Curt Grottewitz
Der Mensch als Beherrscher der Natur
Curt Grottewitz

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I. Zur Einführung

Vor zwanzig Jahren habe ich einmal geschrieben, daß Grottewitz' Schriften im Herzen unseres Volkes fortleben würden. Diese Prophezeiung ist wahr geworden. Sie haben keinen rauschenden Augenblickserfolg gehabt wie so manches vergängliche Tagesbuch, aber sie dauern still weiter und grünen alljährlich neu wie der deutsche Wald, den ihr Verfasser sogeliebt.

Der Mann, der sich selbst den Schriftstellernamen gegeben, den seine Werke tragen, war kein Kind des Glückes. Kurz nur war die ihm vergönnte Lebensbahn, noch nicht ganz vierzig Jahre, dann raffte ihn ein Unglücksfall beim Baden in einem märkischen See dahin.

In diesen engen Grenzen hat sein reicher Geist unstet nach einer ganz richtigen Stelle zum Ausleben gerungen, meist eingeengt von der äußeren Not auch noch des wirtschaftlichen Tageskampfes. Seine ursprünglichen Studien gingen rein ins Literarische, er fühlte freien Dichterberuf, wie er immer auf seiten der Freiheit stand. Ohne hier zum ausgeklärten Ziele zu kommen, ging er dann über zur Naturwissenschaft, der er äußerlich zugleich als praktischer Landwirt sich zu nähern suchte. Wieweit er sich noch als selbständiger Forscher bewährt haben würde, ist durch seinen jähen Tod unbeantwortet geblieben. Mut und Gedanken hatte er sicherlich dazu.

Jedenfalls sollte aber ein anfänglich nur kleiner Seitenweg dieser späteren Jahre seine glücklichste Tat werden. Der nicht ganz ausgereifte Poet und Schriftsteller fand eine wunderbar schöne und leichtverständliche Form, gegebenen Stoff aus den verschiedensten naturwissenschaftlichen Fachgebieten volkstümlich darzustellen. Dabei faßte er Volk im weitesten Sinne; der schlichteste Arbeiter sollte verstehen können, was er schrieb.

In der kurzen Zeit, die ihm zur eigenen wie fremden Lehre vergönnt war, hat er hier den unbestrittenen Erfolg errungen, einer unserer besten naturwissenschaftlichen Darsteller zu sein – einer der wenigen, die überhaupt auf diesem Gebiet und in seiner Zeit Ernstes geleistet haben.

Curt Grottewitz hat selbst keine Muße mehr gefunden, auch nur das, was er so in verschwenderischer Fülle auf losem Zeitungsblatt in die breiteste Volksmasse hinausstreute, zu geschlossenen Büchern zu sammeln. Erst aus seinem Nachlaß sind jene Dauerwerke, die heute noch fortleben (»Sonntage eines Großstädters in der Natur" und »Unser Wald") pietätvoll zusammengestellt worden. Manche schöne Einzelblüte lag noch verstreut und lockte zum nachträglichen Kranz. So ist noch spät, aber sicher nicht unnütz und unlieb, auch diese Sammlung hier entstanden.

Sie braucht keinen Vergessenen zu wecken, sondern wendet sich nur neu an den alten, nie zerstreuten Leserkreis jener früheren Grottewitz-Gemeinde. Der Ton ist der gleiche volkstümlich bescheidene und doch künstlerisch gehobene wie dort. Im Volke selbst, so hoffen wir, ist aber in den Jahrzehnten seither der Sinn zur Heimat und dem ewigen Jungbrunnen ihrer Natur nur reifer und kräftiger geworden. Ich denke, auch die Volksbildung als solche ist inzwischen gewachsen oder hat doch heute freiere Luft zum Wachsen, so daß von ihr aus noch mehr entgegengekommen wird, als den ersten Pionierversuchen des jungen Meisters damals noch beschieden sein konnte.

Nicht so sehr vom Sein als vom Wechsel unseres Naturbildes erzählt dieses Werk.

