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Als ich im Jahre 1799 meine Anstellung an der Gesandtschaft zu Konstantinopel erhielt, gab mir Freyherr von Thugut den besonderen Auftrag, eine vollständige Handschrift der Tausend und Einen Nacht für ihn aufzufinden. Umsonst waren alle Nachforschungen auf dem Büchermarkte zu Konstantinopel, und nur zwey Jahre später gelang es mir, eines unvollständigen Manuscriptes der Tausend und Einen Nacht in Egypten habhaft zu werden. Glücklicher war damals der englische Reisende, Hr. Clarke, der ohne die geringste Kenntniß des Arabischen, und nur den ihm von mir mitgetheilten arabischen Titel ( Elf lejal we leilet) auf der Straße laut ausrufend, durch den günstigsten Zufall auf einen Mann stieß, der ihm das Werk zum Kaufe anbot. Herr Clarke bezweifelte mit Recht die Echtheit oder Vollständigkeit einer auf so sonderbare Weise gekauften Handschrift, und erhielt erst, nachdem ich das ganze Werk sorgfältig durchgesehen hatte, durch mich die Überzeugung von dem Werthe desselben, worauf er den Kauf abschloß. Leider gieng dieser auf so glückliche Weise erworbene Schatz auf eine eben so unglückliche zu Grunde, indem derselbe mit einer Ladung von Lord Elgins Tempelraub Schiffbruch litt, und, wiewohl noch gerettet, doch durch die Fluth ganz verwüstet und unleserlich geworden war. Ungeachtet aller angewandten Bemühungen gelang es mir während meines sechswöchigen Aufenthaltes zu Cairo nicht, ein anderes vollständiges Exemplar aufzufinden, und erst wieder zwey Jahre darnach erhielt ich eines durch den damaligen österreichischen General-Consul, Ritter von Rosetti, welcher kurz vorher auch dem russisch-kaiserlichen Gesandten, Hrn. Ritter von Italinski, ein gleiches verschafft hatte. Beyde Handschriften waren Abschriften eines und desselben Manuscriptes, und einander durchaus gleich. Ich hatte damals zum erstenmale das Vergnügen, die Tausend und Eine Nacht ganz und bis an ihr vorher in Europa gar nicht bekannt gewesenes Ende, zu lesen. Größtentheils kannte ich wohl zwar schon den Inhalt aus der unvollständigen für Frhrn. von Thugut gekauften Handschrift, die ich zu Rosette gefunden, und sogleich gierig verschlungen hatte. Die heißhungrige Leselust, womit ich darüber herfiel, rettete mich sogar entweder vom Tode selbst, oder wenigstens von der Todesgefahr, mit dem Sekretär Sir Sidney Smith's, meinem Freunde Keith, einem wackeren und hochherzigen Schottländer, zu ertrinken. Denn als er am 5. May von Rosette nach Rahmanije auf dem Nil hinabfahren wollte, und mich einlud, ihn dahin zu begleiten, um den Zustand der Umzingelung dieses Forts zu besehen, hielt mich von dieser Lustfahrt nur die Lust und Liebe zur Tausend und Einen Nacht ab, deren unvollständige Handschrift ich so eben erstanden hatte, und deren Durchlesung zu beginnen im Begriffe war. Statt meiner begleitete ihn als Dollmetsch Hr. Godard, dessen Bruder, ebenfalls Dollmetsch, kurz vorher an der Pest gestorben war. Kaum war ich vom Ufer, wo ich meinem Freund Keith Lebewohl (leider das lezte) gesagt hatte, auf mein Zimmer zurückgeeilt, und in die Lesung meiner Handschrift vertieft, als mir auch schon die Schreckenspost kam, das Boot sey noch im Angesichte des Ufers von einem Windstoße umgestürzt worden, und die darauf Befindlichen ertrunken. Leider war's auch so, und als ich zum Ufer hinabstürzte, konnte ich nur die Saumseligkeit der Boote beflügeln, so, die Leichname zu suchen, ausfuhren! – Unter ruhigeren Verhältnissen war es mir gegönnt, die Lesung des ganzen vollständigen Werkes während meines zweyten Aufenthalts zu Konstantinopel als Gesandtschafts-Sekretär zu beginnen und zu vollenden. Ich gab davon, und von dem sonderbaren Ausgange der ganzen Geschichte der Tausend und Einen Nacht, meinem Freunde, Freyherrn Silvestre de Sacy, Nachricht, der sie dem leztern Herausgeber und Ergänzer der Tausend und Einen Nacht, Herrn Caussin de Perceval, mittheilte. Diesem theilte ich während meines Aufenthalts zu Paris im J. 1810 meine französische Übersetzung der