Seit Wochen hatte der kleine Schluckerfranzl ein hartes Leben. Nicht etwa, weil er mehr als bisher die Bitterkeit des Daseins verspürte, das die nicht immer gut gelaunte Vorsehung ihm und den Seinen zubestimmt hatte. Und es wäre ihm ein bißchen Unzufriedenheit hierüber doch sicher nicht zu verdenken gewesen. Seine Mutter war die Schluckerbastlerin – ein Name, zu dem sich eine nicht sehr lustige Geschichte schreiben ließe. Ihr Mann hatte sich als Holzknecht im wahrsten Sinne des Wortes durch das Leben geschlagen, und da er Sebastian hieß und ein armer, notiger Schlucker war, nannten sie ihn im Dorfe den Schluckerbastl. Er war aber nicht nur ein armer, sondern auch ein braver Schlucker, der sich für Weib und Kind die Finger blutig arbeitete, bis ihn ein stürzender Baum erschlug und aller irdischen Plag und Sorgen ledig machte. Von nun an hatte die Bastlerin mit ihren Kindern ein noch härteres Beißen am Leben, und im Schluckerhäuschen gab es selten etwas anderes zu kosten als ungeschmalzene Brotsuppe und Erdäpfel mit der Montur.
Aber was für die Bastlerin Kummer und Bitternis war, das war ein Gleiches nicht auch für ihren Franzl. Sein leichtes Kindergemüt tauchte durch alles kalte Dunkel immer an die warme Sonne, sein unsterblicher Knabenhunger zauberte ihm Brotsuppe und Erdäpfel in die köstlichsten Leckerbissen um, und auch außerdem hatte er alle Ursache, sich als kleiner Herr und König zu fühlen. Waren doch im schönen Sommer alle Straßen und Pfützen des Dorfes sein unbestrittenes Erb und Eigen, der grüne weite Wald mit den singenden Vögeln, die blumigen Wiesen mit den schlupfigen Hecken und der silberne Bach mit den Weidenstauden, auf denen die Maienpfeifen wachsen. Und im Winter, der gerade weiß und glitzernd über dem Dorfe lag, gehörten dem reichen Schluckerfranzl alle Schleif– und Schlittenbahnen und die endlosen Felder mit dem vielen Schnee, den tausend Hände in tausend Jahren zu Schneeballen nicht völlig verarbeitet hätten.
Nein! Was dem Franzl seit einigen Wochen das Leben erschwerte, das war nicht aus dem dürren, knauserigen Boden des Daseins in ihm hineingewachsen – das kam nur von den Aufregungen her, die diese Wochen über ihn gebracht hatten. Zuerst die ebenso qual– und zweifelvolle wie hoffnungsreiche Frage, was ihm das Christkindl bescheren würde! Und als diese Frage mit einer grobwollenen Ohrenkappe, einem Fäustlingspaar, sechs Äpfeln und zwanzig Nüssen befriedigend gelöst war, stand Franzl in peinigender Spannung schon wieder vor einer zweiten Frage: was ihm wohl das Neujahrswünschen beim Pfarrer, Lehrer, Förster und Bürgermeister eintragen würde? Auch diese Aufregung löste sich zu Franzls Zufriedenheit. Nur mit der Pfarrersköchin verdarb er es dabei, denn in seiner siebenjährigen Unschuld wünschte er mit dem herkömmlichen Sprüchlein auch dem Hochwürdigen Herrn »ein guts neus Jahr und ein Christkindl mit Krausehaar«.
