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Statt der Blumen und Blätter, die sich sonst regen,
Steht Reisigholz stumm auf allen Wegen.
Am Himmel gehen Nebel und Nässe um,
Und Nachtstürme reiten die Bäume krumm.
Ich stehe hinter Fensterscheiben verloren.
Die alten Lieder sind nur Träume hinter sieben Toren,
Die Geliebte ging weit in den Nebel fort,
Nichts blieb in den Ohren als ihr Liebeswort.
Ein jeder Baum strich ein sein grünes Segel,
Es sitzt die Kälte fest im Haus
Und sitzt wie Niet und Nägel
Und geht nicht mehr heraus.
Die Wolke, die nicht weiterzieht vom Dach,
Sieht wie ein Schneefeld flach schon aus.
Und eines Morgens, wenn ich müd erwach',
Steht jedes Haus da hell im Winterflaus,
Liegt weit die Welt in einem weißen Zelt,
Und Flocke sich zu Flocke hält,
Wie eine Maus zur andern Maus.
Der Tag dann stückweis aus den Wolken sinkt.
Tod sitzt an weißer Tafel zum Begräbnisschmaus,
Der Tod, der Lieb' und Leid in einem Zuge trinkt.
Kein Vogel fliegt im leeren Strauch.
Das Gras, das gelb beim Erdreich liegt,
Ist tags noch weiß vom nächt'gen Hauch.
O, armes Gras, du tust mir weh,
Bist müde gleich dem Vogelvolk;
Die Winterwolke spricht von Schnee.
Den Weg des Todes zieht die Welt,
So wie das Blut das Herz einst flieht
Und der Gedank' in nichts zerfällt.
Es kann mein Mund kaum klagen,
Ich muß jetzt Stille tragen.
Sie macht mich wie zum Zwerge,
Ich schleppe der Einsamkeit Berge.
Seit du Geliebte gegangen,
Sitz ich von der Stille gefangen.
Ich muß mich unter ihr bücken,
Sie hockt mir als Höcker am Rücken.
Und Nächte werden aus allen Tagen
Dann endet keine Straße mehr,
Und wie die Gespinste aus grauen Sagen
Hängen die Nebel die kreuz und quer.
Ich suche die Nähe und suche die Ferne
Und habe den Weg nicht weiter gebracht,
Als von einer Laterne zur andern Laterne,
Von Nebelachacht zu Nebelachacht.
Der Nebel geht immer mit deinem Schritte.
Nur so lang du dein Blut mit Blut vermischt,
Nimmt kurz dich das Licht in seine Mitte,
Der Nebel vorm flammenden Blut verzischt.
Die Nebel fallen in das Land.
Ach, mit dem Tode Wand an Wand
Wohnt jeder, der das Leben fand.
Nur wenn wir uns die Lippen reichen,
Ist das der Nacht ein Feuerzeichen,
Und auch die letzten Nebel weichen.
Jed' Zimmer wird abends zu einer Laterne
Und beleuchtet grübelnd die Nacht und die Ferne.
Da sind Zimmer, in denen Weingläser lachen,
Zimmer, wo Gedanken sich zu Büchern machen,
Zimmer, wo Hände gerungen beten,
Zimmer, wo Füße das Leben zertreten.
Da leuchten Zimmer rot, als ob sie bluten,
Kahle, wo die Not pfeift mit eisigen Ruten,
Blaue, die unklar im Mondschein schweben,
Graue, die in Sack und Asche leben.
Still leuchten die Zimmerlaternen, die bunten,
Alle locken die Blicke herauf von unten;
Sie locken in des Lebens Gänge hinein,
Und alle wollen Bühnen zum Liebesspiel sein.
Nicht bloß der Spiegel sagt zu dir: "Du bist mir lieb,
Wenn doch dein Bild stets fest im Glas mir blieb!"
Auch meine Augen müssen dir gestehen:
Als sie dich angeschaut, da lernten sie erst sehen.
Nie findet jetzt mein Hunger Ruh, der mich verzehret,
Der täglich deinen Leib als täglich Brot begehret
Und keinen Wunsch sonst mehr mein Leben nennt,
Als daß es, wie die Flamme an der Kerze,
An deinem Leib verbrennt.
Und es wird todstill vor meinen Ohren,
Deine Stimme hat sich zur Ferne verloren.
Es ziehen nur meine Gedanken noch auf
Wie die Rauchfäden aus einem Aschenhauf.
Du warst das Feuer und bist gegangen;
Deine Flammen allstündlich um mich sangen,
jetzt ist es endlos still umher, —
Bin warm noch, doch ich leb nicht mehr.
Ich fühle mich tot, als war' ich erfroren,
Als hätt' sich die Welt zu sterben verschworen.
Ich grübe mir gern in die Stille ein Grab
Und warte begraben deine Wiederkehr ab.
Vom langen Warten versteinen die Wangen
Doch lebt auch im Stein noch ein sehnend Verlangen.
Ich weiß nur, daß ich nichts fühlen will;
Vielleicht steht dann endlich das Warten still.
Der Wind, der heult vor den nächtlichen Toren,
Als würde da draußen nur Unglück geboren.
Er klagt wie ein Hund in die Leere hinein,
Und stets drängen Hunger und Sehnsucht herein.
Es rollen Räder tagaus, tagein,
Und die Fenster singen ins Zimmer herein.
Die Scheiben sehn vertieft hinaus,
Als spähten sie nach den Rädern aus.
Sie grübeln über der Räder Sinn,
Und es singen die Fenster ganz sacht vor sich hin.
Wie Verliebte, die nicht mehr bei sich sind,
So summen die Scheiben hinaus in den Wind.
Und draußen rollen tagaus, tagein
Die Räder über das Pflastergestein.
Und jede Scheibe bewegt mitklingt,
Als ob im Rhythmus ihr Glasherz schwingt.
In meiner Fensterscheibe tritt der Mond hervor
Mit seinem fraulichen nackten Leibe,
Und um ihn auf der Nachtau ist ein Wolkengetreibe,
Als stürmten Freier zur sich lagernden Mondfrau empor.
Die Fackeln der Hochzeitsfeier und vom Brautbett die Spitzen
Leuchten herab durch der Dunkelheit Ritzen,
Daß die Schlafenden sich aufsetzen müssen
Und mit geschlossenen Augen die Mondfrau küssen.
Sie zeigt allen zum Wohlgefallen Brüste und Leib,
Sie zieht auf dem Bett ihrer Hochzeitslüste durch den Raum.
Sie zieht von Fensterscheib zu Fensterscheib,
Und sie macht die Knaben zu Männern im Traum.
Grau wolkenerfüllt die Himmelsräume,
Geschwärzt von Nässe die fahlen Bäume.
Der Morgen ist wie der Abend verlassen,
Und nur der Regen lebt auf den Straßen.