Manchem erscheint ja, wenn er von der harten Arbeit in den Wald oder die Heide hinauskommt, wenn er wandern und sich ausleben darf da draußen, die Natur als das ewig Beharrende und gerade so beruhigende. Einzelschicksal des Menschen wechselt, die Welle der Kultur steigt und fällt, furchtbare Stürme des Völker- und Soziallebens brausen über uns hinweg; da geht der Bedrängte, Müde wohl zu Baum und Tier, Quelle und Berg, die als stiller Chor in ewiger Ruhe dahinterstehen. »Auf den Bergen ist Freiheit!« singt der Dichter, »Der Hauch der Grüfte steigt nicht hinauf in die reinen Lüfte.«

Und doch ist auch das nicht ganz wahr.

Wir sind nicht umsonst Kinder der Natur. Auch sie unterliegt einer unaufhaltsamen, wenn auch in großen Wirkungen meist unendlich langsamen eigenen Entwicklung. Innere Gesetze, seit Urtagen niemals ruhend, formen weiter an ihr. Unser Erdball, in großen Zusammenhängen des Alls mitschwingend, verschiebt allmählich sein Klima, seine Land- und Wasserverteilung, seinen Sternenhimmel, wie er das in den ungeheuren Zeiträumen der Vorwelt schon mehrfach getan. Mit Wärme und Boden aber machen sich andere Lebensgeschlechter, andere Anpassungsformen der Tiere und Pflanzen geltend.

Freilich: für das kurze Leben des einzelnen, ja, für die wenigen Jahrtausende ganzer Kulturvölker geht dieser Wechsel im reinen inneren Naturbann zunächst so gemächlich, daß unsere gewöhnliche Heimatsbetrachtung, unsere Heimatsliebe und unser Heimatsvertrauen kaum davon Notiz zu nehmen brauchen, sofern nicht rein wissenschaftliches Interesse in Frage kommt.

Aber das große, unruhige Naturkind Mensch ist ja auch selber mit im Spiel, und es rückt allerdings viel nachdrücklicher und fühlbarer am Zeiger der großen Uhr.

Vom Tage, da der Mensch die Natur auf seinem Planeten zu beherrschen begann, hat er sie auch zu verändern, umzuschaffen begonnen nach seinem Bilde – auf seinen Vorteil, sein Glücksideal, sein Schönheitsempfinden. Vielfach unbewußt, manchmal gegen sein Wollen, aber immerfort und unaufhaltsam mit dem ungeheuren Tempo, das allem Menschenfortschritt innewohnt, der in einer, geologisch gerechnet, geradezu lächerlich winzigen Zeitspanne eine ganze Kultur aufgebaut und Dutzende von Malen schon wieder um- und umgeordnet hat. Alle Geschichte, alle kulturelle, wirtschaftliche, politische, die ein Volk erlebt hat in den Jahren seiner Existenz, spiegelt sich heute nicht nur als festes Erbe in der Seele von jedem von uns Nachkommen, der heute dort neu hineingeboren und hineinerzogen wird; sondern der Kundige sieht sie auch bereits in der Landschaft selber ringsum in den deutlichsten Zügen abgeprägt. Zuerst traf das nur das engere Gebiet, wo gerade ein Einzelvolk saß. Aber machtvoll stellte sich allmählich der Verkehr der Völker untereinander dazu. Als phönizische Händler vor dreitausend Jahren zum erstenmal aus den Mittelmeerländern nach unserem Norden zogen, Zinn und Bernstein dort einzuhandeln gegen Purpurgewänder, bunte Gläser und feurigen Südwein, da haben sie gewiß nicht geahnt, daß im Gefolge solchen Handels dermaleinst die ganze Natur des Nordens und Südens sich neu vermischen, Pflanzen und Tiere aus- und einwandern, sich versetzen und absterben würden, daß die Natur gleichsam selber durch die von der Menschentechnik geschaffenen Pforten in neuen Handelsaustausch treten werde.

Da mag nun wohl manchen die melancholische Stimmung überkommen: also es dauert auch da draußen nichts. Wie der Fels von Helgoland allmählich ins Meer stürzt, so bröckelt auch das Land unserer Väter ab – »andre Zeiten, andre Vögel« woran sollen wir uns also halten?

Abb. 1. Italienische Landschaft mit Agaven, Opuntien, Pinien, Zypresse.