Aber gleich der Abend des Neujahrstages brachte eine dritte, nach Wichtigkeit der Sache entsprechend gesteigerte Aufregung über ihn. Da saß er in der von einem brennenden Kienspan trüb erhellten Stube träumend hinter dem rissigen, nicht allzu warmen Kachelofen. Und da fiel ihm plötzlich ein Gedanke an, und mit einem vor Erregung heiseren Stimmchen fuhr er in die Höhe: »Mutterl! Du! Heuer möcht ich auch ein Heiligen Dreikönig machen! Jetzt bin ich alt gnug dazu, gelt, Mutterl, gelt?«
»Ja, Franzerl, ja!« sagte die Bastlerin, die mit schwerfälligen Händen an einem Strumpfe stopfte. Weshalb auch hätte sie ihrem Buben diese Freude versagen sollen? War's doch eine billige Freude. Auch dachte sie an die guten und nützlichen Dinge, welche Franzl für sich selbst, für seine kleinen Geschwister und fürs Haus vom »Dreikönigsritt« mit heimbringen konnte. »Ja, Franzerl, ja«, sagte sie, »mußt dich halt morgen gleich um die zwei anderen umschauen und mußt dein Königssprüchl recht schön und fleißig lernen!«
Franzls Augen leuchteten. Und nun half der Mutter kein Weigern, sie mußte gleich beginnen, ihm das Königssprüchlein vorzusagen, das er mit einer Andacht nachbetete, als wär's das heilige Vaterunser. Dann kam für ihn eine schlaflose Nacht; unermüdlich plapperte er die paar Reime herunter, die er sich schon gemerkt hatte, träumte sich dabei in seinen Königsstaat hinein und sah sich schon mit Schätzen reich beladen am Abend des Dreikönigstages heimkehren von den Nachbardörfern und den einsam liegenden Bauernhöfen. Aber die stille Freude dieser Nacht wandelte der nächste Tag in bittere Kümmernis. Am Morgen rannte Franzl davon, um sich zwei Könige als Kameraden zu suchen –und kam gegen Mittag mit verweinten Augen zurück.
»Franzerl, geh, weswegen weinst denn?« fragte die Bastlerin.
»Weil mich keine net mitgehn lassen mögen!« schluchzte das Bürschlein in untröstlich scheinendem Jammer. »Ich tät ihnen z'Iumpig ausschaun, haben s' alle gsagt. Und überall sind schon alle drei beinander!«
Die Mutter tröstete ihren Schmerzenreich, versprach ihm Hilfe, und richtig, am Abend schon brachte sie ihm die gute Nachricht heim, daß der Schreiner ihr zugesagt hätte, den Franzl mit seinen zwei Buben gehen zu lassen. Und sogar den allerschönsten unter den Heiligen Drei Königen dürfe er darstellen: den schwarzen, den Mohrenkönig! Wenn jetzt der Teufel in Gestalt des Schreiners dem Schluckerfranzl erschienen wäre und gefordert hätte: bete mich an – der Franzl hätt' es ohne Zögern getan.
Drei Tage vergingen, reich an Spannung, Sorgen und Aufregungen. Das Königssprüchlein war in seiner ganzen Länge zu lernen, und der Ornat des Mohrenfürsten mußte genäht, gewaschen und gekleistert werden. Endlich war alles in Ordnung und auch die letzte Nacht vergangen. Grau lag der Wintermorgen noch vor den Fenstern, da hatte Franzl schon seine Suppenschüssel ausgelöffelt und stand nun vor der Mutter, um sich als Mohrenkönig »gwanden« zu lassen. Vor allem wurde er nach Möglichkeit warm angezogen. Er hatte ja vom frühen Morgen bis in den späten Abend umherzustapfen in Schnee und Kälte. Dann wurde ihm der weiße, den übrigen Anzug völlig verhüllende Königstalar angezogen, den die Bastlerin aus einem Hemde ihres seligen Mannes zurechtgeschnitten, und dessen verwaschene, zundermürbe Leinwand sie über und über mit roten, blauen und gelben Papiersternchen beklebt hatte. Gegürtet wurde er mit einem Stricklein, in das die Henkel der blechernen Sparbüchse und des kleinen Schmalztopfes eingeschlungen waren. Das frische, hübsche Bubengesicht wurde ihm mit Kienruß angestrichen, so daß es seltsam zu den blonden Ringelhaaren kontrastierte; auf den Kopf bekam er die wollene Ohrenkappe, auf der die goldene Papierkrone festgenäht war, an den linken Arm ein mit Heu gefülltes Körbchen für die Eier, auf die rechte Schulter den kleinen Zwerchsack für die Wecken, Kletzen, Äpfel und Nüsse – und Balthasar, der heilige Mohrenkönig, war fertig.
Als Franzl das Schluckerhäuschen verließ, da strahlte er, als wäre er nicht einer der »Magier«, sondern leibhaftig ihr goldener Stern. Dieser strahlende Glanz aber wurde zu trübem Wasser, als Franzl den Schreinerhof erreichte und dort erfuhr, daß die anderen Könige schon auf und davon wären ins nächste Dorf.