Die Leute, die hinaus sich wagen,
Die seh' ich Totenkränze trafen.
Und alle hin zu den Friedhöfen geben,
Wo für Stunden die Toten heut auferstehen.
Und höre ich nachts den Regen gießen,
So sehe ich Gräber, die sich nicht schließen:
Herzwünsche, die wir lebend begraben,
Die zu verschütten wir nicht genug Erde haben.
Nun liegt alles Leben danieder.
Nur die Straßen am Abend aufleuchten
Wie des brennenden Phönix Gefieder.
Die Menschen dann an gläsernen Fenstern
Vorübereilen wie dunkle Vögel ohne Lieder,
Und sich im Pflaster spiegeln, im feuchten,
Und in den feurigen Häusern verschwinden gleich Gespenstern.
Scheint auch keine Sonne im Winter auf und nieder,
Es siedet das Blut auch unter den Laternen,
Es blüht das Herz in Eisnächten unter den Sternen,
Und blieb von den Menschen der Schatten des Nachts nur noch über,
Es schleichen die Schatten mit Liebe beladen an dir vorüber.
Die Trennung macht das Blut mir dürr,
Daß ich den Frost noch im geheimen Zimmer spür.
Fühl' mich wie kahle Winterberge mager,
Und's Bett ist kalt jetzt wie der Erde Lager.
Als war mein Kopf ein Traumbuch, das man fragt,
So hat er mir schon viel vorausgesagt.
Doch frag ich, was die Leere will,
Wenn's Liebste fortgegangen, —
Da hängen sich als Antwort still
Nur Tränen an die beiden Wangen.
In der alten Stadt, wo ich geboren,
Flüstert Totes stets vor meinen Ohren.
Auf alten Wegen, bei jedem Schritt,
Da wandern auch alte Tote mit.
Sie wollen sich nicht Zur Ruhe legen,
Sie müssen gemeinsam Gewesenes pflegen.
Und Altgesprochenes wiedersagend,
Und Abgetanes mit sich tragend,
So nahen sie tags aus wankenden Fernen
Und starren des Nachts mit in die Laternen.
Sie gehen im Winterschnee wie vor Jahren
Auf Weihnachtsstragen in Heeren und Scharen.
Ich kann mich kaum aller Toten erwehren,
Der Toten, die sich da jährlich mehren.
Vom Leben und seinen Äpfeln, den roten,
Seh' ich den Wurm nur, den Todesboten.
Doch ein Weg ist von Toten mir freigegeben.
Der ist dort, wo sich zwei Augen heben,
Zwei Lippen locken mich zu sich fort
Und der Liebsten wortloses Wort.
Ich liege wie von Einsamkeit betrunken,
Die Ufer aller Welt sind rings versunken.
Ich sehe kaum hinaus vor meine Tür,
Das Draußen ich noch kaum am Leibe spür'.
Ich höre nur die Sehnsucht suchend streichen
Und auf den Zehen durch die Zimmer schleichen,
Sie kann durchs Ferne und durchs Nahe gehen
Und läßt nicht einen Augenblick still stehen.
Sie muß mit Raubtiernüstern unstet wittern
Und reibt sich ruhelos an harten Gittern.
Ich seh' ihr Auge um mich mordend funkeln
Und spür' noch ihren Hungergang im Dunkeln.
Wie im Novembertag das Grün verschwunden
Und sich kein grüner Grashalm mehr gefunden,
So muß vom Morgen bis zum Morgen ich nur darben,
Denn mit der Trennung von der Liebsten starben
Auf Erden und im Himmel alle sieben Farben.
Die Tage stehen mir als Nebel draußen,
Und Stille muß vor meinen Ohren sausen.
Die Stille klagt wie Luft in hohlen Stämmen.
Die Träne will die Stille überschwemmen, —
Um sie zu dämmen, müßt' ich's Blut erst hemmen.
Erdfarben sind Berge und Bäume wieder,
Zu Erde geworden fiel des Sommers Leib nieder,
Als hab' es Erde geregnet bei Tag und bei Nacht,
Als hab' man geschaufelt und Grabhügel gemacht.
Erdfarben stehen die Wege und Felder,
Erdfarben wie Gruben sind dunkel die Wälder,
Die Erdwege gleichen sich weit und breit
Und sind voll Gegrübel und Eintönigkeit.
Doch ist auch die Erdfarbe lustig zu sehn,
Darf nur's Herz auf kahler Erde der Sehnsucht nachgehn.
Ums Haus gemauert steht leere Nachtruh.
Als ob er der Einsamkeit Redner gern wäre,
Rollt mir auf dem Tisch ein Bleistift zu.
Der Stift, er will schreiben, und du sollst es lesen,
Wie der Tag auf dem Berg heute Luft nur gewesen,
Wie der Winter am Wege mit Kälte still lag,
Die Einsamkeit gelauert den ganzen Tag.
Wie versteinert die Steine Gesellschaft mir waren,
Kein Windstoß vertraulich meinen leblosen Haaren,
Wie das Flußwasser abends dann plötzlich verschwand
Und unter der Brücke ein gähnender Abgrund entstand,
Der keinen Stern mehr gespiegelt und seine Latern,
Und mein eigner Pulsschlag schlug mir fern.
Wie jetzt das Blut im Ohr sehnend singt
Und kein Flehn dich von fern auf mein Bett hinbringt,
Ach komm, daß mein Herz endlich Atem holt
Und der klagende Stift aus den Händen mir rollt.
Nur der Regen sich her zu mir bewegt,
Der Regen, der stumpf auf das Fensterbrett schlägt.
Nur die Kerze am Bett mir ihr Licht hinhält,
Sonst Einsamkeit im Ohr mir bellt.
Sonst sitzt nur Dunkel an meiner Tür,
Und der Regen, den ich als Herzklopfen spür',
Der Regen, der Tropfen um Tropfen zerschellt,
Als renn' er den Kopf sich ein an der Welt.
Der Regen, den ich wie Herzjagen spür',
Überschwemmt, und die Welt bleibt mir trotzdem dürr,
Ich starre die lautlose Lichtflamme an,
Die an der Kerze hartnäckig zehren kann.
Und die Kerze und ich, wir verstehen uns still:
Es verzehrt mich mein Blut, das sich totsehnen will.
Meine Sehnsucht muß sich ins Bett mit mir legen,
Sie nagt wie die Flamm' und ist verrannt wie der Regen.
Ich ging wie ein Storch auf meinen langen Gedanken
Und stelzte allein und geriet wie die Nebel ins Wanken.
Und ich fragte: ist niemand da, nicht mal mein Schatten?
Nichts rührte sich im Nebellicht, im matten.
