Nikolaus Lenau
Savonarola
Nikolaus Lenau

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Savonarola.

Ein Gedicht

von

Nicolaus Lenau.

Stuttgart und Tübingen.

Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung.

1837.


Vocati sumus ad militiam Dei vivi.
Tertullianus ad Martyres c. 3.

Herrn

Dr. Johannes Martensen

in Kopenhagen

gewidmet.


Die Entweichung.

              »Wo sich Girolamo verspätet?
Gewitter droht die schwüle Nacht;
Ob er noch jetzt im Walde betet,
Nicht hat auf Stund' und Wetter Acht?

Komm, Niccolo, hinaus, wir wollen
Den Sohn erwecken aus dem Traum.
Siehst du den Blitz? hörst du es rollen?
Gewiß, er kniet an seinem Baum!«

So sprach die Mutter mit Verzagen;
Der Vater ruhig, heiter spricht:
»O laß ihn knien, die Blitze schlagen
Den Baum, wo einer betet, nicht.

Der Himmel badet mit Erbarmen
Die Wurzel jedem Baum und Busch,
Wie Jesus einst den müden Armen
Herabgeneigt die Füße wusch.

Die Frühlingsnacht mit Wetterschlägen
Durchzuckt die Erde frisch und froh;
Und himmlischer Gedankensegen
Strömt nieder auf Girolamo.

Wohl hört er nicht den Donner ziehen,
Und nicht der Stunde leisen Schritt,
Er mag am Baume länger knieen,
Weil der nun blüht und betet mit.

Bald aber wird er, heimgekommen
Aus seinem dunkeln Waldrevier,
Was er Geheimes dort vernommen,
Begeistert sagen dir und mir.

Er that's in mancher schönen Stunde,
Und nie mein Herz das Glück vergißt,
Zu hören aus des Kindes Munde
Die Sprache, die das Leben ist.

Ich glaub' es nicht, o Weib, doch wehe,
Wenn je aus deinem Herzen schwand,
Wie der Gezeugte unsrer Ehe
Uns mit dem Schöpfer süß verband.

Oft aus den Waldeseinsamkeiten,
Des Denkers liebstem Aufenthalt,
Kam er zurück, uns fortzuleiten
In einen andern, tiefern Wald;

In jenen Wald voll Balsamkühle
Und ewig grün: die Schrift des Herrn,
Wohin aus banger Lebensschwüle
Gekränkte Wandrer flüchten gern.

Dann rauscht uns Trost, dann duftet Hoffen
Im heil'gen Walde jeder Strauch,
Von seines Auges Strahl getroffen,
Erregt von seines Mundes Hauch.«

Doch kann kein Wort zur Ruhe legen
Die Angst der Mutter um ihr Kind,
Denn draußen stürzt ein wilder Regen,
Gewitter tobt, es heult der Wind.

Die Nachbarn rufen Litaneien,
Den Baum am Fenster bricht der Sturm,
Die Glocken in Ferrara schreien
Die Angst der Stadt von jedem Thurm.

 

Die suchende Mutter.

              Die Nacht vorüber und im Osten
Hellstrahlend auf die Sonne geht,
Der Donner und der Sturm vertosten,
Die Luft voll Duft und Liedern weht.

Der Himmel mit den Lenzgewittern
Der Erde wohl zum Herzen drang,
Weil ihr von allen Zweigen zittern
So süßer Duft und Morgensang.

An Helena vorübergleiten
Des Waldes Hauch und Freudenton,
Sie späht und ruft in alle Weiten
Umsonst nach dem verlornen Sohn.

Schnell zu des Walds geheimsten Stämmen
Die sorgenvolle Mutter dringt,
Wo Fels und Strom die Schritte hemmen,
Am wirrsten sich der Strauch verschlingt.

Nicht schreckt sie nun der Räuberrotte
Weithin verrufner Hinterhalt,
Sie schreitet durch die dunkle Grotte,
Durchforschend jeden Felsenspalt.

Rastlos bis zu der Sonne Neigen
Fragt sie umher nach seiner Flucht,
Sie ruft den Straßen und den Steigen:
»Ihr Trägen, macht euch auf und sucht!«

Oft wenn sie auf entfernten Wegen
Herschreiten einen Wandrer sieht,
Dem winkt sie, eilt sie froh entgegen,
Bis ihrem Aug die Täuschung flieht.

Dann zürnet sie des Manns Geberden,
Und jedem Zug im Angesicht,
Daß sie je näher, fremder werden,
Daß dies sein theures Antlitz nicht.

Sie ruft hinaus in offne Felder:
»Mein lieber Sohn! wo bist du? wo?«
Und in die Wildniß dunkler Wälder:
»O komm zurück, Girolamo!«

Wie einen Stein das Meer, verschlinget
Das weite Feld den bangen Schall,
Und nicht den Sohn der Wald ihr bringet,
Nur seines Namens Widerhall.

 

Der Brief.

                    Ermüdet von verlornen Wegen,
Die sie geirret ohne Ruh,
Und von des Herzens bangen Schlägen,
Geht Helena dem Hause zu.

Der Vater harret an der Thüre,
Er sieht sie kommen bleich und matt,
Und eilt daß er sie stützend führe,
Und reicht ihr eines Briefes Blatt:

»Siehst du, es darf der Sturm nicht rauben
Dem Baum des Herrn sein grünstes Reis;
Die Furcht war stärker als dein Glauben.«
So spricht sein schonender Verweis.

Hinsinkend in des Stuhles Lehnen,
Hält sie das Blatt im Dämmerschein
Und seufzt die Worte unter Thränen:
Nun ist er fort, und nicht mehr mein!

»Nun ist er fort, doch unverloren.
O Weib, sei deines Sohnes werth!
Du hast ihn nicht für dich geboren;
Getrost, wenn ihn der Herr begehrt!

Zeit ist's, daß du dem Sohn entsagest
Und das Geräth der Mutterpflicht
Demüthig brechest und zerschlagest;
Der Streiter Gottes braucht es nicht.

Der Brief wird deinen Kummer heilen,
Daß du frohlockst und nimmer klagst;
Ich will dir lesen seine Zeilen,
Weil du es nicht vor Weinen magst:

»»O Vater, Mutter, Gott befohlen!
Ihr Lieben seid nicht trübgemuth,
Daß ich so plötzlich und verhohlen
Entwichen eurer treuen Hut.

Ich zog von euch mit bittern Schmerzen,
Ich kämpfte lang, bis ich's vermocht,
Denn lange hat im Kindesherzen
Der bange Zweifel mir gepocht.

Schon seid ihr alt, es naht die Stunde,
Wo ihr zum Tode schlafet ein;
Nicht aber wird aus eurem Munde
Der letze Hauch ein Kuß mir sein.

Ich werde nicht euch hinbegleiten
Des Weges kahlen, kühlen Rest;
In eures Alters Einsamkeiten
Vergebt, daß euch das Kind verläßt!

Mein Geist in schlummerlosen Nächten
Durch diese Welt zu Gott sich rang,
O zeige mir den Weg, den rechten!
Fleht' ich zu Jesu heiß und bang.

So kniet' ich letzte Nacht im Haine,
Umbraust vom wilden Donnerflug,
Gebadet im Gewitterscheine,
Und betete und frug und frug:

O Gott! soll ich der Welt entweichen
Und dem was lieb mir in der Welt,
So gib, o Herr, mir jetzt ein Zeichen,
Daß du zum Streiter mich bestellt!

Da schlug der Blitz den Baum in Splitter,
Dran ich gelehnt, ich blieb gesund!
Mich schlug der Strahl zu Gottes Ritter,
Auf ewig steht der ernste Bund.

Und jeden Tropfen meines Blutes,
Und meines Geistes letzte Kraft
Trag' ich zum Kampf voll frohen Muthes,
Bis mich der Tod von hinnen rafft.

Ich wandre fort im Morgenrothe;
Wie sich der Tag im Osten schwingt,
So glüht mein Muth im Kampfgebote
Und all mein Herz zum Himmel dringt!«« –

Schon wird es Nacht, die Sterne scheinen
Des Flüchtlings Eltern in's Gemach,
Die Mutter steht mit stillem Weinen
Und sinnt dem Brief des Sohnes nach.

Und sie versinkt in düsterm Traume,
Es bebt der Brief in ihrer Hand,
Wie's letzte Blatt am dürren Baume,
Dem all sein Schmuck und Reichthum schwand.

Sie spricht: »Die Kirche feiert heute
Dem Märtyrer Georg das Fest.
Weh mir, wenn ich sie richtig deute,
Die Ahnung, die das Herz mir preßt!«

Der Vater lehnt am Fensterrahmen,
Das Herz voll Freud' und Zuversicht,
Ein feierliches: »Amen! Amen!«
Ruft er hinauf zum Sternenlicht.

 

Der Eintritt in's Kloster.

            Der auserkorne Gottesbote
Die Straße nach Bologna zieht,
Rastlos, bis er im Abendrothe
Die Thurmeskreuze funkeln sieht.

Er möchte seinen Schritt beschwingen,
So sehnsuchtsfroh das Herz ihm schlug,
Als er Bologna's Glocken klingen
Herüber hört im Windeszug.

Schon pocht er an mit frommem Worte
Am Kloster Sanct Dominicus,
Und aufgethan wird ihm die Pforte
Mit einem gastlich milden Gruß.

Ein hoher Greis mit weißen Haaren,
Begießend sorglich jedes Beet,
Der Prior unter Blumenschaaren
Im Garten auf und nieder geht.

Der Bäume Wipfel säuselnd beben
In schon versunkner Sonne Licht,
Und ein vergangnes frommes Leben
Erhellt des Priors Angesicht.

Und sinnend ruht der Blick des Alten
Auf seinem reichen Blumenflor,
Auf all den lieblichen Gestalten,
Die still und sanft sich drängen vor.

Und leise trat zum Klostergarten
Savonarola jetzt herein,
Ehrfürchtig schweigend im Erwarten,
Bis selbst der Greis gewahre sein.

Wie weise Alte gerne pflegen,
Daß sie nicht lassen ihren Schritt
Sich stören auf Gedankenwegen,
Und lieber ziehn den Andern mit;

So hat nach freundlichem Willkommen
Auch seinen Gast der Prior gleich
Vergnügt und herzlich mitgenommen
In sein geliebtes Blumenreich:

»An Blumen freut sich mein Gemüthe,
Und ihrem Räthsel lausch' ich gern,
Die uns so nah mit Duft und Blüthe,
Und durch ihr Schweigen doch so fern.

Wenn ich durch ihre schmucken Reihen
In Abendkühle wandeln geh',
Und oft in süßen Träumereien
An einer Gruppe sinnend steh',

So ist mir schon zu Sinn geworden,
Es lagre unterm Himmelszelt
Der große reiche Blumenorden
Ein weites Kloster durch die Welt.

Ob sie nicht in Gelübden leben? –
Sind nicht die Blumen keusch und rein?
Der Armuth hold und treu ergeben,
Vergnügt bei Thau und Sonnenschein?

Gehorsam springen sie vom Bette,
Wenn sie die Frühlingshora ruft,
Und eilen in die große Mette,
Zu bringen ihren Opferduft.«

Er sprach's, indessen dicht und leise
Ein Heer von Blüthen niedersank,
Auf Stirn und Hand dem frommen Greise
Zu küssen ihren stillen Dank.

Nun kehrt mit forschendem Betrachten
Zu seinem Gast der Prior sich:
O Jüngling, welche Wünsche brachten
In unsre ernsten Mauern dich?

Der Jüngling, neigend sich bescheiden,
Also des Herzens Wünsche nennt:
Mein Bitten ist, mich einzukleiden
Zu eurem heiligen Convent.

Und den Gelübden, jenen dreien,
Die fromm den Blumen lieh dein Scherz,
Will ich mich unerschüttert weihen
Bis in den letzten Todesschmerz. –

Der Greis vertieft sich, frohbetroffen,
In seines Gastes Angesicht,
Und ahnet, daß ein großes Hoffen
Der Welt aus diesen Zügen bricht.

 

Die Novizen.

                Ein Bund im Rosenzelt geflochten,
Bei Sternenglanz und Becherklang,
Als Wort und Wein und Blüthen pochten
Ans Herz, und Nachtigallensang;

Der mag verschwinden und vergehen
Mit seinen Lenzgenossen bald,
Wie's Blatt vom Strauch, vom Herzen wehen,
Verhallen, wie ein Lied verhallt.

Der Strauch hat neue Rosentriebe,
Hat Nachtigallen jung und neu;
Das Herz berauscht die neue Liebe,
Und nur die Sterne blieben treu. –

Ein Bund im Schlachtgefild geschlungen,
Der stumme Feuerblicke tauscht,
Von wildem Waffentanz umrungen,
Und rings von Heldentod umrauscht,

Ist schön! doch mit dem Kampfestosen
Ein solcher Bund wohl auch verweht,
Wenn weiter auch, als unter Rosen,
Das Herz in Schlachten offen steht. –

Der Bund allein wird lange dauern:
Wenn froh in Gottes Angesicht
Zwei Herzen an einander schauern,
Der überwährt das Sternenlicht.

So haben sich zum Freundschaftsbunde
Girolamo, Domenico
Vereint in Gottgeweihter Stunde,
Mit der die Treue nicht entfloh.

Sie saßen traulich in der Zelle,
Und als im Sonnenuntergang
Verschied die letzte Tageshelle,
Zugleich ihr letztes Wort verklang.

Sie haben ernst und lang gesprochen
Vom Prager Hieronymus;
Wie eine Welt von Qual gebrochen
Am unerschütterlichen Huß.

Wie diese Freunde, Gotteshelden,
Die Macht des Todes übermannt,
Wie sie, das Wort des Heils zu melden,
So freudenvoll den Leib verbrannt. –

Die Jünglinge, das Antlitz neigend,
Sind jetzt verstummt mit einemmal,
Sie sitzen beide starr und schweigend,
Der Welt entrückt und ihrer Qual.

Verschlossen ist das Aug, verhangen
Das Ohr, wie tief in Schlafesruh;
Nun ist die Seele fortgegangen,
Sie schloß des Hauses Pforten zu.

Im tiefen Walde der Betrachtung
Die ferne Seele nun verweilt,
In jener heiligen Umnachtung,
Wo jede Sehnsucht wird geheilt.

Laßt euch den heil'gen Wald umranken!
O schweiget, schweiget, daß kein Wort
Die flücht'gen Rehe, die Gedanken,
Vom Quelle Gottes scheuche fort! – –

So saßen lange die Genossen,
Das Angesicht herabgebückt,
Das Auge wie vom Tod geschlossen,
Betrachtend und der Welt entrückt.

Sie hören nicht wie vor der Zelle
Der Garten rauscht, der Vogel singt,
Sie hören nicht, wie schon das helle
Glöcklein Ave Maria! klingt.

Und die Vertieften auch nicht hören
Im Kreuzgang jetzt des Priors Schritt,
Und wie er, mahnend aufzustören,
Herein zu den Novizen tritt.

Die Brüder störend aufzuregen
Aus stiller Andacht, kümmert ihn;
Doch Alle ruft zum Abendsegen
Die strenge Klosterdisciplin.

Erst als er ihnen seine Hände
Sanftrüttelnd um die Stirne schlang,
Daß er zurück die Seelen wende
Von ihrem fernen Abendgang,

Erwachten sie zusammenschauernd
Aus der Betrachtung stillem Glück;
Denn aus der Heimath schrickt bedauernd
Das Herz in diese Welt zurück.

Da fassen liebend sich die Beiden:
»Unwandelbar auf Gottes Spur!
Dein Freund, getreu in Kampf und Leiden!«
So strahlt in ihrem Aug der Schwur.

 

Die Wanderer.

            Schon hat die Priesterweih' empfangen
Girolamo; aus seinem Mund
Viel segensreiche Worte klangen
Er reift in Gott mit jeder Stund.

Ein Wunsch durchglüht sein ganzes Leben,
Sein Trachten immer, überall
Ist nur, die Kirche zu erheben
Von ihrem ungeheuren Fall.

Er spricht die Sehnsucht vieler Herzen
Gewaltig aus von Ort zu Ort;
Es haben ihre bangen Schmerzen
Gelüftet sich in seinem Wort.

Er rastet nimmer, zu verkünden
Der Kirche Noth und Hülfeschrei;
Und seine Pfeile scharf empfinden
Der Pabst und seine Klerisei.

Eifrig geweiht dem Pred'gerorden
Vergieng ihm seines Lebens Lenz.
Girolamo ist Prior worden
Im Marcuskloster zu Florenz.

Domenico an seiner Seite
Zieht fort mit ihm die rauhe Bahn,
Dem Helden im verwegnen Streite
Als treuer Knappe zugethan. – –

Die Sonne im Gebirge sinket,
Des Himmels letzter Purpurstrahl
Das Erdendunkel flüchtig schminket,
Und Nebel schleichen durch das Thal.

Die Winternacht mit kalten Schauern
Und Regen kommt, kein Sternlein scheint;
Doch haben Jäger, Werkner, Bauern
Zum Wanderzuge sich vereint.

Von allen Bergen in der Runde
Erscholl beim Sonnenuntergang,
Als Gruß und Ruf der Wanderstunde,
Ein freudenheller Chorgesang.

Nach Tagesmüh'n die Glieder dehnen,
Will sonst der müde Erdengast;
Was treibt die Wandrer für ein Sehnen,
So spät mit schlummerloser Hast?

Sie eilen fort, sie ruhen nimmer,
Die ganze Nacht durch Stein und Moor;
Es gilt, beim ersten Morgenschimmer
Zu harren an des Domes Thor.

Wenn dürstend eine Karawane
Hinaus in alle Wüste lauscht,
Und jetzo meint, in frohem Wahne,
Zu hören wie die Quelle rauscht;

Wie eilen dann die Heißen, Matten,
Belebt vom süßen Windestrug!
Bis endlich in Oasenschatten
Die Quelle tränkt den müden Zug:

So sputen sich auf dunkeln Wegen
Die vom Gebirge, meinend schon,
Es rausch' und kling' in Wind und Regen
Girolamo's ersehnter Ton;

Sein Wort, das Gottes Macht verkündet,
Sein Wort, das tausend Blitze rafft
Und sie zur Flammenruthe bündet
Und auf die Sünder niederstraft;

Sein Wort, das in geheimste Falten
Der Herzen Funken Gottes weht,
Daß oft bei seinem mächt'gen Walten
Das ganze Volk in Feuer steht.

Sie hören in den Finsternissen,
Wie es gewaltig braust herab,
Daß Frevlern aufwacht das Gewissen
Und heulend springt aus seinem Grab.

Doch auch sein Wort als Friedenskunde,
Das seligend zum Herzen fließt,
Und dem aus tiefster Herzenswunde
Die Liebe und die Freude sprießt. –

Und als die Nacht vorbeigedunkelt,
Als durch zerrissnen Wolkenflor
Die Sonne freudig strahlt und funkelt,
Stehn sie gedrängt am Kirchenthor.

Da fällt die frische Morgenhelle
Auf manches bleiche Angesicht,
Und von den Wandrern an der Schwelle
Jetzt mancher matt zusammenbricht.

Der Hagel schlug in diesen Zeiten
Toscana's Feld mit Hungersnoth,
Und Mancher von den Wandersleuten
Aß lange keinen Bissen Brot.

Schon eilen, wie zum Freudenfeste,
Viel Bürger von Florenz heran,
Mit guter Kost die müden Gäste,
Mit süßem Weine zu empfahn.

Die Luft erschallt von Freundesworten,
Man reicht sich brüderlich die Hand,
Die fremde Schaar aus fernen Orten
Herberg in trauter Liebe fand.

Sind auch die Aehren nicht gerathen
Am Feld, von Schauer heimgesucht;
So blieben doch die Herzenssaaten
Girolamo's nicht ohne Frucht.

 

Weihnacht.

              Des Domes Thor ist aufgegangen;
Nicht aber Allen wird gestillt
Der Quelle durstendes Verlangen,
Die heute von der Kanzel quillt.

Altaresstufen, Bilderblenden
Sind vollgedrängt, die Sacristei,
Die Standgerüste an den Wänden,
Noch immer strömt das Volk herbei.

Girolamo hat nun betreten
Die Kanzel, kniet in Andacht still,
Von Gott die Kraft herabzubeten
Dem Worte, das er sprechen will.

Nun steht der Fromme aufgerichtet,
Sein Aug am Volke segnend ruht,
Sein edles Antlitz ist durchlichtet
Von Liebesmacht und Kampfesmuth. –

Wenn Vögel ihren Sang beginnen,
Wenn schöner Frühlingsmorgen tagt,
Erglühn zuerst des Berges Zinnen,
Der hoch, der himmelnächste, ragt;

Von seinen Zinnen fließt allmählig
Der Morgenstrahl zur Schlucht herein,
Bis endlich aufglänzt licht und selig
Das ganze Thal im Sonnenschein:

So ist vom Antlitz dieses Frommen,
Als er zum Volk begeistert spricht,
Der helle Strahl herabgekommen,
Und glüht auf jedem Angesicht. –

O daß der Strahl, der Gottesklare,
Erlischt und flieht, der Zeiten Raub!
Girolamo! dreihundert Jahre
Sind nachgeflogen deinem Staub!

Komm, segne mich mit deiner Nähe,
Und segne meines Liedes Klang,
Daß ich dein großes Herz verstehe,
Und nicht verletze im Gesang!

Laß weihend in die Seele fallen
Von jenem Strahl mir einen Schein,
Und laß ein leises Wiederhallen
Mein Lied von deinem Worte sein! –

»Die Zeit des Mitleids und der Güte,
Das ist die stille kühle Nacht,
Wenn über die versengte Blüte
Mit seinem Thau der Himmel wacht.

Die Zeit des Mondes und der Sterne,
Das ist die ungestörte Zeit
Des Heimwehs nach der stillen Ferne
Aus diesem Thal voll Schmerz und Streit.

Und war dein Herz am heißen Tage
Auch mit den Brüdern wild und rauh,
So kühlt es dir zu milder Klage
Die Nacht mit ihrem Thränenthau.

Dann kehrt zu seinem Heiligthume
Das sturmverschlagne Herz – und glaubt;
Dann richtet die geknickte Blume
Der Liebe auf ihr müdes Haupt.

