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Der Stock regiert die Welt. |
Altes Sprichwort. |
Der Papst und unsere Fürsten lassen sich so gern die Statthalter Gottes nennen; aber in der That sind sie nur Statthalter des Stockes, der nach dem gemeinen Sprichwort die Welt regiert. Die Wahrheit desselben erkannten schon die Alten an, und die Bilder des Stockes und seiner gleich verehrungswürdigen Gemahlin, der Geißel, waren von jeher die Symbole der obersten Gewalt.
Die Römer dachten sich alle ihre Götter, sogar die sanfte Venus, mit der Geißel bewaffnet, und Cicero träumte einst, daß Jupiter dem jungen Octavianus, nachherigem Kaiser Augustus, eine Geißel gegeben habe als Sinnbild der Herrschaft über die Welt. – Die Regierung der meisten Könige hat dargethan, daß sie, nämlich die Geißel, auch ein weit besseres Symbol für die oberste Gewalt der Fürsten ist, als der Szepter, welcher in seiner Jugendzeit ein einfacher Stock war. Es ist nur eine höfliche Redensart der Diplomaten, wenn sie der Krone, die doch unzweifelhaft von weit jüngerem Adel ist, den Vorrang geben, indem sie stets von der Krone Frankreich, der Krone Rußland u. s. w. reden; während sie doch eigentlich die Geißel Frankreichs oder der Stock Rußlands sagen müßten.
Die Krone oder ihren Träger fürchtet Niemand; jeder scheut nur den Stock in der Hand des Königs. Nehmt ihm diesen, das heißt die Gewalt, so ist er trotz seiner Krone ein Mensch wie jeder andere.
Daß man den Stock mit der Geißel und ihren beiderseitigen Verwandten zu Sinnbildern der höchsten Gewalt wählte, beweist nur, daß im Leben der Menschen diese Instrumente selbst eine sehr wichtige Rolle spielten. Die Aeußerungen ihres Vorhandenseins nennt man bekanntlich mit den verschiedensten Namen, und ganz besonders reich an Bezeichnungen dafür ist unsere deutsche Sprache; denn fast in jeder Stadt Deutschlands hat man für Prügel ein provinzielles Lieblingswort. Es müßte nicht uninteressant sein, alle diese verschiedenen Benennungen einmal zusammengestellt zu sehen, und ich wäre begierig zu wissen, ob wir reicher an Namen sind wie die Russen, deren Ueberlegenheit in der Sache ich ohne Streit anerkennen will.
Doch wir haben hier viel Wichtigeres zu thun, als daß ich mich bei sprachlichen Forschungen aufhalten könnte. Mag man sie nun Schläge, Hiebe, Haue, Wichse oder Keile nennen, der Grundsatz bleibt: Prügel thun weh, und ebenso sicher darf man als wahr annehmen, daß sie in ihrem Naturzustande eben dieser physischen Beschaffenheit wegen ausgetheilt wurden. Daß sie in späterer Zeit zu anderen Zwecken verwendet wurden, daß sie durch die verfeinerte Kultur, unter dem Schutze der römischen Kirche und besonders durch sorgfältige Pflege der ehrwürdigen Herren Jesuiten allmälig so weit ausarteten, daß sie, anstatt wehe zu thun Wollust erzeugten, – das alles wollen wir vor der Hand unberücksichtigt lassen und nur die einfachen, ursprünglichen Prügel betrachten.
Wie sie eigentlich entstanden sind, das weiß weder der Abbé Boileau noch der Jesuit Gretser, noch irgend einer der andern Schriftsteller, welche diesen Gegenstand wissenschaftlich untersucht und behandelt haben. Ich möchte fast vermuthen, daß schon Eva auf den sinnreichen Einfall kam, dem ungezogenen Kain mit der flachen Hand den Hintern zu klatschen; doch will ich nicht eigensinnig auf dieser gewagten Hypothese stehen bleiben. Es war wohl das natürlichste, daß man sich anfänglich zum Schlagen der Hand allein bediente, und somit würde den Ohrfeigen, Püffen und Katzenköpfen die Ehre des höchsten Alterthums gebühren, wenn sich nur historische Beweise darüber beibringen ließen. Der älteste Schlag, von dem wir Nachricht haben, ist der, welchen Kain gegen den Abel führte; aber Moses vergißt uns zu sagen, mit welchem Instrumente der tödtliche Schlag geführt wurde. Geschah es mit der Faust oder mit einem Stock? Ueber meinem Schreibtisch hängt ein Gemälde von Annibal Caracci, welches Kain und Abel vorstellt; auf diesem hat Kain einen blutigen Thierkinnbacken als mörderische Waffe in der Hand; allein die Maler erlauben sich ja häufig Anachronismen, und dieser Kinnbacken beweist nichts. Wahrscheinlich ist es allerdings, daß man bald die Entdeckung machte, wie ein heftiger Schlag mit der Hand eben dieser Hand wehe thut, und eben deshalb zu irgend einem Dinge griff, welches die beabsichtigte Wirkung hervorbrachte, ohne selbst etwas zu empfinden oder dem Schlagenden wehe zu thun. Nun war doch wohl den ersten Menschen nichts näher als ein Baumzweig – ein Stock, und ich glaube demnach ohne Gefahr annehmen zu können, daß der Stock nächst der Hand das erste Schlaginstrument des Menschen war.Die Leser, welche mich aus dem ersten Buche bereits kennen und Weitschweifigkeit an mir nicht gewohnt sind, werden sich darüber wundern, daß mir die Geburt des Stockes so schwer wurde, und vielleicht meinen, ich hätte damit nur meinen Widerwillen gegen denselben überhaupt andeuten wollen; allein dies ist nicht der Grund. Ich wollte den gelehrten Wissenschaftlern und Pennalreitern, die auf meine Schreiberei vielleicht mit Geringschätzung herabsehen, nur zeigen, daß ich ganz ebenso langweilig schreiben kann wie sie, ohne Professor zu sein. Uebrigens ist dieses Pröbchen »wissenschaftlicher« Untersuchungsweise nur ein Kind gegen andere Untersuchungen über weit unwichtigere Gegenstände. Ich besitze zum Beispiel eine Weltgeschichte, in welcher auf vielen Quartseiten untersucht wird, wie lange Jakob gesäugt wurde!
Wie Adam der Stammvater des ganzen Geschlechts der Menschen wurde, die trotz ihrer Verschiedenheit an Gestalt und Farbe ihrer menschlichen Natur wegen unter einander verwandt sind, so wurde auch der rohe Stock Ahnherr einer sehr respektablen Familie, deren verwandtschaftliches Verhältniß schon durch den gemeinsamen Zweck ihres Daseins – nämlich den, zu prügeln – hinlänglich erwiesen ist. Zwischen dem ersten rohen Baumast, der zum Prügeln diente und der Ruthe, mit welcher der Jesuit Girard die schöne Cadiere streichelte, ist doch gewiß nicht weniger Ähnlichkeit, wie zwischen einem thransaufenden Eskimo und Fanny Elsler.
Das Geschlecht Adams und des Stockes bildete sich mit und neben einander aus, und als sich das erstere in verschiedene Klassen sonderte und verschiedenen Beschäftigungen anheim gab, entstanden auch verschiedene Klassen von Schlaginstrumenten, die auf die einem jeden eigenthümliche Weise den Zweck ihrer Existenz erfüllten.
Die Naturgeschichte des Menschen ist gewiß sehr interessant; aber doch bei weitem mehr zieht uns die Geschichte der menschlichen Thätigkeit an; ganz derselbe Fall ist es mit den Stockgeborenen, und die Naturgeschichte der Prügelinstrumente interessirt uns weit weniger als die Geschichte der Prügel, zu welcher ich eben einige historische Beiträge zu liefern gedenke.