Nur ich Schritt aus, und kraus saßen Dornen am Wege,
Und Steine steifen wie Totenköpf' im Gehege,
Als fielen Steine schon tagelang wie ein Regen,
Und auf Steine und Dornen dürft' ich den Leib hinlegen.
Und dürft' liegen dort, bis die lange Sehnsucht vergangen,
Bis statt meiner Steine und Dornen zu schreien anfangen.
Die Sehnsucht, sie läßt dich im Nebel allein,
Du gehst wie verzehrt in den Nebel hinein.
Als wollt' die Erde in Nacht verdampfen,
Muß Sehnsucht die Welt zu nichts einstampfen,
Als wären die Straßen im Rauch verflogen,
Als kämen Kometen mit Irrsinn gezogen.
Es stehen Mauern gewachsen vom Himmel zur Erde,
Es reiten Schatten auf Dächern wie hoch zu Pferde,
Es brennen da Fenster ohn' Wände am Himmel,
Es ist da von Augen ein stechend Gewimmel.
Es stürben da Lufttürme spurlos zusammen,
Es treffen sich Schatten, die ohne Leiber kamen,
Es tritt der Fuß nicht auf Stein, er geht entrückt,
Es haben schwindelnde Bogen den Fluß überbrückt.
Es ist deine Hand an dem Arm nicht mehr dein,
Und Nebel zerrt dich in Nebel hinein.
Es kauern die Wolken mit zottigen Fellen
Es kauern die Wolken mit zottigen Fellen,
Wie mächtige Hunde, zu müde zum Bellen.
Als ging' ein Schlaf den Berg entlang
Am hellen Tag mit plumpem Gang,
Hängen die Wolken als Atem ohn' Ende,
Als tasten dort Finger an die unendlichen Wände
Die Wolken, sie lassen die Welt nie los,
Sie begleiten dich bis in der Erde Schoß.
Zu Wolken werden all deine Gedanken,
Die glühenden und die sehnenden, schwanken.
Eine Wolke ist Wiege, eine Wolke ist Grab,
Und sie sehen mitwissend auf dich herab.
Zu der Musik des Regens, da draußen in der Nacht,
Da haben sich meine Gedanken als Tänzer aufgemacht.
Die Nacht ist der wiegende Boden, drauf gleiten sie kreisend fort,
Und Tänzerin den Gedanken ist manch ein Liebeswort,
Die Regenmusik singt sich Töne auf Dach und Fensterbank,
Und die Sehnsucht, die rasende Schöne, tanzt meine Gedanken krank.
Die Sonne kann nicht mehr die weiten Wege machen,
Kurz ist der matten Tage eisiges Lachen,
Die Sonne tut, als wollte Sie entrinnen, —
Vielleicht will sie auch neue Lust ersinnen.
Sie hüllt sich in das Dunkel langer Nächte,
Als ob sie in den finstern Mantelfalten
Neuer Gedanken neues Spiel erdächte.
Nur Liebe kann der Sonne Feuer wach erhalten
Und spielt auch mit des Winters Nachtgestalten.
Fühle keine Kälte sehr,
Wenn die Nebel sich vereisen;
Denn mein Herz geht vor mir her,
Will mir Heimatwege weisen.
Aus den Fenstern durch die Nacht
Glänzen deutsche Weihnachtskerzen,
Und die deutsche Tanne lacht,
Und sie lacht zu meinem Herzen.
Nenne nichts auf Erden mein
Von dem großen Heimatgrunde,
Als den Regen nur allein
Und den Nebel in der Runde.
Graues Heimatnebelland,
Bin dir immer treu geblieben.
Nirgendwo ich Ruhe fand,
Heimweh hat mich heimgetrieben.
Das Eis stockt, und der Fluß steht still,
Ein Rabe hockt dort schwarz im Weiß,
Im Winternebel, der nicht weichen will.
Das Jahr, es wandert rund im Kreis;
Es bringt den Schnee zu seiner Stund'
Und winkt jetzt mit beeistem Reis.
Vom Tode kommt uns manche Rund';
Die Worte werden doppelt heiß,
Hängt sich sein Frost an unsern Mund.
Nun fassen Winterwolken auf Erden weiße Spuren,
Nun kommt der Schnee angefahren in hellen Fuhren.
Nun klingen die Wege im Frost versteint und metallen
Und sind vor Kälte bitter,
Als hätten viele Augen dort Salz geweint,
Als sei der kalte Mond in weiße Splitter zur Erde gefallen,
Als stünden im Blut die Tropfen still,
Und die Herzen, die feurigen Uhren,
Als ob keines mehr der Liebe Stunde schlagen will.
Ein Nebel kam über die Brücke gegangen;
Er riß Berge in Stücke wie alten Kram
Und sprang an die Fenster und hielt mich gefangen.
Er rollte die Dinge wie weiße Ballen,
Und jeder Baum wie ein Tänzer ankam
Und hing in der Luft wie aus Wolken gefallen.
Und der Nebel stand still wie aufgepflanzt.
Die Liebesgedanken an die Hand er nahm,
Verschwand mit ihnen, ist fortgetanzt.
Der Nachtwind mit der Lust, zu klagen,
Muß Gewimmer durch die Gassen tragen
Und muß mit Sprüngen zwischen die Sterne jagen.
Er singt von den Dingen, die verlassen und tot,
Von allem, was draußen erfror,
Und heult dir ins Ohr,
Was hinter den letzten Bergen dir droht.
Und er singt deiner Sehnsucht, die zaudert,
Sein Lied aus Luft, daß sie schaudert.
Es schmolz die Schneehaut über Nacht
Es schmolz die Schneehaut über Nacht,
Die lockere Erde liegt da aufgetaut
Wie einer, der von einem Alb erwacht.
Es schreit ein junger Hahn weit hinterm Berg,
Er glaubt an einen Frühlingswahn,
Sein Wahn, der kräht als Riese aus dem Zwerg.
Und doch steht noch der Winter hinter jeder Wiese.
Mäht auch der Tauwind, der da draußen weht,
All der Eisblumen jähe Pracht an jeder Fensterscheibe,
Sie kommen wieder über Nacht,
Wie Liebeszweifel einem Mann
Zu dem geliebten Weibe.
Eisschollen schwimmen im Fluß jeden Morgen,
Sie drücken das Wasser wie gefrorene Sorgen,
Als legt sich einer schwer auf des Flusses Rücken,
Und der Wasserspiegel geht in Stücken.
Und die Scherben Schwimmen und rollen,
Die dem Fluß das Leben forttragen sollen.
Sie schwimmen hin unter den Brücken
In langer Kette hinunter den Fluß,
Und der Fluß erfriert in seinem Bette, —
Das Wasser wird zum Weg für eines jeden Fuß.
Und das Wasser steht an den Ufern wie Stein,
Und keiner sieht ihm mehr ins Herz hinein.