Dann drängt es dich den Haß zu heilen,
Der kränkend deine Seele traf,
Und schnell zum Feinde hinzueilen
Und ihn zu wecken aus dem Schlaf,

Und dem Erstaunten und Gerührten
Zu sagen, daß den herben Groll
Die Thränen dieser Nacht entführten,
Und daß er auch dich lieben soll.

Wenn Nachts im Wald die Vögel schweigen,
Und wenn das Wild im Dickicht ruht,
Und wenn kein Windhauch in den Zweigen,
Dann hörst du einsam nur die Flut;

Du siehst den Quell zu Thale rinnen,
Er schimmert hell im Mondenschein,
Du denkst: »Ich muß wie er von hinnen,
Wär' ich wie er, so hell und rein!«

»Er treibt auf Erden seine Wogen
Und eilt ins heimathliche Meer,
Und ist, wie er einst ausgezogen,
So rein bei seiner Wiederkehr!«

Und wenn du Nachts am Waldesquelle
Dein sinnend Haupt wehmüthig senkst,
Und bei der klaren Silberwelle
An deinen trüben Wandel denkst;

Was kann die Trauer dir bezwingen
Im stillen Wald am Quell so klar?
Was hörst du aus den Wassern singen
Für Lieder, tröstend wunderbar?

Was hat den Balsam deiner Wunde,
Und deinem Schmerze Ruh gebracht?
Es ist die süße Friedenskunde
Aus einer längstvergangnen Nacht.

O Nacht des Mitleids und der Güte,
Die auf Judäa niedersank,
Als einst der Menschheit sieche Blüte
Den frischen Thau des Himmels trank!

O Weihnacht! Weihnacht! höchste Feier!
Wir fassen ihre Wonne nicht,
Sie hüllt in ihre heil'gen Schleier
Das seligste Geheimniß dicht.

Denn zöge jene Nacht die Decken
Vom Abgrund uns der Liebe auf,
Wir stürben vor entzücktem Schrecken,
Eh wir vollbracht den Erdenlauf. –

Der Menschheit schmachtendes Begehren
Nach Gott; die Sehnsucht tief und bang,
Die sich ergoß in heißen Zähren,
Die als Gebet zum Himmel rang;

Die Sehnsucht, die zum Himmel lauschte
Nach dem Erlöser je und je;
Die aus Prophetenherzen rauschte
In das verlassne Erdenweh;

Die Sehnsucht, die so lange Tage
Nach Gotte hier auf Erden gieng,
Als Thräne, Lied, Gebet, und Klage:
Sie ward Maria – und empfieng.

Das Paradies war uns verloren,
Uns blieb die Sünde und das Grab;
Da hat die Jungfrau Ihn geboren,
Der das verlorne wiedergab;

Der nur geliebt und nie gesündet,
Versöhnung unsrer Schuld erwarb,
Erloschne Sonnen angezündet,
Als er für uns am Kreuze starb.

Der Hohepriester ist gekommen,
Der lächelnd weiht sein eignes Blut;
Es ist uns der Prophet gekommen;
Der König mit dem Dornenhut. –

Kennt ihr den Strauch im Waldesgrunde?
Kein Blümlein blüht in seiner Näh,
Kein Vogel singt in seiner Runde,
Den Wandrer faßt ein dunkles Weh!?

Wohl stürbe gern in seinem Grame
Der Strauch der jene Dornen trug;
Doch muß in alle Welt sein Same
Fortwandern mit dem Windesflug.

Nach seines Fluches altem Brauche
Geht Ahasver noch auf und ab,
Und bricht sich von dem Dornenstrauche
Alljährlich seinen Wanderstab.

Der Strauch – das ist das Finsterkalte
In der Natur, das nur versehrt;
Und Ahasver – das ist der alte
Unglaube, der stets irrefährt. – –

Naturvergöttrer! ihr Geäfften
Des Wahnes, wollt in Sumpf und Riet
Den Irrwisch an den Leuchter heften;
Er leuchtet nur, indem er flieht!

Allgöttler! eures Gottes Glieder
Streift hier vom Baum der Wintersturm;
Dort schießt den Gott ein Jäger nieder;
Hier nagt er selber sich als Wurm.

Als Tabernakel, voll Rubinen
Und Perlen, mit dem Sacrament,
Mag euch des Tigers Rachen dienen,
Der brüllend durch die Wüste rennt.

Und die Kinnlade eines Haien
Für euch als Bundeslade paßt,
Das Mordgebiß in Stachelreihen
Das heilige Gesetz umfaßt.

Und euer Engel, dessen Zeichen
Die Todten auferstehen ruft,
Ist die Hyäne, wenn sie Leichen
Bei Nacht aufwühlt aus ihrer Gruft! –

Noch immer lebt der alte Jude,
Durchflucht die Welt mit Saus und Braus;
Die Kirch' ist seine Gräuelbude,
Er läßt den Herrn nicht in sein Haus.

Und wo er trifft auf seinen Gängen
Die Wandrer mit der Kreuzeslast,
Muß er sie höhnen und bedrängen,
Weil er das Reich der Liebe haßt.

Geht hin nach Rom und hört die Mette
Zur Weihnachtsfeier, schaut euch an
Die Priester auf entweihter Stätte,
Mit Goldgewändern überthan.

Dort brennen tausend helle Kerzen,
Die Orgel dröhnt, es tönt Gesang;
Doch kalt und finster sind die Herzen,
Zerrissne Glocken ohne Klang.

O seht die thierischen Gestalten,
Wie am Altare dort und hier
Hantirend sie die Hände falten,
Zum Himmel blicken fremd und stier!

Der Eine liest, die Augen rollend,
Die Mess' in ungeduld'ger Hast,
Und dem Evangelisten grollend,
Daß er nicht kürzer sich gefaßt.

Ein Zweiter denkt mit heißer Stirne
Bei der Epistel an den Brief,
Der ihn zu einer schmucken Dirne
Für diese heil'ge Nacht berief.

Ein Andrer hört aus den Gesängen
Halloh! Gebell und Jägerhorn;
Er sieht den Hirsch im Walde sprengen,
Sein Herz fliegt nach durch Busch und Dorn.

Ein Andrer träumt in Spielgemächer
Sich an den Goldtisch, nimmersatt,
Er schwingt den Kelch wie Würfelbecher,
Die Hostie wie ein Kartenblatt.

Die Cerimonie wird als Fratze
Gedankenlos nun ausgekramt;
Ein Affe, sie mit Kopf und Tatze
Tiefsinnige Gebärden ahmt.

Und die Gemeinde, geistverlassen
Und herzverödet, drängt und gafft
Und sucht mit Wort und Wink zu fassen
Die Beute frecher Leidenschaft.

Schamlos geputzte Weiber schwirren
Umher im Tempel ohne Ruh,
Und lasterhafte Männer girren
Den Weibern süße Worte zu.

Der Fromme geht, die Brust voll Klage,
Aus solcher Kirchenschänderei;
Ihm thut sein Herz die düstre Frage:
Ist es mit Christus denn vorbei?

Ist dieß ein Fest, daß er geboren,
Der wiedergab das Paradies?
Ist dieß ein Fest, daß er verloren,
Und uns, ein schöner Traum, verließ?

Doch sollt ihr nicht dem Kummer glauben.
Kein Wort des Heilands wird verwehn;
Gott läßt sich seine Welt nicht rauben,
Und seine Kirche wird erstehn.

Ob euren modernden Gebeinen
Wird dann hinwandeln eine Schaar
Von Priestern, wahren, frommen, reinen,
Und würdig dienen am Altar.

Die Herzen werden sich versöhnen
Einst unter Einem Freudenzelt,
Und die Natur wird sich verschönen,
In Liebe athmen wird die Welt.

Die Herzen werden sich verbünden,
Sich bringen jeden Gottesgruß,
Von Brust in Brust hinübermünden
Wird, Gott entströmt, ein Freudenfluß.

Und finden werden sie gemeinsam
Den Weg, das Leben und das Licht,
Was Keiner kann erringen einsam,
Wer nur sich selber Kränze flicht.

Zugvögel sammeln sich in Schaaren,
Wenn sie empfinden in der Luft
Ein süß geheimes Offenbaren
Des Frühlings, der nach Süden ruft.

Vereinigt trotzen sie den Winden,
Daß keiner sie der Bahn entführt;
Vereinigt schärft sich ihr Empfinden,
Das in der Luft den Süden spürt.

So werden sich die Seelen einen
Im gleichen Geist und Glaubenszug,
Daß sie nach ew'gen Frühlingshainen
Vollbringen ihren Wanderflug.

So wird sich finden einst hienieden
Der Kirche traulicher Verein,
Wo Licht und Stärke, Freud' und Frieden
In Christo Allen wird gemein.

Ja! endlich wird die Stunde schallen,
Wo jener Strauch nur Rosen bringt,
Und wo ein Chor von Nachtigallen
Auf seinen sanften Zweigen singt.

Dann liegt der Stab des Abgemühten
Zerbrochen auf dem grünen Rain;
Dem Strauch zu Füßen unter Blüten
Wird Ahasver begraben sein.

 

Mariano.

          Savonarola ist gefährlich
Der Pabst- und Mediceermacht,
Weil er das Licht der Wahrheit ehrlich
Der Sünde streckt in ihre Nacht.

Die Fackel strahlt in tiefste Klausen;
Weh euch, wenn's Volk da unten sieht,
Aufspringend mit Abscheu und Grausen,
Vor welchen Göttern es gekniet!

Mariano aber ist der Rechte;
Der Augustiner gar geschickt
Sein feines buntes Truggeflechte
Den Blöden um die Augen strickt.

»Geh hin und schlage diesen Schwärmer
Mit des Verstandes blankem Schwert,
Schaff mir vom Leib den wilden Lärmer,
Der mir an meinem Mantel zerrt!

Erkämpfst du sieghaft mir den Frieden,
So bist du mir vor Allen lieb,
Der kühnste Wunsch sei dir beschieden!«
Also der Pabst Mariano trieb.

Der hat die Kanzel heut bestiegen
Am Feste Himmelfahrt und rafft,
Savonarola zu besiegen,
Zusammen seine ganze Kraft.

Bevor Mariano läßt erschallen
Der Predigt das Exordium,
Blickt er mit großem Wohlgefallen
Erst in der Kirche rings herum.

Es schwelgt sein Auge in den Ehren,
So viele lauschten ihm noch nie:
Der Fürst, die Gonfalonieren,
Der Adel und die Signorie.

Sie harren Alle seiner Rede,
Es horcht das Volk gedrängt und dicht,
Wie er bestehen mag die Fehde,
Was heute Mariano spricht.

Mariano! feiner Redemeister!
Sieh zu, daß du den Feind besiegst!
Mariano, tummle deine Geister,
Daß du nicht schmählich unterliegst!

Laß deinen Cicero erschallen!
Laß klingen den Virgilius!
Laß Platon's Geist vorüberwallen
Mit seinem tiefen Zaubergruß!

Laß Aristoteles ertönen,
Der die Gedanken spaltend mißt
Vom Wahren, Guten und vom Schönen,
So fein, daß sie das Herz vergißt!

Schon hast du sie heraufbeschworen,
Und Viele hören dich entzückt,
Denn classisch rauscht's um ihre Ohren,
Sie sind der Gegenwart entrückt;

Sie sind der Gegenwart entrissen,
Und aller Sünde, Schmach und Noth,
Und ihrem strafenden Gewissen;
Es lacht das Leben, lacht der Tod.

Verspottet werden die Propheten,
Wie sie so übersichtig spähn
Und plump die Rosen niedertreten,
Die hier am Wege freudig stehn.

Mariano schont der zarten Rosen,
Wenn er das Volk zur Wehmuth rührt,
Und sanft, mit väterlichem Kosen
An Schuld und Tod vorüberführt.

Doch jetzo wird Mariano's Predigt
Rauh, ungestüm mit einemmal,
Indem sein Herz sich frei entledigt
Des Hasses und der Neidesqual:

»Girolamo! du Volksbetäuber!
Du Leichenhuhn! Unglücksprophet!
Du Weltvergifter! Freudenräuber!
Du finstrer, stürmischer Asket!

Dein heißer Hauch weht unheilschwanger
Ein Samum durch die schöne Welt,
Daß auf dem grünen Lebensanger
Die Freude todt zu Boden fällt.

Wenn dich, das Wort des Heils zu künden,
Der Gott der Liebe auserkor,
Was willst du Zwietracht denn entzünden
Und rufst den blut'gen Krieg hervor?

Hast du der Kirche nicht demüthig
Einst den Gehorsam angelobt?
Ist das Gehorsam, was so wüthig
Aus dir auf Pabst und Kirche tobt? –

O Freunde! glaubet nicht dem Herben,
Der überall nur Jammer sieht;
Laßt euch das Leben nicht verderben,
Das, ach, so bald, so bald entflieht!

Schreckt nicht zurück vor allen Lüsten,
Den Gott in eurer Brust vermag
Nicht gleich zu stören, zu verwüsten
Des Herzens muntrer Freudenschlag.

Der Gott, der Sich uns hingegeben,
Gab auch den milden Sonnenschein,
Hängt süße Trauben an die Reben,
Und weckt die Nachtigall im Hain.

Er gönnt den flücht'gen Phänomenen,
Eh sie verschlingt die Todesschlucht,
Daß lächelnd unter Freudenthränen
Sie sich umarmen auf der Flucht.

Auf uns ruht sichtbar Gottes Segen,
O daß es anders würde nie!
Denn unser Glück auf sichern Wegen
Lorenzo führt von Medici;

Der feste Schirm, der kluge Rather,
Der allerorten hilft, versöhnt;
Der Weisheit und der Künste Vater,
Der uns die weite Welt verschönt.

Ha! wie sie jüngst nach Florenz rannten,
Ein Bettlerzug voll Ungeduld,
Von fernen Fürsten die Gesandten
Um seinen Rath, um seine Huld!

Der Kaiser Friedrich sandte diesen,
Und Ludwig den von Frankreichs Thron;
Den Johann, Herr der Portugiesen;
Den Ferdinand von Aragon;

Und Andre grüßten ihn und warben
Für Ungarns mächtigen Corvin;
Und fremde Trachten, Wappen, Farben,
Ein Ruhmeskranz, umstrahlten ihn.

Kostbar Geräthe und Geschmeide
Sandt' ihm der Sultan, der Barbar,
Von Africa's entlegner Weide
Auch seltner Thiere eine Schaar.

Die wilden Zöglinge der Wüsten,
Sie wanderten herüber weit,
Daß sie erblickten und begrüßten
Lorenzo, das Gestirn der Zeit.

Die Thiere, die aus Edens Hainen
Der Herr in alle Welt verwies,
Lorenzo ruft – und sie vereinen
Sich hier im neuen Paradies.

Die Pflanzen, die an ferne Klüfte
Der Sturm des Herrn meerüber trug,
Lorenzo bringt euch ihre Düfte
Auf seinem reichen Handelszug.

Lorenzo ruft – dem Staub entwinden
Die Griechengräber ihren Hort,
Und alte Steine wiederfinden
Im Tageslicht ihr süßes Wort;

Lebendig werden alte Rollen,
Der Weisheit Stimme neu erwacht,
Die lang im Völkersturm verschollen,
Vergessen war in dumpfer Nacht.

Der lebensfreudige Hellene,
Der längst von dieser Erde schied,
Er trocknet euch die bange Thräne
Noch spät mit seinem schönen Lied.

Ihr seid glückselig schon hienieden,
Weil euch Lorenzo angehört.
Weh dem, wer euch den heitern Frieden,
Die Freud' am Segen Gottes stört!

Seid ihr gefallen auch, ihr Armen,
Verzaget nicht, getrost hinan!
Gott hat mehr Liebe und Erbarmen,
Als je ein Mensch verschulden kann.

Gott wird nicht ewig euch verlassen
Ob eurer Sünden in der Zeit.
Gott liebt euch über alle Maßen,
Denn Gott ward Mensch von Ewigkeit.

Die Menschheit hatt' in Gottes Lichte
Geblüht schon längst und ehedem;
Der Strom der heiligen Geschichte
Entsprang nicht erst in Bethlehem.

Wenn auch, zur Menschentiefe wallend,
Der Gottesstrom sich nie ergoß
Wie dort, als er in Jesu schallend,
Ein Katarakt, herunterfloß!

Wir aber sollen nicht verzagen,
Und nicht erheben Haß und Streit,
Daß leiser fließt in unsern Tagen
Der Strom der Menschengöttlichkeit!« –

So sprach Mariano; – frei und freier
Ihm die Gedanken jetzt entfliehn,
Die um den Strom als kecke Reiher
Der heiligen Geschichte ziehn.

Sie mögen ihre Flügel spreizen
Und schwärmen, übermüthig froh;
Bald wird die Reiher niederbeizen
Der Falke des Girolamo.

 

Die Antwort.

                Mariano hört in seiner Zelle
Bei klarer stiller Morgenluft
San Marco's Glocke rein und helle,
Wie sie das Volk zur Predigt ruft.

Mariano hört den Ruf beklommen,
Dem Lauscher wird um's Herz so bang,
Als hätt' er im Geläut vernommen
Jetzt seines Ruhmes Grabgesang.

Mit einmal ist sein Muth geschwunden,
Die frohe Zuversicht dahin,
Die schon den Feind sah überwunden,
Der Glockenschall erschüttert ihn.

Und, hastig auf und niederschreitend,
Als nun der letzte Klang verweht,
Sieht er, wie auf der Kanzel streitend
Girolamo gewaltig steht.

Und, eifersüchtig auf die Ehren,
Sieht er versammelt alle sie:
Den Fürsten, Gonfalonieren,
Den Adel und die Signorie.

Er trüg' es leichter, wenn sie alle
Gestorben wären übernacht,
Als daß sie Zeugen seinem Falle,
Und seines Gegners Uebermacht.

Ha! wie sie lauschen auf die Rede!
Ha! wie das Volk gedrängt und dicht
Aufhorcht, was in der ernsten Fehde
Savonarola heute spricht!

Ihn täuschten nicht die Glockenlaute
In Morgenlüften still und klar,
Was Mariano's Ahnung schaute,
Wird in San Marco's Kirche wahr.

Zu enge wird der Volkesmenge
Der Tempelraum, er faßt sie nicht,
Und Manchem wird das Herz zu enge,
Der Prior von San Marco spricht.

Er zeigt in flammend wahren Zügen,
Wie schwer die Kirche Christi krank,
Wie tief von seinen hohen Flügen
Ihr matter Geist zur Erde sank.

»Die Kirche ist treulos geworden,
Denn ohne Führer, ohne Licht,
Läßt sie verwildert ihre Horden
Entgegentaumeln dem Gericht.

Der Klerus möchte gerne bannen
Den Strahl des Himmels von der Welt,
Er möchte um die Erde spannen
Sein schwarzgetünchtes Lügenzelt,

Auffangen alle Segensgrüße,
Die Gott gesandt dem Menschenschmerz,
Auf daß beim Klerus betteln müsse
Um falschen Trost das arme Herz.

Die Kirche ehr' ich, doch im Kampfe,
Wie man die kranke Mutter ehrt,
Die, geistesirr, mit wildem Krampfe
Den Dolch nach ihrem Busen kehrt.

Ich will euch nicht die Welt vergiften,
Doch zeigen, wie sie euch bedroht.
Ja! Krieg und Zwietracht will ich stiften
Mit Lüg' und Laster, bis ich todt.

Wenn euch die Welt mit Schmeicheleien
Das Herz befriedigt und entzückt,
Hat sie, dem Unheil euch zu weihen,
Den Judaskuß euch aufgedrückt.

Die Seele soll auf ihrem Zuge
Sich nicht verfangen hier im Strauch,
Die Erdenblüthen nur im Fluge
Berühren, wie ein Windeshauch.

Weh dem, wer sich der Welt verdungen,
Denn müd und nackt und ohne Lohn,
Wenn's Glöcklein Feierabend klungen,
Jagt sie zuletzt den Knecht davon.

Du bist ihr Knecht, du bist ihr Werber,
Um schnöde Lust, um eitlen Ruhm;
Mariano! süßer Volksverderber!
Kennst du das Evangelium?

Ein schlechter Arzt bedrängten Sündern,
Mußt du, zu mildern ihren Druck,
Verfallne Heidengräber plündern,
Statt Leben bringst du Leichenschmuck.

Du weinst, als ob das Herz dir breche,
Und mit den hohlen Händen fängst
Du auf die reichen Thränenbäche,
Die du auf's Volk hinuntersprengst.

Doch ist nur Willkühr, nicht Betrübung
Der Thränenstrom, der dir entfiel,
Nur eine Frucht der Spiegelübung
Dein klagendes Gebärdenspiel.

Du Kanzelgaukler, all dein Flöten,
All deine Sturmesmelodie
Macht doch den Sünder nicht erröthen,
Erschüttert ihm die Seele nie.

Wenn auch die Hörer seufzen, weinen,
Was ihnen von den Wangen rollt,
Sind falsche Thränen wie die deinen,
Ist Lohn, den Trug dem Truge zollt.

Unheilig ist ein solches Trauern,
Womit dein Wort die Hörer trifft;
Dies weichlich süße Selbstbedauern
Ist für schuldkranke Herzen Gift.

Machst du mit classischem Geschwätze
Zur Tugend kühn? zum Glauben stark?
Dem Teufel flickst du seine Netze,
Denn du bist falsch bis in das Mark.

Dein Wort ist Fälschung und Verführung,
Du lullst den heil'gen Schmerz in Ruh,
Und den Heilbronnen selbst, die Rührung,
Den Thränenquell vergiftest du.

Wenn du das Volk auch irreleitest,
Du darfst es wagen ungestraft,
Wenn du nur lästernd mich bestreitest,
Für Rom einstehst mit deiner Kraft.

Die Gränzen möchtest du vermischen
Der Christen und der Heiden gern,
Und in ein Nebelbild verwischen
Des Glaubens fest gediegnen Kern.

Verschleiern möchtest du die Wunde,
Die durch das Herz der Menschheit brennt,
Verwirren mit dem alten Bunde
In Eins das neue Testament.

Die Wunde läßt sich nicht verschleiern,
Ihr Blut durchdringt den dünnen Flor;
Bald muß die Kirche sich erneuern
Und finden, was sie längst verlor.