Dies ist nicht so leicht, wie sich viele meiner Leser einbilden mögen, – wäre es das, dann würde ich schwerlich eine so lange Einleitung machen! – denn die Prügelinstrumente handeln nicht selbstständig, sondern werden durch den Willen eines schwer zu ergründenden Wesens, des Menschen, bestimmt. Die Beschaffenheit des Menschen ist aber unendlich verschieden, und das erschwert die Klassifikation der Prügel bedeutend. Die Effekte, die derselbe Bogen, geführt von Paganini und dann wieder von einem Bauernjungen, auf derselben Violine hervorbringen, können nicht verschiedener von einander sein als die Wirkungen, welche von derselben Ruthe, geführt von einer robusten Klostermagd und dann wieder von einem feinen Jesuiten, auf demselben zarten Hintertheil eines schönen Fräuleins hervorgebracht werden. Man vergebe mir daher, wenn ich dabei etwas gründlich und umständlich zu Werke gehe.
In einem Buche, welches ebenfalls vom Geißeln und den Jesuiten handelt, las ich, daß ein berühmter Gelehrter in einer deutschen Universitätsstadt folgendes Schema für die Geschichte des Schlagens aufstellte: »Die Prügel oder Schläge, sagte er, lassen sich eintheilen in Staats- und Privat-, öffentliche und geheime, freiwillige und unfreiwillige, zweckgemäße und zweckwidrige, rationalistische und supernaturalistische, geistliche und weltliche, reguläre und irreguläre, trockene und saftige Prügel. Ferner lassen sie sich eintheilen: 1) nach dem Subjekte, welches prügelt; 2) nach dem Objekte, welches geprügelt wird; 3) nach dem Materiale, womit –, 4) dem Körpertheile, auf welchem es geprügelt wird; endlich 5) nach der Dauer der Züchtigung.«
Ich führe dies nur an, um eine Uebersicht von all den Thematas zu geben, welche in diesem Buche mehr oder minder weitläufig abzuhandeln sind. Auf alle Spielarten kann ich mich nicht mit gleicher Gründlichkeit einlassen, sondern muß mich hauptsächlich auf die geistlichen Prügel beschränken; allein da alle andere Arten mehr oder weniger nahe mit ihnen verwandt sind, so muß ich sie wenigstens in der Kürze berühren, und das soll in diesem Kapitel geschehen.
Zunächst wollen wir darin die klassischen Prügel und nach ihnen die biblischen untersuchen; dann folgen die weltlich-mittelalterlichen und endlich die modernen, insofern sie nicht Kinder der römisch-katholischen sind und in das Gebiet der geistlichen herübergezogen werden müssen.
Unter klassische Prügel verstehe ich diejenigen, von denen uns die alten klassischen Schriftsteller Nachricht gegeben haben; ich unterscheide sie wieder in unfreiwillige und freiwillige und beginne mit den ersteren, welche jedenfalls, in Bezug auf den Geschlagenen, natürlicher sind.
Obgleich das Christenthum, oder das, was die Pfaffen so nennen, sich das Verdienst erworben hat, das Prügelsystem auf die höchste Stufe der Vollkommenheit zu erheben, so darf man ihm doch keineswegs die Erfindung des Prügelns selbst zuschreiben. Das war schon eine uralte heidnische Gewohnheit.
Bei den alten Persern war es eine große Schmach, mit Ruthen gegeißelt zu werden; aber nichtsdestoweniger ließen die Könige dieser Völker gar häufig selbst ihren vornehmsten Staatsbeamten diese Behandlung zu Theil werden, und das Hof-Ceremonial verlangte, daß die Geprügelten sich beim Könige für die große Gnade bedanken, deren er sie gewürdigt, und daß sie die erhaltenen Schläge als ein Merkmal des gnädigsten Andenkens des Königs ansehen mußten.
Artaxerxes Langhand verbot, die Großen seines Reiches auf so hündische Weise zu strafen; hatten sie sich eines Verbrechens schuldig gemacht, dann werden von nun an anstatt ihrer Rücken nur die ausgezogenen Kleider gestäupt.
Die parthischen Könige hatten eine sehr bequeme und wohlfeile Art von Ehrenbezeugungen. Wollten sie einem ihrer Lieblinge eine rechte Auszeichnung zu Theil werden lassen, dann ließen sie ihn in ihrer Gegenwart mit Ruthen streichen, und die vornehmsten Jünglinge stritten sich um diese Ehre. Ein ähnlicher Gebrauch herrschte auch bei den Lydern. Ich schlage vor, ihn bei uns anstatt der Orden einzuführen.Jedenfalls würden die Ausgezeichneten dann sicher sein, echte vollgültige Schläge zu erhalten, während es jetzt vorkommt, daß manche Orden nicht einmal von dem vorgeschriebenen Metall sind. So ist zum Beispiel das »goldene« Kreuz, welches den preußischen Offizieren für 25 jährige Dienste gegeben wird – nur vergoldet.
Bei den Indern regierte das Bambusrohr, und das Oberhaupt einer Familie handhabte es mit unumschränkter Willkür. Es hatte das Recht, seine Frau, seine Tochter, seine Magd, ja selbst seine Mutter zu schlagen, wenn sie Wittwe war.
Der Gebrauch, die Sklaven durch Schläge zu strafen, ist uralt und herrschte auch bei den freien Scythen, wie uns eine Erzählung von Justin beweist. – Die Scythen, gezählt er, waren zum dritten Mal nach Asien in den Krieg gezogen und blieben acht Jahre von Hause fort. Ihren Weibern wollte diese erzwungene Ehelosigkeit gar nicht gefallen, und da sie wohl glauben mochten, daß ihre Männer im Kampfe gefallen wären, so entschlossen sie sich, die Sklaven zu heirathen, welchen während der Abwesenheit der Herren die Sorge für das Vieh aufgetragen war. Man kann sich also den Schrecken der Weiber und Sklaven denken, als die todtgehofften Scythen sieggekrönt von ihrem Feldzuge zurückkehrten. Weiber und Sklaven hatten auf gleiche Weise zu fürchten, und die letzteren entschlossen sich, ihren Herren mit den Waffen in der Hand den Eingang in ihr Land zu verwehren.
Der Krieg begann und wurde von beiden Seiten mit fast gleichem Erfolge geführt. Die Scythen waren in großer Verlegenheit. Da ertheilte ihnen Jemand den Rath, sich zu erinnern, daß sie nicht mit Feinden, sondern mit ihren eigenen Sklaven zu streiten hätten, also auch die Art des Krieges ändern müßten. Sie sollten ihre Gegner nicht als ebenbürtige Feinde, sondern als Sklaven behandeln und statt der Waffen nur Peitschen, Geißeln und ähnliche Instrumente zum Prügeln der Sklaven ins Feld bringen.
Die Scythen fanden diesen Vorschlag gut und bewaffneten sich, wie man ihnen gerathen hatte; und sie hatten sich kaum aufs Neue ihren Feinden gezeigt und ihre neuen Waffen zu brauchen angefangen, als jene auch dadurch in den größten Schrecken versetzt wurden, so daß diejenigen, welche nicht durch Waffen bezwungen werden konnten, bloß durch die Furcht vor Geißeln überwunden wurden und nicht wie ein geschlagener Feind, sondern wie fliehende Sklaven entflohen. –
Bei den Griechen waren Prügel keineswegs Seltenheit und kamen selbst unter Standespersonen vor. Wenigstens sehen wir aus dem Homer, daß sich diese bei geringen Streitanlässen häufig Schläge antrugen. Ja selbst die Kriegsgefangenen, die in ehrlicher Feldschlacht den Griechen in die Hände fielen, werden von ihnen häufig gegeißelt, die Helden scheinen sich sogar ein besonderes Vergnügen daraus gemacht zu haben, die Tapfersten und Angesehensten darunter mit eigenen Händen durchzupeitschen. In einem Trauerspiele des Sophokles, Ajax der Geißelträger, legt Minerva selbst bei dem Helden vergebens ein gutes Wort für einen Gefangenen ein, den er todtzugeißeln sich vorgenommen hat. – Die griechischen Sklaven bekamen bei jeder Veranlassung Prügel, und besonders schnell waren damit die leicht reizbaren Griechinnen bei der Hand.
