Ich trage Ihnen nichts nach. Wir sprechen uns wieder. Nach hinten.

Barras von hinten: Collot, endlich. Unser Geschäft, wir gehen. Nach links.

Die Stimme der Wache: Niemand passiert.

Barras: Ist man hier verrückt geworden? Ein Mitglied des Direktoriums der Republik!

Bonaparte: Herr Collot erklärt Ihnen den Vorgang.

Collot: Komm zurück! Im Augenblick ist er der Stärkere. Nach hinten ab.

Barras mit Collot nach hinten ab.

 

Neunte Szene

Bonaparte. Talma.

Talma von links hinten: Der erste jugendliche Held des Nationaltheaters erweist Ihnen die Ehre, Herr Kommandant von Paris.

Bonaparte: Es ist wahr, wir sind etwas geworden inzwischen.

Talma: Ich habe sie hineingelegt.

Bonaparte: Ich etwa nicht?

Talma: Kaum war ich engagiert, habe ich den Inhaber des Cäsar einem eifersüchtigen Gatten ausgeliefert. Er ist so sehr verprügelt worden, daß er zu Bett liegt. Ich habe die Rolle.

Bonaparte: Höre, das ist eine ziemlich schmutzige Geschichte.

Talma: Die deine kann ich mir denken.

Bonaparte: Der Weg zur Macht ist besudelt, die Schuhe bleiben nicht sauber. Aber gehen wir Guten ihn nicht, die Schlechten rutschen sogar auf den Knien hin.

Talma: Ich bin im Recht, denn ich fühle mich allem überlegen, was seit Jahrhunderten da war.

Bonaparte: Und ich liebe dies Land wahrhaft. Nur Despotismus aus Liebe wäre erlaubt.

Talma: Er ist erlaubt.

Bonaparte: Aber ich bin nicht glücklich. Eine Frau betrügt mich.

Talma: Mich betrügt die Tallien – mit Barras.

Bonaparte: Immer ist es ein Barras, – zwei Barras – drei Barras.

Talma: Sie kam zu jeder Probe nur meinetwegen. In meiner Garderobe schwur sie mir, ich sei ihre erste echte Leidenschaft.

Bonaparte: Ich werde jung sterben und keinen Sohn haben. Nur Dirnen liebe ich.

Talma: Wir sind mehr wert als unsere Triebe.

Bonaparte: Wir sind mehr wert als unsere Taten.

 

Zehnte Szene

Die Vorigen. Barras. Collot. Dann Madame Tallien, Madame de Beauharnais. Dann Junot. Dann Tallien. Dann Haushofmeister. Lakaien.

Barras von hinten: Aus Freundschaft, lieber Kommandant, und um der Republik neue innere Erschütterungen zu ersparen: – genug, Sie tun es nicht anders, also zum Teufel mit Ihnen nach Italien.

Bonaparte: Ihr Auftrag, Herr Barras, ist so ehrenvoll, daß er mich nicht überrascht.

Madame Tallien, Madame de Beauharnais von hinten: Talma!

Talma zu ihnen: Wo ist die dritte Göttin? Eine Dritte würde mir armen Hirten vielleicht den Verstand zurückgeben, den ihrer zwei mir rauben.

Barras zu Bonaparte: Wie bedankt man sich?

Collot: Herr Barras meint: durch volles Vertrauen.

Bonaparte: Sie möchten die Unterschrift zurück haben, Herr Barras, die Sie und Herrn Collot des Diebstahls und des Verrates überführt. Ich behalte sie.

Barras will sich an Bonaparte vergreifen: Halunke!

Bonaparte weicht beiseite.

Junot von hinten links, an den Platz Bonapartes.

Barras sieht sich Junot gegenüber, streckt ihm die Hand hin: Sie haben Ihre Pflicht getan, Herr – Oberst. Streckt sie Bonaparte hin. So beginnen die dauerhaften Freundschaften.

Bonaparte: Es gibt Freunde, die der Freund mit harter Hand führen muß.

Barras: Sie wollen uns kurz halten?

Collot: Junger Mann! Das Geld für Ihre Siege zu beschaffen, wird mehr Genie kosten, als wenn Sie siegen.

Madame Tallien: Josefine! Du kokettierst mit Talma. Du wirst mich kennenlernen.

Talma: Ihre Leidenschaft, Theresia, verbrennt die schöne Beauharnais, und den, der Ihr Sklave ist.

Barras: Wir werden uns doch noch verständigen. Unser Freund Tallien verkennt das Gebot des Tages und verschwört sich gegen die Besitzenden. Geben Sie mir zurück, was Sie haben; ich opfere Ihnen Tallien.

Bonaparte: Ich will kein Opfer. Ich will Herrn Tallien geradeso in der Hand halten wie Sie. Junot, öffne dem Bürger Tallien.

Junot öffnet die Tür links vorn.

Erwartung.

Barras: Es eilt ihm nicht, von Ihnen befreit zu werden.

Collot: Ist hier ein Verbrechen geschehen?

Madame Tallien: Bei Gott, ich habe es ihm nicht gewünscht.

Tallien hervor: Ich habe geschlafen, wie ich sehe. Das Fest ist auf seiner Höhe. Der Hausherr hat wohl auch euch mit Überraschungen bedacht?

Barras: Wir sind im reinen, bis auf eine Kleinigkeit. Wir haben von Ihnen ein Faustpfand, Bonaparte: Ihren Freund Bourrienne.

Bonaparte: Er ist in Freiheit und, ich hoffe, schon weit.

Barras: Sehr bösartig.

Bonaparte: Wer hat das Glück, daß er den größten Vorteil nicht aus seinen schlechten, sondern aus seinen guten Handlungen zieht?

Talma huldigende Geste: Ein großer Mann.

Madame Tallien bei Talma: Das sprechen Sie für sich, Talma.

Madame de Beauharnais bei Bonaparte: Sie sind es nun, der mich besiegt.

Bonaparte knirscht: Du hast mit Talma geliebäugelt. Ach, was kann ich machen, ich liebe dich.

Barras zu Tallien: Du glaubst, ich werde das Glück der jungen Leute aus meiner Tasche bestreiten? Laut: Ein Gedanke! Unser Krieg in Italien verlangt mehr Kredit, als selbst du hast, Collot. Nimm dir die Tallien, und man glaubt dir alles.

Tallien: Collot, ich habe die Pflicht, dich zu warnen.

Collot: Ich bin nicht reich genug.

Barras: Schon heute abend bist du es für alle, sehen sie nur die Tallien in der Oper an deinem Arm. Ich vertraue sie dir an; aber du mußt einen Vertrag aufsetzen.

Collot schreibt.

Madame Tallien zu Bonaparte: Ich vertraue auf Ihr Glück, General. Machen Sie das meine!

Bonaparte: Ich – und die Tallien!

Barras zu Bonaparte mit einem Papier: Dies geht an Sie über.

Bonaparte zu Madame de Behauharnais: Schulden haben Sie auch! Sie lügen. Oh! Sie lügen mit so verheißungsvollen Augen. Italien! Vor meiner Seele werde ich, Geliebte, dein Bild tragen, und von den Alpen herab mit der Gewalt des Nordwindes fahre ich in das Land, es der Freiheit und seiner alten Größe zu öffnen!

Barras: Mehr als heute erreicht, können Sie sobald nicht wollen.

Bonaparte: Wer weiß! Steht ganz vorn und hinausgewendet, zuerst gebückt. Seine Miene, zuerst unheilvoll burlesk, spielt, indes er sich aufrichtet, gradweise bis ins Tragische. – Rührt den Glockenzug.

Haushofmeister, Lakaien stellen sich hinten auf zu beiden Seiten der geöffneten Flügeltür.

Madame Tallien, Madame de Beauharnais, Junot, Talma in loser Reihe links.

Barras, Tallien, Collot rechts.

Bonaparte: Talma, komm! Die sind schon satt. Wir haben Hunger. Stürmisch durch die beiden Reihen nach hinten ab.

Vorhang.

Heinrich Mann

Variété

Aus:
Schauspiele

Claassen Verlag GmbH
Düsseldorf

1986

1. Auflage

Personen

Leda d'Ambre

Fanny O'Brixor

Fred O'Brixor

Dr. Georg Zelter

Direktor Fein

Schmidhans jun.

Spielt bei Leda d'Ambre.

 

Erste Szene

Leda. Zelter. Fred.

Leda: Er hat mich die Treppe herunterkommen gesehen.

Fred am Klavier: Dem Portier hat er geantwortet, er soll ihn in Ruhe lassen, er brauche keine Frau mehr.

Leda: Es wäre traurig, wenn nicht innerhalb der nächsten halben Stunde der Direktor Fein in die Tür dort träte – nachdem er mich hat die Treppe herunterkommen gesehen.