Einst, in des alten Bundes Tagen,
Da trieb der Mensch noch ohne Bahn,
Vom Strand der Sehnsucht stets verschlagen,
Auf weitem wildem Ocean.

Des Herrn Gesetz gebot ihm Landung,
Er strebte nach dem Friedensport,
Des Sündenfalls empörte Brandung
Riß ihn in ihre Wirbel fort.

Nun aber ist zu seinem Wohle
Der Weg durchs Meer dem Menschen kund,
Die sichre heilige Bussole,
Die Liebe gab der neue Bund.

Und rudert kühn der Glaubensstarke
Durch Wellenstoß und Sturmesweh,
So wird, gesegnet, seine Barke
Gewinnen bald die hohe See,

Wo er hineilt die Freudenpfade,
Wo ihm in alle Segel wehn
Die Hauche Gottes ihre Gnade,
Die ewigen Etesien.

Belohnet wird ihm sein Vertrauen,
Und daß er nicht im Sturm verzagt,
Er wird das Land der Sehnsucht schauen,
Mehr finden als sein Wunsch gewagt.

Die Menschheit hat nach Gottes Lichte
Gesehnt sich längst und ehedem;
Doch ist die heilige Geschichte
Entsprungen erst in Bethlehem.

Du nennest Christum eine Quelle,
Die stets zur Menschheit niederfloß,
Und die sich nur an jener Stelle
Mit lauterem Geräusch ergoß?

Der alte Quell war nur ein Sehnen,
Der Menschheit ahnungsvoller Gram,
Ein heißer Strom einsamer Thränen,
Bis endlich der Ersehnte kam.

Dir sind zu eng des Glaubens Schranken,
Dein Christus ist, greif' ich dich recht,
Die Summe göttlicher Gedanken
Im ganzen menschlichen Geschlecht.

Der Herr der Welt in Menschenhülle,
Die Macht des Schöpfers und sein Licht,
Der Gottheit ganze Liebesfülle
Ist dein zerfahrner Christus nicht.

Ich kenne dich und die Genossen,
Ihr zweifelt, deutelt dort und hie,
Ihr habt die Schrift des Herrn verstoßen
Und meint: ein Gottmensch lebte nie.

Ihr möchtet lieber Gott uns schildern,
Wie er die Welt uns ausgeheckt
Nach seinen schönen Musterbildern,
Ein feingeschmackter Architekt.Anspielung auf die Platonische Akademie in Florenz

Und was von göttlichen Ideen
Ein feinbegabter Menschengeist
Auf Menschenweise mag verstehen,
Das wäre, was man Christus heißt. –

Einst werden sagen spätre Thoren:
»Wenn sein Bewußtsein Gott gewinnt,
– Das er im Schöpfungsrausch verloren, –
Sich auf sich selbst zurückbesinnt,

Wenn die Idee sich findet wieder:
Das ist der Mensch, soweit er denkt,
Und Gott zugleich, der in die Glieder
Des Menschen sich lebendig senkt.«

Die Menschenhülle Gott umschlingend
Als trauten Gast aus Himmelshöh'n:
Hier ist Idee, so wahr und dringend,
So voll, so tief, so selig schön!

Sie wäre durch die Welt als Schemen
Geirrt? ihr fehlte die Gewalt,
In der Geschichte Raum zu nehmen
Als die lebendigste Gestalt?

Die Hohe sollte sich begnügen,
Nur hinzukümmern trüb und hohl,
In Wahngebilden, Schattenlügen,
Als Mährchen, Mythe, und Symbol? –

Nein! nein! Wem je der Menschheit Klagen
Bis auf den Grund das Herz durchbebt,
Kann den Gedanken nicht ertragen,
Der allen Trost ihm untergräbt.

Ist Christus Traum, dann ist das Leben
Ein Gang durch Wüsten in der Nacht,
Wo niemand, Antwort uns zu geben,
Als eine Horde Bestien wacht.

Die feindlichen Naturgewalten
Umdroh'n den Wandrer ohne Bahn,
Aus tausend dunklen Hinterhalten
Lieblos und rastlos springend an.

Und wenn er mit geschärften Sinnen
Der Feinde manchen auch bezwang,
Kann er den andern nicht entrinnen
Auf seinem heimathlosen Gang.

An ehernen Gesetzen schleifen
Ringsum die Schmerzen ihr Gebiß;
Der Krieg, der Hunger heulend schweifen,
Die Pest durchtappt die Finsterniß.

Haß, Undank, und gebrochne Treue,
Das Liebste auf der Todtenbahr,
Im öden Herzen Schuld und Reue,
Der Freuden Asche graues Haar,

So zieht in untröstbarer Trauer
Der Wandrer, bis er todesmatt;
Der Glaube an der Seele Dauer
Entfiel ihm wie ein welkes Blatt.

Geh hin, du Armer! frag nach Troste
Bei Kunst und Weisheit überall,
Trink Wein, geh in den Wald und koste
Die Rose und die Nachtigall:

Sie haben nichts für deine Klagen,
Kein Strahl versöhnt die schwarze Kluft,
Sie haben nichts für dein Verzagen,
Und schaudernd sinkst du in die Gruft!

Das ist das Leben und Verscheiden,
Wenn Christus nicht auf Erden kam
Und auf dem Kreuze Schreck und Leiden
Dem Leben und dem Tode nahm.

Gott will uns über alle Leichen
Und alle Schrecken der Natur
Die Vaterhand herüberreichen,
Doch reicht er sie dem Christen nur.

In dieses Lebens Kampfgewühlen
Bis an des Friedens Morgenroth
Ist Schmerz noch unser tiefstes Fühlen,
Der innerste Gedanke – Tod.

Drum ließ in Schmerz und Tod die Armen
Der treue Gott uns nicht allein,
Am Kreuz voll Liebe und Erbarmen
Gieng Gott in unsre Weise ein.

Gelöst sind nun die bangen Fragen,
Nun ist dem Herzen Alles kund:
Der Liebe Blüthenwelt zu tragen
Sind Schmerz und Tod der dunkle Grund.

Und unerschüttert steht das Hoffen,
Das Auge sieht vom Grabesrand
Den heimathlichen Himmel offen,
In welchen Christus auferstand.

Das Alles aber ist verloren,
Wenn's nicht in euch lebendig lebt,
Wenn nicht die Kirche neugeboren
Von ihrem Pfuhle sich erhebt.

Ihr ward der Glaube eine Leiche,
Die sie mit scharfem Stahl zerlegt;
Doch sagt ihr nicht die kalte, bleiche,
Was selig einst ihr Herz bewegt.

O Thoren! wenn ihr Gott betrachten,
Erkennen wollt den Herrn der Welt,
Wie einen Stein aus dunkeln Schachten,
Der still dem kalten Blicke hält.

Wie schnell auch die Gedanken rennen,
Kein Forschen und kein Grübeln frommt,
Der Geist kann nur den Geist erkennen,
Wenn ihm der Geist entgegenkommt.

Drum lüfte euer Geist die Flügel,
Und reißet eure Herzen auf
Und nehmet über alle Hügel
Der Sehnsucht nimmermüden Lauf!

Und spähet, lauschet, harret, trauert,
Bis euch Sein heil'ger Hauch durchweht,
Bis Seine Wonne euch durchschauert;
Erkenntniß Gottes ist – Gebet.

Gebet ist Balsam, Trost und Friede,
In Gott ein froher Untergang,
Es ist mit Gottes ew'gem Liede
Tiefinnerster Zusammenklang;

Gebet ist Freiheit, die der Schranke
Der Erdennacht die Seel' entreißt,
Dann steht kein Wort und kein Gedanke
Mehr zwischen ihr und Gottes Geist.

Geheimnißvoll und doch so helle,
Ist es der Seele wunderbar
Ein süßes Schlummern an der Quelle
Und doch ein Wachen seligklar.

O lernet glauben, lernet beten!
Denn bald und schnell kommt Gottes Schwert;
Die Wolken selbst sind die Propheten
Des Blitzes, der herunterfährt.

Gott wird Italien schrecklich schlagen,
Weil es für seine Stimme taub;
Gott wird die Medici verjagen,
Ihr Werk hinwerfen in den Staub.

Gott wird, heimsuchend die Verbrecher,
Nicht einem Trinker ähnlich sein,
Dem in den schönen goldnen Becher
Ein Schalk gegossen schlechten Wein.

Ausgießt den schlechten Wein der Zecher,
Macht das Geschirr vom Aerger leer;
Doch wirft er seinen goldnen Becher
Dem Wein zu Hasse nicht ins Meer.

Gott aber wird nach wenig Tagen
Den Sünder nehmen in die Hand,
Die Sünde und 's Geschirr zerschlagen,
Zerschmettern an der Felsenwand.

O wollet nicht durch äußre Werke
Gerettet und beseligt sein;
Der Glaube in lebend'ger Stärke
Rechtfertigt euch vor Gott allein.

Und trauet nicht der Friedenskunde,
Die euch ein falsches Mitleid bringt;
Der Schmeichler richtet euch zu Grunde,
Wenn er den Schmerz in Schlummer singt.

O legt nicht schlafen das Gewissen,
Seid wach und seid auf Gott gestellt!
Es ist ein schlechtes Ruhekissen
Die Sturmeswoge dieser Welt.

Es muß die Kirche sich erneuern;
Bald ruft ihr Gott in Schreck und Pein,
In Pest und wilden Kriegesfeuern
Erschütternd zu: Gedenke mein!

 

Der Tod Lorenzo's, des Erlauchten.

              Aus Perlen mischt und Edelsteinen,
Aus theuern Säften einen Trank
Der bange Arzt, die Freunde weinen,
Lorenzo ist zum Sterben krank.

Wollt ihr den ernsten Tod bestechen
Mit Flitter aus dem Meeresgrund?
Und seinen starren Willen brechen
Mit Opfern aus der Berge Schlund?

Umsonst! vorüber ist vorüber!
Den Kranken rettet ihr nicht mehr,
Lorenzo's Augen werden trüber,
Der Puls ist wirr, der Athem schwer.

Das heiße Fieber strömt mit Gluten
Durch seine Lebensfelder hin,
Wie bergentquollne Lavafluten
Durch grüne Wiesen tödtlich ziehn.

Und was von seinen Lebenstrieben
Noch aus der Asche grünen mag,
Das muß erfrieren und zerstieben
In Fiebers Frost und Hagelschlag.

Des Zimmers Fenster sind verhangen
Zur Dämmerung, der Sonne Schein,
Die draußen lustig aufgegangen,
Darf zu der Klage nicht herein.

Verhangen sind mit dunkeln Flören
Die Griechengötter an der Wand,
Daß ihn die Lieblinge nicht stören,
Nimmt er das Crucifix zur Hand.

Auch ist der heitre Götterorden,
Der Lust ward in der alten Welt,
Zu unserm Gott, der Schmerz geworden,
Unwürdig lachend hingestellt.

Was hilft es, daß der Flor verhehle
Die Bilder dort? könnt ihr sie auch
Verhängen in des Kranken Seele,
Wo sie aufziehn, des Fiebers Rauch?

Hört ihr ihn stöhnen, toben, klagen
Im ängstlichen Delirium?
Wie quälend ihn die Bilder jagen
Zu Füßen des Olymps herum?

Der Kranke schaut im Fieberwahne,
Was Platon malte im Gedicht,
Die große Seelenkarawane,
Die auf im Zug der Götter bricht.

Es gilt, den Himmel zu gewinnen,
Die Seele hastet was sie kann
Auf nach des Berges steilen Zinnen
Mit dem gefiederten Gespann.

Der Seelen jede hat zwei Rosse,
Das eine bös, das andre rein;
Sie selbst als Führer und Genosse
Damit verwachsen überein.

Doch göttlich sind der Götter Pferde,
Erklimmen leicht den Himmelshang
Mit schöner, strahlender Geberde,
Melodisch rauscht ihr Flügelklang.

Leicht schwingt sich über jede Klippe
Ein göttlich Roß, denn es gedenkt:
Dort fällt Ambrosia in die Krippe,
Mit Nektar werd' ich dort getränkt.

Den Himmel rings im weiten Kreise
Umschwingt der Götter hohe Bahn,
Wo sie das Gute, Schöne, Weise
Im Urblick finden aufgethan.

Der Andern Rosse sind im Kampfe;
Das edle strebt zur Höh' empor,
Das böse wiehert mit Gestampfe
Und zieht hinab zu Sumpf und Moor.

Dem Götterzug vorangetragen
Fährt Dios herrschende Gestalt,
Und unter seinem Flügelwagen
Der Boden vor Entzücken wallt.

Und hinter Zeus, dem großen Meister,
Folgt in elf Zügen, weitgeschaart,
Das Heer der Götter und der Geister
Auf des Olympos steiler Fahrt.

Den besten Seelen mag's gelingen,
Wenn's edle Lichtroß überwand,
Nach mancher Noth hinaufzudringen
Nah zu des Gipfels steilem Rand.

Der Führer streckt für Augenblicke,
Die er dem Rosselenken raubt,
Empor zum seligen Geschicke
Der Götter sein entzücktes Haupt. –

Hört ihr Lorenzo's Seele schreien
Im wildverworrnen Fiebertraum,
Wie ihre Rosse sich entzweien,
Wie sie sich quält im niedern Raum?

Ihr edles Roß, weiß, blankgefiedert,
Schwarzäugig und von Wuchs gerad,
Hochhalsig, schlank und leichtgegliedert,
Strebt aufwärts nach dem Götterpfad.

Das andre schwarz, voll arger Tücken,
Hartmäulig, plump, und schlecht gebaut,
Kurzhalsig, mit gesenktem Rücken,
Es wuchtet erdwärts, zerrt und haut.

Sein Aug, blutunterlaufen, gläsern,
Späht nur in dumpfer Niederung
Voll trüber Gier nach faulen Gräsern,
Und fühlt nicht Stachel, Geißelschwung.

Müh, Angstschweiß und Getümmel drängen
Sich in der Seelen hinterm Troß,
Denn jede sucht hindurchzusprengen
Den Andern nach mit Tritt und Stoß.

Lorenzo mitten im Gefechte
Vergebens vorwärts kämpft und ringt,
Scharf peitscht den Rappen seine Rechte,
Das Christusbild die Linke schwingt.

Hoch schwingt er's aus dem wilden Heere,
Das immer dichter ihn umbraust;
Doch wiehernd schlägt die schwarze Mähre
Das Crucifix ihm aus der Faust.

Das Kreuz wird von den Hufen schallend
Zertreten, in den Grund gestampft,
Die Gegend, wie ein Kessel wallend,
Vom heißen Hauch der Rosse dampft.

Nun stürzen sich ins Heer der Streiter
Auf Rossen: weiß, roth, schwarz, und fahl,
Die vier apokalyptischen Reiter
Und das Getümmel wächst im Thal.

Der erste läßt den Bogen schwirren;
Der zweit' ein Schwert gewaltig schwingt;
Der dritte läßt die Wage klirren;
Der vierte Sterbelieder singt.

Ein kalter Sturm jetzt kommt gezogen,
Die Seele am Gefieder packt:
Sie sieht's in alle Welt verflogen,
Nun friert sie, zittert, müd und nackt.

Und plötzlich Ross' und Reiter schwinden
Sammt dem Olymp – Lorenzo steht
Einsam, verlassen, nackt, von Winden
Auf einer Haide kalt umweht.

Das Fieber sein Gebein durchschüttelt,
Und endlich wird der Kranke wach,
Vom heft'gen Froste aufgerüttelt,
Blickt scheu herum im Sterbgemach.

Die Freunde weinen, daß die Kette,
Die schöne, bald der Tod zerreißt;
Savonarola kniet am Bette
Und betet für Lorenzo's Geist.

Girolamo mit tiefem Trauern
Am Bett des Medicäers kniet,
Und mit herzinnigem Bedauern,
Wenn ungeheilt sein Geist entflieht.

Nun steht er feierlich am Kranken,
Er faßt den ernsten Augenblick,
Mit dem er zweifeln sieht und schwanken
Unwiderrufliches Geschick.

»Noch ist es Zeit« – so spricht der Fromme –
»Daß in das Herz dir Gottes Huld
Erleuchtend und erquickend komme,
Versöhne deines Lebens Schuld.

Versäume nicht die kurze Stunde,
Solang du weilst im Erdenthal,
Laß dringen dir zum Herzensgrunde
Der Gnade milden Sonnenstrahl!

Ich frage dich: bist du gestanden
Auf also hohem Berge je,
Daß unten deinem Blicke schwanden
Die Felder, Thürme, Wald und See?

Auf einem Berg, von dessen Scheitel
Für deinen Blick verschwunden war,
Was unten sterblich ist und eitel,
Geschick der Menschen wandelbar?

Zu dem kein Jauchzen und kein Singen,
Kein Ruf der Klage drang empor,
Zu dessen Fuß mit matten Schwingen
Der Donner murmelnd sich verlor?

Dort kann mit überraschtem Grauen,
Wenn hoch die Sonn' am Himmel wacht,
Das Aug' in schwarzen Lüften schauen
Die Sterne wie zu Mitternacht.

Dort scheint auf klarem, ew'gem Eise
Die Sonne fremd und kühl, sie bricht
Nur durch die dunstumhüllten Kreise
Hier unten als ein warmes Licht.

Und ist dein Geist dahingegangen,
Wo ihn die rein're Luft umweht:
Die Strahlen Gottes zu empfangen
Ist's dort vielleicht für ihn zu spät.

Und bitter wird er dann beklagen,
Daß er den Segensblick versäumt
In seinen flücht'gen Erdentagen,
Solang er noch geirrt, geträumt!« –

Mit immer mattern Herzensschlägen
Lorenzo, aufgerichtet, fleht:
»»Gib, frommer Vater, mir den Segen
Und sprich ein stärkendes Gebet!««

»O Fürst! den Segen will ich sprechen
Zu deiner Rückkehr in den Staub,
Willst du dem Volk die Fesseln brechen,
Gibst du zurück den großen Raub.

Glaubst du an Gottes heil'ge Dreiheit,
Mußt glauben du zu gleicher Frist:
Daß Christus ist ein Gott der Freiheit,
Daß nimmer ein Despot ein Christ.

Für welche Gott sein Blut vergossen,
Für die er starb auf Golgatha,
Sind Gottes theure Bundsgenossen,
Sind nicht zum Spiel der Fürsten da.

Freiheit ist nicht die höchste Gabe,
Die hier der Mensch zum Heil bedarf;
Doch trägt ihm all sein Glück zu Grabe,
Wer ihm die Freiheit niederwarf.

Ihr schleicht in Gottes Haus als Diebe,
Als Räuber kränkt ihr Gottes Flur,
Despoten! Christenthum ist Liebe,
Ganz lieben kann der Freie nur.

Kann's Auge froh zur Ferne dringen,
Wenn es die Sklavenzähre näßt?
Und kann ein Herz die Welt umschlingen,
Das Sklavengram zusammenpreßt? –

Willst du den Bund nicht anerkennen
Des Glaubens, der uns Brüder macht,
So will ich einen Bund dir nennen,
Den wohl dein Herz noch nie bedacht.

Der Bund, dem ihr nicht könnt entlaufen,
Ihr Könige! der fest und dicht
In einen trauten Jammerhaufen
Mit Bettlern euch zusammenflicht:

Es ist der Schmerz, die Eisenkette,
Die euch, ihr Fürsten, stolzverirrt,
Oft freilich erst am Todesbette
Zurück in euer Elend klirrt.

Schon wenn euch läßt die Mutter sinken
An ihrer Brüste süßen Quell,
Müßt ihr mit uns den Leihkauf trinken
Auf Noth und Tod – sie reifen schnell!

O Fürstenhut – und Sterbenszüge!
O Zepter – und die Faust entzwei!
O Majestät, du bittre Lüge!
Lorenzo, mach die Brüder frei!

Lorenzo! gib die Freiheit wieder,
Der Republik ihr altes Recht,
Das uns gekämpft, geschmeichelt nieder
Dein übermüthiges Geschlecht!«

Lorenzo spricht: »»Wollt' ich beglücken
Ein Volk, mußt' ich's beherrschen auch.
Mein und der Väter Werk zerstücken
Soll ich mit meinem letzten Hauch?

Ich hab' in schlummerlosen Nächten,
Rastlosen Tagen nur geglüht,
Für's Volk zu denken und zu fechten,
Das nun vor allen herrlich blüht.

Den lichten Spuren meiner Ahnen
Bin ich gefolgt treu immerdar;
Frohlockend zog mit unsern Fahnen
Von edlen Geistern eine Schaar.

Wir zogen nach dem heil'gen Grabe
Der Kunst und Weisheit, freudig kennt
Die Menschheit ihre große Habe,
Die wir ersiegt im Orient.

Ich soll nicht Fürst und Vater heißen
Dem Volke und dem Vaterland?
Soll sterbend ihm vom Himmel reißen
Den Stern des Ruhms mit eigner Hand?««

»Du sollst! du sollst das Werk zerstücken
Der Willkühr, eh's mit dir vorbei.
Es kann ein Volk nur Gott beglücken,
Doch du, Lorenzo, mach' es frei!

Dein Volk ist krank und ist verdorben,
Das dir vor allen herrlich blüht,
Dein Volk ist innerlich erstorben,
Die heil'ge Sehnsucht schier verglüht.

Die Griechenweisheit überkleistert
Nur schlecht der Herzen tiefen Bruch;
Ein Bild, wozu nicht Gott begeistert,
Ist nur ein kunstgeschmückter Fluch.

Der Grieche hat nicht Gott gefunden
Mit seiner Andacht höchstem Schwung;
Die Blüthe seiner schönsten Stunden,
Was war sie? nur Vergötterung.

Die Künstler meißeln, malen, leiern
Um einen längstverdorrten Kranz,
Denn mit dem Heidenthume feiern
Sie einen kalten Todtentanz.

Der Traum der Alten war verloren,
Für sie so schön! für uns zu schaal!
Habt ihr ihn nur heraufbeschworen,
Daß er sich träume noch einmal?

Dir hat, dem Hochbegabten, Reichen,
Die Zeit ihr Schicksal auferlegt,
Sie hat ihr dunkles Trauerzeichen
Auf deine Stirne scharf geprägt.

Der Fiebertraum, der dich gepeinigt,
Der Christenthum und Heidenthum
In deiner Seele wüst vereinigt,
Ist jetzt das Weltdelirium.