Uebrigens habe ich auch einmal eine lange und sehr gelehrte Abhandlung gelesen, welche über den bei den Griechen herrschenden Gebrauch, ihre Weiber zu schlagen, handelt. Darin wird behauptet, daß es die schönen Griechinnen sogar als einen Mangel an Liebe ansähen, wenn sie nicht, von Zeit zu Zeit von ihren Liebhabern gehörig durchgeprügelt wurden.Ich habe leider das seltene Buch an Jemand verborgt, der verreist ist, sonst würde ich den Lesern Näheres darüber mittheilen. Daß übrigens die Männer des klassischen Alterthums zu Zeiten von ihren geliebten Mädchen Schläge bekamen, scheint keinem Zweifel unterworfen, und selbst Ovid räth in seiner »Kunst zu lieben« an, die Schläge von dem geliebten Mädchen nicht für etwas Schimpfliches zu halten. In der Satire des Petronius, Polyänos an Circe, findet sich auch eine hierher gehörige Stelle. Polyänos hat sich eines derjenigen Fehler schuldig gemacht, welchen die Damen am schwersten vergeben, er schreibt deshalb an Circe: »Wenn du mich tödten willst, so komme ich mit dem Schwerte; begnügst du dich aber mit Schlägen, so erscheine ich nackend bei dir, meine Gebieterin.«Polyaenos Circae salutem ... sive occidere placet, cum ferro venio; sive verberibus contenta es, curro nudus ad Domi nam. Id tantum memento, nonme, sed instrumenta, peccasse, etc. In der Folge werden wir sehen, daß Polyänos zwei sehr vornehme Nachahmer fand.
Sehr spaßhaft war ein hierher gehöriger Gebrauch in Lacedämon. Bei einer ausdrücklich dazu angeordneten Feierlichkeit wurden alljährlich die Junggesellen, die ein bestimmtes Alter erreicht hatten, von den alten Jungfern um den Altar der Juno herumgegeißelt. Die Sache war ganz in der Ordnung; bei uns rächen sich die alten Jungfern gewöhnlich für die Konservirung ihrer Jungfrauschaft an der ganzen Welt und vorzüglich an den jüngern, glücklichern Personen ihres Geschlechts; aber in Sparta traf ihre Rache die eigentlichen Verbrecher, denn es lag offenbar nur an ihnen, daß die armen Mädchen als Jungfrauen sterben mußten. Daß sie ihre Geißeln und die Rücken der Sünder nicht geschont haben werden, darf man von verschmähten, ehemaligen Schönen erwarten.
Die Geißel spielte sowohl im öffentlichen, wie im Privatleben der Römer eine große Rolle. Die Lictoren, welche die Consuln und Diktatoren umgaben, trugen ansehnliche Ruthenbündel, jeden Augenblick bereit, die Befehle und Urteilssprüche der Gebieter zu vollziehen. Wirkliche römische Bürger zu geißeln war im Allgemeinen wohl selbst zu Rom nicht erlaubt, und der Hauptmann, der den Apostel Paulus geißeln ließ, hatte wohl Ursache, zu erschrecken, als dieser ihn bedeutungsvoll fragte: »Ist es erlaubt, einen römischen Bürger zu geißeln?«
Desto freigebiger waren die römischen Richter aber mit Schlägen gegen Freigelassene und Sklaven, die sich irgend etwas zu Schulden kommen ließen; auch wurden sie nicht mit Ruthen gepeitscht, sondern mit anderen, dauerhafteren Instrumenten. Einige bestanden aus einem einfachen, glatten Riemen von Leder, und diese wurden ferulae genannt; mit ihnen gegeißelt zu werden war die gelindeste Strafe. Schon schmerzhafter und bei größeren Vergehungen angewendet, waren die aus mehreren Streifen Pergament zusammengedrehten scuticae; aber den Superlativ bildete die aus Ochsenleder verfertigte Geißel, welche man flagelum und häufig terribile flagelum nannte; noch furchtbarer war aber die sogenannte spanische Geißel, die indessen nur von strengen Herren gegen ihre Sklaven angewendet wurde.
Ich habe schon oben gezeigt, daß die Geißel bei den Römern als ein Symbol der Oberherrschaft angesehen wurde; allein ebenso galt sie auch als das Sinnbild der Sklaverei. Bei den Triumphen war es gebräuchlich, hinter den Sieger im Triumphwagen einen Mann zu stellen, der eine Geißel in der Hand hatte, um dadurch anzuzeigen, es sei keine Unmöglichkeit, daß ein Mensch von dem höchsten Gipfel der Ehre bis in den tiefsten Abgrund der Niedrigkeit, ja selbst bis zum Stande eines Sklaven herabsinken könnte. – Uebrigens konnte diese Geißel auch eben so gut hier ein Zeichen der Herrschaft sein, da der Triumphator an seinem Ehrentage den Oberbefehl in der Stadt hatte.
Geißel und Sklave stand bei den Römern in der allergenausten Beziehung zu einander. Der Herr hatte nicht allein das Recht, seinen Sklaven nach Gefallen geißeln zu lassen, er konnte ihn sogar ohne Umstände tödten. Ja der Volkswitz theilte die Sklaven sogar nach den Instrumenten ein, mit denen sie gewöhnlich geprügelt zu werden pflegten. Einige, deren Rücken mit gewundenem Pergament bearbeitet zu werden pflegte, nannte man restiones, und die, welche mit dem Ochsenleder vertrauter waren, hießen bucaedae. Der Comödiendichter Plautus, der Bäckerknecht gewesen war und selbst höchst schätzbare Erfahrungen im Fach des Prügelns auf seinem Rücken gesammelt haben mochte, ist unerschöpflich in Witzen und Anspielungen in dieser Beziehung. Höchst spaßhaft ist die Betrachtung, die er einen Sklaven über eine ochsenlederne Geißel anstellen läßt. Der arme Bursche meint, es wäre doch etwas Erstaunliches, daß noch todte Ochsen auf lebendigen Menschen herumspringen könnten.
Das Loos der Sklaven bei den Römern war sehr traurig; sie wurden häufig weit schlechter behandelt, wie bei uns die Hunde. Manchen Herren genügte nicht einmal die schreckliche spanische Geißel, und sie ließen die Riemen, aus denen sie geflochten war, noch mit Nägeln oder kleinen Knochen versehen und manchmal noch außerdem kleine bleierne Kugeln daran hängen. Ein Sklave, der gegeißelt werden sollte, wurde nackend mit den Händen an einen Pfahl oder Baum gebunden, und an seine Füße hing man ein Gewicht von hundert Pfund, damit er den ihn Schlagenden nicht mit den Füßen treten konnte.
Die geringsten Vergehen wurden auf diese Weise bestraft. Zerbrach ein Sklave ein Glas oder hatte er gar eine Speise verdorben, sogleich wurde er gegeißelt, häufig in Gegenwart der zu Tisch geladenen Gäste. Es kam nicht selten vor, daß die armen Menschen unter den an ihnen verübten Mißhandlungen starben, und man machte nicht mehr Aufhebens davon, als ob irgend ein Hausthier krepirt sei.
Besonders scheinen aber die römischen Damen diese Gewalt über ihre Sklaven und Sklavinnen auf eine ganz unerhörte Art gemißbraucht zu haben, denn alle Schriftsteller jener Zeit stimmen darin überein. Jede Laune der Damen mußten die armen Sklavinnen entgelten. Hatte die Dame schlecht geschlafen, bemerkte sie eine neue Runzel oder ein Bläschen in ihrem Gesichte, oder war sie gar von ihrem Eheherrn vernachlässigt worden, dann hatten die zahlreichen Dienerinnen, welche ihre Morgentoilette umgaben, Höllenqualen zu leiden. Meistens kamen sie zerkratzt und blutend oder mit der langen Schmucknadel grausam zerstochen aus dem Zimmer, und das Haus wurde von dem Geschrei der Gegeißelten erfüllt.
Die Grausamkeit gegen die Sklaven nahm endlich so überhand, daß die Kaiser ihre unumschränkte Macht gebrauchten, um derselben Einhalt zu thun. Unter Augustus oder Claudius wurde eine Verordnung erlassen, nach welcher diejenigen Herren, welche ihre Sklaven in der Krankheit im Stiche ließen, aller Rechte auf dieselben verlustig sein sollten, wenn dieselben wieder gesund würden. Ein Römer aber, der einen Sklaven vorsätzlich tödten würde, sollte gänzlich von Rom verbannt sein.