Zelter auf der Ottomane: Die Ledi ist einzig.

Leda: Das hoffe ich in deinem Interesse. Wenn du mich verlierst – solche Frau findest du nicht wieder.

Zelter: Immerhin, jetzt hab ich eine gesehen, in deinem Genre, aber vervollkommnet.

Leda: Frechheit. Als ob ich nicht vollkommen wäre. Über ihn geneigt, weich: Wie dieser Mann mich liebt!

Zelter den Arm um sie: Immer noch etwas weniger als du mich. So riskiert man nichts.

Leda: Woher weißt du überhaupt, daß ich dich liebe.

Zelter: Eine Frau, die ein Auto gehabt hat: und ich habe sie zu der Erkenntnis gebracht, daß auch in einem gemieteten Einspänner das Glück wohnen kann.

Leda: Du glaubst?

Fred: So sieht die Ledi aus.

Leda: Du? Mach schon und spiel. Du hast nicht zu reden, sondern zu spielen. Du bist nichts als mein Kapellmeister.

Zelter: Ich hoffe es – obwohl ich keineswegs sicher bin.

Leda: Was soll das heißen. Du bist toll! Wenn du mir das noch einmal sagst, ist alles aus, verstehst du? Sieh dir den Menschen doch an. Fred, steht auf! Die Beine! Er hat so gar nichts Zynisches im Gesicht, harmlos wie ein Idiot. Nein, für solchen Mann kann ich nur Freundschaft fühlen. Sie lehnt sich, auf der Ottomane, an Zelter. Beide betrachten den Rücken Freds, der über der Klaviatur liegt und spielt.

Zelter: Das ist aus der Pantomime? Wenn der Direktor Fein das hört, ist der Fred gemacht.

Leda: Er kann eminent viel, sage ich dir. Ich muß es wissen, ich war fünf Jahre am Konservatorium.

Zelter: Seine Musik kann ich zwei Stunden lang anhören; aber als Mensch ist er unzuverlässig wie ein Weib. Er opfert dir seine Frau.

Leda: Von solchen Dingen, lieber Schorschi, verstehst du nichts. Merke dir, daß ich ihn brauche und er mich. Wie wir zusammen arbeiten: unerhört. Zusammen werden wir's weit bringen. Du weißt wohl nicht, daß die Carina und der René jährlich jeder 30 000 Mark auf die Bank legen?

Zelter: Das wird dir niemals passieren, Ledi. Ich kenne deine Veranlagung, sie ist nicht wirtschaftlich genug.

Leda: Ich bin zu allem veranlagt ... Wenn ich dabeisitze und ihn inspiriere, entstehen seine glänzendsten Sachen. Fred, wer hat die Barmaid erfunden, du oder ich? Bist du taub? Willst du aufhören zu spielen?

Fred weiterspielend: Ich bin nur dazu da, wie du weißt.

 

Zweite Szene

Die Vorigen. Fanny (spricht mit fremdem Akzent).

Fanny stürzt herein und zu Fred hin: Mein Bubi! Du arbeitest zu viel. Du machst dich noch krank. Oh! er raucht schon wieder.

Sie will ihm die Zigarette aus dem Mund nehmen. Er hält sie fest und spielt immer weiter.

Leda springt auf: Fred! Die Zigarette.

Er reicht sie ihr, indes er mit der andern Hand weiterspielt. Leda steckt sie in den Mund; sie mustert Fanny. Zelter kommt herbei, nimmt Leda behutsam die Zigarette weg und wirft sie fort.

Fanny streichelt Leda den Arm. Demütig: Leda, ich habe dich auch lieb, sei gut, gib mir meinen Mann wieder! Siehst du nicht, er ist so blaß.

Leda: Was kann ich dafür. Laß ihn nachts schlafen! Oh! Die Frau geht mir auf die Nerven.

Fred abbrechend: Schmeiß sie doch hinaus!

Zelter: Ledi, du würdest mich zu Dank verpflichten, wenn du alle beide in ihr Zimmer hinüberschicken wolltest.

Leda: So? Und wer singt dem Direktor Fein vor, wenn er kommt? Ich brauche meinen Kapellmeister. Dich brauche ich weniger in diesem Augenblick. Wie wär's, wenn du dich der Fanny annähmst? ... Fred! Die Barmaid.

Er präludiert. Sie singt, mit amerikanischem Akzent:

Sie war eine Barmaid mit goldenem Haar
Und manikürte sich täglich.
Doch weil ihr Schicksal die Liebe war,
So endete sie kläglich.

Inzwischen:

Fanny: Wir werden betrogen.

Zelter: Ich fürchte es.

Fanny: Sie soll mir meinen Mann wiedergeben, oder ich bringe mich um. Fällt auf die Ottomane.

Leda wendet sich um: Sie will schon wieder Gift nehmen? Es ist ihr glänzend bekommen das vorigemal. Sie singt:

Ein Graf sog Moccacobbler durch einen Halm
Und sah ihr dabei –

Fred: Falsch! Immer wieder das Es.

Leda: Also ich wünsche hier ein Es.

Fred: Bedaure, es wäre musikalisch falsch.

Leda: Wenn ich es singe, ist es richtig.

Fred: Ich kann nicht wegen einer Laune von dir meine Musik verhunzen.

Leda: Als ob du das noch nötig hättest. Das ganze Chanson ist katastrophal. Sie zerbricht sich an dem Wort die Zunge. Zu Zelter und Fanny: Und früher hat er Symphonien geschrieben. Wie ein Mensch herunterkommen kann!

Fred dreht sich um. Mit hoher Stimme: Durch dich.

Fanny: Mein Gott, was ist los. Reg dich nicht auf! Tut sie dir etwas? Mein armer Bubi!

Zelter: Die Texte, finde ich, sollten Sie nicht schreiben lassen.

Leda: Siehst du? Das sagt dir Schorschi Zelter, ein anerkannter Kenner. Ich habe immer recht, jetzt siehst du's. Leg der Musik einen andern Text unter.

Fred: Ich werde mich beherrschen. Was wollt eigentlich ihr beide? Wer ist hier der musikalische Leiter?

Leda: Du nicht. Du bist nur der talentloseste Notenschmierer, der mir begegnet ist.

Fred springt auf: Ich habe genug. Das wirst du zurücknehmen.

Fanny fliegt auf ihn zu: Komm fort! Sie bringt dich noch um.

Leda: Ich zurücknehmen? Ich denke nicht daran. Alles was du bist, verdankst du mir. Nimm dich in acht, daß ich dich nicht fallen lasse.

Fred: Du mich? Ein Jahr bevor ich dich kennenlernte, haben meine Chansons mir zwanzigtausend Kronen getragen. Du hattest damals noch nichts geleistet, als deinem Mann davonzulaufen.

Leda: Woher dein Geld kam, wollen wir nicht untersuchen. Ich habe darin meine Erfahrungen.

Zelter peinlich berührt: Liebe Ledi, willst du nicht für den Direktor Fein das blaue Kleid anziehen?

Fanny an Freds Arm: Komm!

Fred die Lider schließend und öffnend, leise, mit drohendem Flehen: Ledi!

Leda: Willst du das Es setzen? Aber ich mach dich aufmerksam, daß deine Musik trotzdem ein Schmarrn bleibt.

Fred schlägt den Klavierdeckel zu: Also die Sache hat sich gehoben. Wir sind fertig. Sieh selbst zu, wie du den Direktor Fein herbekommst. Stürzt hinaus.

Fanny hinterher: Bubi! Und er hat einen Herzfehler!

Leda ruft ihm nach: Ich werde ihn von dir grüßen, mein Gold.

 

Dritte Szene

Leda. Zelter.

Leda: So ein Idiot! Wetten wir hundert Mark: bevor die Uhr vier schlägt, ist er wieder da.

Zelter: Du solltest ihn nicht mehr hereinlassen. Er beherrscht sich noch weniger als du, du hast keine Stütze an ihm.

Leda: Das eine muß man ihm lassen, er will, daß etwas aus mir wird. Ihr andern wollt euch amüsieren.

Zelter: Schau, Ledi, das ist nicht hübsch. Habe ich nichts für dich getan?

Leda: Dafür lebe ich schon länger mit dir als mit meinem Mann. Das bunte Theater ist doch nur eine Katastrophe. Und du bist nicht ein einziges Mal drin gewesen.

Zelter: Aber bitte, ich kann nicht dabei sein, wenn eine Frau, die mir gehört, in einer solchen Bude auftritt. Lieber als mir das nachsagen zu lassen, bin ich auf Reisen gegangen.

Leda mit einem Blick: Du hast Charakter, damit imponierst du mir. Sonst wäre es auch ein Rätsel, weshalb ich dich in der ganzen Zeit noch nicht betrogen habe.