Vorher war am Ufer ein Kommen und Gehen,
Jetzt ist dort eine Totenstille und ein totes Stillestehen.
Die Gedanken frieren, die den eisgrauen Fluß anschauen.
Ich küsse meine Geliebte, sie kann meine Gedanken auftauen.
Ein fahriger Winterwind johlt durch die Frühe,
Und die Berge sind wie eingeäschert vom Schnee;
Das Tageslicht wird vom Gestöber blind.
So wie das Wintertreiben, voll Weh und Mühe,
Seh ich verzweifelte Verliebte große Bogen
Ohne Wille um ihre Einsamkeit beschreiben,
Um die Froststille, aus der Blüt' und Pflanzen fortgezogen.
Und die Einsamen müssen, wie der stockende Fluß aus Eis,
Am Ufer stehen bleiben, und ihre Gedanken tanken
Mit allen Schneeflocken sinnlos im Kreis.
Ich hörte eine Stimme groß anschwellen,
Ich hörte Wellen rauschen und lag wach,
Das Flußeis brach in dieser Nacht,
Die Südluft löst' es mir Gekrach.
Lebendig tat der Fluß aufschnellen
Und flog vorbei an allen Uferstellen.
Ich mußt ihn tief im Schlaf belauschen,
Frei lief das Wasser wieder seinem Herzen nach.
Wie gern möcht da manch Blut mit Wasser tauschen.
Umwinterte Berge wie breite Särge,
Eine weiße beschneite Straße
Mit Frost auf glattem Geleise.
Aus mattem Nachmittagslicht
Sticht des Mondes vergilbtes Gesicht.
Wie von Spiegel zu Spiegel im Glase
Unendlich geht die Straße ins Weite,
Fern, nur noch der Sehnsucht verständlich.
Gern gibt ihr dein Aug' das Geleite.
Die Laternen leuchten kaum,
Eng ist der weiße Raum
Der schneienden Winternacht.
Schneeflaum fällt im Gedräng,
Die Wege sind weich und erhellt;
Das Gestöber ist wie ein Blütenbaum.
Rein Laut stört die fallenden Flocken,
Der Schnee sich stumm in der Nacht aufbaut,
Und seine Stille geht wie ein Geist sinnend um,
Als sitzt die Nacht spinnend an einem Wocken
Und hat Flocke bei Flocke ausgedacht,
Und morgen, wenn der Tag aufwacht,
Fliegen über den Schnee die schwarzen Raben.
Der Schnee kann die Nacht nicht begraben,
Schnee und Nacht gleich dunkle Gedanken haben.
Der Schneehimmel ist ein Berg ohne Ende,
Seine Wände bescheinen am Tag die Straßen,
Und die kleinen Schneeflocken kommen in alle Gelände,
Wo zur Sommerzeit Blätter und Gräser saßen.
Sie sind wie weiße Nullen mit rundem Leib,
Sie kommen lebendig wie Bienen und Fliegen
Dunkel vor jede Fensterscheib'
Und haben sich geräuschlos verstiegen.
Eine weiße Maske liegt auf jedem Dach,
Darunter sehen Fenster den Flocken nach.
Unhörbar macht der Schnee die Füße der Welt,
Wie eine weiße Nacht voll Schlaf, die am Tag niederfällt.
Schneeflocken sind die Seelen, die hochgeflogen,
Die fortgezogen und der Erde zum Leben fehlen,
Jetzt gleiten sie nieder und verbreiten Licht
Und bescheinen geisterhaft jedes Gesicht.
Der Schnee kommt aus der greisen Ewigkeit,
Und er taut fort wie die Zeit,
Eh du sie noch beschaut.
Schau nicht zu lang in den Schnee
Und nicht in den Schneeflockentanz!
Dein Sinn wird grau, denn ohne Sang
Ist ihr endloser Gang, wie Jahr um Jahr,
Und sie flechten, wie das Alter ins Haar,
Einen weißen leblosen Kranz.
Wenn Schneeflocke bei Schneeflocke fällt,
Und wohin die Schneeflocke faßt,
Wachsen die Berge der ganzen Welt
Und wachsen mit Hast sich selber zur Last.
Die Welt wird entstellt und verblaßt,
Als ob die Schrift eines Buches zerfällt;
Und die Welt scheint schier weißes Papier.
Eine Mondscheib' wird aus dem Erdleib,
Geh oder bleib, du sinkst ein,
Jeder Gedanke wird dir schwer und friert an den Stein,
Denn ein Schlaf ohne Schranke liegt umher,
Und das weiße unendliche Nichts wird dein;
Die Unendlichkeit läßt dich zu sich hinein.
Befreit von deiner Gestalt und der Zeit
Wirst du wie Schnee so weiß und so kalt.
Hattest du vorher wenig Gewalt und warst klein,
Wirst du groß jetzt ein Nichts und voll Ewigkeit sein,
Dein Sein und dein Nichtsein schließt jede kleine Schneeflocke ein.
Sie, die vor deinem Atem zerfließt,
Die in deiner warmen Hand schnell zerfällt,
Wenn sie als Wand in deinen Weg sich stellt.
Wird der eine des ändern Geschick,
Und schwer überlebt ein Auge den Schneeblick.
Jetzt sitzt der weiße Schlaf vor allen Wintertüren,
Die Fenster sind gleich blassen Eierschalen,
Dahinter leben Straßen voll Gespenster,
Und Stimmen, die uns ferne Menschen malen.
Man kann die Welt nicht sehen und nur spüren.
Wie Blinde ahnt man dunkel das Geschehen,
Alleingelassen bei Erinnerungen,
Die an den Türen wie die Bettler stehen,
Die bei den Ofenflammen warm sich rühren,
Erregt mit nimmersatten Hungerzungen.
Sie können uns an magern Händen führen
Und haben in der Asche noch nicht ausgesungen.
Viel Schnelle Amseln laufen unterm leeren Strauch
Im Efeuhag bei einer alten Treppe.
Es duftet dort im kahlen Wintertag
Nach Weihrauch und nach Wachslichthauch.
Die Treppe führt durch kahle Baumgestalten
Zur ausgetretnen Schwelle einer Bergkapelle.
Die dunkeln Amseln rennen durch den Ulmengang
Sanglos, wo sonst die Beter knieen Sommerlang.
Die Amseln sind in kahler Winterhelle
So still, als können sie dir alle Sorgen nennen
Und Herzgelübde, die vom Morgen bis zum Abend
Im Sommer hier die Betenden bekennen.
Hoch hängt ein Berg im Nebel,
Die Äcker sind finster durchtränkt;
Rein Vogel dir Antwort mehr ruft,
Eisduft auf die Felder sich senkt,
Und die Bäume schweben in Luft.