Diese Gesetze scheinen indessen wenig gefruchtet zu haben, denn schon Hadrian fand sich abermals genöthigt, sie zu erneuern. Die römische Dame, welche durch ihre Grausamkeit gegen ihre Sklavinnen dazu Veranlassung gegeben hatte, wurde durch ein eigenhändiges Rescript des Kaisers auf fünf Jahre verbannt. Auch Antoninus Pius erließ dergleichen Gesetze zum Vortheil der Sklaven.
Daß damit wenig geändert wurde, beweist folgender Beschluß des Concils von Elvira – (wir haben von dieser Kirchenversammlung schon im vorigen Buche geredet): »Wenn eine Hausfrau in einem Anfall von Wuth oder Tollheit ihre Sklavin entweder selbst geißeln oder von Andern geißeln lassen würde, daß sie vor dem dritten Tage davon sterben sollte insofern es außer Zweifel gesetzt ist, ob es absichtlich oder zufälliger Weise geschehen sei: so soll die Hausfrau, wenn es absichtlich geschehen ist, auf sieben Jahre, ist es aber zufälliger Weise geschehen, nur auf fünf Jahre excommunicirt sein! doch soll sie, im Falle sie krank würde, zur Communion gelassen werden.«
Bei solcher Behandlung der Sklaven von Seiten ihrer Herren ist es dann wohl zu entschuldigen, daß diese eine herzinnige Freude empfanden, wenn sie einmal Gelegenheit bekamen, einem ihrer Peiniger ungestraft Gleiches mit Gleichem zu vergelten, und das kam hie und da schon vor. Die jungen vornehmen Römer, welche nach den Frauen ihrer Nächsten trachteten, wählten gar häufig die Maske der Sklavenkleidung, um in das Haus ihrer Geliebten zu schleichen. Die Zahl der Sklaven in den vornehmen Häusern war so unendlich groß, daß sie häufig der Herr selbst nicht alle persönlich kannte, und daß dies ohne alles Aufsehen geschehen konnte. Aber nicht selten ließ der argwöhnische Ehemann, vielleicht auch von seiner treuen Gemahlin benachrichtigt, aufpassen, den in Sklavenkleidung versteckten freien römischen Bürger als einen entlaufenen oder fremden spionirenden Sklaven aufgreifen und mit einem hundertpfündigen Gewicht an den Füßen beschwert, unbarmherzig durchpeitschen. Dies Schicksal hatte der berühmte Geschichtsschreiber Sallustius, welcher der Tochter des Diktators Sulla, der Faustina, Gemahlin des Milo, den Hof machte. Milo hörte nicht eher auf zu geißeln, bis ihm Sallust eine beträchtliche Geldsumme hatte auszahlen lassen. Man kann sich die Wuth Sallusts denken, und seine Feindschaft gegen Milo verursachte gefährliche Unruhen im Staate.
Caligula unterschied, wenn er Lust zum Prügeln hatte, auch nicht so genau, ob seine Schläge einen freien oder einen Sklavenrücken trafen. Machte Jemand im Theater neben ihm Geräusch, so daß er nicht deutlich die Rede seiner Lieblingsschauspieler hören konnte, dann ließ er den Unruhigen auf der Stelle entkleiden und geißelte ihn mit eigener Hand. Ein römischer Ritter, der dasselbe Verbrechen begangen hatte, wurde von ihm auf andere, sehr eigenthümliche Weise bestraft. Der Kaiser gab ihm einen Brief mit dem Auftrag, diesen auf der Stelle nach Afrika zu bringen, ohne dem überraschten Ritter auch nur Zeit zu lassen, nach Hause zu gehen und von seiner Familie Abschied zu nehmen.
Sehr seltsam muß es uns erscheinen, daß sogar die in Rom so sehr geachteten vestalischen Jungfrauen, wenn sie ein Vergehen begangen hatten, gegeißelt wurden. Dies Schicksal traf die Vestalin Urbinia, welche von einem Priester gegeißelt und in Prozession durch die Stadt geführt wurde. Wahrscheinlich hatte sie das heilige Feuer der Vesta verlöschen lassen, denn mehrere Geschichtsschreiber erzählen uns, daß andere Vestalinnen eben dieses Vergehens wegen mit der schimpflichen Sklavenbuße bestraft wurden. Bei dieser Geißelung wurde die Schuldige nur in einen dünnen Florschleier gehüllt und der Priester ertheilte ihr die zuerkannten Schläge an einem dunkeln Ort. Daß eine unkeusche Vestalin lebendig vermauert wurde, ist bekannt; aber auch dem Verletzer ihrer Keuschheit erging es übel, denn er wurde zu Tode gegeißelt.
Ja es scheint, daß man selbst die vornehmsten Frauen, sogar die Kaiserinnen, mit Schlägen bestrafte; wenigstens geschah dies in späterer, christlicher Zeit einst zu Konstantinopel. Ein Eunuche, der vornehmste Vertraute Justinians II., ließ die Mutter desselben geißeln, wahrscheinlich weil sie sich mehr in die Staatsangelegenheiten mischte, als es diesem impotenten Minister lieb war.
Nach römischen Begriffen war die Geißelung das Beschimpfendste, was einem römischen Bürger angethan werden konnte, und die römischen Richter machten sich daher ein Vergnügen daraus, die Christaner, welche der Verachtung der Götter angeklagt waren, gleich beim ersten Verhör geißeln zu lassen, theils aus Zorn wegen ihres hartnäckigen Widerstandes, theils um ihre Verachtung gegen die neue Religion auszudrücken. Die Strafe des Geißelns war den Christen um so empfindlicher, als dabei zugleich ihr Schamgefühl verletzt wurde, indem stets eine völlige oder doch theilweise Entblößung des Körpers stattfand. Besonders schnell waren die Prätoren mit dem Geißeln bei der Hand, wenn sie schöne junge Christen und Christinnen vor sich hatten, und ihre lüsternen Augen weideten sich an den enthüllten schönen Formen.
Zu den unfreiwilligen klassischen Prügeln würden nun auch die gehören, welche von den römischen Schulmeistern ausgetheilt wurden; allein da das Prügelsystem bei unserer Erziehung in genauem Zusammenhang mit den christlichen Prügeln steht, so will ich damit warten, bis ich auf dieses Kapitel komme, und sogleich zu den freiwilligen klassischen Prügeln übergehen.
Den erhabenen Gedanken, sich zur Ehre Gottes den Rücken zu zerbläuen, ist leider nicht zuerst in dem verbrannten Gehirn eines Mönchs erstanden; ich wollte den Pfaffen sehr gern die Erfindung dieses seltsamen Gottesdienstes lassen, wenn es sich nur mit der Wahrheit vereinigen ließe; allein die Geschichte lehrt uns, daß es schon bei vorchristlichen Völkern Gebrauch war, mit Schlägen gegen den eigenen Körper um die Gunst ihrer Götter zu buhlen.
Es ist eine seltsame aber richtige Erfahrung, daß die Menschen von jeher eine geheime Neigung hatten, die Gottheit auf eine möglichst mühsame und beschwerliche, ja selbst schmerzhafte Art zu verehren. Forscht man nach dem Grund dieser merkwürdigen Erscheinung, so findet man die Ursache in der niedrigen Vorstellung, welche sie sich von dieser Gottheit machten. Selbst sehr kultivirte Völker dachten sich dieselbe immer mehr oder weniger menschenähnlich, mit menschlichen Neigungen, Liebhabereien und Leidenschaften behaftet. Man denke nur an die Götter der Griechen und Römer. Aus dieser sinnlichen Vorstellung geht nun sehr natürlich der Gedanke hervor, daß Entbehrungen, denen man sich unterzieht, oder Schmerzen, die man sich um der Götter willen zufügt, diesen angenehm sein müßten.