Das ist doch auch wieder verfrüht und in vielem ganz unrichtig. Auf der einen Seite hat dieser Wandel der Natur auch unendlich viel Gutes gebracht. Wir würden uns schwerlich wohl fühlen in den ungesunden und unwegsamen nassen Sumpfwäldern unserer altgermanischen Vorfahren, wenn wir dahin zurückversetzt werden sollten. Der Italiener von heute kann sich sein Land gar nicht mehr denken ohne die Goldorange im dunkeln Laub, die von Baum zu Baum rankende Rebe, den Opuntienkaktus und die himmelhoch blühende Agave, alle deutschen Italienfahrer seit Goethe haben es so gesehen und sich daran berauscht – und doch wissen wir ganz genau, daß Rebe und Orange erst durch menschlichen Kulturhandel aus dem Orient importiert, Kaktus und Agave gar erst aus Amerika seit Kolumbus' Zeiten eingewandert sind. Andererseits wird keine Menschenzutat gerade gewisse tiefste und liebste Züge von Heimatbildern verwischen können. Der Zauber des deutschen Frühlings, den wir in den wärmeren Zonen so schmerzlich vermissen, wird auch unseren fernsten Enkeln noch treu bleiben, und der Schweizer wird seine Berge, mit denen er so verwurzelt ist, so bald nicht missen.

Wiederum manches, das jetzt häßlich aus Uebergangswegen unserer Technik in die Natur eingreift, wird sich gleichsam selbst in absehbarer Zeit wieder herausregulieren. Wenn der Fabrikschornstein heute eine liebliche Landschaft verschandelt, so dürfte er wohl aus inneren Gründen des Fortschritts wieder verschwinden, wenn wir bessere Mittel finden, den Rauch technisch zu bewältigen und zu verwerten. Der Eisenbahndamm, der zuerst unschön und fremd zwischen die Eigenlinien der Natur und Bodenkultur trat, zeigt sich aus der Fülle eben dieser Natur in kurzer Frist wieder mit Grün bekleidet, daß das Auge ihn kaum noch findet, und vielleicht ist auch die Höhe seiner notwendigen Verbreitung mit Anbruch unserer neuen Periode der Flugtechnik überhaupt schon wieder überschritten, ähnlich wie das häßliche Telegraphennetz der freien Welle weicht. Ein vernünftiger Steinbruchbetrieb oder Moorabbau, eine richtige Forsttechnik brauchen auch keineswegs die Natur da zu zerstören, wo Menschengemüt sich ihrer Schönheit erfreuen will.

Wohl allerdings erwächst hier für uns eine ganz bestimmte Pflicht: dem übermäßig und überflüssig raschen Tempo unserer Menschenverschiebung und Menschenzerstörung im vergänglichen Augenblicksbedürfnis gelegentlich eben aus Menschenverstand wieder entgegenzutreten, also allen fühlbaren Auswüchsen gegenüber einen bewußt bremsenden Naturschutz und Heimatschutz zu treiben. Aus dem Menschen selber als einem Stück nicht nur Natur, sondern auch höherer Vernunftnatur muß hier die Korrektur auch für das Naturbild ebenso selbstverständlich kommen.

Wir werden überall mit Recht und allen Mitteln protestieren, wo kurzsichtige Momentinteressen einzelner köstliches vaterländisches Naturgut antasten, das mindestens noch vielen Generationen unserer Nachkommen zur Freude und Belehrung hätte dienen können. Wissenschaftliche und rein gemütliche Interessen kommen hier zusammen. Denn unsere Heimat gehört auch der Forschung, und wenn etwa ein Tier heute willkürlich ausgerottet wird, so ist das auch dort ein schlimmer Verlust, den kein fremder Import ersetzen kann. Wie wenig wissen wir noch vom Nestbau unserer bekanntesten Vogel, vom stillen Lebenslauf selbst mancher volkstümlichsten Tiere. Es erregte Aufsehen in Fachkreisen, als neuerlich ein Zoologe feststellte, daß wir noch heute nicht klar über den Maulwurfsbau unterrichtet seien; wenn uns nun eine vergängliche Damenmode um seines weichen Fellchens willen vorher den ganzen Maulwurf vernichtet hätte! Erfreulicherweise blüht aber auch dieser Naturschutz heute in weitestem Umfang auf und hat endlich auch unsere amtlichen Kreise zu beschäftigen begonnen. Staatliche Stellen für Naturdenkmalpflege, bis ins einzelne bestimmter Tier- und Pflanzennamen gehende Schutzgesetze, Inventarisierung aller in Betracht kommenden Werte mit Einzeichnung in besondere Heimatkarten, Interessierung von Schulen, Forstverwaltungen, Universitätskreisen sind in allen Teilen des Reiches mit Erfolg in die Wege geleitet, wobei diesmal das erfreulichste Zusammenwirken aller Parteien zu bemerken war. Als ganz besonders wirksam haben sich auch bestimmte Reservate, Naturschutzgebiete, Asyle an geeigneten Stellen bewährt: also mehr oder minder große, besonders schöne und an »Natururkunden« reiche Einzelteile unserer Landschaft, die vorläufig jeder künstlichen Veränderung entzogen und auch technisch nicht ausgebeutet werden sollen, sondern bei freiem Weiterblühen doch allen Schutz und Zweck eines Museums genießen.

