Johann Wolfgang von Goethe
Mahomet
Johann Wolfgang von Goethe

Johann Wolfgang von Goethe

Mahomet

Feld. Gestirnter Himmel

Mahomet (allein) Teilen kann ich euch nicht dieser Seele Gefühl. Fühlen kann ich euch nicht allen ganzes Gefühl. Wer, wer wendet dem Flehen sein Ohr? Dem bittenden Auge den Blick.

Sieh er blinket herauf Gad der freundliche Stern. Sei mein Herr du! Mein Gott. Gnädig winkt er mir zu! Bleib! Bleib! Wendst du dein Auge weg. Wie? liebt ich ihn, der sich verbirgt?

Sey gesegnet o Mond! Führer du des Gestirns. Sei mein Herr du mein Gott! Du beleuchtest den Weg. Laß! Laß! Nicht in der Finsternis! Mich! Irren mit irrendem Volk.

Sonn dir glühenden weiht sich das glühende Herz. Sei mein Herr du mein Gott! Leit allsehende mich. Steigst auch du hinab herrliche! Tief hüllet mich Finsternis ein.

Hebe liebendes Herz dem Erschaffenden dich! Sei mein Herr du! mein Gott! Du allliebender du! Der die Sonne den Mond und die Stern schuf, Erde und Himmel und mich.

Halima (seine Pflege Mutter zu ihm) Mahomet.

Mahomet Halima. O daß sie mich in diesen glückseligen Empfindungen stören muß. Was willst du mit mir Halima.

Halima Ängstige mich nicht lieber Sohn, ich suche dich von Sonnen Untergang. Setze deine zarte Jugend nicht den Gefahren der Nacht aus.

Mahomet Der Tag ist über dem Gottlosen verflucht wie die Nacht. Das Laster zieht das Unglück an sich, wie die Kröte den Gift, wenn Tugend unter eben dem Himmel gleich einem heilsamen Amulett die gesundeste Atmosphäre um uns erhält.

Halima So allein auf dem Felde, das keine Nacht für Räubern sicher ist.

Mahomet Ich war nicht allein. Der Herr, mein Gott hat sich freundlichst zu mir genaht.

Halima Sahst du ihn.

Mahomet Siehst du ihn nicht? an jeder stillen Quelle, unter jedem Blühenden Baum begegnet er mir in der Wärme seiner Liebe. Wie dank ich ihm er hat meine Brust geöffnet, die harte Hülle meines Herzens weggenommen, daß ich sein Nahen empfinden kann.

Halima Du träumst! Könnte deine Brust eröffnet worden sein, und du leben.

Mahomet Ich will für dich zu meinem Herren flehen daß du mich verstehen lernst

Halima Wer ist dein Gott Hobal oder Al Fatas.

Mahomet Armes, unglückliches Volk das zum Steine ruft ich liebe dich, und zum Ton sei du mein Beschützer. Haben sie ein Ohr fürs Gebet, haben sie einen Arm zur Hülfe.

Halima Der in dem Stein wohnt, der um den Ton schwebt vernimmt mich, seine Macht ist groß.

Mahomet Wie groß kann sie sein? es stehn dreihundert neben ihm, jedem raucht ein flehender Altar. Wenn ihr wider eure Nachbarn betet, und eure Nachbarn wider euch, müssen nicht eure Götter wie kleine Fürsten deren Grenzen verwirrt sind, mit unauflöslicher Zwietracht sich wechselsweise die Wege versperren.

Halima Hat dein Gott denn keine Gesellen.

Mahomet Wenn er sie hätte könnt er Gott sein.

Halima Wo ist seine Wohnung?

Mahomet Überall.

Halima Das ist nirgends. Hast du Arme den ausgebreiteten zu fassen.

Mahomet Stärkere brennendere als diese, die für deine Liebe dir danken. Noch nicht lange daß mir ihr Gebrauch verstattet ist. Halima, mir war's wie dem Kinde das ihr in enge Windlen schränkt, ich fühlte in dunkler Einwickelung Arme und Füße, doch es lag nicht an mir mich zu befreien. Erlöse du mein Herr, das Menschengeschl[echt] von seinen Banden, ihre innerste Empfindung sehnt sich nach dir.

Halima (vor sich) Er ist sehr verändert. Seine Natur ist umgekehrt, sein Verstand hat gelitten. Es ist besser ich bring ihn seinen Verwandten jetzo zurück, als daß ich die Verantwortung schlimmer Folgen auf mich lade.

Ali
Seht den Felsenquell
Freudehell,
Wie ein Sternenblick!

Fatema
Über Wolken
Nährten seine Jugend
Gute Geister,
Zwischen Klippen
Im Gebüsch.

Ali
Jünglingsfrisch
Tanzt er aus der Wolke
Auf die Marmorfelsen nieder,
Jauchzet wieder
Nach dem Himmel.

Fatema
Durch die Gipfelgänge
Jagt er bunten Kieseln nach.

Ali
Und mit festem Führertritt
Reißt er seine Brüderquellen
Mit sich fort.

Fatema
Drunten werden in dem Tal
Unter seinem Fußtritt Blumen,
Und die Wiese lebt von
Seinem Hauch.

Ali
Doch ihn hält kein Schattental,
Keine Blumen,
Die ihm seine Knie' umschlingen,
Ihm mit Liebesaugen schmeicheln;
Nach der Ebne dringt sein
Lauf Schlangewandelnd.

Fatema
Bäche schmiegen
Sich gesellschaftlich an ihn;
Und nun tritt er in die Ebne
Silberprangend.

Ali
Und die Ebne prangt mit ihm!
Und die Flüsse von der Ebne,

Fatema
Und die Bächlein von Gebirgen
Jauchzen ihm, und rufen:

Beide
Bruder!
Bruder, nimm die Brüder mit!

Fatema
Mit zu deinem alten Vater,
Zu dem ewgen Ozean,
Der, mit weitverbreit'ten Armen
Unsrer wartet,
Die sich, ach! vergebens öffnen,
Seine sehnenden zu fassen.

Ali
Denn uns frißt, in öder Wüste,
Gierger Sand; die Sonne droben
Saugt an unserm Blut;
Ein Hügel
Hemmet uns zum Teiche.
Bruder! Nimm die Brüder von der Ebne!

Fatema
Nimm die Brüder von Gebirgen!

Beide
Mit zu deinem Vater! mit!

Ali
Kommt ihr alle!
Und nun schwillt er herrlicher;
(Ein ganz Geschlechte
Trägt den Fürsten hoch empor;)
Triumphiert durch Königreiche;
Gibt Provinzen seinen Namen;
Städte werden unter seinem Fuß!

Fatema
Doch ihn halten keine Städte,
Nicht der Türme Flammengipfel,
Marmorhäuser, Monumente
Seiner Güte, seiner Macht.

Ali
Zedernhäuser trägt der Atlas
Auf den Riesenschultern; sausend
Wehen, über seinem Haupte,
Tausend Segel auf zum Himmel
Seine Macht und Herrlichkeit.
Und so trägt er seine Brüder,

Fatema
Seine Schätze, seine Kinder,

Beide
Dem erwartenden Erzeuger
Freudebrausend an das Herz!