Zelter: Oh! Was das betrifft –

Leda: Also ich schwöre dir. Bedenke, daß ich meinen Mann in dem einzigen Jahr –

Zelter: Dein Mann machte dir's bequem.

Leda: Prahle nicht, Schorschi. Auch du hast nicht verhindert, als wir das erstemal auseinander waren, daß ich nach Paris ging und mich fünf Wochen lang von Grund aus amüsiert habe. Dann meinetwegen, wieder brav sein und den Schorschi lieben.

Zelter: Was du in Paris tust, ist deine Sache. Nur hier, bitte, halte auf Ordnung. Das mit dem Fred –

Leda: Also ich schwöre dir –. Ich weiß ja, daß du auf meine Schwüre nichts gibst.

Zelter: Im Gegenteil, ich bilde mir ein, in der Zeit unseres Zusammenlebens dir die Heiligkeit des Schwures wieder ein wenig näher gebracht zu haben.

Leda: Wie dieser Mann mir imponiert, es ist eine Schande. Zieht ihn zu sich auf die Ottomane. Zärtlich: Sage mir nur, Schorschi, warum erlaubst du mir, daß ich den Direktor Fein kommen lasse. Wenn etwas mit ihm zustande kommt, dann bringt er mich natürlich auswärts an, auf wer weiß wie lange. Dann hat sich's wieder einmal ausgeschorschelt.

Zelter: Ich fürchte, liebe Ledi, daß du etwas Neues vorhast, ich weiß noch nicht was. Aber mein Prinzip in solchem Fall ist –

Leda: Ja, du hast Prinzipien. Schiebt ihn fort, richtet sich auf. Die Brauen gefaltet: Das fehlt mir. Will ich eigentlich berühmt werden? Als Künstlerin? Vielleicht als Freundin eines Milliardärs?

Zelter spielt mit ihrem Fuß: Im Grunde deines Herzens, Ledi, bist du einfach ein Weiberl.

Leda: Du hast mir's fast schon eingeredet. Dabei ist doch in Berlin der Prinz Opolski meinetwegen unter Kuratel gestellt worden. Steht auf, sie streckt den Arm aus. Wenn ich in meinem eigenen Auto nach Venedig in Wien fuhr: an jedem Baum war mein Bild, und von allen Seiten flogen mir Blumen zu. Du hast mir nahezu das Kokettieren abgewöhnt.

Zelter: Mit viel Geduld und nicht wenig Psychologie.

Leda: Und das jetzt, wo es zu Ende geht.

Zelter: Es würde mich tief schmerzen.

Leda: Kann sein, daß jetzt eine Zeit kommt, wo ich wieder einmal mit Geld umherwerfen werde. Dazu bist du nicht der Richtige.

Zelter: Du hast einen Geschäftsmann zum Freund; da ist das Geld nicht in jedem Augenblick flüssig zu machen.

Leda: Aber achthundert Mark wirst du demnächst aus deinen Geschäften herausziehen müssen, denn Schmidhans schreibt nichts auf, und das Voilekleid muß ich haben.

Zelter: Das Voilekleid hat eine zu reiche Metallstickerei, es ist viel zu auffallend.

Leda: Lieber Schorschi, erstens ist es todschick, laß dir das gesagt sein. Sodann mach ich dich aufmerksam, daß höchstwahrscheinlich unsere Zukunft davon abhängt, ob ich es bekomme.

Zelter: Eine Zukunft, die von einem Voilekleid abhängt, ist an zu Zerreißliches gebunden.

Leda: Meinetwegen ... Du wirst mir zugeben, daß auch ich einiges für dich getan habe. Ich gehe schon so einfach, als ob ich deine Frau wäre. Kaum daß ich mich ohne dich noch sehen lasse, ich nehme Rücksichten links und rechts. Immer heißt es: Ledi, du mußt Rücksichten nehmen, als ob wir verheiratet wären. Aber sage mir gefälligst, ob du eine richtiggehende Ehefrau mit 150 Mark zurücklassen würdest und auf Reisen gehen. Meinst du denn, ich habe Lust, mir mein Leben lang täglich zwanzig Mark in die Hand drücken zu lassen? Du weißt wohl, was mancher mir bieten würde. Bei dir bin ich wahrhaftig nicht aus Berechnung. Aber wenn ein Mann das Glück hat, eine solche Frau zu haben wie mich –: genug, das Voilekleid ist meine Bedingung.

Zelter: Liebe Ledi, du hast dich aufgeregt, du bist wunderschön. Küßt ihr die Hand. Wie deine Hand gut duftet. Was das Voilekleid angeht, sollst du es haben. Aber auch ich stelle meine Bedingung: du brichst mit dem Fred.

Leda tritt zurück: Ausgeschlossen. Du kannst von mir verlangen, was du willst, aber meine Kunst ist mir heilig.

Zelter: Dann mache ich dich für die Folgen verantwortlich.

Leda: Auch gut. Ein Glück, daß der Direktor Fein kommt. Bald wird die Sache sich gehoben haben.

Zelter: Würde der Fred sagen.

Leda: Weißt du, daß du dir sehr schadest? Zum erstenmal finde ich dich dumm. Eifersüchtig auf Fred! Lacht hell. Ein Mann, der so heruntergekommen ist, daß nur noch Knochengerüste ihn reizen. Was willst du denn? Er hat doch eine Frau, und sie ist sein Typ.

Zelter von ihr fort: Eben die Frau ist das Peinlichste. Ich mag nicht länger mit ansehen, wie ihr die Frau behandelt.

Leda: Das ist eine Beleidigung. Dann liebst du nicht mehr mich, sondern die Fanny.

Zelter: Nein, aber ich halte auf Anstand. Für Szenen wie die von vorhin fehlt mir das Verständnis.

Es klopft. Er sieht nach der Tür.

Leda: Es gibt eben noch andere Welten als deine, lieber Schorschi.

Zelter: Du hast die Wahl, zu welcher du gehören willst.

Leda: Gott sei Dank.

 

Vierte Szene

Die Vorigen. Fred. Direktor Fein.

Fred schiebt den Direktor Fein durch die Tür: Ledi, du erlaubst, daß ich dir Herrn Direktor Fein vorstelle. Madame Leda d'Ambre. Herr Doktor Zelter.

Fein: Ganz meinerseits.

Pause. Leda sieht Zelter an.

Leda: Also, Herr Direktor, ich zeige Ihnen gleich mein Album.

Fred: Ich habe dem Direktor schon von meinem Mimodrama gesprochen; er ist ganz einverstanden.

Leda schlägt das Album auf: Sie sehen, Hansa-Theater, Wintergarten: alles da. Hier bin ich mit meinem Auto. In dem Hut habe ich in Wien den Schönheitspreis gewonnen; die Federn haben 400 Kronen gekostet.

Fein: Ich habe Ihr Genre sofort erkannt, Fräulein. Ich mache nur erstklassige Sachen. Sie wissen wohl, mir gehört der Operetten-Einakter »Die fesche Comteß«, der jetzt in allen Varietés das Haus voll macht.

Zelter: Frau d'Ambre ist so erstklassig wie möglich. Ich bin Kenner.

Fein setzt sich in einen Sessel, über dem ein Bademantel liegt: Der Name des Herrn Doktors ist mir auf das günstigste bekannt. Ich weiß, daß ein Wort von Ihnen an den Direktor Hugl genügt hat, um die Olga Petroff mit ihrer Truppe beim Edentheater anzubringen. Sie hat es mir selbst gesagt. Verbeugt sich in seinem Sessel.

Leda: Ja sehen Sie, Herr Direktor, und für mich will er nichts tun. Wenn ich hier in der Stadt auftrete, reist er ab. Können Sie sich solche Eifersucht vorstellen?

Fein: Bei Ihnen, Fräulein, mühelos.

Fred unruhig: In meinem Mimodrama ist das Apachenmotiv auf glänzend neue Art verwertet. Die schöne Frau –

Leda: Sei so gut und laß dein Mimodrama. Wir wollen Tee trinken. Also ich gefalle Ihnen? Kein Wunder, ich habe noch jedes Publikum rasend gemacht. Geht zur Klingel, dann an die Tür, ruft hinaus: Miß, den Tee.

Fein zu Zelter: Ihr Gang verspricht viel.

Zelter: Sie hält alles.

Leda bereitet selbst den Tee: Auf der Bühne wirke ich schlanker.

Fein: Nicht nötig, Fräulein. Ich reflektiere für Sie nur auf allererste Bühnen. Magerkeit ist eine Spezialität.

Fred: Aber ich bitte, mit dem Mimodrama verfolgen wir hochkünstlerische Absichten.