Einem Mädchen, wenn es auch noch so zart und noch so gutmüthig ist, wird es stets Freude machen und mit erhöhter Liebe für den geliebten Mann erfüllen, wenn dieser ihretwegen einen Kampf bestanden und dabei Wunden empfangen hat; es wird ihr sehr schmeicheln, wenn er in Sturm und Ungewitter stundenlang unter ihrem Fenster steht, um nur den Schatten ihrer Gestalt zu sehen, oder um nur in ihrer Nähe zu sein. –
Man setze den Fall: man sei von Jemand beleidigt worden und denke daran, irgend eine Gelegenheit wahrzunehmen, um sich zu rächen; nun komme der Beleidiger, bitte um Verzeihung, werde aber von uns abgewiesen, weil die Abbitte unsern Zorn nicht besänftigt, oder weil wir seine Reue nicht für aufrichtig halten. Man nehme ferner an, daß dieser Mann, um uns zu versöhnen und die Aufrichtigkeit seiner Reue zu beweisen, sich eine Entbehrung oder einen Schmerz auferlegt, welcher die Rache weit übersteigt, die wir zu nehmen gesonnen waren; indem er, der sonst geizig ist, zu irgend einem Zwecke eine große Summe opfert; oder wenn er, sonst ein großer Gourmand, lange Zeit fastet oder sonst gegen jeden Schmerz äußerst empfindlich, sich mit einem Messer die Arme durchsticht oder den Rücken blutig geißeln läßt. Würde ein solches Verfahren nicht in den meisten Fallen im Stande sein, unsern Zorn zu versöhnen und uns veranlassen, von der beabsichtigten Rache abzustehen?
Da sich nun Menschen auf solche Weise versöhnen lassen, und man von den Göttern menschliche Vorstellungen hatte, so glaubte man sie durch Selbstqualen und Entbehrungen ebenfalls bewegen zu können, die für diese oder jene Sünde beabsichtigte Strafe zu erlassen. Dies mag einstweilen zur Erklärung genügen, da wir später auf denselben Gegenstand noch einmal zurückkommen müssen.
Ein anderer Grund, welcher die Menschen veranlaßt, sich selbst Schmerz zuzufügen, kann auch sein, daß man dadurch einem größern Schmerz vorzubeugen oder ein Vergnügen zu erzielen hofft, welches den erlittenen Schmerz überwiegt. Endlich kann man auch freiwillig Schmerzen ertragen, um sich abzuhärten für das Ertragen unfreiwilliger; oder weil man dabei Gelegenheit findet, mit seiner Charakterfestigkeit, seiner Willenskraft oder – seinem dicken Fell zu prahlen.
Den Gebrauch, sich zu Ehren der Götter zu schlagen, finden wir zuerst bei den Aegyptern; aber es ist wohl möglich, daß er bei den Aethiopern und Indern noch früher herrschte, nur haben wir keine bestimmte Nachricht davon. Von dem Schlagen der Aegypter erzählt uns aber der vortreffliche Herodot. Er sagt (II. B, Cap. 40): »Und wenn sie gefastet haben (zu Ehren der Göttin Isis nämlich), dann opfern sie. Während dem das Opfer brennt, schlagen sich Alle, und wenn sie sich geschlagen haben, tragen sie von den Ueberresten des Opfers ein Mahl auf.« Und an einer andern Stelle heißt es (Cap. 61): »Und wie sie das Fest der Isis in der Stadt Bubastis begehen, ist von mir schon früher gesagt worden. Es schlagen sich während der Opferung Alle, Männer und Weiber, wohl viele tausend Menschen. Doch den, um deswillen sie sich schlagen, wäre mir Sünde zu nennen (weil er von den Priestern in die Geheimnisse eingeweiht war und sie nicht aussprechen durfte). Sämmtliche Karier aber, die in Aegypten wohnhaft sind, thun noch so viel darüber, daß sie mit Messern sich vor die Stirne hauen; und dadurch geben sie zu erkennen, daß sie Fremdlinge sind und keine Aegypter.«
Auch die Syrer geißelten und peinigten sich zu Ehren der großen Mutter der Götter. Ein alter Schriftsteller, der uns davon Nachricht giebt, erzählt: »Zum Beschluß zerfetzten sich die Priester ihre eigenen Arme mit zweischneidigen Messern, die sie beständig bei sich zu tragen pflegen. Während der Zeit fängt einer von ihnen an, unsinnig zu werden, zu seufzen, zu ächzen und scheint seinen Athem tief aus den Eingeweiden herauszuholen. Endlich stellt er sich, als wenn er in eine Art wahnsinnigen Paroxysmus verfiele, und giebt vor, daß er vom Geiste der Gottheit erfüllt sei; – als wenn die Gegenwart der Götter, anstatt die Menschen besser zu machen, sie im Gegentheil verwirrt und unsinnig machen müßte. Aber welches ist nun die Gnade, die ihm nun die Gottheit erweist? – Der Priester fängt an zu brüllen, und sich besonders durch dazu ersonnene Lügen Vorwürfe zu machen, und sich selbst des Verbrechens anzuklagen, gottlose und schändliche Anschläge gegen die Geheimnisse ihrer heiligen Religion gemacht zu haben. Er fährt dann fort, sich selbst sein Urtheil zu sprechen, ergreift seine Geißel, ein Instrument, welches die Priester stets bei sich tragen und welches aus gedrehten wollenen Stricken besteht, an deren Enden kleine Knoten geknüpft sind – und geißelt sich zu wiederholten Malen damit. Die ganze Zeit hindurch aber zeigt er, ungeachtet der Grausamkeit und der Menge der Hiebe, die er sich giebt, eine zwar affectirte, aber nichtsdestoweniger erstaunenswürdige Standhaftigkeit.« – Man sieht, daß es auch schon damals Freigeister gab, welche die Priester für fähig hielten, Betrügereien zu begehen, und lebte Apulejus heutzutage, so glaube ich, wäre er im Stande, alle Meß- und Reliquienwunder für nichts Besseres zu halten.
In Griechenland war das freiwillige Geißeln auch im Gebrauch, und wir finden es vorzüglich bei den Spartanern welche es theils zur Verehrung der Götter, theils deshalb thaten, um sich im Ertragen von Schmerzen zu üben oder ihre Kraft darin zu zeigen.
An einem bestimmten Feste wurden am Altar der Diana eine Menge Jünglinge auf die grausamste Weise gegeißelt. Es wurde indessen Niemand gezwungen; die Geißelung war eine freiwillige. Die Knaben meldeten sich schaarenweise dazu, denn es war eine große Ehre, die meisten Schläge ohne Klagen oder Zeichen des Schmerzes ausgehalten zu haben. Die ganze Ceremonie ging mit großer Feierlichkeit vor sich. Eine Priesterin der Diana, welche eine kleine Statue der Göttin in der Hand hielt, hatte dabei den Vorsitz, und um die Sache noch vollkommener zu machen, beschauten einige dazu befehligte Priester die Striemen und Wunden und weissagten daraus die Zukunft.
Die Eltern und Anverwandten waren weit entfernt, ihre Kinder von diesem Wettstreit abzuhalten; im Gegentheil sie ermunterten dieselben und nahmen daran den regsten Antheil. Ein ehrliebender Knabe würde sich zu Tode geschämt haben, wenn er in Gegenwart seiner ganzen Familie sich nicht tapfer gezeigt hätte. Mit lächelndem Gesicht ertrugen diese kleinen Spartaner die furchtbarsten Hiebe, die ihnen den nackten Rücken zerfleischten, so daß einige auf der Stelle todt niederfielen, andere an den Folgen der Geißelung starben, ohne eine Thräne vergossen zu haben. Wer auf diese Weise starb, dem wurde auf einem öffentlichen Platze in Sparta eine Ehrensäule errichtet.