»Jessas, Franzerl«, sagt die Schreinerin, »ich hab glaubt, du bist schon dabei, weil schon drei beinand waren ... und ein Schwarzer auch!«
Wie versteinert starrte das Schluckerle, vom Bock gestoßen, eine Weile vor sich hin, bis es die Frage herausgurgelte: »Wo zu ... sind s' denn ... gangen?«
»Da, d' Straßen gradaus!«
Jetzt fing Franzl zu laufen an, was ihn seine kurzen Beinchen nur trugen. Das machte sich, soweit die Häuser reichten, noch ohne Mühe. Draußen auf dem offenen Feld aber, wo der Schnee tiefer lag und die Straße häufig ganz verweht war, hatte er ein bitteres Marschieren. Endlich sah er hinter einer dichten Hecke den goldenen, vom König Melchior auf einer dünnen Stange getragenen Kometen glänzen. Franzl lief, was er laufen konnte – jetzt schwenkte er um die Ecke – und richtig, es waren ihrer drei: die zwei Schreinerbuben und der zehnjährige Schustermichel als Mohrenkönig. Anfangs schien es, als wollten die drei Weisen aus dem Morgenlande vor dem Schluckerle Reißaus nehmen; aber sie besannen sich eines anderen. Sie ließen den Franzl herankommen, und bevor er noch ein Wörtl herausbrachte, begannen ihn die zwei Schreinerbuben wegen seines Zuspätkommens – und er war doch früher als ausgemacht gekommen! – in einer Weise abzukanzeln, daß ihm vor Angst und Schrecken das Zäpflein hinunter fiel. Als sie ihn nun so zerknirscht vor sich stehen sahen, fingen sie wieder gütlich mit ihm zu reden an und erlaubten ihm großmütig das Mitgehen.
»Ja, aber da muß der Michel wieder heimgehen!« schmollte das Schluckerle.
Davon aber wollte keiner der drei Weisen etwas wissen; und so entschied man sich, daß die Heiligen Drei Könige für diesmal eben zu vieren ausrücken sollten – aber, sagte der Schustermichel unter lebhafter Zustimmung der beiden Schreinerbuben, eine Bedingung wäre noch dabei; es wäre von jeher so gewesen, daß der jüngste König das Reisegepäck seiner gekrönten Kameraden getragen hätte.
»No ja, wann's halt sein muß!« stotterte das Schluckerle und lud die Eierkörbe und Zwerchsäcke der anderen auf seine Schultern und keuchte hinter den dreien einher, wie das gute Eselein, von dem in der Heiligen Schrift des öfteren zu lesen steht. Wollten seine Beinchen ermüden, dann wurde er mit Schneeballen gespornt, aber nicht etwa in den Flanken, sondern hinter den Ohren und im Nacken. Batsch! Wie das klatschte! Und es klebte, wie angefroren. Ein Gutes war aber doch bei der Sache: daß dem Schluckerle hübsch warm blieb, derweil die anderen Könige vor Kälte mit den Zähnen klapperten. Die Felder nahmen ein Ende, es kam der Wald, durch den sie ein halbes Stündlein zu wandern hatten, dann zeigten sich zwischen Hecken und beschneiten Bäumen die Dächer des Dorfes, in dem sie das »Königsreiten« beginnen wollten.
Nun nahmen die drei Weisen dem Franzl ihre Sachen ab. »Sooodala!« sagten sie – das heißt soviel als: jetzt sind wir fertig miteinander –dann rannten sie über Kopf und Hals davon, und der Schustermichel gab dem Schluckerle noch aus privatem Konkurrenzneid einen Stoß vor die Brust, daß es in einen mit Schnee überwehten Graben purzelte.
Als Franzl wieder auf die Füße kam, sah er, daß der Schmalztiegel zerbrochen und die goldene Krone bedenklich zerknittert war. Bitterlich hub er zu weinen an, und dabei trollte er langsam dem Dorf entgegen, obwohl er nicht wußte, was er dort eigentlich suchen sollte. Er als einschichtiger König konnte doch nicht ans »Reiten« denken. Aber die Vorsehung dachte für ihn. Denn als er zu dem ersten Hause kam, guckte die Bäuerin aus dem Fenster, ein altes Weiblein mit freundlichem Runzelgesicht. Und da entspann sich folgendes Zwiegespräch:
»Büble? Wer bist denn? Und wo kommst denn her?«
»Der Schluckerfranzl heiß ich, und ein Heiliger Dreikönig bin ich.«
»Wo hast denn deine zwei anderen König?«
»Die sind mir davonglaufen und haben mich in die Gähwinden einigworfen.«
»Ja warum denn?«
»Weil s' mich net mögen haben.«
»Ja geh! Das sind aber Schlankln! Aber schau, mußt net heinen, Büble! Bist ja so ein schöner König, ah, ah, gwiß, ein mordsschöner noch dazu! Und kannst ja allein umreiten auch! So geh, komm her und fang zum Singen an!«
Mit nassen, schüchternen Augen kam das Schluckerle näher, machte, wie es die Sitte von einem Dreikönigsreiter heischt, vor dem Fenster der Bäuerin ein paar Galoppsprünge, die freilich recht müd und traurig ausfielen, und begann, von Schluchzen immer unterbrochen, sein Königssprüchlein herzusingen:
»Die Heiligen Drei König mit ihrem Stern,
Die essen und trinken und zahlen net gern,
Sie reiten auf ein weißen Roß
Vor jedes Haus, vor jedes Schloß
Und tragen um zum Stopfen
Ein leeren Sack und klopfen
An alle Fenster, alle Türn,
Ob s'net ebbes kriegen wern.