Leda stößt ihn in die Seite, leise: Fred, arbeite nicht gegen mich, oder du erlebst etwas.

Zelter bringt Flasche und Gläser: Nehmen Sie inzwischen einen Kognak, Herr Direktor?

Fein: Danke verbindlichst ... Haben Sie in der Pantomime zu tanzen, Fräulein?

Fred rasch: Die gnädige Frau tanzt zweimal: zuerst vor ihrem Liebhaber, als –

Leda: Schlag dem Direktor die Kritik von Chemnitz auf. Sie werden sehen, was für ein himmelschreiender Erfolg.

Fred: Da ist sie. Liest aus dem Album vor, indes Leda den Tee eingießt: Der Gerichtsvollzieher im Zentral-Theater. Gestern nachmittag erschien der von allen Menschen so gefürchtete Mann mit der blauen Mütze und wies einen Pfändungsauftrag vor, kraft dessen die Fürstin Krika einige ihr gehörige Dekorationsstücke, die zur Aufführung des mythologischen Sketches dienten, reklamierte. Die vom Publikum abgelehnte Fürstin glaubte auf diese Weise jedenfalls die Aufführung der Schaunummer stören zu können. Aber sie täuscht sich. Miß Leda d'Ambre, der neue, viel schönere Star, wird sich einstweilen mit anderen Dekorationen behelfen, bis die Direktion die entsprechenden Ersatzteile beschafft haben wird.

Leda: Großartig, wie? Die Fürstin Krika hat sich krank geärgert.

Fein: Wenn ich der Direktor gewesen wäre, würde sie gestorben sein.

Leda zu Fred: Zeig ihm auch Budapest. Dort flog der Direktor auf mich, ich konnte machen, was ich wollte.

Fein: Sehen Sie, Fräulein, das ist schon faul. Ein Direktor darf nie auf sein Mitglied fliegen.

Zelter: Ein sehr gesundes Prinzip.

Fein: Unter so etwas leidet das Geschäft. Wir brauchen Autorität. Ich erlaube zum Beispiel meinen Damen niemals, sich für die Straße zu schminken.

Leda erschrocken: Oh!

Fein: Ein so hübsches Gesicht wie Ihres, Fräulein, hätte doch das nicht nötig.

Zelter: Da kommst du in die rechten Hände, Ledi. Aus dieser Frau, Herr Direktor, ist alles zu machen, wenn es gelingt, ihr Disziplin beizubringen.

Leda: Da es dir nicht gelungen ist –

Fred: Mir gehorcht sie.

Leda: So siehst du aus.

Fein nimmt von Zelter eine Zigarette, lehnt sich zurück: Dabei bin ich noch heute kein Frauenverächter; und die außergeschäftlichen Beziehungen meiner Mitglieder gehn mich nichts an. Es ist sogar erstaunlich, was für ein Glück meine Damen in der Liebe haben. Ich schmeichle mir, daß meine strengen Grundsätze ihnen dabei zustatten kommen.

Leda: Wohin werden Sie mich bringen? Garantieren Sie mir kontraktlich einen Milliardär?

Zelter: Ledi!

Fein: Ihnen – kann geschehen. Ich habe üppige Blonde gehabt, die Ihnen nicht das Wasser reichten; aber in Südamerika wurden sie reich.

Leda: Also ich will sofort nach Südamerika.

Zelter: An einem Übermaß von Takt gehst du nicht zugrunde, Ledi.

Fred ist aufgesprungen und rennt umher. Hohl und angestrengt: Entweder sind wir hier, um über ein künstlerisches Unternehmen zu beraten, oder ich bin überflüssig.

Fein: In Ihrer Pantomime tanzt das Fräulein, sagen Sie?

Fred: Die gnädige Frau tanzt zweimal, zuerst vor ihrem Liebhaber, als der Gatte abgereist ist, dann vor dem Apachen. Ledi, zeigen wir's dem Direktor!

Fein: Ich bitte.

Leda: Meinetwegen. Ich soll heute abend spielen, aber der Gauner vom Bunten Theater hat mich die längste Zeit schikaniert, ich telefoniere ihm einfach ab.

Fein: Heute abend noch? Was tut der Mann?

Leda: Seine Sache. Fred, der Tisch muß aus dem Wege.

Rechts ab. Fred schiebt die Möbel beiseite.

Zelter zu Fein: Nicht, daß ich gegen ein Engagement nach Südamerika etwas einzuwenden hätte.

Fein: So weit fort: das muß Sie schmerzen, Herr Doktor.

Zelter: Ich würde mir ein Gewissen daraus machen, der künstlerischen Zukunft der Frau d'Ambre im Wege zu sein.

Fein: Ich verstehe.

Leda in einem Schal: Also los. Mimt: Große Liebesszene. Ich verführe meinen Freund. Fred, das Motiv.

Fred gibt es an: Dies ist die Verführung. Sie tanzt in einer berauschenden Matinee.

Leda: Laß! Jetzt sehen wir an der Terrassentür, unter dem Vorhang ein Paar Füße. Mimt; erschrickt vor den Füßen Feins, die unter dem Bademantel hervorsehen.

Fred spielt: Das Angstmotiv.

Fein: Wie oft kleidet das Fräulein sich um in der Pantomime?

Fred: Gar nicht. Aber sie zieht sich aus, warten Sie nur.

Leda: Ich habe mehr Mut als mein Geliebter, ich reiße den Vorhang weg.

Fred schlägt wild an: Da steht der Apache, das Messer in den Zähnen. Er hat eine scheußliche Maske vor dem Gesicht. Er beraubt die Frau ihres Schmuckes. Stürzt sich auf Ledas Handgelenke.

Leda: Au. Du kannst das nicht. Stampft auf. Spiel doch!

Fred am Klavier, indes Leda mimt: Dann muß sie zusehen, wie er ihren Geliebten, der den Kopf verloren hat, mit dem Revolver durch das Zimmer jagt. Der Geliebte flieht in den Garten, der Apache schickt ihm einen Schuß nach. Mit der Frau allein, zwingt er sie, sich zu entkleiden. Als sie nur noch einen Schleier anhat, verlangt er – stößt den Finger gebieterisch nach unten –, daß sie vor ihm tanzt. Jetzt kommt der zweite Tanz.

Während Fred spielt und Leda Tanzschritte macht.

Zelter zu Fein: Sie finden es wohl nicht genügend begründet, daß ein schlichter Einbrecher von einer Dame gerade einen Tanz verlangt und daß sie unter ihrer Wäsche schon den nötigen Schleier trägt?

Fein: Warum sollen die Leute nicht? Die Kunst hat doch ihre eigenen Gesetze, und einer solchen Frau erlaubt das Publikum mit Recht jeden Blödsinn. Übrigens hat sie sogar Talent.

Zelter: Ich sage Ihnen, sie gibt Möglichkeiten, größer als die, die manches Genie erfüllt hat.

Fred indes Leda mimt: Das Scheusal erobert die Frau mit seiner Energie; eine grauenvolle Sinnlichkeit befällt sie. Das Motiv der grauenvollen Sinnlichkeit. Da reißt er die Maske ab; es ist ihr Gatte. Ein wildes Gewirr von Gefühlen tobt in ihr. Das wilde Gewirr. Jetzt ringt sich Verachtung heraus: so; und Haß: so.

Leda: Also ich zwinge ihn, meinen Geliebten, der einen Schuß gekriegt hat, hereinzutragen und auf den Diwan zu legen. Ich werfe mich über ihn. Mimt: Meinem Gatten weise ich die Tür. Triumph der Liebe. Fred!

Fred spielt triumphierend.

Leda bricht ab: Wie soll man sich bewegen hier im Zimmer. Aber Sie sehen, ich bin in der Sache glänzend.

Fein: Die Musik ist nicht übel.

Leda: Sie können sich beglückwünschen, wenn Sie ihn als musikalischen Leiter gewinnen. Er schreibt mir alles auf den Leib. Wenn er komponiert, bin ich Künstlerin. Heute erst habe ich in eins seiner Chansons ein Es hineingebracht, und es ist nicht wiederzuerkennen.

Fred: Die Frau ist unheimlich musikalisch.

Leda: Eine Operette von ihm kommt nächste Saison am Karltheater heraus. Am Tage der Premiere kriegt er kontraktlich 50 000 Kronen, und mir gibt er die Hälfte.

Fred: Also, lieber Direktor, wenn Sie wollen, in vierzehn Tagen steht das Mimodrama.

Fein: Schade, Fräulein, daß Ihre Stimme nicht zur Geltung kommt. Sie haben Reiz in der Stimme.

Leda: Kann man nicht etwas einlegen? Fred, eine Idee: Wir legen die Barmaid ein.

Fred: Ausgeschlossen.