Diese Sitte erhielten die Spartaner besser als ihre Freiheit, und noch zu Tertullians Zeit wurde das Fest der Geißelung als ein sehr großes Fest angesehen. – Betrachtet man unsere jungen Männer und sieht, wie erbärmlich sie sich bei der geringsten Beschwerde oder einer körperlichen Verletzung benehmen, dann möchte man wünschen, daß auch mit unsern Jünglingen ähnliche Uebungen wie bei den Spartanern vorgenommen würden. Privatim geschieht es hin und wieder in Erziehungsanstalten, und ich selbst habe in meiner Jugend mir viel darauf zu gut gethan. –
In Griechenland gab es philosophische Sekten, welche Jünglingen im Ertragen von Arbeiten, Mangel und Schmerzen förmlich Unterricht gaben und welche dergleichen Strapazen zur Tugend machten. Diese Philosophen und ihre Schüler geißelten sich derb oder zogen sich, mit einem eigens dazu verfertigten Instrumente, stellenweise die Haut ab. Von andern griechischen Philosophen wurden sie deshalb sehr häufig lächerlich gemacht. – Das Geißeln der Knaben nahmen von den Lacedämoniern auch die Thracier an.
Auch den Römern war der Gedanke, durch selbstbeigebrachte Schläge den Zorn der Götter zu versöhnen, keinesweges fremd. Als Beweis dafür mag Folgendes dienen, was ein lateinischer Schriftsteller erzählt: Zwei Männer bestiegen unversehens ein Schiff, dessen Eigenthümer einst von einem von ihnen beleidigt worden war. Sie erwarteten daher während der Fahrt eine schlimme Behandlung und beschlossen, sich unkenntlich zu machen, indem sie sich als Sklaven verkleideten. Zu diesem Zweck schnitten sie ihre Haare ab; allein damit kamen sie aus dem Regen in die Traufe. Das Abschneiden der Haare während einer Reise galt nämlich bei den Seeleuten als ein Zeichen von der schlimmsten Vorbedeutung und wurde freiwillig nur bei Sturm und Unwetter unternommen, um damit den erzürnten Gottheiten des Meeres ein Opfer zu bringen und sie wieder zu besänftigen. Eine solche Handlung bei schönem Wetter erschien aber als eine Herausforderung, gleichsam als eine Verhöhnung der Götter. Jene beiden Männer wurden dabei von einem der Schiffer überrascht; dieser machte die verwegene Handlung der beiden Fremden sogleich dem übrigen Schiffsvolk bekannt, und dieses beschloß, den Zorn der Götter dadurch zu versöhnen, daß man jedem ihrer Beleidiger vierzig Hiebe geben sollte. Nur der Dazwischenkunft der andern Passagiere hatten sie es zu verdanken, daß das Sühnopfer auf ihrem Hintertheil nicht vollständig gebracht wurde.
Diese Geißelung war nun wohl keine freiwillige; allein ich kann andere Beweise für den Gebrauch derselben bei den Römern beibringen. Sie fand bei den Lupercalien statt, einem ländischen Feste, welches zu Ehren des Pan schon vor der Erbauung Roms in Etrurien und Latium gefeiert wurde. Es fiel auf den 15. Februar. An diesem Tage wurden von den Priestern ein Hund und eine Ziege geschlachtet und dann mit den blutigen Messern die Stirn einiger junger, entkleideter Männer berührt, welche dabei lachen mußten. War diese sonderbare Ceremonie beendet, dann wurden die Felle der geopferten Thiere zu breiten Riemen geschnitten, mit denen die nackten Jünglinge sich selbst geißelten, dann aber durch die Straßen Roms liefen und mit ihren durchaus nicht schmerzenden Riemen die Mädchen und Frauen geißelten, die ihnen in den Weg kamen.
Die Weiber waren weit entfernt, dem geißelnden Lupercus aus dem Wege zu gehen, wenn sie sich auch eigentlich vor seiner Nacktheit hätten schämen sollen; nein, sie warfen sich ihm, wenn er durch die Straßen lief, absichtlich in den Weg und boten ihre Hände und ihren entblößten Leib den Schlägen dar: denn es herrschte der Glaube, daß diese Schläge die Eigenschaft hätten, Unfruchtbare fruchtbar zu machen und Schwangeren eine leichte Entbindung zu verschaffen.
Man kann sich wohl denken, daß dieses Fest Veranlassung zu allerlei Leichtfertigkeiten und derben Späßen gab und meistens waren es junge schöne Männer aus den höchsten Ständen, welche sich das Amt der Luperci zu verschaffen wußten. Ja einst rannte sogar der ausgelassene Marcus Antonius, während er Consul war, als Lupercus nackt durch die Straßen und hielt in diesem Aufzuge eine Rede an das Volk. Cicero, der sein Feind war, tadelte ihn deshalb, aber nur, weil er jenes Amt mit der Würde der ersten Person in der Republik nicht für verträglich hielt, und weil vor Antonius noch kein Consul diese leichtfertige Priesterschaft übernommen hatte.
Den römischen Damen machte dieses Fest um so größeren Spaß, als sie die wahren Beweggründe ihres Vergnügens daran unter dem Deckmantel der Religion verbergen konnten, und daher kam es denn, daß sich die Lupercalien in Rom länger erhielten als die alte Religion, die Republik und das Kaiserthum. Als das Christenthum in Rom schon längst das Heidenthum verjagt hatte, wurde das lustige Fest der Lupercalien noch immer gefeiert, nur daß es von den Damen auf wesentliche Weise verändert worden war. Vor alten Zeiten waren nur die Segen und glückliche Entbindungen verursachenden Luperci nackt gegangen; aber die römischen Damen hatten das unbillig gefunden und den Gebrauch eingeführt, daß diejenigen unter ihnen, welche von den Luperci mit Fruchtbarkeit oder glücklicher Entbindung gesegnet werden wollten, sich ebenfalls nackt in ihren Weg warfen, um ihnen die Geißelung zu erleichtern und diese vollständiger zu genießen.
Der römische Bischof Gelasius, wahrscheinlich ein alter Griesgram, fand diese heidnische Feier mit dem Christenthum nicht vereinbar; er verbot sie und zog sich dadurch die allgemeine Feindschaft sowohl des Volkes wie der Senatoren, besonders aber der Damen zu. Die Unzufriedenheit war so allgemein und äußerte sich so drohend, daß Gelasius genöthigt wurde, sich wegen seines Verfahrens in einer eignen Schutzschrift zu vertheidigen, in welcher er auch gegen die Unanständigkeit der Weiber eiferte, die sich öffentlich auskleideten, um sich geißeln zu lassen.
Außer diesen Geißelungen finden wir noch andre freiwillige, die in Rom unter dem geringen Volke in Gebrauch waren und wahrscheinlich irgend einen abergläubischen Grund hatten. Diese Geißelungen wurden von marktschreierischen Wahrsagern sowohl an andern als an sich selbst vorgenommen, wie nicht allein aus den Komödien des Plautus, sondern auch aus den Schriften des heiligen Hieronymus hervorgeht. Letzterer schreibt in einem seiner Werke: Es ist kein Wunder, daß bisweilen mitten auf den Straßen und auf öffentlichen Marktplätzen ein falscher Wahrsager den Hintern dieser Dummköpfe auspeitschte.
Aus Stellen bei andern Schriftstellern geht auch hervor, daß es in Rom Leute gab, welche sich, wahrscheinlich zur Belustigung des Pöbels, für Geld öffentlich geißeln ließen. – Ich könnte über die klassischen Prügel noch mehr sagen, wenn ich nicht fürchten müßte, klassisch langweilig zu werden; deshalb eile ich zu den biblischen Hieben.
Die Juden scheinen die Geißelstrafe erst in Aegypten kennen gelernt zu haben. Bei den Frohnarbeiten, welche sie dort leisten mußten, erhielten sie Geißelhiebe, und die grausame Behandlung, welche sie hier zu erdulden hatten, wurde bekanntlich die Veranlassung zu ihrer Befreiung, indem Moses einen der Geißelvögte erschlug.