Drauß in Tenna
Laufn die fettn Henna,
Droben in First
Hangen die Würst
Gebts mir die langen,
Laßts die kurzen hangen!
Kletzen raus, Küechle raus
Oder ich schlag ein Loch ins Haus,
Apfel raus, Birn raus,
Geh mer in ein anders Haus!
Klopf an, klopf an,
Die Bäurin hat ein schöna Mann,
Die Bäuerin is die schönste Fra
Was sie hat, das gibt s'mir a... a... a...«
Gerade beim Schluß seines Liedes stieß ihn der Bock noch einmal, so daß er das letzte Wort ausquiekte, wie eine stehenbleibende Spieluhr ihren letzten Ton.
Die Bäuerin lachte, daß ihr die Schultern wackelten. »Ja, Büble, geben tu ich dir, was ich hab!« Sie verschwand und erschien nach einer Weile mit gefüllter Schürze in der Tür. Einen Wecken, eine dicke Wurst, einen Rinken Kletzenbrot, zwei Eier, Äpfel und Nüsse, das alles gab sie dem Schluckerle, und zu guter Letzt ließ sie noch einen Sechser in seine Sparbüchse klappern.
Franzl weinte noch immer, aber jetzt vor Freude. Und so zog er weiter mit seinem scheckigen Gesicht, von Haus zu Haus, und überall beschwerte ihm die rührende Geschichte seines einschichtigen Königtums den Korb, die Klapperbüchse und den kleinen Zwerchsack. Im Wirtshaus bekam er, da es gerade Mittag war, eine warme Suppe und ein riesiges Stück Guglhupf, das er mit Ehrfurcht verzehrte. Dann ging das »Reiten« von neuem an, von einem Bauernhof zum andern. Korb und Zwerchsack wurden immer schwerer, so daß er sie kaum mehr zu schleppen vermochte. Und wenn ihm das Tragen auch Stirn und Wangen mit Schweiß übergoß, so machte ihm doch die Kälte alle Finger starr, das Waten im Schnee die Füße steif und schwer. Er war plötzlich darüber erschrocken, daß sich der Himmel mit einmal so dunkel ansah. Und da gab er das »Reiten« auf, obwohl noch einige große Bauernhöfe verlockend in der Nähe standen, und keuchte über einen Feldweg der heimwärts führenden Straße zu. Als er sie erreichte, fing es zu schneien an. Alle hundert Schritte verhielt er sich, um zu rasten und den Schnee von sich abzuschütteln. Sein gestirntes Königshemd war bis auf die Hüften durchnäßt und wickelte sich beim Gehen hindernd um seine Knie. Er quälte sich ab mit seiner Last, und stechend drang ihm die Kälte in alle Glieder. Einmal kam ihm der Gedanke, Korb und Zwerchsack auf der Straße hegen zu lassen und nur heimzulaufen, was er noch laufen konnte. Aber es war ihm leid um die guten Sachen, und so schleppte er sich frierend mit ihnen weiter und weinte dazu ein Gesetzlein ums andere. Bis in die Mitte des Waldes kam er. Dann war seine Kraft zu Ende.
Eine Weile blieb er zwischen Korb und Zwerchsack laut schluchzend auf der verschneiten Straße sitzen; dann tat er einen tiefen Atemzug und verharrte still.
Dicht fielen die Flocken, ein Viertelstündchen um das andere verstrich, und immer noch hielt das Schluckerle die Augen geschlossen wie in tiefem Schlaf.