Zelter: Ledi, in einer Pantomime wird nicht gesungen.

Leda: Wenn ich es will? Ich sehe gar nicht ein; der Apache kann ebensogut verlangen, daß ich singe. Das ist der Trick, der uns noch fehlte, Fred. Jetzt werden die Leute darauffliegen. Du schreibst sofort die Barmaid hinein.

Fred: Das werd ich mir überlegen. Ich mache mich nicht gern lächerlich. Überdies kann ich mit der Barmaid beim Kabarett Tausende von Kronen verdienen.

Leda: Fred, wenn ich dir sage, die Barmaid wird eingelegt.

Fred: Geh, Ledi, sei vernünftig.

Leda halblaut: Zum letztenmal, arbeite nicht gegen mich, oder es ist alles aus.

Fred beugt den Rücken und präludiert.

Leda: Ah! Das ist mein Leben.

Zelter zu Fein: Seine Musik ist geistreich und trotzdem sinnlich.

Fein deutet auf Fred: Sagen Sie, was ist das für ein Mensch?

Zelter: Früherer österreichischer Kavallerie-Offizier, Doktor der Philosophie, hätte das Zeug zu einem Musiker von Rang; aber die Liebe, wissen Sie.

Fein: Das dürfte nicht vorkommen ... Und jetzt hängt er hier.

Zelter: Mit der Leda, das ist eine Künstlerfreundschaft. Er hat einen vorzüglichen Einfluß auf sie. Ich habe sie früher gekannt, sie konnte nicht die Hälfte.

Fein: Herr Doktor verzeihn, aber Sie sind nicht beim Geschäft.

Leda singt:

Sie war eine Barmaid mit goldendem Haar
Und manikürte sich täglich.
Doch weil ihr Schicksal die Liebe war,
So endete sie kläglich.

Inzwischen:

Fein: Mimik, bitte, Fräulein.

Zelter zu Fein: Ich bürge Ihnen, Herr Direktor, für die Idealität des Verhältnisses.

Fein legt ihm die Hand auf die Schulter: Werter Herr Doktor, ein alter Fuchs wie ich. Sie wollen die Frau los sein.

Zelter: Ich versichere Ihnen, Sie irren sich. Ich opfere mein persönliches Interesse ihrer Zukunft als Künstlerin.

Fein: Wenn ich die Sache mache, tue ich's, um Ihnen gefällig zu sein. Ich brauche keine Dame; und das Fräulein ist schön, aber gefährlich fürs Geschäft.

Leda singt mit Mimik:

Ein Graf sog Moccacobbler durch einen Halm
Und sah ihr dabei –

 

Fünfte Szene

Die Vorigen. Fanny. Fanny flattert herein, sie fällt Fred in den Arm, er bricht ab.

Fanny: Endlich, da bist du. Seit einer Stunde suche ich dich, im Café, im Theater, überall. Du warst nicht auf der Probe.

Leda: Du störst uns. Laß uns gefälligst in Ruh!

Fanny: Er muß doch ins Theater.

Fred: Das Theater liegt mir auf.

Fanny: Was ist denn? Sieht angstvoll von einem zum andern, erblickt Fein. Aufschreiend: Ach! ich verstehe. Du willst mit ihr durchgehen. Mir ahnte es. An Freds Schulter geklammert: Es ist nicht wahr, Fred. Sag, es ist nicht wahr!

Leda stampft: Sag ihr, sie soll gehen.

Fred schreit: Raus!

Fanny fliegt zu Zelter: Sagen doch Sie mir die Wahrheit! Stürzt auf Leda zu: Leda, du bist herzlos. Du gehst mit meinem Mann durch. Ich habe dich nie ausstehen können.

Leda: Diese Falschheit! Erst heute hat sie mir geschworen, daß sie mich liebt.

Fanny umklammert Fred: Hör zu, Fred. Es ist nicht möglich, du liebst die Frau nicht, ich kann es nicht glauben. Da er sie fortstößt: Ach! du liebst sie.

Fein zu Leda: Eine Familienszene?

Leda: Noch nie habe ich eine solche Gemeinheit gesehen. Sie will mich in meiner Karriere hindern.

Fein: Solche Sachen gefallen mir nicht. Ich bin für Ordnung und Solidität.

Fanny die Hände gerungen, zu Zelter: Herr Doktor, fassen Sie das? Sie schluchzt.

Zelter: Gnädige Frau, Sie haben vollkommen recht. Ihr Gatte benimmt sich nicht fair.

Leda: Setz dich aufs hohe Pferd, bitte. Du bezahlst meine Rechnungen nicht, ich mache meine Geschäfte mit Fred.

Fanny zu Fred: Bubi, du weißt, wie ich dich liebe.

Fred: Das hab ich gern.

Zelter: Die arme Frau sitzt da. Ich finde, Ledi, daß du in einem ungewöhnlichen Maße des moralischen Sinnes ermangelst.

Fein: So macht man keine Geschäfte.

Fanny: Ich werde mich wehren! So glatt geht das nicht. Springt, den Arm erhoben, gegen Leda.

Leda schreit: Sie hat mich geschlagen! Zu Fred: Soll ich mir das gefallen lassen, in meinem eigenen Hause? Nun? Warum ohrfeigst du sie nicht.

Fred schlägt Fanny ins Gesicht: Raus! Ich hab dich bis daher.

Fanny irrt durchs Zimmer, hält vor Fein an: Herr, helfen Sie mir, ich soll hinausgeworfen werden.

Fein: Mein Name ist Fein, ich bin nur in Geschäften hier.

Zelter: Ich komme mit Ihnen, gnädige Frau. Hier habe ich nichts mehr zu suchen. Servus. Führt sie hinaus.

Leda ruft ihm nach: Viel Vergnügen!

 

Sechste Szene

Leda. Fred. Fein.

Leda: Soll er selig werden. Das braucht uns nicht aufzuhalten, Herr Direktor.

Fein: Im Gegenteil. Ich habe Eile, machen wir Schluß.

Fred: Die Instrumentation ist noch zu machen. Im übrigen, da, sehen Sie, ich habe sogar schon das Plakat aufgesetzt. Holt es vom Klavier. Liest: Tournée Leda d'Ambre und Fred O'Brixor. Miß Leda d'Ambre in ihrem sensationellen Mimodrama »Die Maske«. Text und Musik von Fred O'Brixor. Musikalischer Leiter Fred O'Brixor.

Leda: Noch sechsmal deinen Namen, bitte.

Fred: Aber deiner steht riesengroß in der Mitte.

Fein: Es ist unnötig, daß Sie sich streiten, denn die Pantomime werde ich nicht spielen.

Leda zu Fred: Hab ich dir nicht gesagt, daß wir nichts damit machen? Ich behalte doch immer recht.

Fred: Wieso? Sie waren doch entzückt von der Musik.

Fein: Sie ist nicht übel. Aber das Fräulein zieht sich in dem Stück nicht um.

Leda: Also, Direktor, Sie sind großartig. Wir verstehen uns.

Fein: Und Sie müssen singen. Ich brauche eine einaktige Operette mit drei Umzügen.

Fred greift sich an die Stirn: Ha! Eine Idee.

Fein: Ich habe auch eine, der Anblick des Fräuleins, wie sie im Hotel die Treppe herunterkam, hat sie mir sofort inspiriert. Wir sprechen darüber. Erledigen wir zunächst das Geschäftliche. Fräulein, ich engagiere Ihre Partner, ich stelle Dekorationen und Kostüme. Sie selbst bekommen eine Anfangsgage von 1500 Mark. Wenn die Operette Erfolg hat und die Theater mir mindestens 10 000 zahlen, gebe ich Ihnen 3000.

Leda: Das ist noch halb geschenkt; mit mir machen Sie Millionen. Da, lesen Sie das Telegramm vom Direktor Hermes in Breslau. Er kommt her, sobald ich will. Eventuell stellt er mir eine Truppe zusammen für eine internationale Tournee.

Fein: Und wenn Sie ihm depeschieren, verlangt er Reisegeld. Ich habe solide Grundsätze, Fräulein. Sage ich 2000, dann dürfen Sie sicher sein, daß kein Mensch in der Welt Ihnen mehr bieten kann als 2000.

Fred flüstert ihr zu: Gib nach, Ledi. Du schließt den Kontrakt eben nur für sechs Monate ab, und die Sache hat sich gehoben. Zu Fein: Und was bieten Sie mir, lieber Direktor? Ich schreibe Ihnen Text und Musik; ich verpflichte mich, Ihnen in acht Tagen die fertige Partitur zu liefern. Das macht Ihnen kein zweiter.

Fein: Ich beteilige Sie prozentual, Herr Doktor.

Fred: Erhöhen Sie meine Gage für die musikalische Leitung auf 2000 Mark, und ich verzichte auf Prozente.

