Hanns von Gumppenberg
Wir
Hanns von Gumppenberg

Hanns von Gumppenberg

Wir

Wir sind nicht zufrieden, wir fühlen uns nicht behaglich in diesem kalten, scharfen Maschinendunst – keiner von uns.

Unsere Zeit ist zwar eine ganz korrekte Mutter. Sie kommt allen ihren Pflichten nach, sie ist mit Eifer und Erfolg bemüht, ihre Kinder zu praktischen, durchaus korrekt funktionierenden Menschen zu erziehen. Man kann ihr gewiß kein Versehen, gewiß keine Nachlässigkeit nachweisen – und doch ist sie keine vollkommene Mutter. Denn: sie kann keine Märchen erzählen.

Und des Abends, wenn die Schularbeiten gemacht sind, hocken wir armen Kleinen hungernden Herzens in der Dämmerstube, und sehnen uns. Aber wir hören nur das mechanische, nüchterne, leere, tote Klappern, Fauchen und Stampfen unzähliger Maschinen ringsum. Und wir starren ins erlöschende Sonnenrot, und unsere unreifen Köpfelchen brüten sich selbst Dieses oder Jenes zusammen: immer heißer und fieberhafter brüten sie, Verworrenheiten und Albernheiten, eine wunderlicher als die andere, und jede ganz eigen und besonders ...

Es wird aber kein richtiges Märchen daraus. Denn ein richtiges Märchen muß die Mutter vorerzählen.