Die Künste der Hellenen kannten
Nicht den Erlöser und sein Licht,
Drum scherzten sie so gern und nannten
Des Schmerzes tiefsten Abgrund nicht.

Daß sie am Schmerz, den sie zu trösten
Nicht wußte, mild vorüberführt,
Erkenn' ich als der Zauber größten,
Womit uns die Antike rührt.

Doch Abend ist's und Ernst geworden,
Der Abgrund klafft, der Heiland ruft,
Der heitre Wahn, die Götterhorden
Zerstieben in der Wetterluft.

Was hast du deinem Volk geboten
Für seine Freiheit? karger Tausch!
Bevor du wanderst zu den Todten,
Bedenk es: Trug und Sinnenrausch!

Ist dir im Herzen nicht verglommen
Und kalt des Glaubens letzte Glut,
So gib zurück was du genommen,
Mach deine Brüder frei und gut!« –

Lorenzo spricht: »»Gott ist mein Glaube,
Christus mein Trost und mein Gebet;
Doch was du sprichst von einem Raube,
Am Herzen mir vorübergeht.

Ich wollte nur mein Volk beglücken,
Drum wollt' ich es beherrschen auch;
Mein und der Väter Werk zerstücken
Wird treulos nicht mein letzter Hauch.

Ich raube meinem Volke nimmer
Was ich ihm gab, den Stern des Ruhms;
Der trüben Zeit den heitern Schimmer,
Die schöne Welt des Alterthums.

Doch gib, o Vater, mir den Segen,
Weil du der Frömmste, Reinste bist,
Den ich geschaut auf meinen Wegen,
So sterb' ich als ein guter Christ.

O laß mich deine Hand noch fassen,
Und reiche mir zum Scheidegruß,
Wenn du mich siehst im Tod erblassen,
Das Evangelium noch zum Kuß.««

Da wendet sich vom starren Kranken
Girolamo, das Haupt geneigt;
Er tritt voll trauriger Gedanken
Zum Fenster hin und sinnt und schweigt.

Und sinnend bricht er eine Rose
Vom Stocke, der am Simse grünt,
Und wieder kehrt der Hoffnungslose
Zu seinem Kranken unversühnt;

Er stellt mit unterdrücktem Weinen
Sich an des Sterbelagers Rand,
Das Evangelium in der einen,
Die Rose in der andern Hand;

Jetzt neigt er sich dem Kranken näher
Und hält zum letzten Gruße dicht
Dem unbeugsamen Medicäer
Das Buch, die Rose vor's Gesicht

Und spricht: »Eh dich der Tod verwüstet,
Hat Geist und Leib dir hoch geragt,
Mit Kraft und Schönheit ausgerüstet;
Ein Sinn allein war dir versagt.

Geruch nur war dir nicht gegeben.Die Geruchlosigkeit Lorenzo's ist historisch bekannt. Roscoe life of Lorenzo de' Medicis.
Dir würzt' umsonst der Lenz die Luft,
Du scheidest aus dem Erdenleben,
Und kanntest nie der Rose Duft.

Wie du im Lenz vom Blüthenstrauche
Nichts kanntest, als den Farbenschein,
wie, ungespürt, die Rosenhauche
Die Brust dir zogen aus und ein:

So hast du dieser heil'gen Blätter
Den süßen Duft wohl nie gespürt,
Den uns der Herr im Frühlingswetter
Mit seiner Liebe zugeführt.

Erbarmen möge dir begegnen
In jener Welt! ich scheid' in Schmerz.
Lorenzo, stirb! – ich kann nicht segnen
Dein unerweckbar stumpfes Herz!« –

Die Schaar der Freunde steht beklommen
Im dämmerhellen Sterbgemach
Und starrt Girolamo, dem Frommen,
Der sie erschüttert, schweigend nach.

Ein ängstlich Fragen, scheues Lauern,
Verzagtes Flüstern, stumme Hast
Erfüllt mit ungewohnten Schauern
Den sonst so fröhlichen Pallast.

Und fallen muß zur selben Stunde
Der Fürst dem ehernen Gebot;
Und in Florenz von Mund zu Munde
Geht dumpf das Wort: Lorenzo todt!

 

Tubal.

                Die Stadt ruht schweigend hingebreitet
In Mitternacht und Mondesglanz,
Des Domes Thürmer einsam schreitet
Auf seinem hohen Thurmeskranz.

Und er bedenkt an luft'ger Stelle,
Wie unten tief die Welt nun schweigt,
Wie brausend bald des Lebens Welle
Sich hebt, und bald zum Tod sich neigt.

Aus einem Haus nur hört der Wächter,
So wie die Thüre auf und zu,
Manchmal ein Jauchzen und Gelächter,
Dann wiederkehrt die stille Ruh.

Dort wacht ein lustiges Gelage,
– So denkt der Mann in seinem Sinn –
Sie tummeln sich die Nacht zum Tage;
Doch bringt's dem Leben nicht Gewinn.

Was sie dem Schlaf an Stunden stahlen,
Das treibt für ihn sein Bruder ein,
Das müssen sie dem Tod bezahlen,
So bleibt es bei der Sippschaft fein.

Horch! Tubal klappert durch die Gasse;
Der Jude mit der Krücke haut
In seinem wilden Christenhasse
Den Stein, daß mir hier oben graut.

Er ist dem Irrenhaus entsprungen,
Ich kenne seine Stimme wohl,
Die jetzt zu mir heraufgedrungen
So kreischend wild, so dumpf und hohl.

Du armer Jude! ist's ein Wunder,
Wenn deine Sinne sich verirrt,
Und wenn des Wahnsinns grauser Plunder
Dir zornig von den Lippen schwirrt?

Warst du nicht elend und verachtet,
Von Jugend auf gedrückt, gehetzt?
Bis sie geraubet und geschlachtet
Selbst deine Kinder dir zuletzt?

Nun schlägst du grimmig mit der Krücke
Den Kies, nun bildest du dir ein
Im wilderträumten Racheglücke,
Das Herz des Pabstes sei der Stein! –

So denkt auf seinen hohen Mauern
Einsam der Wächter und er wagt
Den Juden heimlich zu bedauern,
Der durch die Straßen fluchend jagt.

Doch, schon erschrickt, als ob ihm dräue
Das Ketzerloos, der Thurmeswart,
Als ob sie selbst das Mondlicht scheue,
Flieht seine Thräne in den Bart.

Indeß sein Herz nur schüchtern oben
Gewagt den schönen Bruderschmerz,
Hört unten er stets lauter toben
Der Schenke Lust und tollen Scherz.

Da sitzen sie am langen Tische,
An Zechgebärden, Tracht, Gestalt,
An Wort und Blick ein bunt Gemische,
Es strömt der Wein, Gelächter schallt.

»Die allerschönste Blüthenhecke!«
– Ruft einer jubelnd aus der Schaar –
»Wir sind ja lauter Rosenstöcke,
Sich selbst begießend wunderbar!«

»Das Freudenröslein sei begossen
Mit edlen Weines süßem Schwall!
Aus Röslein lustig aufgeschossen
Schlägt manche derbe Nachtigall!«

Umflorten Blickes faßt ein Zweiter
Die Zecher Mann für Mann und meint:
»Die Sprossen sind's der Jakobsleiter,
Die leider umgestürzt –« und weint.

Ein Maler senkt ans Glas die Stirne,
Ob er Madonnen schauen mag;
Doch spiegelt ihm der Wein die Dirne,
Die jüngst in seinen Armen lag.

Ein Kriegskumpan den Schenken hetzet:
»Schenk ein, schenk ein die ganze Nacht!
Mir ist das Blut noch nicht ersetzet,
Das ich verschüttet in der Schlacht!«

Ein Andrer singt, und Andre zanken,
Doch Alles lacht von Zeit zu Zeit;
Nur Einer, schweigend in Gedanken,
Trinkt seinen Krug allein, abseit.

Dem Ernsten ruft ein kecker Junge:
»Stoß an! sei froh! schön ist die Welt!
Hast du kein Herz? und keine Zunge?
Gewiß, du bist ein Deutscher, gelt?

Der Deutsche, trüb in allen Stücken,
Kann selbst im Rausch nicht selig sein,
Gleich fallen ihm die schwarzen Mücken,
Die Todsgedanken, in den Wein.

Den Deutschen trübt und drückt sein Himmel,
Der kalte, dicke Nebelwust,
Drum setzt sich ihm der ekle Schimmel
Vergänglichkeit an jede Lust!«

Der Deutsche spricht: »Mir ist viel theurer
Mein Himmel, der gewaltig trotzt,
Als überm Land Italia eurer,
Der ewig blau herunterglotzt.

Die Alpen hab' ich überklommen
Zu Lieb den blauen Lüften nicht;
Doch trieb's zu hören mich den Frommen,
Der morgen in San Marco spricht.«

Der Junge drauf: »Nur ein Verbrechen
Aus deiner Heimath dich vertrieb;
Wagst du es nicht, mit uns zu zechen,
Weil du ein Mörder oder Dieb?

Bangt dir, daß wir die schlimme Kunde
Dir treiben aus mit Rebenblut,
Wie man hervor vom Erdengrunde
Den Maulwurf tränket mit der Flut?«

Der Fremde stürzet auf den Jungen,
Schon holt er mit dem Degen aus:
Da ist die Thüre aufgesprungen
Und Tubal poltert in das Haus;

Und alle fahren von den Bänken
Dem Frechsten auch vor Tubal graut,
Der Fremde muß den Degen senken,
Als er den alten Juden schaut.

Durch Felsen, bleich, gehöhlt, verwittert,
Wo Geier nur und Stürme nahn,
Braust dort ein Waldstrom wild, erbittert,
Und immer frisch die rauhe Bahn;

Und hier durchbraust den grimmen Alten,
Verwittert, hohl, und schreckend blaß,
Aus seines Herzens finstern Spalten
Ein immer frischer Strom – der Haß.

Der Jude fährt ins Zechgewirre
Und auf den Tisch die Krücke haut,
Daß klirrend tanzen die Geschirre,
Und also ruft er gellend laut:

»O frecher Traum! o bittre Blendung!
O weites Feld mit Fluch besät!
Sie nannten ihn den Mann der Sendung,
Messias den von Nazareth!

O daß ein Blitz ins Herz euch schlage
Das Flammenwort: Er war es nicht,
Der kommen wird am End' der Tage,
Zu halten Ernte und Gericht!

Er war es nicht, der auf den Wegen
Durch dürre Wüsten Gottes Schaar
Erquickt, gestärkt mit seinem Segen
Und mitgezogen unsichtbar!

Er war es nicht, der mit den Ahnen
Sich schon gefreut im Paradies,
Eh auf des Schmerzes finstre Bahnen
Der Zorn des Herrn sie fortverstieß!

Er hatte nicht, wie jener Echte,
Beim Vater schon die Herrlichkeit,
Bevor Jehova's starke Rechte
Die Welt hinauswarf in die Zeit!

Der auf dem Kreuz gewinselt Klagen,
Der in den Tod sein Haupt gebückt,
Hat Davids Thron er aufgeschlagen?
Und Gottes Volk befreit? beglückt?

Sein Werk war nicht im Bund mit Gotte,
Er hat's gethan mit Beelzebul;
Hat er Satan und seine Rotte
Geschleudert in den Höllenpfuhl?

Nach seinen vierzehnhundert Jahren
Sind noch die Teufel alle da,
Die hergelockt, wie Fliegenschaaren,
Sein Leichenduft auf Golgatha!

Warum thut er jetzt keine Wunder?
Weil er so herb getäuscht die Welt,
Ward sie ein thränennasser Zunder
Auf den umsonst sein Funken fällt?

Es wimmelt noch von Qualzerfressnen,
Der Aussatz blüht und jede Noth;
Wer zählt die Lahmen, die Besessnen,
Und die er wecken soll vom Tod?

Warum denn brach die Liebeskette?
Ich kenne ein blutflüßig Weib,
Der Nazarener komm' und rette,
Sie siecht und krankt am ganzen Leib!

Wenn er sich nicht zur Hülfe sputet,
Und zeigt sich sein Erbarmen lau,
Trifft er die Kirche schon verblutet,
Und Satan weint um seine Frau!

Die galiläischen bösen Geister,
Die jene Armen einst geplagt,
Und die als Retter euer Meister
Ins Vieh und in den See gejagt,

Sie schwammen fort unter der Erde
Vom See bis in den Tiberstrom,
Die borst'ge Gadarenerheerde
Sprang frisch und froh ans Land – zu Rom!

»Schon in der ersten Zeit der Feigen«
– Sprach einst Jehova – »habe ich
Gefunden an den grünen Zweigen
Mein Israel, Frühfeige, dich!«

Nun wird für seine Frühlingstreue
Der erste Schmuck am Feigenstamm
Vom Uebermuth der frechen Säue
Getreten tief in Koth und Schlamm!

Einst lag das erste jener Thiere,
Der achte Innocenz genannt,
und streckte sterbend alle viere,
Da kam herbei der Arzt gerannt;

Der sprach zum Thier im Sterbebette:
»Die Kunst ist lahm, der Tod ist schnell;
Gebeutst du, Herr, daß ich dich rette,
So schaff drei Knaben mir zur Stell!

Der müde Strom des heil'gen Lebens
In deinen Adern sickert schon;
Die Spezerei ist all vergebens,
Hier hilft allein die Transfusion.«

Da sprach das Thier: »»drei frische Knaben
Hat Tubal, stehlt sie mir geschwind!
Ihr Herzblut soll das meine laben,
Macht schnell! ein Jude braucht kein Kind!«« –

Seht ihr das Blut hinübersprützen?
Das Blut der Unschuld hell und roth,
In seine schwarzen Lasterpfützen!?
Weh mir! nun sind die Kinder todt!«

Der Jude rief es und ist brausend
Hinausgestürzet in die Nacht;
Die Zecher haben stumm und grausend
Dem Wort des Hasses nachgedacht.

Der Fremde spricht mit bitterm Scherzen:
Ihr meint, im Wahnsinn tappt der Wicht,
Weil ihm ausblies der Sturm der Schmerzen
Im Kopfe sein Laternenlicht?

Er ist kein Narr, er ist nur elend,
Weil er das Ungeheure litt,
Weil ihn das Bild des Jammers quälend
Verfolgt ans Grab mit jedem Schritt.

Ob auch der alte Jude rase;
In seinen Reden kraus und wild,
Auch im zerbrochnen Spiegelglase
Zeigt sich von unsrer Zeit das Bild.

 

Die Entscheidung.

              Girolamo war euch ein trüber
Prophet; doch wahr! seht! schreckenschwer
Die Apenninen zieht herüber
Dort ein Gewitter, Feindesheer.

Zerstörend, plündernd, mordend tosen
Auf ihrer raschen Siegesbahn
Durchs Land Italia die Franzosen,
Und Carl, ihr König, ficht voran.

Der König auf Erobrerpfaden
Verfolgt ein falsches Heldenthum;
Der Eitle will in Blute baden
Das neugeborne Kindlein Ruhm.

Sie rücken, Schreck auf Schrecken thürmend,
Toscana zu; sie nehmen schon
Die Festung Fivizano stürmend,
Kein Menschenleben kommt davon;

Dort werden Männer, Kinder, Frauen
Von König Carl und seinem Heer
Erbarmungslos zusammgehauen;
Sie stürmen auf Florenz einher.

Die Florentiner zitternd bangen,
Sie flehn Pietro Medici,
Der seines Vaters Macht empfangen,
Daß er dem Feind entgegenzieh'.

Er soll ein Heer zu Hülfe raffen,
Den Feind bezwingen in der Schlacht,
Und wenn er's nicht vermag mit Waffen,
Ihn schlagen mit des Wortes Macht.

Umsonst! Lorenzo ist gestorben;
Sein Sohn ist nur despotisch dreist,
Er hat des Vaters Macht erworben,
Nicht seinen Muth, nicht seinen Geist.

Und blickt auf seines Sohnes Zittern
Lorenzo aus der Schattenwelt,
So sieht er seine Hoffnung splittern,
Und wie sein stolzes Werk zerfällt.

Pietro zieht dem Feind entgegen;
Doch fechtend nicht fürs Vaterland,
Nein! in den Staub sich hinzulegen,
Zu betteln um die eigne Schand.

Mit staunender Verachtung höret
Der fremde Fürst, wie Medici
Um sein Erbarmen ihn beschwöret,
Die Stimme bebt, es wankt das Knie.

Der stolze Mediceername
Pietro nur noch tiefer drückt,
Wie wenn mit einer Fürstenbrame
Ein Bettler seine Lumpen schmückt.

Anstatt den Uebermuth zu strafen
Mit seinem Schwert, mit seinem Wort,
Räumt er dem Feind Livorno's Hafen,
Toscana's Burgen ein sofort.

In Münzen und in blanken Barren
Verheißt er ihm noch schweres Gold.
Nun kehrt er heim. Die Bürger harren,
Zu zahlen ihm den Botensold.

Verachtung trifft so schlechten Boten,
Und jede Hülle niederstreift
Der Haß, dem Hause der Despoten
Seit sechzig Jahren angereift.

Wie ehmals zieht er mit Gepränge
Vor den Pallast der Signorie;
Da ruft des Volks empörte Menge:
»Fluch dir! Fort mit den Medici!«

Und die Signoren treiben spottend
Von ihrer Thür den Mann der Schmach;
Und, sich an seine Ferse rottend,
Schrei'n ihm die Straßenbuben nach.

Sein Freund Orsini will ihn schützen
Und sammelt eine Kriegerschaar;
Doch kann's Pietro nimmer nützen,
Mit seiner Macht ist's aus und gar.

Pietro flieht, der Pöbel wüthet
Und stürmt das Mediceerhaus,
Was der Pallast an Schätzen hütet
Und aufbewahrt – es muß heraus.

Cameen, Münzen und Juwelen,
Agatgefäße, Goldgeschirr,
Treibt durcheinander in den Sälen
Und schwindet fort im Raubgewirr.

Die schönen Bilder an den Wänden
Zertritt, zerreißt der Pöbel wild,
Viel theure Werk' in Rollen, Bänden,
Zertrümmert wird manch Marmorbild.

Ein Zug dem Pöbel angehörend,
Daß seine Wuth sich gern ergeht
In Geisteswerken blind zerstörend,
Die er nicht hat und nicht versteht. –

Wer sind die drei, die Finstern, Stummen,
Die nach Bologna wandern dort,
Daß keiner will ein Liedlein summen,
Und keiner sprechen mag ein Wort?

Die düstern Wandrer vorwärts eilen,
Nur wie auf ein verlornes Glück,
Kehrt trüb und flüchtig noch zuweilen
Dort nach Florenz ihr Blick zurück.

Sie sehn noch fern der Thürme Zinnen,
Die Cosimo gebaut, ihr Ahn;
Die Enkel aber ziehn von hinnen
Des Flüchtlings kummervolle Bahn.

Wohl mancher, der an ihrem Leide
Vorbei mit Roß und Wagen rennt,
Trotz ihrem schüchternen Verkleide
Die Brüder Medici erkennt.

Doch Keiner mit dem Haupte nickend
Hat ihnen einen Gruß gebracht;
Wer Mitleid hat, beiseite blickend,
Eilt fort; wer keins, verhöhnend lacht.

Schwer denken sie, verhaßt, vertrieben,
An ihres Vaters Allgewalt;
Und daß sein thatenreiches Lieben
Das Volk den Söhnen schlecht vergalt.

Denn gern vergißt, wen Undank kränket,
Daß dankbar bis zum letzten Hauch
Der Mensch nur dann der Huld gedenket,
Wenn Wohlthat ihn gebessert auch. –

Zu Rosse mit Triumphgepränge
Zieht in Florenz der König ein,
Hell flammt voran dem Heergedränge
Sein Harnisch, blank im Sonnenschein.

Die Gonfalonieren müssen
Die Zügel halten links und rechts,
Man wirft das Wappen ihm zu Füßen
Des mediceischen Geschlechts.

Der Riese, der am Wappenbilde
Schildhalter mit der Keule stund,
Wird wie der stolze Leu am Schilde
Vom Roß getreten in den Grund.

Das Roß hat in den Grund geschlagen
Die Lilien sammt dem Feld von Gold,
Die hufzerstampften Kugeln sagen,
Wie schnell ein Glück dahingerollt. –

Florenz! wer wird den König bannen,
Der über dich sein Schwert gezückt?
Wer jagt das starke Heer von dannen,
Das, siegesfrech, dich quält und drückt?

Girolamo, der fromme Krieger,
Tritt kühnen, gottgestärkten Blicks
Zum stolzen königlichen Sieger
Und hält ihm vor das Crucifix:

»Sieh! Dieser hat die Welt erschaffen;
Dieser dein Herr und König ist;
Wie Sturm die Spreu, dein Heer hinraffen
Kann Der, wenn du ein Frevler bist!

Sieh! Dieser hier kann dich zermalmen;
Du ragest stolz aus deinem Heer,
Der höchste nur von schwanken Halmen,
Sein Hagel schlägt – ihr seid nicht mehr!

Man hat das Stadtthor abgebrochen,
Raum schaffend deinem Baldachin;
Laß ab, auf den Triumph zu pochen,
Ein König ist gar leicht dahin!

Der sah in unsre Stadt dich reiten
Stolz unter deinem Sternendach,
Und im Triumph die Glieder spreiten,
Und Gottes Hoheit ahmen nach.

Dachtest du nicht mit Scham und Beben,
Vergänglicher! hinauf, an Ihn,
Der strahlend läßt um's Haupt sich schweben
Den großen Sternenbaldachin!?

Sei mild, o Fürst! und zieh von hinnen!
Es gnüge dir in diesem Land
Des Volkes Herzen zu gewinnen,
Auf daß dich segne Gottes Hand!« –

Girolamo hat ihn bezwungen,
Ihm ist des Frommen Blick und Wort
Erschütternd in die Brust gedrungen;
Der König zieht in Freundschaft fort. – –

Florenz! wer wird die Zweifel enden,
Wer schlichten den empörten Streit,
Der mit des Hasses wilden Bränden
Dein Volk zerrüttet und entzweit?

Ob ein Monarch, nach seinem Wollen,
Beherrschen soll des Volks Geschick?
Ob selbst die Bürger herrschen sollen
In einer freien Republik?