Fein: Einen Kapellmeister habe ich schon.

Fred: Wie? Es ist doch selbstverständlich, daß ich mitgehe.

Leda: Sie entlassen einfach Ihren Kapellmeister.

Fein: Nein. Lehnt sich im Sessel zurück und steckt die Hände in die Hosentaschen.

Leda: Was haben Sie plötzlich?

Fred: Ich passe Ihnen nicht? Ich kann musikalischer Leiter des Nachtasyls in Wien werden, wissen Sie. Ich zeige Ihnen den Brief. Man reißt sich um mich.

Fein: Davon bin ich überzeugt. Auch ich würde mich glücklich schätzen. Aber als Ehrenmann lehne ich es ab, meine Hand dazu zu bieten, daß Sie beim Bunten Theater kontraktbrüchig werden und Ihre Frau sitzenlassen.

Fred: Ach so, wegen der kleinen Zwistigkeit von vorhin. Wenn Sie erst eine Frau haben werden, die Sie mit ihrer Liebe wahnsinnig macht –

Leda legt Fein die Hand auf die Schulter: Ich will Ihnen sagen, lieber Direktor, was Sie glauben. Sie glauben, ich und der Fred haben ein Verhältnis ... Sehen Sie? Wir haben aber keins.

Fein: Ich mische mich nicht in Ihre Privatangelegenheiten, Fräulein.

Leda: Sie meinen, ich lüge? Sie kennen mich nicht, ich lüge nie.

Fein: Jedenfalls sind Sie zu eng befreundet. Ihre Liebhaber könnten meinetwegen das ganze Jahr mitreisen. Aber eine Freundschaft mit dem Kapellmeister, darunter leidet das Geschäft.

Leda: Ich verstehe Sie nicht. So glänzend wie wir zusammen arbeiten.

Fred: Seit wir uns kennen, ist die Ledi besser und meine Musik ist besser.

Fein: Mag sein. Aber Sie kennen wohl die Deros; ich habe sie lanciert. Zuletzt habe ich ihr noch am Nachtasyl eine unerhörte Gage erwirkt. Was tut sie? Den ersten Abend, wo sie sich ärgert, telefoniert sie ab. Sie können mir glauben, ich habe ein für allemal meine Hand von ihr gezogen.

Leda: Ach so. Weil ich gesagt habe, ich telefoniere dem Bunten Theater ab? Das war ja Schwindel. Ich wollte dem Schorschi einen Gefallen tun, dem Doktor Zelter, wissen Sie, weil er das Bunte Theater nicht leiden kann. Schwindel muß doch sein.

Fein: Wertes Fräulein, nehmen Sie einen väterlichen Rat. Begeben Sie sich in die Hände eines Mannes, der Ihnen gewachsen ist.

Fred: Sie wollen sagen –

Fein: Ich sage gar nichts. Ich sehe nur, daß Sie der Frau das Chanson nicht geben wollten, aber sie braucht nur zu befehlen. Von Ihrer Operette soll die Hälfte ihr gehören. Verlangen Sie doch das Ganze, Fräulein. Ich garantiere Ihnen für das Geschäft.

Leda: Ich habe es ja schon, schriftlich beim Notar.

Fred senkt den Kopf: Erzähl keine Märchen.

Fein: Nun also.

Fred richtet sich auf: Aber bitte sehr, das ändert sich auf der Bühne. Da wird die Frau ganz klein, sag ich Ihnen, da bin ich der Herr.

Leda: Sie nehmen auch alles ernst, was ich rede. Warten Sie ab, bis Sie mich spielen sehen. Sie meinen, ich stelle mich nur aus? Ich will etwas leisten. Ich mach Sie aufmerksam, daß ich in zwei Jahren weltberühmt bin. Dazu brauch ich den Fred. Wer mich von ihm trennen will, mit dem bin ich schon fertig. Meine Kunst ist mir heilig ... Wieviel geben Sie mir, wenn ich ohne ihn gehe?

Fred leise, angstvoll: Ledi, wir haben geschworen.

Leda: Nur du hast geschworen.

Fein: Mein Angebot kennen Sie.

Leda: Also ausgeschlossen. Grad erst hat er meinetwegen seine Frau hinausgeworfen. Da wäre es wirklich nicht fair, wenn ich ihn sitzenließe.

Fein nimmt seinen Hut: Ich zwinge niemand.

Leda: Was nur alle haben mit Fred und mir. Die Fanny wird vor Eifersucht gemeingefährlich, der Schorschi geht durch. Natürlich kommt er wieder, und Sie auch, bester Direktor.

Fred: Sie verrechnen sich, Herr Direktor. Ich bin der einzige Dirigent für die Ledi.

Fein: Mein lieber Herr, mein Kapellmeister gehört keinem meiner Mitglieder, sondern mir. Wenn das Fräulein zu spät zur Probe kommt und ich sie anhauche wie sich's gehört, soll sie vielleicht an meinem Kapellmeister, den ich mit meinem Geld bezahle, eine Stütze haben? Bin ich von gestern? Nur mit Autorität sind Geschäfte zu machen. Adieu, Fräulein, Sie wissen mein Hotel.

Leda: Sie werden es bereuen. In zwei Jahren werden Sie an mich denken.

Fein: Immer mit Vergnügen, Fräulein. Ab.

Leda: Dann nicht. Ich bin froh, daß ich ihn los bin. Mit dem Kaffer wäre nie etwas geworden. Ich telegrafiere einfach dem Hermes; der ist ganz etwas anderes, ein schicker Mann.

Fred: Und wenn er nicht kommt? Denke an den Schwur, den du mir abgenommen hast. An dem Tage, wo wir uns trennen, knalle ich mich zusammen. Ich war der berühmteste Schütze in der österreichischen Armee. Ich schieße eine Laus von ihrem Blatt herunter.

Leda: Du!

Fred: Ich bin deine einzige Stütze. Ich will nicht, daß du untergehst.

Leda: Du? Du bist überhaupt kein Mann. Anstatt ihm nachzugehen und ihm angst zu machen. Du hast doch Einfluß, du kannst ihm doch schaden bei zwanzig Theatern.

Fred: Das wird er mir glauben.

Leda: Idiot! Erleuchtet: Wenn ich dich ansehe, weiß ich erst, was ein Idiot ist. Er will doch nur den Preis drücken. Du sollst ihm die Operette umsonst schreiben.

Fred: Du meinst im Ernst?

Leda schneidet ihm eine Fratze: Also lauf schon!

Fred stürzt hinaus.

 

Siebente Szene

Leda. Dann Schmidhans jun. Später Fred.

Leda: Endlich. Es ist fünf, der Mensch kann jeden Augenblick dasein. Betrieb ... Wo habe ich meinen Rotstift.

Findet ihn und färbt sich vor dem Spiegel die Lippen. Wischt Schwarz in die Wimpern, pudert sich. Draußen klingelt es. Leda eilt zum Klavier, nimmt Notenblätter und setzt sich damit auf die Ottomane.

Schmidhans jun. wagt sich herein: Habe die Ehre, Fräulein.

Leda reicht ihm die Hand zum Kuß: Ich danke Ihnen noch vielmals für die reizenden Blumen. Dort stehn sie. Da er sich vergebens umsieht: Wie finden Sie mich übrigens in dem Sketch?

Schmidhans jun. gibt sich einen Ruck: Berauschend, Fräulein.

Leda: Ist's wahr?

Schmidhans jun. schwärmt: Ihr blondes Haar, Ihre schwarzen Augen ...

Leda: Das haben Sie mir schon geschrieben.

Schmidhans jun.: Sie ahnen nicht, welche Verehrung –.

Leda: Oh! Unter uns gesagt, das Bunte Theater ist eine Schmiere. Nur wegen mir gehen momentan Leute hin, die sonst nie den Fuß hineinsetzen würden.

Schmidhans jun.: Es ist freilich sehr pikant, aber so künstlerisch. Da kann die Polizei nichts machen.

Leda: Ich habe dort nur 100 Mark pro Abend, was tue ich damit. Grad eben war der amerikanische Impresario Croft hier. Er bietet mir für eine Tournee in den Vereinigten Staaten 150 000 Dollar.

Schmidhans jun. von neuem eingeschüchtert: Oh! ... Dann sollen wir Sie schon wieder verlieren? Und ich war so glücklich, daß ich Sie besuchen darf.

Leda: Ganz meinerseits. Nehmen Sie eine Tasse Tee? Übrigens habe ich abgelehnt. Meinen Freunden zuliebe.

Schmidhans jun.: Ach wirklich? Und gehöre ich wohl dazu?