Aber nein! Wie konnte Franzl schlafen, wie konnte er die Augen geschlossen halten? Er sah ja doch – sah wirklich und wahrhaftig, wie statt der grauen Nacht, die just noch über allen Bäumen gelegen, ein helles Licht den ganzen Wald durchzitterte. Nur so kalt war dieses Licht – es leuchtete so schön und goldig wie die Sonne, und dennoch war dem Franzl, als hätte er statt der Arme und Beine vier große, lange Eiszapfen am Leibe hängen. Nur um die Stirne ging es ihm wie ein feuriger Kreis. Das war wohl die Königskrone, die ihn so drückte, und ihr »fuiriges« Gold! Er wollte mit beiden Händen nach seinem Kopfe fassen – und konnte kein Fingerlein rühren.
Nicht rühren können! Das ging ihm ins Herz, als hätte sich eine kalte Hand darum gelegt. Wenn jetzt der Schustermichel und die Schreinerbuben kämen, um sich über seinen Korb und seinen Zwerchsack herzumachen – er müßte zusehen und könnte sich nicht wehren. Angstvoll starrte er in den wie Feuer leuchtenden Wald, und da war es ihm, als vernähme er Schritte und laute Stimmen. Und wahrhaftig, dort kamen sie – drei Könige, mit goldenen Kronen und schneeweißen Kitteln angetan.
»Mutter! Mutter!« wollte das Schluckerle schreien. Aber seine Lippen blieben stumm, nur seine Zähne klapperten.
Jetzt standen sie vor ihm – aber das waren nicht die Schreinerbuben und der Schustermichel, sondern drei große, großmächtige Könige, noch größer ein jeder, als dem Schluckerle sein Vater gewesen war, und der allergrößte war der Mohrenfürst. Sie hatten lange, weiße Bärte, und ihre Kronen schimmerten, als wären sie aus der Sonnenscheibe herausgeschnitten.
»Jeh, Melcher, da schau her«, sagte der schwarze König zu einem seiner Kameraden, »das Büble da schau an!«
Und der Melcher beugte sich über das Schluckerle, streichelte ihm mit eiskalter Hand die Wangen und fragte: »Büble, wer bist denn und wo kommst denn her?«
»Ein Heiliger Dreikönig bin ich.«
Da lachten die drei Könige, und der schwarze sagte: »Wie kannst denn du ein Heiliger Dreikönig sein? Die Heiligen Drei König sind ja wir. Ich bin der Balthasar, und das da is der Melcher, und der ander is der Kasper.«
»Ich möcht aber auch einer sein. Ich hab mich so viel drauf gfreut.«
»So schau, es geht halt net. Wir täten dir gern den Gfallen. Aber vier Heilige Drei König kann's ja nie net geben. Aber, weißt was ... mir fallt was ein ... der Schustermichel, so ein Lausbub da, der hat uns unsern Stern davontragen! Und wir können doch net heimgehn ohne Stern. Magst unsern Stern net machen, Büberl? Ein ganz ein schönen Stern?«
»Ja, gern, ich mag schon, ja! Aber wer tragt denn nachher mein Körbl und mein Sack?«
»Der Melcher und der Kaspar. Is dir's recht?«
»Ja, ganz recht. Und ich mach den Stern. Ganz lüftig wird's mir schon ... ganz warm ... ich spür schon, wie ich brennen tu als Stern ...«
»No also, komm!« Dazu winkte der Mohrenkönig, und Franzl fühlte, wie die Eiszapfenarme und Eiszapfenbeine von ihm abfielen. Er sah sich mitten in einer Kugel sitzen, die ganz aus Feuer war und doch so hell wie Glas. Nach allen Seiten schossen die Strahlen, und mitten aus seinem heißen Herzen kams herausgewachsen, eine lange, lodernde Garbe.
»Jegerl, jegerl«, lachte der Schluckerle, »mir wachst die fuirig Ruten schon!«
»Gelt, das ist schön!« nickte der Mohrenfürst. Und dann fingen die drei Könige zu wandern an, aber nicht die Straße entlang, sondern aufwärts von der Erde, über die Gipfel der Bäume hinaus, immer höher. Und das Schluckerle flog ihnen voran und jubelte: »Ein Stern! Ich bin ein Stern! Und fliegen kann ich! Fliegen ...«
Und irgendwo im Walde war ein ruheloser Lauf Immer und immer wieder klagte diese Stimme: »Franzele? ... Franzele?«