Es streiten sich mit gleichen Schaaren
Die Republik, die Monarchie,
Das Heil des Volkes zu bewahren;
Wer aber mag entscheiden hie?

Girolamo beruft zum Dome
Das Volk und hat mit seiner Macht,
Auf seiner Worte tiefem Strome
Der Republik den Sieg gebracht.

Er will nach heil'gem Ziele steuern:
Theokratie sein Muth begehrt,
Es soll Florenz die Kirch' erneuern,
Als Herzgebiet, als Gottesherd.

Denn freier mag in einem Freien,
Der nur vor Christus beugt das Haupt,
Die edle Saat des Herrn gedeihen;
Also der Kämpfer Gottes glaubt. –

O Held! sie werden dich bestreiten,
Und dich belasten mit der Schuld:
Du überstürzest deine Zeiten
In schonungsloser Ungeduld.

Der Mensch muß sterben, darum eilen.
Ein heiliger Gedanke läßt
Sich nicht zertröpfeln und zertheilen
Mit einem klug verschwiegnen Rest.

Und wem ein heiliger Gedanke
Bis auf den Grund das Herz durchdringt,
Der spricht, uneingedenk der Schranke,
Ihn aus, gewaltig, unbedingt.

Die Liebe rechnet nicht mit Küssen;
Die Feinde zählt kein tapfrer Mann;
Vom Himmel strömt in Wettergüssen
Mehr als die Erde trinken kann.

 

Der Trost.

                Rastlos, unhemmbar wandelt weiter
Durch Feinde vorwärts seine Bahn
Der unerschrockne Gottesstreiter,
Bekämpfend Knechtschaft, Schuld und Wahn.

Die Römler sind auf ihn erbittert,
Und alle Sünder, die er stört,
Der Pabst vor Angst und Haß erzittert,
Die Fürstenfreunde sind empört.

Wenn er vom Markuskloster schreitet
Zum Dome, daß er pred'ge dort,
Wird er verfolget und begleitet
Von manchem Fluch und Lästerwort.

Den Weg ihm hundert Freunde bahnen,
Sie schützen seine Kanzel dicht
Mit Schwertern, Flinten, Partisanen.
Girolamo zum Volke spricht:

»Ich saß allein in meiner Zelle;
Schon dämmerte die Nacht, da schlich
Ein sanfter, freundlicher Geselle
Zu mir herein und grüßte mich.

Des Pabstes Bote war's, er rollte
Von süßen Worten eine Flut,
Verhieß mir, wenn ich schweigen wollte,
Als Cardinal den rothen Hut.

Den will ich nicht; mein Trachten, Sinnen
Hab' ich gestellt auf andres Gut:
Nur jenen Hut will ich gewinnen,
Der rothgefärbt mit meinem Blut.

Der Pabst soll keinen Frieden hoffen,
Er schmeichle sich mit keinem Sieg;
Vor allen Christen führ' ich offen
Mit ihm den ruhelosen Krieg.

Es ist in Roma eingebrochen,
Es hat die Curia besetzt
Der Teufel, – seine Faschingswochen
Hält er mit seinen Freunden jetzt;

Er hält als frecher Kirchenschänder
Jetzt einen tollen Mummenschanz,
Er steckt in heilige Gewänder
Sein Volk und spielt ihm auf zum Tanz;

Er greift die Orgel, singet Psalmen
Im schnöd entweihten Heiligthum,
Beim Kerzenschein und Weihrauchsqualmen
Treibt seine Masken er herum.

Und sie erfrischend zu bedienen,
Führt er der Gäste reiche Schaar
Zu Wein und Spiel und Concubinen,
Und wechselnd wieder zum Altar.

Kleinmüthige, die hört' ich klagen:
»Bald stürzt in Trümmer Christi Burg!«
Und Gnostiker, die hört' ich sagen:
»Seht! Rom beherrscht der Demiurg!«

»Der Teufel hat Verrath und Lügen,
Blutschande, Meuchelmord gebracht,
Und sie geballt zu Menschenzügen
Und einen Pabst daraus gemacht!«

Ich aber rufe: nicht verzaget!
Ein Pabst, ein Christ ist Borgia nicht!
Je höher sich der Teufel waget,
Je bälder seine Leiter bricht! –

Es lag auf ihrem Krankenlager
Einst eine Frau, an Gütern reich,
Von schweren Leiden matt und hager,
Und endlich scheintodt, still und bleich.

Und ihre falschen Freunde eilten,
Bevor die Frau begraben war,
Daß sie die reiche Habe theilten,
Und jubelten um ihre Bahr.

Sie wühlten hastig in den Schränken,
Dort lag mit halbverblichnem Schein
Manch treubewahrtes Angedenken
An Perlen, Gold und Edelstein.

Und sie begannen sich zu schlagen
Um ihrer Freundin Feierkleid,
– Die Zier aus ihren Jugendtagen –
Und um ihr theures Brautgeschmeid.

Gefesselt waren ihr die Glieder,
In starken Banden stockt' ihr Herz,
Nacht deckte ihre Augenlieder;
Doch hörte sie – und fühlte Schmerz.

Wie Stück für Stück die Räuber nahmen,
Sie hört' es unterm Leichentuch;
Doch wie sie an ihr Liebstes kamen,
Ihr altes Evangeliumbuch:

Da trieb der Schmerz ihr Herz zu schlagen,
Auf ihre Wangen sprang das Blut,
Sie hob sich auf vom Todtenschragen,
Erschrocken floh die Räuberbrut.

Heilkräftig war der Frau die Kränkung,
Denn sie genas von jener Stund;
So nahe schon der Grabversenkung,
Ward sie vom Scheintod erst gesund.

Und euer Glaube soll nicht wanken;
Der Kirche Loos mögt ihr verstehn
In der Geschichte dieser Kranken.
Gott läßt sie nicht zu Grabe gehn.

 

Das Gelage.

                  Der Weinberg reifet süße Trauben
Wo San Pietro's Kirche steht,
Durch seine üpp'gen Rankenlauben
Der Sommernachtwind laulich weht.

Der Weinberg reifet süße Sünden
An San Pietro's ernstem Haus,
Es weht, sie fachend zu entzünden,
Der Nachtluft schwellendes Gesaus.

Da blinkt ein Tisch mit Früchten, Flaschen,
Es taucht der Mond mit seinem Strahl,
Von süßer Erdenlust zu naschen,
In manchen schäumenden Pokal.

Vanozza, einst des Pabstes Schöne,
Bewirthet ihrer Freunde Schaar,
Die Tochter auch, und zwei der Söhne,
Die sie dem Pontifex gebar.

Das Pfand entflohner Wonnestunden,
Lucrezia schön wie Keine blüht,
Daß sie den Männern Liebeswunden,
Und Neid ins Herz den Frauen glüht;

So reizend, daß für sie entbrannte
Das Brüderpaar in Liebesglut;
Daß sie der Pabst sein Liebchen nannte
Und schnöd genoß sein eignes Blut.

Sie läßt ihr schwarzes Haar den Lüften,
Bald fließt die reiche Lockenflut
Hernieder zu den schlanken Hüften,
Bald fliegt es hoch im Uebermuth.

Der bloße Busen athmet freier;
Die Schöne meint, daß dicht genug
Der trübe Mond den Silberschleier
Um Nacken ihr und Busen schlug.

Vom Mondenlichte meinet anders,
Als Schwesterlein Lucrezia,
Der lose Sohn Pabst Alexanders,
Ihr Bruder, Fürst von Gandia:

»O bliesen doch die Abendwinde
Die Kirche dort mir aus dem Licht,
Die jetzt mir eine Schattenbinde
Um deinen Busen neidisch flicht!

Mein Liebchen, laß dich's nicht gereuen,
Daß du für mich in Liebe brennst,
Und laß zum Trotz der Pflicht uns freuen,
Zum Hohn dem albernen Gespenst!

Weil einst wir ohne Woll'n und Wissen
Gelegen sind in Einem Leib,
Drum sollten wir auf Einem Kissen
Nicht liegen jetzt, geliebtes Weib?«

Cäsar, der andre Bruderbuhle,
Ist todtenstill, sein Blick nur wacht,
Wie über einem schwülen Pfuhle
Ein Irrwisch flackert in der Nacht.

Er sitzet stumm, und heimlich wüthend,
Valencia's finstrer Cardinal,
Er sieht den Fürsten, Rache brütend,
Lucrezia küssen Mal auf Mal.

In seines Herzens tiefsten Schachten
Der Priester still und schrecklich flucht,
Den Bruder heute noch zu schlachten
Blutschänderischer Eifersucht.

So oft auf Mund und Busenblöße
Der Herzog ihr die Lippen drückt,
– Der Priester zählt – so viele Stöße
Hat schon der Dolch auf ihn gezückt.

»Freut euch am schönen Erdenloose!
Wir leben eine kurze Frist;
Ein Narr, wer auch nur eine Rose
An einem Strauche wo vergißt!

Wir müssen uns von hinnen packen,
Uns wirft der Tod in einen Wust,
Ob in den ausgebrannten Schlacken
Gebet geglüht, ob Sinnenlust!«

Der Herzog rief's, den Becher schwingend;
Da tummelt Cäsar seinen Wein
Und ruft, mit ihm zusammenklingend,
»Von hinnen!« – und eilt fort, allein.

Vanozza spricht: »Ich bin Sorgen,
Mein Cäsar geht nach bösem Ziel!« –
Lucrezia ruft: »Sein bin ich morgen!« –
Ein Greis: »Licht her und Würfelspiel!«

»Für viele Noth und wenig Ehre
Hab' ich gedient mein Lebenlang,«
– So ruft der alte Condottiere –
»Laßt hören mich Ducatenklang!«

»Heraus, ihr Herren Cardinäle,
Rohan! und Raphael! mit Gold!
Der nacktesten Soldatenseele,
Vielleicht sind mir die Würfel hold!«

Der Herzog wirft dem alten Degen
Die Börse hin und wünscht ihm Glück,
Und wendet, auch sein Glück zu pflegen,
Zu seiner Dame sich zurück.

Die Cardinäle werfen klirrend
Goldbörsen auf das Marmorbrett;
Die Würfel fallen, treffend, irrend,
Dem Alten stets zu guter Wett.

Die Cardinäle mit Gelächter
Verspielen ihren blanken Hort,
Einscharrend lacht der alte Fechter,
Und schilt die Pfaffen fort und fort:

»Ihr könnt verlieren ohne Grollen,
Denn euer Seckel kümmert nie,
Und nie versiegen eure Stollen,
Gut Bergwerk ist die Simonie.

Die Mitra wird zum Wünschelhute,
Der euch im Nu der Noth entrückt;
Der Hirtenstab zur Wünschelruthe,
Die stets nach güldnen Adern zückt.

Liegt wo ein Christ im Todesjammer,
Wird euch zur Rente seine Noth,
Schatzkammer seine Herzenskammer,
Denn ihr verkauft ihm seinen Tod.

Weil das Verdienst der sel'gen Geister
Für Alle quillt und überschwenkt,
Seid ihr der Gnade Brunnenmeister,
Um Scudi wird sie ausgeschenkt.

Ihr laßt euch nicht das Kreuz bedrängen;
Dem Bauern pflanzt ihr's in den Grund,
Die Zehentgarben drauf zu hängen;
So drückt's euch nicht den Rücken wund.

Die Päbste, Priester und Prälaten
Sind wenig nutz und alle schier
Tief in den Sumpf hineingerathen;
Nun singen Unken das Brevier!«

Die Cardinäle lachen weidlich,
Und Raphael ermunternd spricht:
»Bis jetzt war all dein Schimpfen leidlich;
Mach schärfer fort, du alter Wicht!«

Der Alte drauf: »Wer glaubt, den schraubt man;
Ihr sucht nicht Gott, nur Gut und Geld;
Ja! Christus ward ein Räuberhauptmann
Und schreitet plündernd durch die Welt!«

Nun starrt nach einer dunkeln Hecke
Der Herzog, plötzlich stumm und bleich,
Ob ihn ein grauser Anblick schrecke,
Ein Zuspruch aus dem Schattenreich.

Doch hat er schnell sich rückbesonnen,
Er streicht die Stirne mit der Hand,
Als wär' ein Traum vorbeigeronnen,
Mit dem die frohe Laune schwand.

Die Frauen aber ihn nicht lassen:
»Giovanni, sage, was es war,
Was dich so plötzlich hieß erblassen
Und dir bergan gesträubt das Haar?«

Weil er nicht gern mit Wortesklängen
Unheimliches zurückbeschwört,
Antwortet auf der Frauen Drängen
Der Herzog düster und verstört:

»Durch Florenz kam ich einst zu schreiten
In müßig froher Weiberschau,
Und sah an mir vorübergleiten
Bald eine wunderschöne Frau.

Ich sah sie nach San Marco schweben
Und folgte wie bezaubert nach,
Girolamo, der Prior, eben
Dem stillen Volk die Predigt sprach.

Und, nimmer weiß ich, wie's gekommen,
Ich habe seinem Wort gelauscht;
Er hat das Bild mir fortgenommen,
Das erst so glühend mich berauscht.

Und Mancher war umsonst beflissen,
Zu schreiben, was der Mönch dort sprach;
Von Schmerz, von Freude hingerissen,
Ein jeder aus in Weinen brach.

O möchte sie doch länger dauern!
Dacht' ich, als er die Rede schloß;
Ein unbeschreiblich banges Trauern,
Fühlt' ich, und meine Thräne floß.

Ich spürte viele Tag' und Nächte,
Daß mir sein Wort im Ohre stack,
Bis ich's verbraust' und 'nunterzechte
Den bitter ernsten Nachgeschmack.

Nicht hab' ich mehr seit jenem Tage
Girolamo gesehn, gehört,
Weil er mit seiner ernsten Klage
Mir allzuherb die Lust gestört.

Als mit Lucrezia's Lockenringen
Zuvor ich spielte, süß erfreut,
Ward mir's als hört' ich Glocken klingen,
Wie fernes dumpfes Grabgeläut.

Mir war, als ich geblickt zum Strauche,
Ob mit Kapuz und Scapulier
Dort aus dem Schatten tauche
Girolamo – und drohe mir.

War's Blendwerk nur und Spiel des Weines,
Was meine Sinne täuschte so?
Des launenhaften Mondenscheines?
Was auch! heut werd' ich nimmer froh.

So spät zum päbstlichen Pallaste
Ist fast unziemend einzugehn.
Zeit ist es, daß die Freude raste,
Gut Nacht! gut Nacht! auf Wiedersehn.«

Der Condottiere folgt, sein alter
Getreuer Lust- und Kampfgenoß,
Gewärtig folgt sein Bügelhalter,
Schon eilen sie davon zu Roß.

Die Andern hören fort sie reiten,
Auf allen dumpf ein Schweigen lag,
Bis in der Mondnacht stillen Weiten
Verscholl der Hufe letzter Schlag.

 

Die Bestattung.

              Giorgio liegt in seinem Nachen,
Das Holz, das er ans Ufer lud,
Vor losen Dieben zu bewachen,
Und singt sein Liedlein wohlgemuth:

»Auf einer grünen Halde,
Umrauscht vom grünen Walde,
Da steht mein kleines Haus;
Ein Bächlein fließt vorüber,
Mir lieber als die Tiber,
Mit lustigem Gebraus.«

»Und auf der grünsten Halde,
Am allergrünsten Walde
Steht meiner Liebsten Haus.
Ihr Vater ist zu strenge,
Ihr Fenster nicht zu enge,
Da steig' ich ein und aus.«

Nun sah er in den Mondenstrahlen,
– Und ist mit seinem Liede stumm –
Wie sich ums Eck zwei Männer stahlen;
Sie blicken sorglich rings herum.

Nun schwinden sie mit scheuem Satze,
Er bleibt geduckt in seinem Schiff;
Und jetzt ertönt am stillen Platze,
Wie Losung – ein verhaltner Pfiff.

Bald wieder kommen sie geschritten,
Zugleich zwei andre Männer noch,
Und einer kommt dahergeritten,
Vermummt, auf einem Schimmel hoch.

Der Reiter bringet einen Kalten
Quer über seinem Sattelknopf,
Zwei schreiten rechts, zwei links und halten
Der Leiche stützend Füß' und Kopf.

Wo Mist und Unrath in die Wellen
Der Tiber wirft das Volk, dahin
Die stummen, scheuen Mordgesellen
Mit ihrem Todten schleunig ziehn.

Banditenkundig und geschäftig
Wir jetzt das Roß verkehrt gestellt,
Und über seine Kruppe kräftig
Der Leichnam in den Fluß geschnellt.

Sie schleichen fort, sie kommen wieder
Und werfen – stets auf ihrer Hut –
Vom Roß den zweiten Todten nieder,
Und jetzt den dritten in die Flut.

Giorgio sieht es unverwundert;
Denn ohne Segen, letzten Gruß,
Sah er hier Leichen wohl schon hundert
Hinunterwandern in den Fluß.

Doch faßt ihn Wehmuth, Graus und Bangen;
Der Bursche singt sein Lied nicht aus,
Das er so fröhlich angefangen
Von Hald' und Wald und Liebchens Haus.

 

Vater und Sohn.

          »Schon ist das Abendroth verglommen,
Mein Herzog noch nicht heimgekehrt;
Nun wird er auch nicht wiederkommen,
Bevor die Nacht die Straßen leert.

Auf seinen Wandel kann ich bauen,
Der Lockre hat sich nur versäumt,
Des Aufbruchs Zeit, das Morgengrauen
Bei einer Dirne wo verträumt.«

So sprach in trauter Abendstunde
Der Pabst an Cäsar, seinen Sohn,
Und lächelt schalkhaft seinem Funde;
Doch Cäsar spricht und lächelt Hohn:

»»Da weiß ich eine andre Mähre
Von deinem Herzog; gut genug,
Daß sie dein Vaterherz beschwere,
Das immer zärtlich für ihn schlug.

Ja, ihn hast du geliebt, mich nimmer;
Ich ward ein Pfaff, ein Herzog er;
Die Kutte mir, ihm Fürstenschimmer!
Doch jetzo lausche meiner Mähr:

Wohl hat dein Söhnlein zum Erbarmen
Bei einer Dirne sich versäumt,
Und müd und matt in ihren Armen
Heut früh das Morgengrau verträumt.

Diesmal hat eine alte, kühle,
Unsaubre Dirne ihn umfaßt;
Er hält auf ihrem schlechten Pfühle
Vom Liebestaumel tiefe Rast.

Und reißt man ihn nicht auf, ich wette,
Daß er bei ihr noch liegen muß,
Bis selber ihn aus ihrem Bette
Die Dirne wirft mit Ueberdruß.

Sie hat von seinem Liebesfieber
Den Mann geheilt auf immerdar.
Die Dirne aber heißt: die Tiber!
Hier ist mein wackres Mährlein gar.««

Nun schweigen Beide; der, verloren
Im Glück der Rache, der, im Schmerz;
Und Sohn und Vater schweigend boren
Die Hassesblicke sich ins Herz.

Des Unheils lächelnder Verkünder
Hat Alexanders Muth gebeugt;
Erschrocken sieht der große Sünder,
Daß er den größern sich gezeugt.

Der Pontifex zusammenschauernd
In Cäsars düstern Busen späht,
Und sieht entsetzt, wie dort schon lauernd
Der Vatermord im Winkel steht.

»Verruchter! Schrecklicher! erzähle!
Gabst du dem eignen Bruder Gift?
Schlägt keine Furcht dir in die Seele,
Daß dich die Strafe Gottes trifft?«

Dies Zürnen ist ein Windesfächeln
Für Cäsar, den verruchten Sohn,
Er läßt das arge kalte Lächeln
Nicht fort sich von den Lippen drohn;

Sein Lächeln, still und ungeheuer,
Zielt auf des Pabstes wundes Herz;
Also umschwebt ein stiller Geier
Ein blutend Wild voll Angst und Schmerz.

Und in den Zeichen bittrer Leiden
Auf seines Vaters Angesicht
Läßt Cäsar seine Blicke weiden,
Bis endlich er gelassen spricht:

»»Ich segle frei im Meer der Lüste;
Bis ich versinke, bleib' ich flott;
Mich schreckt sie nicht die Fabelküste:
Ich glaub', wie du, an keinen Gott!

Doch hab' ich dem nicht Gift gespendet;
Das Gift verfehlt des Weges leicht.
Verlangt dich's, wie dein Fürst geendet,
Sei noch ein Mährlein dir gereicht.

Ich bin ein Pfaff mit frommen Mienen,
Und bin ein braver Zeidler auch;
Ich hege einen Stock voll Bienen,
Gewärtig meinem Blick und Hauch.

Macht mich einmal ein Feind ergrimmen,
Gleich wird die Schuld an ihm gerächt,
Denn schwärmen lass' ich meine Immen,
Ein stachelrüstiges Geschlecht.

Die Bienen folgen meinem Zorne,
Sie stechen frisch und wacker zu;
Mein Feind empfängt mit ihrem Dorne
Den Honig auch der Todesruh.

Du treibst ja in profanen Stunden
Auch Bienenzucht, und manchen Mann
Hat nur der Stachel überwunden,
War ihm zu stumpf der scharfe Bann.««

Und schwer gedenkt der Pabst des herben
Und warnenden Synodenspruchs,
Der die verbotnen Leibeserben
Der Priester – Söhne nennt des Fluchs.

 

Die Pest.

I.

                  »Nimm du mein Ringlein, gib mir deines!
Komm Täubchen, bau'n wir unser Nest!« –
Das Nest bleibt leer, denn ach! ein Kleines,
So sterbt ihr beide an der Pest!

»Spielt auf! schenkt ein! und dann willkommen!
Hinunter noch den süßen Rest!« –
Ja wohl! du wirst am Wort genommen,
Schon hat ergriffen dich die Pest!

»O Kerkernacht, o bittres Härmen!
Wie quälend mich die Kette preßt!« –
Wirst nimmer lang das Eisen wärmen,
Noch heute stirbst du an der Pest!

»Viel Sünden noch ... doch springt die Heerde
Mir durcheinander; .... haltet fest!« –
Am Beichtstuhl fällt er todt zur Erde;
Und hat ihn absolvirt die Pest?

»Triumph! wie schön das Blutgerinnsel
Dem bleichen Ecce homo läßt!« –
Da reißt ihm aus der Hand den Pinsel
Und malt ihn selber bleich – die Pest.