Leda: Wir kennen uns ja kaum. Verführerischer Blick: Aber in Ihrer Auslage haben Sie ein entzückendes Voilekleid; Sie wissen, das erdbeerfarbene, mit der Metallstickerei.

Schmidhans jun. rückt näher: Arme haben Sie, Fräulein, wie Blüten.

Leda: Auf dem Voilekleid sind auch Blüten, aus Silber.

Schmidhans jun.: Ich bete Sie an.

Leda: Das Kleid ist mein Schwarm.

Schmidhans jun.: Solchem Arm kann man nicht widerstehn.

Küßt ihn ungeschickt.

Leda: Das dürfen Sie nicht, Herr Schmidhans.

Schmidhans jun.: Ist das verboten?

Leda: Ich würde sehr böse werden.

Schmidhans jun. frech: Werden Sie oft böse, Fräulein?

Leda mit Würde : Ich war verheiratet, und zwar in der ersten Gesellschaft von Frankfurt.

Schmidhans jun. spöttisch: Ach! Gnädige Frau ... Das soll uns nicht abhalten. Sie sind ein pompöses Weib. Warum haben Sie mich so lange schmachten lassen, bis ich Sie besuchen durfte?

Leda: Ich habe hier einen Freund, er ist sehr eifersüchtig.

Schmidhans jun.: Mit Grund, hoffentlich.

Leda: Das kommt darauf an.

Schmidhans jun.: Werden Sie ihm bei mir Grund geben.

Leda: Das weiß ich nicht ... Vielleicht später einmal, wenn wir uns sehr gut kennen.

Schmidhans jun.: Ich liebe Sie so rasend, Sie ahnen nicht, wozu ich imstande wäre.

Leda: Wissen Sie, wenn eine Frau wie ich das Voilekleid trägt, ist es natürlich erst das Wahre.

Schmidhans jun.: Wenn es hier nicht geht, kommen Sie doch zu mir, ja? Ich wohne hochelegant.

Leda: Was denken Sie denn. Ich verstehe gar nicht, was Sie wollen.

Schmidhans jun. sehr frech: Na, was will man denn.

Leda: Mir scheint, Sie können keinen Scherz vertragen. Natürlich betrüge ich meinen Freund überhaupt nicht. Er ist Kavalier, und es würde Ihnen schlecht bekommen. Alle meine Bekannten sind Kavaliere. Vor einer halben Stunde war der Prinz Iffingen hier mit mehreren Kameraden. Da stehen noch die Teetassen.

Schmidhans jun. unruhig: Aber da wäre ich in die Gesellschaft fast hineingeplatzt.

Leda: Was meinen Sie, was für ein feudaler Ton bei mir herrscht. Mein Freund hat meinetwegen schon drei Duelle gehabt, eins mit tödlichem Ausgang. Es hat doch in der Zeitung gestanden.

Schmidhans jun. steht auf: Das hätten Sie mir gleich sagen sollen. Ich hätte mich bedankt.

Leda: Sind Sie denn kein Kavalier? Wenn mein Freund nun plötzlich zurückkommt und Sie in seinem Jähzorn gleich niederknallt.

Schmidhans jun.: Um des Himmels willen!

Leda: Auf so etwas müssen Sie gefaßt sein, wenn Sie mit mir verkehren wollen.

Schmidhans jun.: Ich will ja gar nicht.

Es klingelt.

Leda fährt auf und setzt sich wieder: Soll er klingeln.

Schmidhans jun. weicht zurück: Wer ist das?

Leda: Mein Freund wahrscheinlich. Er wird schon wieder gehen.

Es klingelt wieder; gleich darauf noch zweimal.

Schmidhans jun. stürzt umher: O du lieber Gott! O du lieber Gott!

Leda: Sie müssen sich fassen. Bei der Verehrung, die Sie für mich haben, kann das doch nicht schwer sein.

Schmidhans jun. hält sich den Kopf und stöhnt.

Es klingelt mehrmals heftig.

Leda steht auf: Daß die Miß auch nicht öffnet! Die Person geht andauernd ihre eigenen Wege, nächstens fliegt sie.

Schmidhans jun. eilt ihr nach: Nicht aufmachen! Sie haben mich in eine Falle gelockt. Solche Gemeinheit! An der Tür, sie wegstoßend: Lassen Sie mich hinaus, oder –

Leda: Wollen Sie ihm denn in die Arme laufen?

Sie geht hinaus, er flüchtet ins Zimmer zurück und durch die Tür rechts. Leda tritt wieder ein mit Fred.

Leda: Herr Schmidhans! Wo stecken Sie denn? Zur Tür rechts: Ach so, Sie wollen sich meine Toiletten ansehen. Da können sogar Sie noch was lernen, ich habe alles aus Paris mitgebracht. Da er herauskommt: Die Herren kennen sich? Herr Schmidhans junior, Herr Oberleutnant von Lanzki. Lieber Fred, Herr Schmidhans ist wegen des Voilekleides hier, du weißt schon. Er hat sich nämlich in den Kopf gesetzt, daß ich die einzige Frau in der Stadt bin, die es tragen kann. Er liefert es mir für 200 Mark und auf Kredit. Es kostet eigentlich 800.

Schmidhans jun. zuckt auf.

Leda: Ist das nicht todschick von Herrn Schmidhans?

Pause. Die Herren messen sich.

Leda: Also setzen wir uns.

Schmidhans jun.: Verzeihen Fräulein, ich muß gehen. Die Geschäfte –

Leda: Vergessen Sie unseres nicht. Herr von Lanzki hat sich den Preis gemerkt, Irrtum ausgeschlossen.

Sie reicht ihm die Hand, Schmidhans nimmt sie mit Vorsicht. Er verbeugt sich vor Fred, der sich nicht rührt. Schmidhans ab.

 

Achte Szene

Leda. Fred.

Leda wirft sich auf die Ottomane, lacht heftig: Der Mensch ist katastrophal.

Fred aufgeregt: Was hast du da wieder gemacht. Wirst du denn niemals vernünftig werden?

Leda lachend: Im Gegenteil, ich sorge für meine Zukunft.

Fred: Den Lausbub in dein Schlafzimmer zu lassen. Schreit hohl: So etwas tut man nicht.

Leda richtet sich auf: Geh, gönn mir mein Vergnügen.

Fred: Du bist gemein. Grad hat der Direktor Fein es gesagt, du benimmst dich wie eine Dirne.

Leda: Das lügst du. Bloß dich will er nicht haben. Hast du vielleicht etwas bei ihm erreicht?

Fred: Wie kann ich. Vorläufig werden wir noch keinen Direktor zwingen, uns gemeinsam zu engagieren. Dazu brauchen wir einen Reklametrick. Der aber will gefunden sein.

Leda: Also finde ihn.

Fred: Natürlich. Denn du hast Gedanken nur für den unersetzlichen Verlust des Schorschi.

Leda: Der Schorschi? Also ich schwöre dir, daß es höchste Zeit für ihn war zu gehen, sonst wär er geflogen. Ein Mann, der mich mit 150 Mark daläßt und auf Reisen geht. Bin ich denn verrückt?

Fred: Na endlich. Schau, Ledi, der ganze Schorschi war ein Mißgriff. Er wollte dich erziehen: dich, das ist schon der Gipfel. Glaub du mir, solch ein Charakterspießer ist deine größte Gefahr.

Leda: Du, mein Gold, bist überhaupt nur eifersüchtig.

Fred: Ich! Auf dich! Das wirst du nicht erleben. Wenn mich nicht heute alle Weiber kaltließen: du sicher.

Leda: Du hast Angst vor mir.

Fred: Ich Angst vor dir! Als ich das Verhältnis mit der Dolly hatte, ich geb dir mein Wort, ich konnte manchmal nicht mehr von hier bis dort gehen; und in dem Zustand schrieb ich dann meine glänzendsten Sachen.

Leda: Das merkt man ihnen auch an. Also geh! Ich brauche dich nicht. Ich telefoniere einfach dem Direktor Fein, daß ich auch ohne dich mitkomme. Ich weiß wirklich nicht, was mich abhält.

Fred faßt an die Tasche: Soll ich dir's sagen? Mein Revolver wird dich abhalten.

Leda: Lächerlich. Laß sehen, ob er nicht aus Schokolade ist ... Hol dir doch die Fanny zurück.

Fred packt sie an: Aber zuerst züchtige ich dich.

Leda schreit: Laß mich! Feigling! Zu Hilfe!

Fred schleudert sie auf den Diwan.

Leda: Jetzt ist alles aus. Ein Mann, der mich anrührt, ist für mich erledigt.

Fred: Ledi! Ich hatte den Kopf verloren.

Leda: Bemüh dich nicht. Das machst du nicht wieder gut.