Wie ein Schiff der Berg hinlenkt,
Durch blaue Bäume er drängt.
Die Sonne schaut groß ins Graue,
Die Sonne ist spiegelnd ein Schloß.
Der Berg ließ die Erde still los,
Wie ein Herz an die Träume sich hängt.
Schneeluft steht still und ohne Sang.
Zwei Raben jagen den Fluß entlang,
Die dunkel mit den Flügeln schlagen.
Seit Tagen streichen sie da herum
Und wollen nicht von dem Ufer weichen,
Als tauschten sie mit der Flut manch Zeichen,
Und mit dem Schnee, den sie belauschen.
Sie reden mit finstern Flügeln stumm
Und gehen verkleidet wie Ahnungen um.
Ein blauer Schneeweg im Mittaglicht,
Die Schneewelt lacht unter Eisschauer.
Manchmal ein Eiszapf vom Zweig abbricht,
Ein Eistropfen raschelt und fällt.
Die grüne Tanne den Schnee sacht wiegt
Und ihn der Mittagsonne hinhält.
Ein Specht einsam dem Weg nachfliegt;
Sein Flug lautlose Bogen macht,
Totstill, als wäre es blauhelle Nacht.
Am Schneeberg sitzen Raben in Hungerscharen
Im klaren Mittag auf getauten Erdflecken.
Sie erschrecken mit lauten Schreien,
Als kam' ein Unglück unter sie gefahren.
Sie ducken sich in ihre schwarzen Flügeldecken,
Als Säßen sie in finstern Verstecken.
Sie sind wie Gedanken, die unsichtbar waren,
Die dann mit Gekreisch sich aufwecken
Und schreien die Schnee-Erde an:
Schnee, werde Fleisch!
Der Schnee nicht mehr die Wege verläßt,
Der Winter hängt weiß an den Dornen fest.
Manch Ast unter der Last zerbricht,
Und die Berge liegen verblaßt.
Die Sonne nur kurzen Weg tags reist.
Sie hängt in den Wolken tot und vereist.
Wenn auch keine Sonne zur Seite dir geht,
Wenn nur Liebe dich anscheint von früh bis spät!
Es liegt an den Scheiben noch Winterhauch,
Und schon zirpt die Meise im kahlen Strauch.
Die Herzen der Sänger nie stille bleiben;
Kaum werden die Tage, die fahlen, länger,
So werben sie leise um Sonnenstrahlen.
Und taut es im Eise, so taut einer Meise das Herz gleich auch.
Erlöst von den Tagen, den rauhen,
Ausplaudern sie all ihre Liebeslieder,
Die sie dem Nächstbesten vertrauen.
Nun wandert das Eis, der Fluß ging auf,
Die Flut die Schollen zerbeißt,
Wie die Wut, die sich selber zerreißt.
Und schwindelnd ist jetzt des Wassers Lauf,
Als müßt' es mit Eile einholen,
Was ihm die Eisstarre gestohlen,
Als schlüg' es das Eis mit dem Meißel zu Hauf.
Es wirbelt rund, wie ein Kreisel geht,
Und Berg und Ufer ums Wasser sich dreht,
Als ob auf Erden nichts still mehr steht
Und alles mit dem Wasser reist,
Als ob nur die Ferne Glück verheißt.
Und gerne rief ich die Wellen zurück
Zum Herz, wo Nähe um Nähe kreist.
Ein weißer Eissommer kam auf die Welt,
Der einen Tag lang nur hält
Und über Nacht wieder zusammenfällt;
Eine Sommerwelt steif aus zerbrechlichem Reif.
Die blendende Pracht, die schweigend ragt,
Kein Lied laut anzurühren wagt.
Kein Vogelsang dein Ohr auftaut,
Dein Fuß, der sich regt, kommt sich geisterhaft vor.
Baum schaut bei Baum weiß, unbewegt.
Doch dein Blut immer gern an den Sommer glaubt,
Ist die ganze Welt auch eisergraut und eisbelaubt.
Der Schnee liegt auf der Erde Bauch,
Und im Kachelofen die Kohle glüht.
Doch im Zimmer blüht ein Fliederstrauch,
Der sich von Herzen zu blühen müht.
Das bißchen Licht am Winterfenster
Lockt statt der Blüten nur Blütengespenster.
Der Ofen, der voll Kohlen dahockt,
Kann nicht die Sonne einholen.
Der Flieder kläglich blüht und dankt,
Wie einer, der täglich dem Wahn nachwankt,
Geliebt zu sein, und glüht auf daran,
Wenn auch im Grund ihm der Glaube krankt.
Schon beim leisen Druck deiner Hand
Hinter beeisten Hecken,
Hinter weißen Dornenverstecken
Lag der bleiblaue Winterqualm;
Der erdrückte den Tag.
Kein Schneehalm von der Stelle rückte.
Die eisige Helle tat den Augen weh,
Wie Glassplitter schmerzte der Schnee.
Doch das Eis verschwand an jedem Ast,
Wenn dein Finger nur leicht hingefaßt.
Schon beim leisen Druck deiner Hand
Zerstäubt jeder eisige Spuk.
Es sieht ein Stern herein,
Der mit dem Abend einzieht;
Wie einer, der nicht vom Fleck mehr geht,
Und mit glühenden Augen sich viel verspricht.
Wie einer, der sich im Dunkel verlor
Und streicht dicht um Fenster und Tor.
Ein heißer Gedanke die Stirn ihm kränzt,
Der seinen Weg noch nachts beglänzt.
Und als ich um eine Wegecke ging,
Hing der Himmel im Abend,
Als ob er gelbes Feuer fing.
Der Waldrand war eine purpurne Hecke.
Voll blauem Schnee stand der Berg ungeheuer,
Das Land im Schnee kein Ende fand.
Doch die Gedanken standen im Licht nicht still,
Da noch endloser als aller Schnee die Sehnsucht hin will.
Das Eis tut heute keinem weh
Gut über dem Schnee steht ein blauer Tag,
Blau wie von unendlicher Dauer.
Das Eis tut heute keinem weh,
Die Felder schimmern friedlich weiß,
Als acht' der Schnee im Sonnenglimmern,
Wie er einst als Wolke im Himmel lag.
Die Glocken läuten ins Blaue hinein,
Und bei dem zärtlichen Himmelsschein
Fällt selbst dem Schnee nicht der Winter ein.
Jetzt kommen einsam Schollen Eis
Als letzte auf dem Fluß geschwommen,
Still, als ob jede ihr Schicksal weiß,
Von Tal zu Tal vom Wasser mitgenommen.
Sie ziehn wie Scherben auf der Flut,
Sie können dem Sterben nicht mehr entfliehn;
Und jede wie im Tod blaß ruht
Und zieht im Fluß wie im Sarge hin.