In den Gesetzen, welche dieser große Demagoge dem jüdischen Volke gab, sind Geißelhiebe als Strafe für mancherlei Vergehen angeordnet; zugleich bestimmen sie aber auch die höchste Zahl der Streiche. Im 5. Buch Moses Cap. 25, 1 und 2 heißt es: »Hat der Gottlose Schläge verdient, so soll ihn der Richter auf die Erde niederlegen und vor seinen Augen eine gewisse Anzahl Streiche, nach der Beschaffenheit seines Verbrechens, geben lassen.«
»So soll er ihm vierzig Hiebe und nicht mehr geben lassen, damit nicht, wenn er ihm mehr Schläge geben ließe, die Strafe allzu groß sein und man mit deinem Bruder vor deinen Augen nicht auf eine allzuscheußliche Art umgehen möge.«
Die Geißel, deren sich die alten Juden bei solchen Strafen bedienten, bestand aus drei Strängen; die beiden äußern waren nur kurz, aber der in der Mitte war sehr lang, so daß er sich beim Schlage um den ganzen Körper wand. Da nun mit dieser Geißel der Geschlagene mit jedem Hieb drei Streiche erhielt, so war das höchste Strafmaß auf dreizehn Hiebe festgesetzt, was gerade neununddreißig macht; hätte man noch einen Schlag mehr gegeben, so würde nach dieser Rechnung das Gebot Mosis überschritten worden sein.
David, Salomon und andere alttestamentarische Gentlemen empfehlen die Schläge sehr bei der Haus- und Kinderzucht und reden überhaupt viel von Geißel und Ruthe, welche Ausdrücke sie indessen meistens bildlich gebrauchen, was bei den berühmtesten, christlichen Schriftverdrehern viel Verwirrung veranlaßt hat. Ruthe und Geißel waren den jüdischen Sängern das Symbol für jede Strafe oder Plage, und besonders häufig gebrauchen sie dieses Bild, wenn sie von derjenigen Strafe reden, welche man von ihrem zornigen Gott Zebaoth zu erwarten habe Diese bildliche Anwendung der Ruthe und Geißel wurde bald populär und es ist ja noch bei uns; so sagen wir zum Beispiel: »Er hat sich damit eine rechte Ruthe gebunden.«
Wir finden indessen in dem ganzen alten Testament keine Spur, daß Jemand sich freiwillig selbst gegeißelt oder von einem Andern freiwillig habe geißeln lassen; auch ist keiner der Dichter oder Propheten ein solcher Narr, daß er diese Selbstquälerei als ein Gott angenehmes Werk oder überhaupt anempfohlen hätte. So lange sich daher die Juden allein an die Gesetze Mosis hielten, war bei ihnen auch von Selbstgeißelung nicht die Rede.
Aber etwa 460 Jahre nach Christi Geburt compilirten zwei jüdische Rabbiner den babylonischen Talmud und brachten dadurch allerlei neue Gewohnheiten und abergläubische Gebräuche in den jüdischen Gottesdienst. Nun kam auch die freiwillige Geißelung auf. Diese wurde in den Synagogen auf folgende Weise vorgenommen: Zwei Personen, welche das Bedürfniß der Buße fühlten, zogen sich in eine Ecke zurück. Einer vertraute dem andern seine Sünden und warf sich dann zur Erde nieder, den Kopf nach Norden und die Füße nach Süden, oder umgekehrt. Der Andere trat hinter den Liegenden und zählte ihm mit einem Farrenschwanze oder Riemen neununddreißig Hiebe auf. Der Gegeißelte sagte dabei den aus 13 hebräischen Worten bestehenden 38. Vers des 78. Psalmes her, der im Deutschen wie folgt heißt: »Er aber war barmherzig und vergab die Missethat, und vertilgte sie nicht, und wandte oft seinen Zorn ab, und ließ nicht seinen ganzen Zorn gehen.« Bei jedesmaliger Beendigung dieses Verses schlug sich der Gegeißelte mit der Faust vor die Brust. – Hatte er seine Buße vollbracht, so legte sich der Andere hin und die Rollen wechselten.
Daß Christus die Wechsler und Verkäufer mit einer Geißel zum Tempel hinausjagte, ist bekannt, ebenso daß er selbst gegeißelt wurde. Dasselbe Schicksal hatten die Apostel, und besonders reichlich wurde damit der Apostel Paulus bedacht (2. Korinther 11, 24 und 25). Daß aber Christus oder die Apostel sich selbst gegeißelt hätten, finden wir ebenfalls nirgends, obwohl einige Aussprüche des Paulus dahin gedeutet worden sind, worauf wir später zurückkommen werden.
Die im Alterthum ausgestreute Prügelsaat trug reichliche Frucht, und so sehen wir im Mittelalter das Feld der Geißelung in höchster Blüthe, obwohl untermischt durch verschiedenes üppiges Unkraut. Ich rede hier nur von den weltlichen Geißelungen, die mit den christlichen nichts oder doch nur sehr wenig zu thun haben. Um nicht zu oft von einem Gegenstande abspringen zu müssen, will ich mich indessen nicht immer streng auf das Mittelalter beschränken, sondern wo ich Veranlassung finde, auch in die neuere Zeit und die Gegenwart hinüberstreifen.
Schläge blieben die beliebteste Strafe bei fast allen Völkern, sowohl in der Haus- und Schulzucht, wie in der Justiz. Bei den Franken und Burgundern war dieser Gebrauch ganz besonders in Uebung, und selbst vornehme Personen und Frauen wurden von ihren Männern gehörig durchgebläut, wie wir aus dem Nibelungenlied sehen können, wo die heißgeliebte Chriemhild von ihrem Geliebten, dem tapfern Siegfried, gehörig abgeprügelt wird, weil sie ein ihr anvertrautes Geheimniß ausgeplaudert hatte. Auch die schöne Gudrun erhält von Zeit zu Zeit Schläge von der bösen Königin, die sie gefangen hält und deren häßlichen Sohn sie verschmäht. Als sie einst gegen diese schimpfliche Behandlung lebhaft protestirt, indem sie sagt:
»das will ich euch widerrathen sehr, daß ihr mich mit Bremen (Ruthen) schlaget nimmermehr!« |
wird die alte Königin wüthend, läßt die Gudrun an einen Bettpfosten binden und sie mit Ruthen von Dornen peitschen.