Abb. 2. Rest eines mitteleuropäischen Urwaldes in Böhmen.

Ein solches Reservat umfaßt z. B. bei Chorin in der Nähe Berlins ein hochcharakteristisches See-, Moor- und Gletschermoränengelände von 167 Hektar Umfang. Andere schützen Teile der Lüneburger Heide, das vom Steinbruchbetrieb bereits furchtbar verheerte rheinische Siebengebirge, den noch erhaltenen Urwaldrest in Oldenburg, die Isarlandschaft oberhalb Münchens, unter fremder Regie den ebenfalls urwaldhaften Böhmer Wald, ferner die Potsdamer Pfaueninsel, gewisse Riesendünen unserer Meeresküste, wertvolle Vogelkolonien, Hochmoore, selbst bis in die deutsche Alpenwelt bei 2000 Meter Höhe gehen sie schon. Ganz kürzlich ist die sogenannte kleine Schneegrube im Riesengebirge, die noch ein fast unverändertes Gletscherbett der Eiszeit vor Augen führt und zum Teil mit den wunderbarsten hochnordischen Pflanzen als lebendigem Ueberbleibsel dieser Kälteperiode vor vielen tausend Jahren bestanden ist, zu solchem unveränderlichen Naturschutzgebiet erklärt und dadurch, wie zu hoffen, zu Lust und Lehre ferner Urenkel gerettet worden.

Auch einzelne alte Bäume und künstlerisch und wissenschaftlich interessante einzelne Gesteinsklippen (Basaltsäulen, Quadersandstein) und ähnliches können durch die betreffenden Gesetze schon jetzt für unantastbar erklärt werden.

Wo der technische Betrieb mit seiner wachsenden Ausdehnung als solcher aus Wirtschaftsgründen nicht auszuschalten ist, da kann dieser straff organisierte Heimatschutz doch in vielen Fällen beratend und regulierend sich zur Seite stellen, so bei Wasserspiegelsenkungen, Austrocknen der Moore, vor allem dem landschaftlich bedrohlichen Steinbruchbetrieb. Wenn wir hören, daß um 1904 der Abbau des Quadersandsteins in der Sächsischen Schweiz jährlich zweihunderttausend Kubikmeter Steine im Werte von zwei Millionen Mark bewegte und viertausend Arbeiter beschäftigte, so kann solcher Wirtschaftsbetrieb natürlich nicht im heutigen System ohne weiteres abgestellt werden, aber es wird doch als vernünftiger Rat zu hören sein, daß nicht gerade die unersetzliche Schönheit der Elbtalränder zunächst davon betroffen, sondern daß der Abbau ins tiefere Land hinein verlegt werde.

Es sei auch der Name des Mannes hier genannt, der zuerst hochverdienstlich diese gesamte deutsche Schutzforderung in amtliche Kräfte umgesetzt hatte, des verstorbenen Professors Conventz in Danzig.