Die Vögel sind aus dem Wald noch vertrieben,
Sie stieben frierend um das Haus,
Und Kälte machte die Hafen zu Dieben;
Sie gruben bei Nacht den Garten aus.
Die Kälte lockt den mißtrauischen Raben,
Daß er wie Schuld schwarz am Schneeweg hockt.
Die Kälte mit Geduld die Nebel spinnt
Wie Sorgen, die kein Ende haben,
Bis still der Tag erschöpft verrinnt.
Es ist ein Wintertag durchsichtig einerlei
Es ist ein Wintertag durchsichtig einerlei
So wie ein unbebrütet kühles Ei;
Die Bäume stehn als Holz an jedem Wege.
Der Schnee, der stolz sonst, liegt schon im Vergehn,
Die Erde naß und voll verjährtem Gras.
Prachtfinster schauen alle Berge an der Sonnenstraß',
Als ob Dämonen in den Wänden wohnen.
Die Lieb' behüte dich vor ihren Händen.
Verschleierter Tag. Die Welt ist kühl wie ein Fisch,
Der Himmel ein langer und leerer Tisch,
Daran die Sehnsucht verhungern mag.
Ob es Tag oder Nacht, heute mir keine Lippe lacht,
Mein Blut ist der Öde Beute.
Die Berge mit frierendem Atem behaucht,
Als ob alles zu Luft zerfällt
Und vor den Augen verraucht,
Und der Fluß — als eil' er aus der Welt.
Laternen stehn im Rauch versteckt
Als niste Unglück in jedem Strauch,
Hat der Nebel die Nacht überlistet.
Wie eine Schlange auf nassem Bauch
Liegt er auf seinem Gange Stück bei Stück
Und fristet ein giftiges Leben.
Er will die Dinge in nichts fortheben
Und hängt sich ums Licht wie eiserne Ringe
Und legt sich als Schlinge ums glücklichste Gesicht.
Die Worte sterben, wenn die Träne spricht
Eine Träne wenn gequält aus dem Auge kroch,
Wenn sie fällt, schlägt ein Loch in die Welt.
Wenn die Träne sich bewegt, trägt sie Last;
Berge rollen bei der schweren Träne Hast.
Tränen leben sich zum bittersten Genuß;
Worte heben Tränen oft ans Licht,
Tränen eine Gnade dir nur geben:
Worte sterben, wenn die Träne spricht.
Abendhelle drunten im Fluß.
Am Himmel ein paar schnelle Wolkenstriche
Und ein Stern, wie eine kleine silberne Zelle.
Die Steinbrücke reicht in das Finster hinein,
Darauf drei Laternen und von Dunkelheit drei Stücke.
Das Wasser die Lichter reich spiegeln muß,
Die Wolkenstriche weich wie Ruß und den Schatten der Brücke.
Aber die Abendhelle steht im Fluß
Wie eine glückliche blaßblaue Stelle,
Wie ein schimmernder Frauenfuß auf dunkler Schwelle.
Der Tauwind fährt um den erdigen Anger,
Der Fluß zieht her voll Hochflut schwanger,
Die Wolken hängen dicht voll Begehr,
Und tolle Regentropfen drängen.
Und die Menschen heben die Füße so schwer,
Als hörten sie Blut auf die Erde klopfen.
Gut fällt der Regen und warm wie aus Händen,
Und keiner mehr hinter den Wänden ruht,
Die Gedanken setzten sich hoch zu Pferde und folgen der Flut.
Die Flut kommt geschwommen, die Welle muß kreisen,
Das Wasser hat knirschende Stimmen bekommen,
Als Schwämmen im Fluß laut Stein' und Eisen.
Das Wasser muß schrein und will Berge zerreißen,
Der Fluß ist allein, die Erde muß weichen.
Der Fluß muß hinreichen wie wilde Nächte,
Und dunkel muß er das Böse pfeifen.
Er rennt im Schuß, voll Lehm, ohne Spiegel, ohne Gruß,
Als sollt' ihn die Erde mit Leibern speisen.
Der Stürzende Wind, der die Täler anfüllt,
Der in die Nacht sich hüllt,
Brüllt, als ob er den Ruf des Rindes nachahmt,
Wenn er schneller noch als des Hengstes Huf
Den Fluß überholt mit Gewalt
Und am Ufer hallt wie Schuß bei Schuß
Er prallt an des Berges Stufen,
Macht die Wälder zur Orgeln,
Daß sie erwacht den Himmel anrufen.
Es fahren im Tal die Winde empor.
Und immer ist Qual in ihrem Gebaren,
Und immer Jammer, wie über eisgrauen Haaren.
Wer mit dem Nachtwind die Unruh teilt,
An dem eilt die Liebe vorbei,
Wohnt nie mit ihm glücklich im gleichen Gemache
Und weilt nie unter dem gleichen Dache.
Und nie heilt ihm seine Qual,
Und ist nicht ein Schrei,
Ist eine Kette von Schreien ohne Zahl.
Die ganze Nacht hat der Wind aus dem Haus eine Flöte gemacht.
Mit großen Flügeln zog er hinaus, wie Vögel, die auf Raub aus sind.
Er löscht den legten Schnee im Bergwinkel aus,
Und Erbgeruch ist in seinem Geschnaub.
Er dröhnt vor Wollust und stöhnt einem Fluch,
Er weht Dächer auf wie Deckel von einem Buch,
Reckt die Berge, daß sie gleich Brüsten werden,
Weckt die Toten in den gelben und braunen und roten Erden.
Die füllen sich mit Launen und Wucht und Gelüsten
Und machen den Wind zum Boten ihrer Frühlingssucht.
Jeder muß sich seine Wege durch die Sterne brechen.
Die können dir mit ihrem Sehnen die Augen ausstechen.
Sie lehnen sich an deine Stirn und sprechen in deine Ohren;
Du könntest wähnen, du hast dich zu ihnen in Nichts verloren.
Sie flimmern auch wie Geschmeide am Nacken der schönen Frauen.
Sie tuen dir nichts zu leide, aber sie erwecken Grauen.
Sie, die über den Schicksalen schweben der Erdenleute,
Die so hoch sind, daß sie hinaussehen über das Heute,
Sie, die ohne Boden ihre Wege hingehen,
Sie leuchten und lassen doch Dunkelheit stehen,
Stützen sich auf deine Schultern und fallen wie ein Geschoß
Und lassen den Himmel doch niemals los.
Sie lebten schon, als noch keine Menschennamen waren,
Und leben weiter, wie die Liebe von ewigen Jahren.
Nun sitzt Frau Sonne im goldenen Sattel
Und reitet höher den Berg herauf.
Sie knöpft den Wolkenmantel auf,
Schöpft Luft und hat die Brüste geweitet.
Windhunde erklimmen mit ihr die Berge
Und überschwimmen den Fluß in der Runde.