Fred schleicht herbei, die Hände gerungen: Sei barmherzig, Ledi! Bricht plötzlich vor ihr nieder, bemächtigt sich ihrer Hand und drückt verzweifelt den Mund darauf.

Leda: Im Februar bin ich von Paris nach Nizza mit der Blanche de Castille gefahren. Sie ist in London Millionärin geworden, und niemand hat sie dafür gehabt.

Fred steht auf: Erzähl mir keine Märchen.

Leda: Was ihr euch einbildet. Eine Frau wie ich erreicht alles umsonst.

Fred die Arme werfend: Was heißt das. Machst du deine Karriere als Kokotte oder als Künstlerin? Dir fehlt die Konsequenz, daher dein Mißerfolg. Deine Kritiken sind ja alle Schwindel oder Dreck. Ein Jahr hast du mit dem Schorschi verjuxt, nun kennt beim Theater niemand dich mehr. Dabei fährst du fort, wahnsinnige Schulden zu machen. Sag mir nur das eine: was willst du.

Leda starr. Verzieht langsam das Gesicht. Aufweinend: Meine armen Eltern! Was ist aus mir geworden! Wär ich tot!

Fred erschrocken: Aber Ledi. Das wollte ich nicht. Verzeih!

Leda: Einmal, wie der Schorschi verreist war, bin ich dem Doktor Salmon aus Frankfurt begegnet. Er hat die Gemeinheit gehabt, mir zu sagen: Wie man soweit kommen kann, das begreift er nicht. Dann wollte er mit mir soupieren.

Fred: Du hast ihn glatt abfallen lassen.

Leda: Ich werde mich hüten. Ich habe es anonym seiner Frau geschrieben. Sie war doch meine beste Freundin. Weint lauter: Mein Mann war zu dumm. Wenn er so gewesen wäre wie der Schorschi, alles hätte er mit mir machen können.

Fred liebkost sie: Auch nicht lange. Schau, Ledi, tröste dich, du hattest die Kunst einmal in dir.

Leda: Ach, Kunst. Wenn ich glücklich wäre, brauchte ich keine Kunst.

Fred: Schau, Ledi, ich sehe ein, daß ich dir zur Last falle. Du versäumst meinetwegen die Gelegenheiten, ich kann das nicht verantworten. Ich geh meiner Wege, und die Sache hat sich gehoben.

Leda: Du willst dich von mir trennen? Sag es mir ins Gesicht, wenn du kannst.

Fred schlägt die Augen nieder.

Leda: Also. Ich mach dich aufmerksam, daß du von mir nicht mehr loskommst. Denk an das, was ich dir jetzt sage: Du wirst einmal eine Tat für mich begehen. Das wäre sogar die Mordsreklame, die ich brauche.

Fred auffahrend: Ha! Gefunden! Kein Hund möchte so weiterleben. Wir machen ein rasches Ende, zuerst du, dann ich. Er zieht den Revolver.

Leda: Mir scheint, du bist verrückt geworden. Nimm das Ding weg!

Fred: Ich kann nicht mehr elender werden. Dich, du armes Weib, habe ich noch soeben auf jenem, eigens dafür bestimmten Diwan mit deinem Gott ringen gesehen um ein sanftes Ende. Ich schenke es dir und mir.

Leda: Ich, sterben? Eine Frau, die aussieht wie ich, hat niemals Grund, sich das Leben zu nehmen.

Fred: Doch. Denn es wird in allen Zeitungen stehen.

Er schießt zweimal, auf sie und auf sich. Sie läuft schreiend rundum zur Tür. Er tritt davor.

Leda: Hilfe! Er mordet mich.

Fred: Lauter! Was nützt es, wenn man's nicht hört.

Leda plötzlich still: Bist du denn krank?

Fred: Vor allem müssen wir jetzt den Fein herbeischaffen.

Leda steht starr. Erleuchtet: Du Idiot! Zum erstenmal im Leben bist du keiner. Du meinst, jetzt nimmt er uns?

Fred: Es kommt darauf an, wie ich gearbeitet habe. Erlaube! Aus deinem Corsage ist ein Streifen herausgeschossen. Auch aus dem Hemd. Habe ich nicht gesagt, daß ich die Laus vom Blatt schieße?

Leda: Ich werde mich in dich verlieben.

Fred: Mich selbst habe ich in den Arm getroffen. Es blutet wunderbar. Zieht den Rock aus. Eine Serviette um den Arm! Aber du vergißt zu schreien.

Leda: Hilfe! Er fängt wieder an.

Fred: Lauter!

Leda schreit aus der Tür: Polizei!

Fred: Der Direktor!

Leda: Der Direktor Fein! Er soll sofort herkommen. Er wird sich wundern. Wirft sich lang auf den Boden.

Fred hängt über einem Stuhl: Alles hat sich verschworen, aber wir sind nicht auseinanderzubringen. Jetzt sollte man es einsehen.

Leda: In dem Zustand müßte der Schorschi mich sehen. Die Stunde der Rache ist nahe, mein Gold.

Fred: Laß dich das nicht aufregen, Ledi. Das Leben besteht, wie das Varieté, aus Nummern, die zehn Minuten arbeiten. Manchmal ist's eine Attraktion, manchmal ein Reinfall.

Es klingelt. Sie nehmen ihre Lage wieder ein.

 

Neunte Szene

Die Vorigen. Zelter.

Zelter: Was ist geschehen? Mit festen Schritten auf Leda zu. Beugt sich über sie: Ledi!

Leda die Augen geschlossen: Bist du es, Liebling? Du kommst gerade noch rechtzeitig. Wir waren zu unglücklich zum Leben.

Zelter: Bist du verwundet?

Leda: Er hat mich ein bißchen angeschossen. Sich selbst hat er fast getötet. Ich ertrage mein Unglück. Aber in deiner Haut, lieber Schorschi, möchte ich nicht stecken. Deine Eifersucht hat uns das Engagement gekostet. Heb mich auf den Diwan.

Zelter hebt sie auf: Verzeih mir, Ledi.

Leda: Dein Anblick verschlimmert meinen Zustand. Wozu bist du noch gekommen?

Zelter: Ich kam vorbei und wollte gleich meine Teemaschine und meine Hausschuhe mitnehmen.

Leda: Du hast Charakter. Ich kann machen, was ich will, dein Charakter imponiert mir immer wieder.

Es klingelt.

 

Zehnte Szene

Die Vorigen. Fein. Dann Fanny.

Fein: Was höre ich. Hier hat es wieder eine Szene gegeben – und diesmal eine blutige? Die Herrschaften gehen ins Zeug.

Zelter indes er sich um Leda bemüht: Herr Direktor, wir haben es mit wirklichen Künstlertemperamenten zu tun.

Fein: Das Fräulein ist schwer verletzt?

Leda: Ich hoffe durchzukommen.

Fred schwach: Zweifeln Sie noch an unserer Zusammengehörigkeit, Direktor?

Fein: Solchen Beweisen müssen freilich die schwersten Bedenken weichen. Aber das Blut rinnt Ihnen unter der Serviette hervor. Sie werden Fieber haben, Herr Doktor; ich begleite Sie ins Hospital.

Fred: Übernehmen Sie die Presse?

Fein: Ich übernehme alles.

Fred: Wenn Sie Ihr Geschäft verstehen, Direktor: hieraus machen Sie eine Weltreklame. Ich würde den Artikel selbst aufsetzen, aber mir ist tatsächlich nicht ganz wohl.

Fein: Ich werde Ihnen zeigen, daß ich mein Geschäft verstehe.

Leda die Augen geschlossen: Ich mach Sie aufmerksam, Direktor, so gut mein Zustand es mir erlaubt: die Preise haben sich geändert. Ein Telegramm an den Direktor Hermes ist schon fort.

Fein: Lassen Sie sich nichts vormachen von dem Mann. Ich biete Ihnen, was irgendein Mensch bieten kann: fünftausend Kronen monatlich und zweitausend Kronen für den Doktor.

Fred: Mark! Mark!

Leda: Sie schneiden uns die Hälse ab.

Fred: In unserm Zustand.

Fanny stürzt herein und auf Fred zu: Bubi! Schreit auf: Er ist tot! Sie hat ihn ermordet!

Fred: Mit Gottes Hilfe.

Zelter zu Leda: Ich war bei Schmidhans, mein Schatz, aber das Voilekleid war schon verkauft.

Leda: Ich sollte dich auch das noch bereuen lassen. Aber ich bin zu gut mit dir. Ich hab es also selbst gekauft und habe 100 Mark abgehandelt, du brauchst mir nur noch 700 zu geben.

Zelter: Wenn hier nicht Liebe ist.

Fred: Wenn hier nicht Kunst ist.

Fein: Wo Liebe ist und wo Kunst ist, nun, da ist Geschäft.

Vorhang.