Von Haus zu Haus, und hüben, drüben,
Des Todes furchtbar Einerlei;
Er geht herum, euch einzuüben
Die Miserere-Litanei.

Verstockte Herzen! o Verbrecher!
Wenn euch Girolamo nicht rührt,
So merket auf den andern Sprecher,
Der eine schärfre Sprache führt!

Es will erschüttern und erweichen
Der Tod die harte Sünderschaar;
Hoch baut die Kanzel sich aus Leichen
Der ernste, strenge Missionar.

Schon hat der Prediger verwendet
Viel Männer, Weiber, welk und grau;
Viel Jugend, Schönheit auch verschwendet
Auf seinen raschen Kanzelbau.

Auch hat er schon aus eurer Mitte
Manch holdes Kindlein weggepflückt,
Die Kanzel sich, nach frommer Sitte,
Mit Engelsbildern ausgeschmückt.

 

II.

        Nun schleicht mit Zittern und mit Beben
Die Freude als ein Jammerbild,
Nun irrt das kecke Lüsteleben
Ein rettungslos umstelltes Wild.

Verödet sind die Tisch' und Bänke,
Der Spielmann fort mit seinem Lied,
Nun steht der Wirth in seiner Schenke
Als in der Klaus' ein Eremit.

In den verlassnen Kirchenhallen
Kniet hier und dort ein Beter kaum,
Blickt scheu, daß im Vorüberwallen
Ihn Niemand streife mit dem Saum.

Dort wieder schreiten Prozessionen
Mit Kreuz und Fahne, flehen, schrein,
Gott wolle doch der Sünder schonen
Und seine Schrecken fangen ein.

Unmuthig schleichen die Gewerbe,
Der Hader vor Gerichte schweigt,
Wo jeder denken muß: ich sterbe
Vielleicht eh sich die Sonne neigt.

Am Spiegel ziert mit eitlem Sinne
Sich dort ein buhlerisches Weib;
Doch traurig hält sie plötzlich inne,
Gedenk, wie sterblich dieser Leib.

Sie will kein falsches Roth mehr nehmen
Auf ihre Wangen welk und fahl;
Sie mag sich vor den Würmern schämen,
Für die sie bald vielleicht das Mahl.

Wer schon den Feind will niederboren,
Ihm nach mit scharfem Dolche zieht,
Er hat die Lust dazu verloren,
Als er die vielen Leichen sieht.

Vor diesem Lauern, dumpfen Drohen,
Vor diesem angstgedrückten Gram
Sind Wunsch und Leidenschaft geflohen,
Des Unglücks Furien wurden zahm.

Die Ross' am Leichenwagen werden
Bei Tag und Nacht nicht ausgeschirrt;
Verzweiflung rufen die Geberden,
Die Sprachen haben sich verwirrt.

Die Liebe hat ihr Wort verloren,
Denn tödtlich ward ihr Hauch, ihr Kuß,
Und mit dem Tod hat sich verschworen
Treulos ihr sanfter Blumengruß.

Wie mit den Gaben und Geschenken
Das Herz die Liebe sonst empfieng,
Und sich ihr süßes Angedenken
An ihre Zeichen zaubernd hieng;

So heftet jetzt sich das Verderben
An Liebeszeichen leisgeheim,
Am Schmucke klebt ein bittres Sterben,
Am schmeichelnden Sonettenreim.

Du arme Mutter! zittre, zittre,
Wenn deine Brust den Säugling stillt;
Weißt du, ob nicht der Tod, der bittre,
Aus deiner Brust dem Kinde quillt?

 

III.

            Zwei Künstler wollen übernachten
Im üpp'gen Mediceerhain,
Die Griechenbilder zu betrachten
Beim klaren milden Mondenschein.

Buonarotti wandelt gerne
Mit seinem Freund Da Vinci dort,
Im Künstlerhain, beim Licht der Sterne,
Zu sprechen ein begeistert Wort.

Gerüstet sind sie heut mit Krügen
Falerners, den Horaz auch schwang,
Wenn er, einladend zum Vergnügen,
Sein moriture Deli! sang.

Sie wollen Freunden, die verblichen,
Dartrinken einen Becher noch
Im Angesicht der schönen Griechen;
Und ihrer Kunst ein Lebehoch.

Und sollt' auch sie der Tod verlangen,
So wollen sie den schlimmen Gast
Im Kreis des Schönen hier empfangen,
Und rings von Frühlingslust umfaßt.

Die Statuen auf die bangen Klagen
So klar und heiter niedersehn,
Wie sie gesehn in alten Tagen
Denselben Jammer zu Athen;

Wie ihnen dort das immergleiche
Antlitz gestört kein Leidenszug,
Als ihren Freund man, eine Leiche,
Den Perikles vorübertrug.

Die Frühlingslüfte flüstern, scherzen,
Und halten in den Lauben dicht
Glühwürmer ihre schwanken Kerzen
Versteckten Rosen ins Gesicht.

Die muntern Frühlingswinde stehlen
Den Blumen ihr Geheimniß bald,
Das süße Duften, und erzählen
Frohlockend es im ganzen Wald.

Im Busche singen Nachtigallen
Ihr ungestörtes Wonnelied,
Springbrunnen mondbeflimmert schallen,
Die Wolk' am Himmel lustig zieht.

Die Kunstgenossen stehn und starren
Entzückt auf ein Apollobild:
Da rollt vorbei der Leichenkarren,
Und draußen ruft die Klage wild.

Die Nachtigallen jubeln freier,
Und süßer duftet's durch die Nacht,
Der Mond durchbricht den letzten Schleier,
Und heitrer noch Apollo lacht.

Wie mählig an den Gartenmauern
Der laute Leichenzug verhallt,
Ergreift die Freunde bittres Trauern,
Ein Grollen faßt sie mit Gewalt.

Schon hatten sie den Wein geschwungen,
Den lieben Freunden in der Gruft,
Den Griechengöttern angeklungen;
Doch jetzt Buonarotti ruft:

»Du Mörder und Orakelsprecher!
Du lächelst unserm Jammer Spott!«
Und schmetternd wirft er seinen Becher
Ans Marmorherz dem Griechengott.

»Da Vinci, komm aus diesen Hainen,
Sie dünken mich so fremd! so leer!
Die Vögel zwingen mich zu weinen,
Der Duft der Blumen drückt mich schwer.

Hier steht der Menschenschmerz inmitten
Der fremden Kunst, und der Natur,
Von ihren Herzen abgeschnitten,
Gehöhnt von ihrer Freudenspur.

Doch, siehst du dort ob jenen Zweigen
Das Kirchenkreuz im Mondenstrahl?
Siehst du den Gott herab sich neigen
So mitleidsvoll zu unsrer Qual?

Schon wieder rollt der Leichenwagen
Vorbei dort an der Gartenwand;
Doch tröstend weist das Kreuz den Klagen
Hinüber in das Heimathland.

Was einst Girolamo bedauernd
Dem sterbenden Lorenzo sprach,
Das ward bei diesen Klängen schauernd
In meinem Herzen wieder wach.

Mir strömt es freudig von den Wangen,
Denn plötzlich, durch des Schmerzes Gunst,
Ist meinen Blicken aufgegangen
Die tiefe Welt der Christenkunst.

Mit einmal wurden die Antiken
Nur als ein schöner Schutt mir kund,
Der uns die Wurzel will ersticken
Auf unserm eignen Lebensgrund.« –

Da Vinci schweigt, er trauert milder;
Doch kaum verhallt der Jammerton,
So wandeln neue, große Bilder
Durch seine große Seele schon.

Das himmlische Gemälde zündet
In seiner Brust, ein Wunderstrahl:
Wie Jesus den Aposteln gründet
Das »Denket mein!« im Abendmahl.

Und Michel Angelo, der wilde,
Die Augen mit der Hand bedeckt,
Er ist von einem neuen Bilde
Entzückt im Herzen und erschreckt.

Aus seinem ungestümen Grame,
Wie Sonnenschein aus Wetterflor,
Taucht plötzlich ihm die Kreuzabnahme
Unwiderstehlich jetzt hervor.

Die vier Gestalten ließ ihn schauen
Ein geistdurchglühter Augenblick;
Und kühn beschließt er, sie zu hauen
Zusammt aus einem Marmorstück.

 

IV.

      In Florenz kann nur Einer halten
Sein Herz in klarer Heldenruh;
Nur Einer sieht dem Todeswalten
Mit unerschrockner Seele zu.

Girolamo, noch unermattet,
Einsam in seiner Zelle wacht;
Gepflegt, getröstet, und bestattet
Hat er von früh bis Mitternacht.

So mancher Bettler auf dem Wege,
Den Alles nun verstieß und floh,
Ward in das Kloster mild zur Pflege
Genommen von Girolamo.

Wenn auch der Bettler mußte sterben,
War doch des Priors Wort vielleicht
Das Freundlichste, was seinem herben,
Freudlosen Leben ward gereicht.

Als sich sein Geist hinweggeschwungen
Aus diesem dumpfen Jammerort,
Ist ihm versöhnend nachgeklungen
Des Priors liebevolles Wort.

Girolamo in seiner Zelle
Bei später Lampe sinnt und schafft;
Denn unversiegbar ist die Quelle,
Woraus er tränket seine Kraft.

Er widmet seinen Tag den Kranken;
Ein Arzt zu sein der Christenheit,
Dem großen heiligen Gedanken
Ist seine stille Nacht geweiht.

Nun schreibt er Briefe, mächt'ge Briefe,
Er schildert dringend, heiß und wahr,
Des Abgrunds unheilvolle Tiefe,
Der Kirche dringende Gefahr.

Daß Gott die Kirche will erneuern,
Sein Schreiben an den Kaiser spricht;
Er sucht den Kaiser anzufeuern
Zu seiner Schutz- und Schirmespflicht.

Den König Frankreichs will er wecken
Mit einem Briefe kühn und frei;
Wird ihn nicht rühren und erschrecken
Der Kirche Noth und Hülfeschrei?

Den Königen von Spanien schreibt er,
Wozu der Herr die Throne schuf;
Den König Ungarns, Englands treibt er
Zu seiner Pflicht mit scharfem Ruf.

Er mahnt sie alle, zu vereinen
Ein christliches Concilium,
Auf dem er selber will erscheinen,
Und streiten für das Heiligthum;

Wo er die Stimme will erheben,
Anklagen laut der Kirche Haupt,
Den Pabst mit seinem Lasterleben,
Den Sünder, der an Gott nicht glaubt;

Den frechen Borgia, der als Waare
Für schnödes Geld mit Trug und List
Erkauft die heilige Tiare,
Der sie nun trägt als Antichrist.

 

Der Bann.

              Savonarola ist als Ketzer,
Falscher Prophet, untreuer Hirt,
Als ein Rebell und Volksverhetzer
Vom Pabste excommunicirt.

Der Feinde stürmisches Frohlocken
Umbraust den Dom, wo man zur Stund
Beim lauten Schall der Todtenglocken
Dem Volke macht das Breve kund.

Der Bischof im Ornat verkündet
Des Bannes schauerlichen Spruch;
Vier Fackeln werden angezündet
Und ausgelöscht mit einem Fluch:

»Dreimal hat dich nach Rom gefodert
Der Pabst, zur Gnade dir bereit;
Umsonst! nur wilder aufgelodert
Bist du im frevelhaften Streit!

Girolamo! das Licht der Gnade
Lischt aus wie dieser Kerzen Schein!
Geh hin und wandle deine Pfade
Verflucht und finster und allein!

Du hast mit frechem Lügenmunde
Irrsal und Zwiespalt uns gebracht.
Die Kirche stoßt aus ihrem Bunde
Hinaus dich in die Heidennacht!

Willst du noch eine Predigt wagen,
So sei, wer immer sie besucht,
Wie du vom Kirchenbann geschlagen,
Wie du verstoßen und verflucht!

Den Sünder soll kein Segen laben,
Das Sacrament sei ihm verwehrt,
Und stirbt er, werde nicht begraben
Sein Leichnam in geweihter Erd'!« –

Vier Fackeln haben sie gezündet
Und ausgelöscht mit einem Fluch,
Und haben so der Welt verkündet
Des Kirchenbau's Zusammenbruch.

Sie zeigten, ihre eignen Richter,
Daß frevelnd in der Welt des Herrn
Sie löschen möchten, wie die Lichter,
Die vier Evangelisten gern.

Doch unauslöschlich brennen diese,
Vom Hauche Gottes angefacht,
Zu leuchten nach dem Paradiese
Sieghaft durch tiefste Sündennacht! –

Der Priester schweigt, mit dumpfen Schauern
Verstummt das Volk, die Glocke hallt,
Nachsummend, durch des Domes Mauern,
Der Rauch noch von den Fackeln wallt.

Erklungen ist am selben Orte
Der Fluch, allwo seit manchem Jahr
Des Banngetroffnen Segensworte
Zu Gott gelenkt die Seelenschaar.

Wird sich dem Kirchenbanne neigen
Girolamo, der Gottesheld?
Wird er das Wort des Heils verschweigen,
Vom Fluch geschlagen aus dem Feld? –

Der Bischof hat den Dom verlassen,
Ein langer Zug der Klerisei
Folgt nach, die den Gebannten hassen,
Und tobend strömt das Volk herbei.

Die Feinde jubeln und verbreiten
Mit Fleiß von Mund zu Mund den Bann;
Doch Pabst und Bann verachtend streiten
Die Freunde für den theuren Mann.

Kaum ist die Wuth der Pest gemildert,
Und kaum vernarbt der Todesharm,
So ist auch schon zurückverwildert
Der Feinde sittenloser Schwarm.

Und auf den Straßen um die Wette
Erschallt Gesang und Lautenton,
Hier Spottcanzonen, dort Sonette,
Dem Sittenprediger zum Hohn.

Das Laster scheint vom Pabst geadelt,
Weil er den Mönch gestraft so schwer,
Der es am bittersten getadelt,
Und kecker schreitet es einher.

Zum Trotz dem strengen Sittenmeister
Wird nun gespielt, gezecht, gebuhlt;
Die dreisten Buben werden dreister
Und häufen prahlend Schuld auf Schuld.

Und tobend rufen die Gesellen
Bei Nacht San Marco's Kloster wach,
Und schmetternd fliegen in die Zellen
Den Brüdern Steine, Fluch und Schmach.

Savonarola's Freunde werden,
Wo einer sich erblicken läßt,
Verhöhnt mit Worten und Geberden;
Doch halten treu an ihm sie fest.

Die Freunde können nicht vergessen,
Sie werden sein geweihtes Wort
Nur tiefer in das Herz sich pressen,
Als ihres Lebens besten Hort.

Es wird Domenico vor allen,
Der treuste Freund Girolamo's,
Von Spott und Lästrung überfallen;
Doch trägt er kühn des Freundes Loos.

Er tritt den Wüthenden entgegen,
Er ruft es auf den Straßen laut:
»Des Bösen Fluch ist Gottes Segen,
Schon flieht die Nacht, der Morgen graut!

Der Nebel weicht, so schwarz und dichte
Ihn auch die röm'sche Nacht sich spann,
Und fliehend ruft dem Tageslichte
Die Nacht vergebens ihren Bann.

Des Frommen dringendes Betheuern,
Und jeder Herzschlag früh und spät:
Daß sich die Kirche muß erneuern,
Ist wahr, er ist uns ein Prophet.«

Domenico ruft auf der Straße,
Und kündet von der Kanzel auch
Entschlossen, daß er nimmer lasse
Vom Freunde bis zum letzten Hauch.

Er mahnt das Volk, daß es den Ränken,
Dem Zorn der Feinde zittre nicht,
Und keines Fluches zu gedenken,
Wenn ihm Savonarola spricht.

Der Glaube ist der höchste Segen,
Und besser ist's, den müden Staub
Ins ungeweihte Grab zu legen,
Als daß der Geist des Todes Raub. –

In mancher Seele wankt das Hoffen
Weil nun des Bannes grauser Strahl
Italiens reinstes Haupt getroffen,
Die Kunde fliegt durch Berg und Thal.

Wer wird uns nun die Predigt halten?
Wer kämpft wie er so kühn? wer siegt?
Wer wird das Herz dem Teufel spalten,
Wenn unser Held in Banden liegt?

So hört ihr manchen Christen klagen;
Wie eine dunkle Wolke geht
Durchs Land ein trauriges Verzagen,
Vom Hauch der Kunde fortgeweht.

Und mancher, der an fernem Orte,
Bedauert es nun doppelt schwer,
Daß er versäumt des Frommen Worte;
Nun hört er ihn wohl nimmermehr?

Nach Florenz wallt das Volk in Schaaren,
Das ihn noch einmal schauen muß,
Vielleicht fürs Leben zu bewahren
Von ihm noch einen Scheidegruß.

Doch ist zu früh noch solches Bangen,
Noch ist's gekommen nicht so weit,
Daß sie den Mann in Ketten zwangen,
Noch kämpft er fort den großen Streit.

Nicht hemmt auf seinen Gottespfaden
Das Banngeräusch den kühnen Mann;
Wie nicht das Zirpen der Cicaden
Den Schritt des Helden stören kann.

Wenn Heimchen auch den Helden mahnen,
Daß bald ihn, bald der Rasen deckt,
Ihm ist der Tod ein süßes Ahnen,
Und vorwärts eilt er ungeschreckt.

Girolamo die heiße Fehde
Des Herrn noch immer treulich ficht;
Und also seine Kanzelrede
Dem Bannesfluch antwortend spricht:

»Prälaten sind allein mit nichten
Die Kirche, und auch nicht zumeist;
Sie soll aus Allen sich errichten,
Bei welchen Glaub' und heil'ger Geist.

Christus, der auf dem Kreuz verschieden,
Ist unser Mittler, Er allein;
Der Klerus soll zum Gottesfrieden
Ein Führer nur, nicht Mittler sein!

Das Evangelium ist das Leben;
Das nur kann gültigen Entscheid
Und Richterspruch im Kampfe geben,
Ob ihr die Kirche Christi seid.

Das ist die Wurzel, ewig bleibend,
Unschütterlich, und ohne Rast
Den Saft des Lebens weiter treibend
Als Tradition von Ast zu Ast.

Der Eiche grünes Leben sprießet
Aus ihrer Wurzel nicht allein,
Sie dorrt, wenn nicht vom Himmel fließet
Der Gnade Thau und Sonnenschein;

Doch was der Wurzel nicht entsprossen,
Ist falsch, wenn's auch sich heilig nennt;
Wem Nebel nicht das Aug umflossen,
Die Mistel von der Eiche trennt.

Der Glaubensbaum, der lebensreiche,
Ist uns gepflanzt von Gottes Sohn;
Die Mistel, wuchernd an der Eiche,
Das ist die falsche Tradition.

Im Eichenlaub als Vöglein singen
Die Seelen, fröhlich und daheim;
Die Mistelbeeren aber bringen
Dem Teufel seinen Vogelleim.

Ihr führt gen Gott ein eitles Kriegen,
Wenn auch der Tod mich bald verschlingt,
So wird die starke Hand doch siegen,
Die mich als ihren Hammer schwingt.

Das jammervolle Truggerüste,
Das sich die Kirche Christi heißt,
Der Bau, den freches Erdgelüste
Gethürmet, nicht der heil'ge Geist;

Die Hand des Herrn wird niederschlagen,
Und euer Werk zerbricht, zerstiebt,
So wahr Millionen Herzen klagen,
So wahr noch Gott die Menschen liebt!«

 

Der Pabst und Mariano.

            Verstimmt ist heut der Pabst und düster,
Mariano wehrt ihm den Verdruß
Umsonst mit schmeichelndem Geflüster,
Ein jedes Wort Pantoffelkuß.

Wohl schwieg der röm'sche Vater lange
Und schloß ins Herz den scharfen Dorn;
Doch endlich reißt des Schweigens Spange
Von seiner Brust der starke Zorn:

»Girolamo will sich nicht fügen,
Der Kirche tiefentrathner Sohn?
Wagt immer noch Prophetenlügen,
Und predigt offne Rebellion?

Sieh diesen Brief des Ungeheuers,
Den ihm ins Herz der Teufel blies,
Voll Rednerkraft und wilden Feuers;
Das schrieb er an den Kaiser, lies!

Mein braver Fuchs im Hermeline,
Mein Sforza fieng den Brief mir auf,
Und kam damit, daß er mir diene,
Selbst hergerannt in vollem Lauf.«

Mariano liest die kühnen Zeilen
Des Mannes, der ihn einst besiegt,
Er lächelt, murmelt unterweilen,
Indem sein Aug das Blatt durchfliegt:

»»Concilium? ... den Pabst verklagen? ...
Jetzt ist der Braten gar gebeizt;
Nun gilt's kein Zaudern mehr und Fragen,
's ist Zeit, daß man die Küche heizt.««

»Mariano, schweig, daß ich erzähle
Dir meinen Traum von letzter Nacht;
Das Bild hat mir erquickt die Seele,
Wie mir noch nie ein Traum gelacht.

Ich sah den jüngsten der Propheten,
Der in Florenz sich hören läßt,
Wie er dem ältesten Propheten
Der Griechen hieng am Halse fest.

Girolamo, den bösen Rangen,
Sah ich entzückt in meinem Traum
Erdrosselt und verschwiegen hangen
Am dodonäischen Eichenbaum.

Nun ist wie Zeus mit seinem Strauche,
Des Traumes süßer Anblick fort;
Doch von des Mönches gift'gem Hauche
Noch nicht des Pabstes Macht verdorrt.

Und will der Ketzer nicht gehorchen:
Ist auch die Eiche längst dahin,
Noch stehn im Walde meine Forchen,
Und lustig brennt der fette Kien!«

Des Pabstes ränkevoller Diener
Mariano ihm zu Füßen sank,
Der ehrsuchtkranke Augustiner
Ist auch vor Durst nach Rache krank:

»»Was ich dich jüngst so heiß beschworen
Im Cardinalscollegium,
Solang die Macht dir nicht verloren,
O mache den Propheten stumm!

Der Teufel schliff ihm tausend Zungen,
Zu kämpfen seine böse Schlacht,
Bald hat er in den Staub gerungen
Sanct Peters Kraft und Schlüsselmacht.