Frau Sonn' hat noch keine Blume im Munde,
Die Ackerkrume liegt schwarz noch wie Ruß;
Frau Sonn' ist die einzig lachende Blum' im Königtum.
Die Sorgen ackern von Morgen bis Abend,
Von Abend bis früh; unermüdlich ist ihre Müh'!
Sie säen Schnee und säen Stein',
Nie schlafen die zähen Sorgen ein.
Sie müssen leihen und müssen borgen
Und lachen nie und lehren hassen
Und steinigen, den sie niemals verlassen.
Der kann nichts machen, wen die Sorgen mal lieben,
Es werden die Starken zu Schwachen, Gerechte zu Dieben.
Den einzigen, den sie vergessen dann,
Ist der, der noch stärker lieben kann.
Wege leer ins Leere sehen.
Bäume, Berge, Dorn und Ast
Stehen noch als kahle Last.
Nur die Wolken ziehen, wehen,
Sonst ist noch kein Weitergehen.
Nur die Wolke will sich rühren,
Stille stehn noch all die Ändern.
Wolken nur durch Gassen wandern,
Lassen süße Unruh' spüren.
Nasse Steine leuchten in der Sonne,
Sonne geht von Gasse jetzt zu Gasse,
Und die armen Haufen Pflastersteine
Glänzen weiß als stolze Silbermasse.
Frischer gehn am Pflaster jetzt die Beine,
Übers Silber eilen leicht die Sohlen,
Und die Luft, die aufgetaute, reine,
Glänzt wie Freude hell zum Atemholen.
Selbst die Steine atmen auf verstohlen.
Noch schneit es Schnee in einer Stund',
Und regnet Regen in der andern;
Der Frühling ist in aller Mund.
Aber auf Wegen weit und breit,
So weit die Beine Meilen wandern,
Hat's überall noch gute Zeit.
Unendlich kahl wie Ewigkeit
Ist Berg und Tal im Erdensaal.
Zur Hochzeit ist noch nichts bereit
Nackte Weidenstauden gehen hinter dem Bach,
Westwind packt die Straße und rennt ihr nach.
Die erste Amsel hat angehoben.
Vom Lied werden Wolken fortgeschoben.
Es kommt ein Schimmelwagen mit geschlossenem Dach,
Als führt' er vom Himmel die Braut zum Gemach
Voraus den Schimmeln, da reitet im Winde,
Der Regen mit Tropfen und Wolkengesinde.
Und was suchen die alle? — Die Liebe, die blinde.
Jetzt rennen die Bäche so blau daher,
Als sind sie vom Himmel herabgeschwommen.
Noch ist die Luft von Liedern leer,
Doch die Bäche haben schon Stimme bekommen.
Noch ist die Luft so still wie ein Grab,
Nur meine Gedanken haben gesungen.
Den Bächen ich froh das Geleite gab,
Mein Blut ist mit den Wassern gesprungen.
Die ersten Sterne hängen wie an Faden
Beweglich über den Gängen der Täler.
Die Berge werden schmäler im Abend
Und haben Brüste und Gebärden.
Der Fluß kommt an voll düsterer Gelüste,
Als ob er Wünsche ertränken müßte;
Der Fluß ist ein Grab ohn' Anfang und Ende.
Der Abend wirft allen die Masken ab, —
Zehn freiende Könige werden die Finger der Hände.
Mein Ohr belauscht die Nacht,
Der Fluß rauscht mild.
Rein Wind kommt aufgebauscht,
Die Stille Blicke mit der Stille tauscht.
Ich höre alle Uhren schlagen mit Bedacht,
Die dir die Stunden laut vorrechnend sagen.
Mit Uhren zählt man nur die Qualen.
Der Glückliche hat alle Uhren satt und kann es wagen,
Nach Lust zu leben ohne Zifferblatt und Zahlen.
Die Pappeln am Fluß sind noch winterkahl,
Der Winterschlaf ihnen die Wirklichkeit stahl.
Im Wasser Spiegelt ihr Schatten jetzt grün,
Als ob die Schatten wie Laub aufblühn.
Grün ist da unten der Spiegelwald,
Dann landet das Grün am Ufer bald.
Die kahlen Pappeln sich gern besehen,
Und Fische statt Vögel im Wald unten gehen.
Die Mondsichel gelb, schief gestellt
Fällt in den Talgrund hinein;
Senkt sich, als horcht' sie am Tor,
Als sucht' sie einen, den sie beschwor.
Hat ihre Begeisterung blind verschenkt
Und dann sich verdüstert und bedrängt
An einer Nachtwolke aufgehängt.
Die Amseln spielen ihre vielen Flöten,
Die schallen lustig in das Abenddunkel.
Sehr große Regentropfen fallen,
Und durstig kommt die Nacht zu allen.
Ich gehe unterm Regen an dem Fluß entlang,
Die Welle singt halblaut noch ihren Wandersang,
Die Wasser leuchten noch mit letzter Helle.
Doch Berge und die Sehnsucht fliegen nie.
Sie liegen drückend stets auf einer Stelle.
Der Regen, das lebende Frühlingszeichen,
Will den Winterboden unter den Füßen aufweichen,
Und die Erde hält still auf allen Wegen.
Jetzt muß sich der Regen in Dornen noch legen.
Bald wird er wieder durchs Gras hinstreichen,
Und kein Tag wird mehr dem ändern gleichen.
Die Stunden werden dann wieder verwegen,
Die Füße wandern dann ungebunden,
Und die Liebe wird wieder von allen erfunden.
Alle handeln, wie die Herzen müssen
Meine Ohren horchen in die Nacht,
Wie der Regen seinen Tanzschritt macht.
Ruhe, eine der uralten Ammen,
Singt ihr Lied mit Dunkelheit zusammen,
Und der Regen tanzt auf flinken Füßen.
Alle handeln, wie die Herzen müssen,
Alle wandeln frisch und unverfroren.
Nur die Liebe wird mit Angst geboren,
Nur der Sehnsucht ruhen nie die Ohren.
Schneeflocken wie weiße Mücken
Fahren in Scharen quer im Wind.
Wie weißer Puderstaub aus Perücken.
Märzsonne vergoldet und wird nicht mehr blind.
Märzwolken sich tummelnde Masken sind
Und Schütten Papierflitter aus mit der Hand.
Weißer Tänzerinnen Tanz ist der Flocken Gezitter.
Unter Mummenschanz schwärmt die Sonn' als goldener Ritter,
Und die kleinen Flocken fallen erwärmt aus dem Takt unter Atemstocken.
Neuschnee am Berg in weißen Flocken,
Es stürmt und regnet aus den Wolkenfalten.
Doch nichts kann mehr den Amselsang aufhalten.