Es war dem Hauptverfasser dieses Werkes nicht vergönnt, den ganzen Umfang dieser Bestrebungen (die zum Glück auch der Weltkrieg nicht gelähmt hat) noch zu erleben, sonst würde er als Gegengabe seiner Betrachtungen wohl noch öfter und nachdrücklicher auch in seinem Text darauf hingewiesen haben

Andererseits soll der einzelne heimische Wanderer und Naturgenießer sich aber jederzeit auch voll bewußt sein, daß er selber gerade als Genießer in erster Linie auch als solcher Schützer für seine Person verpflichtet ist. Die Natur ist sein großer Volksgarten, wo er auch ohne Gitter und Polizeiplakat immerzu wissen soll, daß man hier nicht willkürlich die schone Naturgottesgabe ausreißt, zertritt und herunterschlägt. Wie überall, so muß auch hier der Begriff Heimat verpflichten – verpflichten zum Dienst an unseren Kindern und Enkeln, die auch an dieser Natur noch ihr Anrecht haben wollen.

Jenen großen und letzten heiligen Wandel aller Dinge aber, den wir auch an dieser Stelle nicht ändern können und schließlich auch nicht wollen – ihn mögen wir still in die Hand des großen Weltgeschickes legen, in das wir alle nun einmal in dieser Natur hineingeboren sind. Auch wir müssen geistig und wirtschaftlich immer weiter – neuen und, wie wir doch wenigstens hoffen, besseren Zielen zu – so wird die Natur zuletzt auch wohl wandern dürfen und zum Guten wandern sollen. Und wo wir selber durch unseren Menschenwandel diesen Naturwandel unterstützen müssen – nicht leichtsinnig, aber auch im Gesetz – da werden wir denken, daß – wie der Philosoph uns wohl sagt, Raum und Zeit seien zuletzt nur menschliche Denkformen – so auch der Begriff Heimat in gewissem Sinne nur eine Tat unseres eigenenSelbst darstelle. Wir sind Kinder unseres Bodens. Aber das Kind ist nicht bloß vom Vater abhängig, sondern es lernt auch der Vater vom Kinde. Das ist eine ewige Wahrheit, die auch hier bleiben muß und zum guten Ende doch auch zur menschlichen Größe gehört.

Wenn in unendlichen, unfaßbaren Fernen wirklich auch die letzte Scholle einmal dessen abgenagt und neu umgesetzt sein sollte, an dem unsere Liebe heute noch so rührend hängt – dann werden auch Geist und Herz unserer Enkel im weitesten Gliede sich so anders und neu eingestellt haben, daß sie wohl auch eine neue Scholle vertragen, ohne ihre edelsten Idealguter selbst deswegen verlieren zu müssen.

Inzwischen ist aber bis dahin noch weit und es gilt noch resolute Arbeit für uns von heute genug: nicht nur in jenem Sinne, unsere Heimatsnatur so lange zu schützen, wie es geht, sondern auch immer weitere Menschenkreise heranzuerziehen zur Liebe an diesem Heimatsbild. Diese Liebe wird auch denen ein unschätzbares Erbe sein, die sich einmal auf eine anders gewendete Natur einstellen müssen und das Dichterwort buchstäblich als wahr erleben: »Andre Zeiten, andre Vögel.« Wieder zu dieser Naturliebe gehört aber immer auch ein Teil Denken und Wissen, und das war es, was ein solcher Mann wie Grottewitz seinem Volk wesentlich vermitteln wollte.

Der Zweck dieses Buches ist in erster und letzter Linie, schöne uns noch erhaltene Worte von Grottewitz selbst in neu dauernder Form weiterzugeben. Das war bestimmend für die Arbeit des Herausgebers.

Es mußte ihre Aufgabe sein, möglichst wenig am Grottewitzschen Text selbst zu ändern, dessen Wert schr oft weniger in dem beruht, was er sagt, als wie er es sagt. Einzelne der dargelegten Dinge ließen oder lassen verschiedene wissenschaftliche Deutungen zu. Es schien aber nicht angemessen, hier willkürlich von einem anderen Standpunkt hineinzukorrigieren, sondern Grottewitz als solcher soll zu uns reden, soll uns sagen, wie er es meinte.

Dagegen schien noch ein zusammenfassendes Schlußbild erwünscht, zu dem er nicht mehr gekommen – und das habe ich, ganz als Eigenarbeit, die mein eigener Name deckt, beigefügt.

Schreiberhau i. R. 1928.

Wilhelm Bölsche.


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