Du kannst nicht lösen mehr und binden,
Wenn nicht das Feuer ihn erstickt,
Du donnerst deinen Zorn den Winden,
Censuren, Bann und Interdikt.

Girolamo blieb unerschrocken,
Als man im Florentiner Dom
Verlas beim Schall der Todtenglocken
Des heil'gen Vaters Brief aus Rom.

Dein Breve hat ihn nicht gebrochen,
Und seine Seele rührt' es nicht,
Daß sie den Bann ihm dort gesprochen,
Verfluchend bliesen aus das Licht.

Das Blatt mit deinem Zorn beladen
Girolamo mit Füßen tritt,
Als wär's ein Blatt auf Waldespfaden,
Das welk und matt vom Baume glitt.

Der Tolle predigt jetzt noch freier.
Hat er nicht jüngst zu deiner Schmach
Verspottet laut die Bannesfeier,
Als er zur Kirche also sprach:

»Euch wird die Hand des Herrn zerschlagen,
Und eure Macht zerbricht, zerstiebt,
So wahr Millionen Herzen klagen,
So wahr noch Gott die Menschen liebt!« –

Da ruft der Pabst: »Ich aber werde,
Girolamo, du schlimmer Gast!
Hinweg dich tilgen von der Erde,
So wahr dich Alexander haßt!

Wir wollen diesem feurigen Streiter
Als zündbares Concilium
Zusammenrufen dürre Scheiter;
Er sterbe für sein Heiligthum!«

 

Die Verhaftung.

              Warum hat sich gen ihn verschworen,
Den Frömmsten, seiner Feinde Wuth?
Weil er die Bösen und die Thoren
Auch schaffen wollte fromm und gut;

Weil er so muthig eingedrungen
Auf ihrer Sünden freches Heer,
Weil er auf sie sein Wort geschwungen
Als eine furchtbar scharfe Wehr.

Wenn auch ihr Lasterleben dauert,
Die Freude dran ist dennoch wund;
Ein heimliches Entsetzen kauert
Doch in des Herzens tiefstem Grund.

Von Magiern alte Mähren künden,
Daß ihre Kunst den Zauber barg,
Dem balsamirten Leib zu zünden
Ein ew'ges Lichtlein in den Sarg;

Daß bei dem nieverglommnen Dochte
Die Seele, wenn sie eitel war,
Den theuern Leib beschauen mochte,
Der sonst ihr wäre unsichtbar.

Girolamo hat solche Kerzen
Gepflanzt, dem Sünder zum Verdruß,
Der noch im weltbegrabnen Herzen
Der Unschuld Leiche schauen muß.

Sein Wüthen ist verstecktes Klagen,
Daß er nicht löschen kann das Licht,
Daß er sich nimmer kann entschlagen
Dem innern, traurigen Gesicht. –

Die Brüder in San Marco singen
Die Vesper, friedlich und erbaut,
Als plötzlich an die Pforten dringen
Des Priors Feinde stürmisch laut.

Des Priors Ruf an seine Treuen,
Allein mit geistlicher Gewalt
Zu stehn der Feinde wildem Dräuen,
Im steigenden Tumult verhallt.

Sie rütteln, pochen an den Thüren,
Sie steinigen das Gotteshaus,
Und rufen unter Racheschwüren:
»Gebt den Propheten uns heraus!«

Sie zünden Feuer an den Schwellen,
Die Flamme brennt die Pforten auf,
Einbrechen jetzt die Mordgesellen,
Wie auf den Raub ein Tigerhauf.

Des Priors Freunde doch nicht weichen;
Sie haben sich um ihn gestellt,
Die Kirche hallt von Waffenstreichen,
Von Kampfgeschrei, und Mancher fällt.

Vor allen führt die scharfen Hiebe
Der wackre Deutsche todesschwer,
Der einst Girolamo zu Liebe
Aus fernem Lande zog daher.

Jetzt hat er einem Feind gerungen
Den Büchsenhaken aus der Hand,
Und nimmt, da ihm sein Schwert zersprungen,
Die Kanzel sich zum Schützenstand.

Und wer am wildsten ist zu schauen,
Wer schon Girolamo bedroht
Und nah, zu ihm sich durchzuhauen,
Den schießt der tapfre Deutsche todt.

Bereit, für seinen Freund zu sterben,
Denkt er: »du Frommer schütztest mir
Getreu die Seele vor Verderben,
Ich schütze dir den Leib dafür!«

Noch immer wächst im wilden Kampfe
Der Streiter Zahl und ihre Wuth,
Der Athem ringt mit Rauch und Dampfe,
Die Füße baden sich in Blut.

Wo sie Girolamo bedrängen,
Ist das Getümmel also dicht,
Daß sperrend sich die Arme zwängen,
Und Mancher mit den Zähnen ficht.

Nur hier und dort führt einer schlagend
Mit freiem Schwung das Mordgeräth,
Die andern Streiter überragend,
Weil er auf einer Leiche steht.

Da stoßt ein Junge mit der Picke
Ein Fenster aus, der Qualm entweicht,
Es ruht der Kampf für Augenblicke,
Als nun die Luft erquickend streicht.

Doch hat der Windhauch bald belebend
Des Zornes Flammen frischgefacht,
Der Streit, zur Vesper sich erhebend,
Tobt fort, schon ist es Mitternacht.

Girolamo's getreue Wächter
Umschützen ihn, ein fester Wall,
Und sterbend büßen hundert Fechter
Den immer neuen Ueberfall.

Jetzt plötzlich donnern um die Mauern
Feldstücke rings, von Schreck verwirrt,
Die Kämpfer da zusammenschauern
Und ruhn, die Kirche bebt und klirrt.

Sturmglocken schallen, und Trommeten
Zur Thür herein gebieten Halt;
Mit Fackeln in die Kirche treten
Die Boten jetzt der Staatsgewalt.

Die Boten künden, Ruh zu schaffen:
»Wer, Laie, nicht in aller Eil
Das Kloster flieht und streckt die Waffen,
Stirbt als Rebell vom Henkerbeil!«

»Girolamo in allen Gnaden,
Und Fra Domenico wie er,
Ist vor die Signorie geladen,
Gesichert ihre Wiederkehr!«

Und dumpfe Stille folgt dem Mahnen,
Denn mächtig jedes Herz ergreift
Ein frohes, oder banges Ahnen,
Daß jetzo das Verhängniß reift.

Girolamo mit sanftem Leide
Gehorcht, ihm sagt des Herzens Drang,
Daß er von hier auf immer scheide,
Daß dieser Schritt sein Todesgang.

Das Kloster muß er nun verlassen,
Wo er so lang für Gott gelebt,
Die Wehmuth will ihn mächtig fassen,
In seinem Aug' die Thräne schwebt;

Doch freudig siegt die Todesweihe:
Er spricht den Freunden seinen Gruß,
Umarmend gibt er in der Reihe
Den Brüdern noch den Scheidekuß.

Bevor er schreitet durch die Pforten,
Spricht er, wie es gebeut die Frist,
In starken und gedrungnen Worten
Den Wunsch, der all sein Leben ist.

Er mahnt die Brüder, nicht zu zagen,
Dem Sturm zu trotzen ohne Scheu,
Die Wahrheit in die Welt zu tragen
Durch Noth und Tod, dem Herrn getreu.

Die treuen Freunde weinen bitter,
Die schlimmen Feinde lärmen froh,
Und schluchzend küßt der deutsche Ritter
Die Schulter dem Girolamo.

Freudvoll hat sich der stetsbewährte
Domenico zu ihm gestellt,
Entschlossen, als sein Kampfgefährte
Sein Loos zu theilen, wie es fällt.

Die Signorie, die gnadenreiche,
Läßt sie, daß keiner dem Geschick
Im wirren Volkstumult entweiche,
Zusammenfesseln mit dem Strick.

Als sie die Hand dem Büttel senken,
Zu jeder Schmach und Qual bereit,
Begegnet sich ihr Blick, sie denken
Zugleich an ihre Jugendzeit.

Sie denken an die traute Zelle,
An jene Gottgeweihte Stund,
Als sie bei goldner Abendhelle
Geschlossen ihren ernsten Bund;

Als sie manch ahnend Wort gesprochen
Vom Prager Hieronymus,
Wie eine Welt von Qual gebrochen
Am unerschütterlichen Huß.

»Wohlan!« – so thut im Herzen Beiden
Der Muth den gleichen kühnen Schlag –
»Die Zeit ist da für Kampf und Leiden,
Wo sich die Treu erproben mag!«

Sie schreiten fort, durch Fesselflechten
Und ihren treuen Muth vereint,
Umringt von rauhen Waffenknechten,
Vom Volk verflucht, verhöhnt, beweint.

 

Alexanders Freude.

        Girolamo und den Genossen
Der tückische Pallast empfängt;
Schon werden auf geschwinden Rossen
Nach Rom Eilboten fortgesprengt.

Die Boten frisch und lustig reisen,
Für scharfen Ritt ein reicher Sold;
Die Pferde treibt des Spornes Eisen,
Die Reiter treibt des Pabstes Gold.

Wie sank der Pabst, von Gott verlassen,
So tief hinab in Schuld und Noth,
Daß er den Frommen zitternd hassen,
Und lechzen muß nach seinem Tod!

Daß ihm das Wort: »Er ist gefangen«
Klingt wie berauschende Musik,
Und Thränen fallen von den Wangen,
Daß dies sein frohster Augenblick!

Der Pabst, vergessend im Entzücken
Die Würde ganz, frohlockend lacht;
Er muß ans Herz den Reiter drücken,
Der ihm das süße Wort gebracht.

Und er beruft die Cardinäle,
Und seine Freunde dort und da,
Daß allen er voll Hast erzähle,
Was Gutes in Florenz geschah.

Und wieder kehrt er zu den Boten
Und forscht genau nach Allem, fragt,
Ob nicht, als ihm die Waffen drohten,
Das Herz Girolamo's verzagt?

Und als die Büttel mit den Banden
Die Hände ihm zurückgeschnürt,
Ob da sein Muth nicht ward zu Schanden,
Und als sie ihn hinweggeführt?

Doch dessen gibt es nichts zu künden;
Die Boten meinen: »So wie der,
So starr und fest in seinen Sünden
Ist keiner hier auf Erden mehr!

Doch Richtern ist er heimgefallen,
Auf deren Haß ihr trauen könnt,
Daß keiner von den zwölfen allen
Noch einen Athemzug ihm gönnt!«

Des Pabstes Antlitz Freude funkelt;
Und doch auf seinem Angesicht
Zugleich ein Wölklein Kummer dunkelt:
»Girolamo verzagte nicht!«

Die Andern preisen Gottes Finger;
Und Mariano jubelt auf,
Daß seinen Gegner und Bezwinger
Bezwingen wird der Scheiterhauf.

Nun schreibt der Pabst voll süßer Reden
Ein Breve an die Signorie,
Er danket Allen, schmeichelt Jeden,
Und nennt den Trost der Kirche sie.

Er mahnt sie dringend, fleht inständig,
Nach strenger Inquisition
Gleich auszuliefern ihm lebendig
Girolamo, den Höllensohn.

Aus seinem reichen Gnadenhorte
Verheißt er ihnen jede Huld,
Und Feuer gießt in seine Worte
Der Rache Trieb und Ungeduld.

Der Pabst ein zweites Breve sendet
Dem treuen Klerus in Florenz,
Ihm wird die milde Macht gespendet
Zu einer vollen Indulgenz.

Was Jeder in den letzten Wochen
Verschuldet, dessen ist er rein;
Er sei der Sünden losgesprochen,
Und sollt' es auch ein Mörder sein. –

Die Boten froh nach Hause kehren,
Gestärkt mit Segen, Speis' und Trank;
Am Rücken spüren ihre Mähren
Des Pabstes schweren goldnen Dank.

 

San Marco.

        Den Streiter Gottes im Gefängniß
Schon eng und enger jetzt umkreist
Sein ernstes, drohendes Verhängniß.
San Marco's Kloster ist verwaist.

Rings von den Thürmen Glocken schallen
Den Freudenruf zum Osterfest;
Nur Eine von den Kirchen allen
Den hellen Ruf nicht hören läßt.

Ein Mächt'ger wird zu Grab getragen,
Posaunenton und Fackelschein,
Die Glocken aller Kirchen klagen;
San Marco's Kirche schweigt allein.

Und will bei heftigen Gewittern
Mit seinen Glocken jeder Thurm
Den Himmel rühren und erschüttern;
San Marco's Kirche schweigt im Sturm.

Den Brüdern nahm der Feinde Rache
Die Glocke fort aus ihrem Haus,
Verloren hat es seine Sprache
Bei Freud und Leid und Wettergraus.

Die Brüder leben ihre Stunden
In abgeschlossner Trauer hin;
Sie horchen bang den Tageskunden,
Die vielbewegt die Stadt durchziehn.

Beim Psalmensang der Matutinen
Hemmt Wehmuth ihrer Seelen Schwung;
Und wenn sie Gott zur Vesper dienen,
Ergreift sie die Erinnerung.

An ihn gemahnt sie jede Stelle,
Den sie vielleicht nicht wiedersehn,
Sie weinen, wenn sie an der Zelle
Girolamo's vorübergehn. –

 

Die Tortur.

              Der Morgen kommt, hat noch gefunden
Blutspuren jener grausen Nacht.
Savonarola wird gebunden
Ins peinliche Verhör gebracht.

Viel Frevel gibt's, wer kanns verneinen?
Viel Gräuel lebt im Sonnenlicht;
Doch jämmerlichern gibt es keinen,
Als Schurken sitzend zu Gericht.

Ein Wandrer trägt auf Waldeswegen
Ein Schwert zu seinem Schutz; da raubt
Rücklings ein Strauchdieb ihm den Degen
Und spaltet ihm damit das Haupt.

Gesetz! wie gleichst du solchem Stahle!
Gericht! wie manchmal bist du gleich
Dem Räuber, der im dunklen Thale
Dem Wandrer schlägt den Todesstreich!

Die Richter sitzen in der Reihe,
Von Mördern eine tücht'ge Schaar,
Zwölf Laien sind es, und zur Weihe
Ist beigesellt ein Priesterpaar.

Jetzt rufen die Inquisitoren:
»Girolamo! bekehre dich!« –
»Girolamo! du bist verloren!« –
»Den Widerruf! sprich, Ketzer, sprich!« –

»Bekenne, daß du dich versündigt
An Gott und seiner Kirche schwer!
Daß du nur Lügen hast verkündigt,
Das Volk getäuscht mit eitler Mähr!«

»Was du dem Volke sprachst vermessen
Von Kirchenreformation:
Das widerrufe, sonst entpressen
Wir bald dir einen andern Ton!«

»Und willst du nicht dem Sturme weichen,
Bist du kein lügender Prophet,
Wohlan! mit Wundern und mit Zeichen
Erprobe dich, bevor's zu spät!«

Entgegentritt dem Haß und Grimme
Mit unerschrocknem Angesicht
Girolamo, mit fester Stimme
Spricht er: »»Ich widerrufe nicht!

Was ich verkündigt, wird geschehen:
Des Truges morsche Kette reißt,
Die Kirche Christi wird erstehen
Und siegen wird der ew'ge Geist!

Traun, wollte Gott in Wundern sprechen,
Er würde wenden euer Herz,
Er würde von der Brust euch brechen
Den siebenfachen Wall von Erz.

Das wär' ein Wunder, heischt nicht andre!
Dies eine thut euch bitter noth.
Ich aber meines Weges wandre,
Und meinen Pfad verschlingt der Tod.

Bin Werkzeug nur, das Gott erweckte,
Ein Straßenlichtlein in der Nacht,
Das warnend Gott am Abgrund steckte,
Ein tönend Horn in seiner Schlacht.

Will Gott das Lichtlein nicht mehr brauchen,
So lischt es aus; doch seine Hand
Wird warnend aus dem Abgrund tauchen,
Mit einem hellen Fackelbrand.

Will Gott dies Horn auch nicht mehr brauchen,
Weil lauter wird der Schlachtendrang,
So wird er in ein andres hauchen,
Das rufen wird wie Donnerklang!««

Da schmähn und lästern mit Gepolter
Die Richter, schreien wuthentbrannt:
»Fort mit dem Ketzer auf die Folter!«
Schon sind die Büttel zugerannt.

Girolamo ist fest gebunden,
Ein Strick um seinen Leib sich schlang,
Und hoch hinauf wird er gewunden
An einem Balken mit dem Strang.

Am Stricke stürzt er plötzlich nieder
Bis nah zum Boden mit Gewalt,
Daß ihm der Schmerz durch alle Glieder
Erschütternd zuckt und zerrt und prallt.

Am Seile bleibt er hangend schweben,
Da schreien ihm die Richter zu:
»Willst du der Kirche dich ergeben?
Und lässest du den Pabst in Ruh?«

Ihm bebt der Leib in allen Fugen,
Ihm ist, als ob im jähen Fall
Gehirn und Herz zusammenschlugen,
Gelöst vom ungeheuren Prall.

Im Leidensaufruhr wankt und zittert
Jedwede Fiber, kocht das Blut;
Doch bleibt die Seele unerschüttert,
Ein großer Schmerz, ein größrer Muth.

Er spricht mit schmerzgedämpfter Sprache:
»Bei Gott! ich widerrufe nicht!
Und wenn mir eure blinde Rache
Auch jeden Nerv am Leibe bricht!«

Und grimmig staunen seine Schergen,
Daß ihn die Qual nicht niederschlägt;
Es will ihr Zorn die Ehrfurcht bergen,
Die sich in ihren Herzen regt.

Sie stellen ihm noch viele Fragen,
Ob er Rebell und Ketzer sei,
Und Alles wird zu Schrift getragen,
Und seine Antwort, fest und frei.

Sie möchten gerne ihn verschlingen
In ihrer Fragen schlaues Netz,
Um vor dem Volke aufzubringen
Ein Urtheil nach dem Strafgesetz.

Doch sie umstellen ihn vergebens,
Denn seine Worte sprechen klar,
So wie die Tage seines Lebens,
Daß all sein Wandel fromm und wahr.

Girolamo wird losgebunden
Und ins Gefängniß fortgeschafft,
Daß er in ungestörten Stunden
Zur Folter sammle neue Kraft.

Er kniet und betet händeringend
Einsam in seiner Kerkerhaft,
Er fleht zu Gotte heiß und dringend
Um seinen Segen, seine Kraft:

»Der grause Schmerz will mich bezwingen,
Verlaß mich nicht am End der Bahn!
O Gott! o Gott! laß mich's vollbringen
Und nimm mich als Blutzeugen an!«

Als neu der Morgen angebrochen,
Da kommt mit ihm der grause Schmerz,
Die Richter sammeln sich, und pochen
Dem Streiter wieder scharf ans Herz.

Sie winden ihn empor und werfen
Ihn jach herunter an der Schnur;
Und seine Büttel sinnig schärfen
Mit neuen Qualen die Tortur.

Sie wollen sein Geständniß rauben
Mit einem glüh'nden Kohlenbrand,
Sie brauchen Stachel, Zangen, Schrauben,
Und Zerrgewicht an Fuß und Hand.

Und wieder wird gefragt, geschrieben,
Drei Stunden dauert das Gericht;
Girolamo ist treu geblieben
Dem Wort: »Ich widerrufe nicht!«

Am dritten Morgen halten wieder
Um ihn die Qualen ihren Reihn;
Doch zwingen sie sein Wort nicht nieder,
Wie heftig sie auch stürmen ein.

Verzweifeln muß die Folterfrage,
Und jeder Schreck an ihm zerschellt.
Also verstreichen sieben Tage,
Und herrlich siegt der Gottesheld. –

Domenico verlangt entschlossen:
»Des Freundes Loos sei mein Geschick!
Führt ihr zum Tod mir den Genossen,
Sei's auch mein letzter Augenblick!«

Und als der Abend niederschattet,
Da liegt einsam Girolamo,
Von Hunger, Schmerz und Kampf ermattet,
Im Kerker auf dem Häuflein Stroh.

Doch darf sein Herz den Trost genießen,
Den süßen Trost: bei Kampf und Leid
Sich traulich fest an Gott zu schließen
In unstörbarer Sicherheit.

Schlaf sinket auf den Dulder nieder,
Drückt ihm die heißen Augen zu,
Erquickt ihm die zerschlagnen Glieder,
Vorspiel der süßen Todesruh.

Er träumt. Er zieht mit seinen Eltern,
Die er so schmerzlich einst verließ,
Fort zu den himmlischen Vergeltern,
Sie kommen an das Paradies.

Hoch eine Wand von Edelsteinen
Umschließt es in krystallner Hut,
Die Farben in einander scheinen,
Wie Himmelsgluth und Erdenflut.

Die Wand im ew'gen Strahlenfluße
Lebendig um den Hain sich schlingt,
Und von der Mauer hell zum Gruße
Herab ein Chor von Engeln singt.

Es klingt, daß manche längstverlorne
Sehnsucht im Herzen wieder schwillt;
Daß sich im süßen Liederborne
Der Durst der Jugendträume stillt.

Es klingt, daß jedes schöne Hoffen
Aus seinem Grabe sich erhebt,
Daß jede Freude sturmgetroffen
Im Herzen schöner wiederlebt.

Es rauschen nie geahnte Wonnen
Im Herzen auf, der Mensch erschrickt,
Als er so tief in diesen Bronnen
Zum erstenmal hinunterblickt.

Und jetzo sich die Mauern spalten,
Vom Freudenklange aufgesprengt,
Ein Chor von himmlischen Gestalten
Gastlich die Kommenden empfängt.

Nun grüßen sie, vertraulich lächelnd,
Girolamo, nun kühlen ihm,
Mit ihren sanften Flügeln fächelnd,
Die heißen Wunden Seraphim.

Die Patriarchen und Propheten,
Die Kirchenväter grüßen ihn,
Apostel und Anachoreten,
Und Märtyrer vorüberziehn.

Hosianna! tönt's im weiten Kreise;
Sein Vater singt frohlockend mit,
Doch seine Mutter schluchzet leise
Und folgt dem Sohn auf jeden Schritt.

Ihr sagt mit tröstender Geberde
Ein Engel, daß von ihrem Kind
Sie nimmer hier geschieden werde,
Und trocknet ihr die Thräne lind.

Und jetzo auch die Mutter singet:
Hosianna! freudig mit im Chor,
Indem ihr Arm den Sohn umschlinget,
Den sie so schmerzlich einst verlor.