Hängt auch der Wind an allen wüsten Hecken,
Die Amsel übersingt den Regenschnee.
Einmal läßt Sehnsucht sich nicht mehr verstecken,
Und durch die graugedämpften Wolkendecken
Flüchtet ihr Lied hin wie ein warmes Reh.
Bald schliefen alle Dunkelbetten in allen Ecken endlich aus
Nun will noch einmal blendend Schnee
Auf allen Dächern hell sich zeigen,
Eh' schnell, den weißen Schlaf beendend,
Im Blätterreigen und im Reigen
Der Gräser, unter Knospenzweigen
Und Augen hin zur Sonn' sich wendend,
Lerchen und Lustgedanken steigen.
Bald schliefen alle Dunkelheiten in allen Ecken endlich aus
Und tanken hin als kleine Schatten
Über die Wiesen um das Haus.
Bei den Sturmwinden,
Die in den Urgründen wühlen,
Denken viele, daß sie Wege finden,
Die zum letzten Ziele münden.
Wenn der Wind die Nächte aushöhlt
Und sie zu einer heulenden Muschel macht,
So hat er es doch nie weiter gebracht
Und hat nie das letzte zu Ende gedacht.
Er treibt mit der Luft seinen Tanz
Und gibt den Gedanken Stimme und Resonanz.
Aber kein Schicksal gerät ins Wanken.
Der Wind tut, als dürfe er niemals rasten,
Und schleppt laut sein Dasein, wie tausend Lasten.
Aber der Himmel bleibt ewig sein Schneckenhaus;
Er hängt immer darin und kommt niemals heraus.
Der Tauwind, der lange verschwunden war,
Bringt die Windbälge wieder in Gang;
Jagt im Tal und singt den Fluß entlang,
Ist vielgeschäftig wie eine Arbeiterschar;
Ist immer auf allen Wegen zugleich
Und ist König in einem ewig rollenden Reich.
Er wäscht dein Hirn und dein Blut dir klar
Und macht, daß dein Auge aufschaut.
Seine Freiheit schüttelt dich wunderbar,
Und es fegen dir Wünsche aus Stirn und Haar.
Der Wind hat Stimme bekommen,
Er geht um die Häuser mit Grollen,
Er hat einen Anlauf genommen
Und weht die Wölfen zu Hauf.
Er bringt die Stille ins Rollen,
Er leckt den Schnee an den Bergen auf
Und taumelt die Straßen entlang
Wie ein Trunkenbold mit Tollen und Sang.
Er möchte mit krassen Gelüsten
Aufbauen und verwüsten,
Er ruft Namen aus, die verschollen,
Hetzt Geister auf, die sich brüsten sollen,
Und setzt wie ein Meister ein großes Wort in die Luft.
Aber er bleibt an keinem Ort;
Er drückt an das Tor,
Machst du auf, — ist er fort,
Wie einer, der falsche Liebe schwor.
Nun dröhnt der Wind die zweite Nacht,
Als ob er von Grund aus die Ruhe verhöhnt,
Als ob er die Trommel rührt und wacht.
Er drückt an das Fenster, der Rahmen kracht,
Als ob er hinter Tapeten nachspürt
Und Argwohn und Verrat anschürt.
Am Fluß steht kahl die Pappel zur Luft
Und weht im Winde sacht im Takt.
Der Wind gern an der Pappel hingeht,
Sie, die so schlank und auch so schmal,
Die sich ihm hingibt splitternackt;
Er hat sie stürmisch angepackt.
In dritter Nacht ist er aufgesprungen
Noch übernächtig und hat die Lungen weit gemacht
Und hat von Liebe unendlich gesungen,
Prächtig bei Stimme, und hielt die Pappeln umschlungen.
Der Wind brach in die vierte Nacht herein
Und es tat wie ein Riß durchs Haus hingehen,
Als ließ' er keinen Ballen mehr stehen,
Als blies' er die Augen dem Schlaf noch aus,
Als biss' er den Worten den Boden ab;
Als wollt' er alle Vorstellung verwehen,
Und Arme voll trug er Gedanken fort.
Bald war nur ein Schwanken noch ohne Wort,
Und der Wind war allein; und blind vom Schrein
Entleibt er sich selbst unterm Getose
Und stürzt ins Bodenlose hinein.
Am Morgen war alles wie nach einem Spiel,
Die Schneeflocke fiel an dem Fenster vorbei,
Still aus der nebelnden Himmelsglocke
Sank verdunkelnd der Schnee ins Einerlei.
Der Fluß warf die Eisschollen ans Land,
Groß und weiß liegen sie auf dem Pflaster.
Am Uferrand tollen die Kinder;
Sie sind auf die Eisstücke gestiegen,
Und sie fühlten sich auf dem Eis vor Wunder heiß.
Oben auf der Brücke ist ein Gedränge und Gedrücke,
Leute, die wie die Fische der Eisgang freut,
Und alle erkennen: aus gestern wird heut.
Die Menschen alle rennen,
Eins hier und eins dort,
Als reißt des Wassers Unruh'
Das Blut schon frühlingshaft fort.
Und während drunten die Eishaut zerbricht und zuckt,
Jeden Mensch im Blut eine Sehnsucht juckt.
Und sie sind alle zusammengekommen,
Und sie horchen dem Wasserschalle nach
Wie einem großen Falle und sind beklommen,
Und sind doch erfreut, denn auf jeder Scholle
Kommt der Frühling geschwommen.
Ich horch' auf die Schneeschaufeln vor meiner Tür,
Sie Scharren und hacken den Rest zu Hauf,
Wie ein Fest ich mein offen Fenster spür',
Hinaus ziehen ergraut die Wintergespenster.
Flußwasser rauscht wieder laut beim Haus.
Mein Ohr begierig der Schneeschaufel lauscht,
Als singt jede Schaufel ihm Lieder vor.
Und dunkel sieht jeder Berg wieder
Mit freier Erde zum Himmel empor.
Mein Atem noch gestern zu Nebel festfror,
Er läßt mich jetzt atemlos stehn,
Und mein Blut pocht mir wie die Schaufel am Tor.
Noch leer die Felder, Erde, Staub und Ackerfurchen.
Von kahlem Holz sind alle Wälder taub und schwer,
Und nur Gedanken an den Frühling schwanken
Unausgewachsen wie im Wasser Lurchen.
Du selbst kamst aus dem Ackerstaub mal her
Und gehst und denkst und liebst dich selber sehr.
Du glaubst selbst, daß du liebend dich verschenkst,
Und blühst doch nur wie bald die Apfellauben
Und meinst, daß du gelitten und dich mühst
Und weinst, wenn deine Jahre tot verstauben.
Doch Erde alles ist: das Buch, worin du Lieder liest,
Und Erde ist die Hand, die dieses Buch still schließt.