von Galland nicht übersetzten Erzählungen mit, und überließ ihm die ganze Handschrift, des Sinnes und des Wunsches, daß er dieselbe bey der von ihm versprochenen Fortsetzung seiner neuen Ausgabe gebrauchen, und unter meinem Namen herausgeben würde. Als ich aber bald darauf vernahm, daß er meine Arbeit als seine eigene handzuhaben, und ohne alle Verantwortlichkeit willkührliche Veränderungen, ohne Nennung des Übersetzers, damit vorzunehmen gedenke, begehrte ich meine Handschrift zurück, und übergab dieselbe der Cotta'schen Buchhandlung, in der Hoffnung, daß dieselbe davon eine doppelte Ausgabe des französischen Textes sowohl, als einer deutschen Übersetzung desselben veranstalten würde. Die deutsche Übersetzung wurde dort aus dem Französischen verfertiget; da aber die Buchhandlung bey der Herausgabe des ersten ihre Rechnung nicht zu finden glaubte, bat ich, mit der zweyten zuzuwarten, bis daß sich, wie ich immer hoffte, auch zur Herausgabe des ersten, durch Freyherrn Silvestre de Sacy zu Paris ein Verleger finden würde. So wanderte die Handschrift nach Paris zurück, und blieb dort in des Freyherrn Händen liegen, bis daß ich im Jahre 1820 auf den guten Rath und guten Vorschlag meines Freundes, des ehrwürdigen Mr. Keene (Professors am orientalischen Collegium zu Hartford), welcher einen englischen Buchhändler zur Herausgabe des französischen Textes zu bewegen hoffte, das Manuscript von Paris nach London zu senden beschloß, und es zur sicheren Beförderung durch Kuriers-Gelegenheit meinem Freunde, dem Herrn Bothschaftsrathe Frh. Binder von Kriegelstein, bestens empfahl. Unglücklicher und unglaublicher Weise gieng der ganze Pack der Handschrift durch diese Kuriers-Gelegenheit verloren, ohne daß es trotz aller seit zwey Jahren hierüber durch die Herrn Bothschaftsräthe von London und Paris angestellten Nachforschungen und Untersuchungen möglich gewesen, zu erfahren, durch wessen Schuld das Ganze in Verlust gerathen sey. Dieser Vorfall selbst hat ein so fabelhaftes Ansehen, daß derselbe eher aus einem Mährchen der Tausend und Einen Nacht, als aus der Wirklichkeit gegriffen zu seyn scheint, und sich also recht sehr zu diesem Vorberichte eignet.
Die französische Handschrift möge nun von dem Kurier verloren oder demselben gestohlen worden, sie möge als Packpapier verbraucht, oder von einem Spekulanten vielleicht für einen andern Verleger aufbewahrt worden seyn, so kann ich diesen Verlust nicht länger schweigend ertragen, und halte es für's Beste, in Ermanglung meiner französischen Übersetzung, die aus derselben von Hrn. Professor Zinserling ins Deutsche verfaßte, hiemit an das Licht zu fördern, welches dieselbe schon viel früher erblickt haben würde, wenn ich nicht die Verlags-Handlung schon vor zehn Jahren ersucht hätte, mit der Herausgabe der deutschen bis zur Erscheinung der französischen Übersetzung zuzuwarten. Seit ich diese während meines zweyten Aufenthalts zu Konstantinopel verfertigte, sind es nun bald zwanzig Jahre, und im J. 1804 schrieb ich an meinen Freund, Silvestre de Sacy, die von mir zuerst gemachte Entdeckung des äußerst originellen Endes der Tausend und Einen Nacht, welches Galland unmöglich errathen konnte, weil er keine vollständige Handschrift besaß, und daher seine Leser mit seiner eigenen Muthmaßung irre führte, daß nach verlaufenen Tausend und Einer Nacht der König der Erzählerinnen ihres Talents wegen das Leben schenkte, während ganz umgekehrt er dieselbe, weil sie ihn zulezt gar sehr gelangeweilt, hinzurichten befahl, und sie nur aus Rücksicht der Kinder begnadigte, mit denen sie in dieser Tausend und Einer Nacht von ihm in die Wochen gekommen war, ohne daß der König hievon etwas gewahret hatte.
So wie ich, der Erste, auf dieses sonderbare Ende gestoßen bin, so habe ich auch, der Erste, die noch nicht herausgegebenen Mährchen und Anekdoten der Tausend und Einen Nacht von dem Anfange des ersten Bandes der arabischen (nun in Händen des Hrn. Grafen Rzewuski befindlichen) Handschrift bis an's Ende des vierten Bandes übersezt.