Sie wandeln fort in Wiesenthalen,
Wo tausend Blumenvölker blühn,
Die Blüthen strahlen, dunkeln, strahlen,
Es ist ein athmend Farbenglühn.

Sie wandeln fort in grünen Auen,
Es singt und klingt auf jedem Ast,
Die Vögel neigen voll Vertrauen
Sich nieder nach dem lieben Gast.

Und süßbeladne Zweige beugen
Credenzend nieder ihre Frucht;
Und Quellen rieseln klar und säugen
Die holden Blumen auf der Flucht.

Es lebt die Luft von Blumenhauchen,
Es bebt die Luft von Liederklang,
Und aus tiefklarem Weiher tauchen
Fischlein und tanzen zum Gesang.

Und scherzend kommt der flinke Reiher,
Der Fischlein auch zum Tanz begehrt,
Hebt's in die Luft; doch in den Weiher
Bringt er's nach Hause unversehrt.

Gazellen weiß, und Lämmer viele,
Und Hermeline, Hirsch' und Reh',
Sie treiben weidend Scherz' und Spiele,
Und trinken aus dem klaren See.

Girolamo begehrt zu wissen,
Was diese weiße Heerde soll?
Und dort die Vöglein sangbeflissen?
Und hier die Fischlein selig toll?

Ein Engel spricht: »Die weiße Heerde,
Das ist die reine Christenschaar,
Die einst wird leben auf der Erde,
Frei, fröhlich, aller Sorgen baar.

Das sind die Menschen thätig lebend;
Die Vögel dort im grünen Reis,
Das sind die Forscher, sich erhebend
Zu Gott, ihm singend Lob und Preis.

Der Reiher spielt, Fischlein zu necken,
Dort mit verstelltem Räuberschwung;
Ein scherzend Bild versöhnter Schrecken,
Des Erdenwehs Erinnerung.

Die Fischlein dort im klaren Teiche,
Aufschnellend frisch im goldnen Glanz,
Sind Kinder, schöne, freudenreiche,
Hingleitend leicht im sel'gen Tanz.« –

Jetzt – plötzlich schweigen die Gefilde, –
Dort, mit dem Kelche in der Hand,
Johannes kommt, der Hohe, Milde,
Und segnet lächelnd alles Land.

Es ist ein tiefes, tiefes Schweigen: –
Johannes auf dem Hügel steht,
Mit liebevollem Hauptesneigen,
Und so sein Wort herniederweht:

»O trinket, Blumen! o genießet
Auch ihr mit Freuden Christi Blut!«
Und sprengend aus dem Kelche gießet
Er hin des Weines heil'ge Flut.

Und wie der Kelch die theuren Tropfen
Weithin vertheilend niederthaut:
Bewegt den Grund ein Freudenklopfen,
Und alle Blumen jauchzen laut.

In alle Weiten geht ein Singen,
Ein jeder Halm durch Wies' und Hain
Läßt eine süße Stimme klingen,
Und alle Engel stimmen ein;

Und alle frommen Männer, Frauen,
Ein Jedes froh den Jubel mehrt;
Die Drei erfaßt ein seligs Grauen:
Wie Christus die Natur verklärt.

Je näher sie sich nahn der Mitte,
Wo Gottes Thron erhaben steht,
Je schöner blüht's mit jedem Schritte,
Die ganze Luft wird ein Gebet.

Nun weckt von Paradieseswegen
Den träumenden Girolamo
Sein Herz mit lauten Wonneschlägen,
Nun wacht er auf am Kerkerstroh.

 

Ceccone.

              Schon wird die Kunde laut im Volke:
»Girolamo bekannte nichts!«
Schon lagert drohend eine Wolke
Sich ob den Männern des Gerichts.

Die Folterknechte selbst erzählen,
Daß er geduldig Schmerzen trug,
Wie sie noch Keinen durften quälen;
Sie meinen selbst: es ist genug!

Und mancher seiner wilden Gegner
Fühlt schon zur Milde sich geneigt;
Und hier und dort ruft ein Verwegner,
Wenn sich ein Inquisitor zeigt:

»Habt ihr unschuldig ihn gepeinigt,
So stürmen wir die Signorie!
Dann, Schurken, werdet ihr gesteinigt!
Dann schlachten wir dem Pabst sein Vieh!«

Die Richter haben Noth und Aengste;
Wer gestern noch der Schärfste war,
Geberdet heut sich als der Bängste;
Rathlos verblüfft die ganze Schaar. –

Gott ist am nächsten wohl den Guten,
Wenn ihre Noth zum Gipfel wächst;
Doch soll das Laster sich verbluten,
Dann ist der Teufel oft zunächst.

Die Richter sind am frühen Morgen
Versammelt wieder im Pallast,
Voll Zornes, Ungeduld und Sorgen;
Da kommt ein unverhoffter Gast.

Da schleichet in den Saal der Richter,
Eh wieder das Verhör begann,
Und mustert lächelnd die Gesichter
Ein kleiner feiner alter Mann.

Ceccone ist's, den Alle scheuen,
Willkommen doch zu dieser Frist:
Er kann vielleicht den Sturm zerstreuen,
Im Land der schlauste Rabulist.

Die Richter sich um ihn befleißen,
Sie drücken schmeichelnd ihm die Hand:
»Kann uns vielleicht der Noth entreißen,
O Freund, dein mächtiger Verstand?«

Und hastig flüstert drauf Ceccone:
»»Von Freundschaft nichts! ich brauche Brod.
Vierhundert Scudi mir zum Lohne,
So helf' ich euch aus dieser Noth.

Ihr habt aus eurem schmalen Hirne
Das letzte Tröpflein Witz gepreßt,
Nun sitzt die Angst euch auf der Stirne,
Weil sich der Mönch nicht zwingen läßt.

Schon murrt das Volk, 's gibt harte Schlappen.
Euch treibt die blinde Angst, gewiß,
Ihr werdet nicht hinaus euch tappen
Aus dieser bangen Finsterniß.

Nun? wollt ihr zahlen die Laterne?
Bezahlt ihr nicht, so geh' ich fort.««
Die Richter flüstern: »gerne! gerne!
»Nur sprich geschwind ein rettend Wort!«

Ceccone lächelt mit Behagen,
Genießend seiner Wichtigkeit;
Er spricht: »»Wohlan, hört auf zu zagen,
Zu Hülfe bin ich euch bereit.

Dort hinter jenem Pfeilerstocke
Pflanzt mir ein Tischlein, einen Stuhl,
Das übre führ' ich selbst im Rocke:
Papier und Tint' und Gänsespul'.

In jenen Winkel laßt mich kauern;
Unsichtbar, still auf meinem Platz,
Will das Verhör ich scharf belauern,
Nachschreiben schleunig Satz für Satz.

Behalten will ich seine Worte,
Nur wird die Feder sacht und fein
Verschieben sie von ihrem Orte,
Aus Nein wird Ja, aus Ja wird Nein.

Die Sätze will ich schlau verwickeln,
Hier schneiden ab zu falschem Schluß,
Dort weiterspinnen mit Partikeln;
So daß dies Pfäfflein sterben muß.««

Schon hat Ceccone sich gelagert.
Nun tritt Girolamo herein,
Bleich, wund, zum Leichenbild verhagert;
Der Alte blieb sein Geist allein.

Und man verhört den Gottesstreiter,
Getreulich schreibt es der Notar;
Doch schreibt im Winkel dort ein zweiter
Und fälscht die Reden unsichtbar.

Der weiß die Worte umzustellen,
Der stutzt und streckt sie so gewandt,
Daß hier zum Ketzer und Rebellen
Girolamo sich klar bekannt.

Und als sie das Verhör geendigt,
Worin der Held getreu sich blieb,
Von Schmerz und Schlauheit ungebändigt,
Als der Notar das Letzte schrieb:

Da schleicht hervor, Unheil zu stiften,
Aus dem geheimen Hinterhalt,
Verbergend im Gewand die Schriften,
Ceccone's lauernde Gestalt.

Und einer naht ihm des Gerichtes
Und reicht die Akten ihm zur Hand:
»Sieh den Prozeß hier dieses Wichtes,
Was er von Freveln eingestand.«

Ceccone wünscht, den Fall beklagend,
Den Richtern und der Kirche Glück,
Die ächten Schriften unterschlagend,
Gibt er die falschen ihm zurück.

Girolamo muß eilig wandern
Zum Kerker; und begierig rafft
Ein Richter aus der Hand dem andern
Ceccone's Meisterstück und gafft.

Sie sind entzückt; die theuren Zeilen
Nachdoppelt flink ein Schreiber schon,
Und scharfberittne Boten eilen
Damit nach Rom zum heil'gen Thron. –

Nun lauscht das Volk, zu jedem Schwunge
Der leichtbewegte, schwache Thor:
Ceccone liest mit lauter Zunge
Und frecher Stirn sein Blendwerk vor.

»Wo ist er? daß wir ihn zerstücken!«
So brüllt des Pöbels wilder Schwarm.
Des Dulders Freunde unterdrücken
Den Argwohn mit verschwiegnem Harm.

»»Er wagt es nicht, vor euch zu treten,««
– Bescheidet sie Ceccone dreist –
»»Denn kundig ward es dem Propheten,
Daß ihr ihn steinigt und zerreißt!

Doch mögt ihr euch zufrieden stellen,
Das unerbittliche Gericht
Bestraft den Ketzer und Rebellen
Bald, bald in eurem Angesicht!««

Der Schwarm hat murmelnd sich zerschlagen,
Die Richter athmen frei und froh;
Und hoffnungslosen Kummer tragen
Die Freunde des Girolamo.

 

Sein Tod.

            Als kaum der frühste Morgen dämmert,
Wird auf dem Marktesplatze laut
Gesägt, gezimmert und gehämmert
Von tausend Händen, und gebaut.

Doch heute gilt es keine Buden,
Die lockend sonst an diesem Platz
Das heitre Volk zum Kaufe luden
Mit all des Lebens buntem Schatz.

Die Sonne mit dem Frühlingsstrale
Bauwerk des Todes heut begrüßt:
Sie schlagen auf drei Tribunale,
Sie richten ein Schaffotgerüst.

Savonarola's Freunde müssen,
Geneckt von Scherz und scharfem Spott,
Der Feinde Rachelust versüßen
Und mitarbeiten am Schaffot.

Der Bischof von Vasona schreitet
Jetzt auf das erste Tribunal,
Von seinen Mönchen hinbegleitet,
Zu thun, was ihm der Pabst befahl.

Der Bischof soll, bevor die Beiden
Empfängt das weltliche Gericht,
Der Kleruswürde sie entkleiden;
Mit feierlichem Zorn er spricht:

»Im Namen Gott des Vaters, Sohnes,
Und heil'gen Geistes, und in Kraft
Des römischen Apostelthrones,
Girolamo, wirst du bestraft:

Wirst du des geistlichen Gewandes,
Und aller Weihen, jeder Macht
Und jeder Gunst des Priesterstandes,
Dem du nur Schand' und Schimpf gebracht:

Entsetzt, beraubt, und ausgezogen,
Dich stoßt die Kirch' aus ihrem Kreis,
Die du gelästert und betrogen,
Hier gibt sie dich den Henkern preis!« –

Jetzt nimmt, in umgekehrter Reihe,
Die Kirche was sie gab zurück,
Von Grad zu Grad Gewand und Weihe
Wird ihm entzogen, Stück für Stück.

Da ruft ein Mönch: »heu! heu! propheta!«
Reißt aus der Hand ihm das Brevier,
Reißt ihm vom Leibe die Planeta,
Dann Stola, Alba, Scapulier.

Gelassen trägt der Gottesstreiter
Der Schande förmlichen Verlauf;
Es blickt sein Auge himmlisch heiter
Nach seinem Gott zum Himmel auf.

Zuletzt, was er zuerst empfangen,
Wird ihm entzogen sein Habit,
Und seine leidensblassen Wangen
Verschämte Röthe überzieht.

Der Bischof ruft: »Bist ausgeschieden!
Die Kirche Christi stoßt dich fort!
Die Kirche, streitend noch hienieden!
Die Kirche, triumphirend dort!«

Er spricht: »»Die Kirche muß ich meiden,
Die diesseits noch im Streite bebt;
Von jener kannst du mich nicht scheiden,
Die triumphirend ewig lebt!««

Und wie Girolamo getragen
Getrost der Schande bittern Schmerz,
So trägt ihn schweigend, ohne Zagen,
Domenico, das treue Herz.

Auch er steht da im Unterkleide,
Entweiht, beraubt, verhöhnt zumal;
Und jetzo werden eilig beide
Geführt ans zweite Tribunal.

Des Pabstes Commissarien künden
Den beiden Brüdern hier zusammt,
Daß wegen ihrer schwarzen Sünden
Der Pabst als Ketzer sie verdammt.

Doch mildernd wird hinzugesprochen,
Daß sie des Pabstes Heiligkeit
Nicht läßt im Fegefeuer kochen,
Daß sie der Tod von Schuld befreit:

»Der Pabst, versöhnend beide Welten,
Läßt gnädig euch den Feuerbrand
Vorweg als Fegefeuer gelten,
Gibt euch der Unschuld frühern Stand!«

Die Cerimonie nimmt ihr Endniß
Am dritten Stand; hier hören sie,
Gefällt, so heißt's, auf ihr Geständniß,
Den Todesspruch der Signorie.

Domenico nimmt mit Ergebung
Nun auch dahin sein Todesloos,
Er findet Stärkung und Erhebung
Im Angesicht Girolamo's.

Dies Antlitz auf dem Sterbensgange
Ist nicht des Sünders Angesicht,
Der an dem steilen Todeshange
Voll Schwindelangst zusammenbricht;

Auch ist es nicht das eh'rne Trotzen
Fanatikers, voll Gluth und Kraft,
Dem noch die Todesblicke strotzen
Von Flüchen wilder Leidenschaft.

Sein Antlitz ist ein hoher Friede,
Sein Schweigen seliges Gebet,
Ein Lauschen nach dem Heimathliede,
Das tröstend ihm herüberweht.

Nun ist sein Auge hell erglommen,
Und blühend sich die Wange malt:
Das ist der himmlische Willkommen,
Der auf den Dulder niederstralt.

Und als er zum Schaffote schreitet,
Und mancher seiner Freunde jetzt
Nach ihm die Arme weinend breitet,
Spricht er den Trauernden zuletzt:

»Verbrennt man mich, seid unerschrocken!
Wenn meine Asche treibt der Wind,
So denkt, daß dies nur Blüthenflocken
Vom schönen Frühling Gottes sind!« –

Wer drängt so heftig durch die Schaaren?
Wer ist der alte graue Mann,
Der von der hohen, wunderklaren
Gestalt den Blick nicht wenden kann?

Es ist der wilde Christenhasser,
Tubal des Ausgangs zitternd harrt,
Aus seinen Augen stürzt das Wasser,
Indem er auf den Helden starrt.

Und als an ihm der kühne Streiter
So todesfroh vorüberzieht,
Als ihm sein Auge mild und heiter
Ins gramverstörte Auge sieht:

Da fühlt der Jude sich bezwungen,
Ihm ist der Blick mit Zaubermacht
Ins haßverstockte Herz gedrungen,
Die Liebe ist in ihm erwacht.

Dem Judengreis voll heißer Wunden
Ward nun der kranke Geist erquickt,
Girolamo macht' ihn gesunden,
Hat Christus ihm ins Herz geblickt.

Der Alte ruft: »Laß dich umfassen!
Ich glaube dir! mit dir ist Gott!
Man geht so selig und gelassen
Nur für Messias in den Tod!«

Er will ihm nach, doch hemmt die Menge
Unwillig den entflammten Greis;
Durchdringend schreit er im Gedränge:
»Girolamo! Heil dir und Preis!

»O laßt mich los! o laßt mich laufen
Und ihm zu Füßen stürzen mich!
Er soll, bevor er stirbt, mich taufen!
Jesus Messias! lasset mich!

Wollt ihr das Wasser ihm verwehren,
Wehrt ihm zu sprechen sein Geschick,
So tauf' er mich in meinen Zähren,
Er segne mich mit seinem Blick!«

Girolamo hört sein Begehren,
Er spricht zum Juden feierlich:
»Ich taufe dich in deinen Zähren
Und segne mit dem Kreuze dich!« –

Nun steigen ans Schaffot die Streiter,
Domenico entschlossen stumm,
Girolamo spricht auf der Leiter
Noch laut das Glaubenssymbolum.

Und als sie an den Gipfel kamen,
Da spricht Girolamo den Schluß:
»Et in vitam aeternam. Amen!«
Und nickt dem Freund den letzten Gruß.

Nun stehn, umringt von Henkersknechten,
Die Brüder auf dem Brandgerüst,
Savonarola mit der Rechten
Das Volk noch einmal segnend grüßt.

Die Schergen sich geschäftig rühren
Und rüsten flink die Todesqual;
Die einen hier mit Ketten schnüren
Die Brüder je an einen Pfahl!

Ein andrer regt die Hände fleißig
Am Scheiterhaufen, streut geschwind
Schießpulver auf das dürre Reisig
Und prüft, von wannen streicht der Wind.

Die Knechte zünden auf ein Zeichen
Die Scheiterhaufen mit dem Span,
Die Winde durchs Gerüste streichen
Und eifern frisch das Feuer an.

Niemand wird mehr auf Erden schauen,
Girolamo, dein Angesicht!
Die Liebe und das Gottvertrauen
In deinem klaren Augenlicht;

Den Schmerzenszug an deinem Munde,
Den auch dein Lächeln nie vertrieb,
Den deine heil'ge Lebenswunde
Um die beredten Lippen schrieb;

Die Heldenstirn, Freiheit begehrend,
Die Furche drauf, den tiefen Pfad,
Den, rastlos immer wiederkehrend,
Dein mächtiger Gedanke trat!

Die himmlische Gedankeneinheit,
Die stralend aus dem Schmerze schien,
Die blumenhafte Sittenreinheit
Auf deinem Antlitz – ist dahin!

Das gottestrunkene Entzücken,
Das dieses Antlitz oft verklärt;
Die Sehnsucht, Alle zu beglücken,
Die seine Blüthe still verheert:

Das ist verloren und vergangen,
Das Alles wird gebrannt zu Staub!
Die Flammen züngeln auf wie Schlangen,
Verzehrend hastig ihren Raub.

Doch plötzlich hat, die Flammen trennend,
Der Wind den Rauch zurückgerollt,
Die rechte Hand erhebt sich brennend,
Ob sie das Volk noch segnen wollt'. –

O Menschen, Menschen, arge Thoren!
Weh euch! was habt ihr hier gethan!
Wer gibt zurück, was ihr verloren,
Was ihr zerstört in eurem Wahn? !

Ihr habt den freundlichen Genossen,
Der eures Jammers sich erbarmt,
Das treuste Herz habt ihr verstoßen,
Und wisset nicht wie ihr verarmt!

Was hilft es, daß die Sonne scheinet,
Und daß die Erde lustig blüht;
Der es so gut mit euch gemeinet,
Wenn er zu Asche hier verglüht?

Ja! wenn ein Herz der Frühling hätte,
Er fienge laut zu klagen an
Vor seinem heißen Todesbette,
Den er euch nicht ersetzen kann.

Nun mögen euch die Wälder rauschen,
Die Frucht ist süß, und kühl ihr Dach,
Dem Sang der Vögel mögt ihr lauschen,
Mögt laben euch am frischen Bach;

Den grünsten Wald habt ihr zerrüttet,
Der Schatten euch und Frucht gereicht;
Den reinsten Quell habt ihr verschüttet:
Den hellsten Vogel fortgescheucht!

Allmählig löschen jetzt die Flammen;
Verglommen ist der letzte Brand,
Der Scherge fegt den Rest zusammen
Und eilt damit zum Arnostrand.

Was nicht der Wind, den Feuerstellen
Entführt, der Erde wiedergab,
Die Asche streu'n sie in die Wellen,
Mißgönnend ihr ein stilles Grab. –

Doch kann der Feuertod nicht bannen
Das Wort Girolamo's, es fliegt
Aus Flamm' und Rauch gestärkt von dannen,
Tönt mächtig fort und fort – und siegt.

Vergebens hat er nicht gestritten
Den harten, ruhelosen Streit,
Und nicht umsonst hat er gelitten,
Und sich dem Martyrtod geweiht.

Nicht also treulos wird erfunden
Die Menschheit je, so kümmerlich,
Daß allen Herzen unempfunden
Ein Gotteshauch vorüberstrich.

Die Wahrheit siegt, die Feinde wanken,
Herein der Frühling Gottes bricht,
Der Kirche weht, der müden, kranken,
Genesungsluft ins Angesicht.

Die Schneelawinen alter Lügen,
In langer banger Winterzeit
Von all den trüben Wolkenzügen
Auf unsre Alp herabgeschneit,

Sie trifft des Frühlings Macht und Leben,
Sie trifft der Sonnenblick des Herrn,
Daß sie nur leicht und lose schweben
Um des Gebirges festen Kern;

Und es bedarf nur einer Stimme,
Die, rings die Luft erschütternd, ruft,
So stürzen sich mit lautem Grimme
Die Frostlawinen in die Gruft. –

Der alte Tubal folgt den Leuten
Zum Strande, traurig, ohne Wort;
Als sie die Asche niederstreuten,
Zieht er am Fluß hinunter fort.

Er folgt dem Fluß, dem sonnenhellen,
Gedankenvoll, und weint, und lauscht
Dem langen Leichenzug der Wellen,
Der mit dem Staub von hinnen rauscht.

So zieht er fort am Arnofluße
Vom Morgen bis zum Abendlicht,
Bis seinem alten lahmen Fuße
Zur Wanderung die Kraft gebricht.

Da steht einsam am Wiesenraine
Ein Kreuz; er wirft die Krücke hin
Und sinkt und läßt im Abendscheine
Den Strom an sich vorüberziehn.

Und starrend in die rothen Fluten,
Gedenkt er wieder kummervoll
Der Kinder, sieht, wie sie verbluten;
Doch schweigt in seiner Brust der Groll.

Sein Herz empfieng von ihm die Milde,
Zu dem er sich hinübersehnt;
Er blickt hinauf zum Christusbilde
Und stirbt, das Haupt ans Kreuz gelehnt.