Vor allen waren es wieder die Frauen, welche in Anwendung der Prügel am unmäßigsten waren, wie die mehrfachen Bestimmungen der Concilien beweisen, welche diejenigen Hausfrauen mit Kirchenstrafen belegen, die ihre Sklavinnen und Mägde so stark geißeln würden, daß sie daran stürben. Die Leibeignen hatten es bis zu den neuesten Zeiten herunter nicht besser wie die alten Sklaven, denn die Gesetze nahmen sie nur selten in Schutz. Oft war Prügeln ein Zeitvertreib für vornehme Herren, viele, ja selbst Könige trugen stets eine Peitsche bei sich, um sogleich diejenigen eigenhändig zu züchtigen, die sich irgend ein Versehen hatten zu Schulden kommen lassen. Dergleichen Beispiele haben wir ja noch in neuerer Zeit. Peter der Große ließ sich sehr oft herab, mit eigener Hand Jemandem die Knute zu geben, und konnte er die Execution nicht selbst vollziehen, so trug er sie seinem Hofnarren Witaski auf. Dieser hatte überhaupt Vollmacht, allen denjenigen einen ähnlichen Willkommen zukommen zu lassen, welche in der Absicht erschienen, Sr. russischen Allmacht die Cour zu machen. – Friedrich Wilhelm I. von Preußen und selbst Friedrich II. trugen ihre Stöcke auch nicht nur allein deshalb in der Hand, um sich darauf zu stützen. Von Beiden erzählt man hierauf bezügliche, oft sehr spaßhafte Anekdoten. Friedrich erzürnte sich einst auf der Parade so sehr über einen Lieutenant, daß er den Stock erhob, um ihn auf der Stelle zu züchtigen. Der Offizier, diese Verletzung seiner Ehre mehr fürchtend als Alles, was da kommen konnte, lief eiligst davon, so daß der König ihn nicht einholen konnte und seinen Vorsatz aufgab. Als sein Zorn verraucht war, schämte sich der große König seiner Uebereilung und dachte darauf, den Gekränkten zu entschädigen. Als er den Lieutenant bei der nächsten Parade sah, sagte er zu ihm: »Mein Lieber, ich wollte ihm gestern sagen, daß ich ihn zum Rittmeister gemacht habe; aber er hatte es ja so eilig, daß ich ihn nicht einholen konnte.«
Katharina von Medicis fand ebenfalls großes Vergnügen daran, mit eigener Hand zu geißeln. Ihre jüngeren Hofdamen und Fräuleins mußten sich oft vor ihr nackt ausziehen, und wer von ihnen ein Versehen begangen hatte, erhielt von der eigenen Hand der Königin die Ruthe. Oft legte sie auch ihre Lieblinge über den Schooß, hob die Röcke auf und schlug sie mit der Ruthe oder noch häufiger mit der flachen Hand, bis Hüften und Schenkel geröthet waren. Dies war ihr eine sehr angenehme Spielerei.Die Gründe derselben erkennt man am besten aus Brantomes eigenen Worten, mit denen er diese Sache erzählt: »J'ai oui parler d'une grand Dame de par le monde, voir grandissime, qui ne se contentant pas de lasciveté naturelle, et étant mariée et étant Veuve, pour la provoquer et exciter davantage, elle faisoit depoiller ses Dames et filles, je dis les plus belles, et se delectoit fort à les voir, et puis elle les battoit du plat de la main sur les fesses, avec de grandes clacquades et blamuses assez rudes; et les filles qui avoient delinqué en quelque chose, avec de bonne verges. – Autres fois, sans les depouiller, les faisoit trousser en robes, car pour lors elles ne portoient point de calecons, et les clacquettoit sur les fesses, selon le sujet qu'elles lui en donnoient, pour les faire ou rire, ou pleurer.«
Königin Elisabeth von England theilte auch hin und wieder an ihre Hofdamen Schläge aus, aber nicht so katholisch-wollüstige, sondern höchst protestantische Ohrfeigen. Ihre Lieblinge scheint sie indessen anders behandelt zu haben, wenigstens ist dringender Verdacht vorhanden, daß sie ihrem Günstling, dem Grafen von Essex, einst eigenhändig die Ruthe gegeben habe, unbeschadet ihrer königlichen Jungfräulichkeit. Sie war einst von dem Grafen auf eine ungewöhnliche Art beleidigt worden, und er schrieb ihr, um sie zu versöhnen, in derselben Art wie Polyänos an Circe. Dann stattete er, wie der Geschichtsschreiber Camden erzählt, der Königin die aufrichtigsten Danksagungen für die erhaltene Züchtigung ab »und küßte Ihrer königlichen Majestät die Hand und die Ruthe, mit welcher sie ihn gegeißelt hatte.« Möglich ist es allerdings, daß der Graf hier wie König David in den Psalmen, das heißt bildlich, vom Geißeln spricht; allein daß dasselbe in England eben nicht ungewöhnlich war, geht wohl daraus hervor, daß unter den Staatsausgaben eines Premierministers alljährlich ein Posten von dreihundert und vierzig Pfund Sterling (mehr als 2200 Thaler) für Geißeln aufgeführt war, was noch im Jahre 1783 im Hause der Gemeinen gerügt wurde.
Auch finden wir noch andere Beispiele, daß englische Damen sogar ihren Männern die Ruthe angedeihen ließen. Ein Sir William Waller und Sir Henry Mildmay, wie auch Lord Munson erhielten von ihren Frauen, die das Regiment im Hause führten, wie heutzutage kleine Kinder, die Ruthe. Letzterer war Richter im königlichen Gerichtshofe und lebte zu St. Edmundsbury, als seine Gemahlin mit Hülfe ihrer Kammermädchen diese Execution an ihm vollzog. Man beschloß, der Lady eine öffentliche Dankadresse zu übersenden, weil man meinte, sie habe ihren Mann züchtigen lassen, weil er seine politischen Grundsätze geändert.
Der andere Nachahmer des Polyänos – will ich hier nur beiläufig bemerken – war der französische Graf von Guiche. Er hatte gegen seine Geliebte, die Gräfin von Olonne, eine arge Sünde begangen und schrieb ihr: »Wenn Sie meinen Tod wollen, so werde ich Ihnen meinen Degen bringen; wenn Sie aber glauben, daß ich weiter nichts verdiene als die Geißel, dann werde ich im Hemde bei Ihnen erscheinen.«
Am russischen Hofe erhielten noch in neueren Zeiten die Hofdamen die Ruthe wegen Schwatzhaftigkeit, Untreue oder verliebter Abenteuer. Ein sehr hübsches Mädchen, welches sich in Moritz von Sachsen verliebte, bekam auf allerhöchsten Specialbefehl von der Oberhofmeisterin recht ordentlich die Ruthe. Dasselbe Schicksal hatte dort ein anderes vornehmes Fräulein, welches ihrem Geliebten, einem französischen Legationssekretär, ein Staatsgeheimniß verrathen hatte. Dies war indessen eine Strafe, die ihr in Berücksichtigung ihrer großen Jugend ertheilt wurde, denn eigentlich hätte sie nach Sibirien wandern müssen.
Als die Kaiserin Katharina einst die schöne Gräfin Bruce bei einem Stelldichein mit einem ihrer Günstlinge ertappte ließ sie beide Sünder zugleich auf das Bette der jungen Gräfin legen und ihnen tüchtig den Hintern vollhauen; dann aber stattete sie die Gezüchtigten reichlich aus. Katharina war überhaupt eine große Freundin des Geißelns, und ihre Diener und Günstlinge wußten davon Manches zu erzählen. Vielleicht betrachtete sie es als einen Beweis der Liebe, denn sie, die große Kaiserin, duldete selbst bisweilen die Hetzpeitsche ihres Lieblings Potemkin.
Paul der Erste verstand ebenfalls keinen Spaß. Die Frau eines reichen Gastwirths, Namens Remuth, hatte es versäumt, als der Kaiser vorüberfuhr, aus dem Wagen zu steigen und ihn knieend zu grüßen, wie es die russische Sitte erforderte. Sie wurde ins Zuchthaus gebracht und drei Tage hintereinander mit Ruthen gepeitscht.
Doch wir wollen wieder an den französischen Hof zurückkehren, wo ich noch einige Beispiele von dem Geißeln angesehener Personen zu erwähnen habe. Die Schmerzen, welche die böse Zunge oder die Feder eines Satyrikers Andern Verursachten, wurden oft an dessen Hintertheil gerochen. Dieses Schicksal betraf auch eine Ehrendame der Königin Katharina von Medicis, Fräulein von Limeuil. Diese junge Dame war mit den vornehmsten Familien des Königreichs verwandt und eben so witzig als schön. Als sie kaum einige Monate am Hofe war, schrieb sie eine Spottschrift in Versen, in welcher fast alle Personen desselben auf die unbarmherzigste Weise durchgehechelt wurden. Die Schrift ging von Hand zu Hand, und Jedermann war begierig, den witzigen Verfasser kennen zu lernen. Die Königin, welche fürchtete, daß dergleichen Satyren am Hofe Mode werden würden, wußte die Urheberin derselben zu entdecken und ließ sowohl sie, als alle diejenigen Damen ihres Gefolges, welche darum gewußt hatten, gehörig geißeln, aber nicht mit Worten, wie es Fräulein von Limeuil gethan, sondern mit Ruthen.
Besser erging es einem früheren Dichter, dem dasselbe Schicksal zugedacht war; der Witz, der ihn in Gefahr gebracht hatte, befreite ihn auch wieder aus derselben. Der Dichter war Clopinel, oder, wie er auch genannt wird, Jean von Mehun, der ungefähr ums Jahr 1300 am Hofe Philipps des Schönen, Königs von Frankreich, lebte, und der mehrere Bücher schrieb. Den größten Ruhm erwarb er sich aber durch die Fortsetzung eines berühmten Gedichtes von Wilhelm de Lorris, des Romans von der Rose, welches ähnlichen Inhalts ist, wie Ovids Kunst zu lieben. Diese Fortsetzung enthielt folgende Zeilen:
»Toutes êtes, serez ou futes
De fait ou de volonté, putes;
Et oui bien vous chercheroit,
Toutes putes vous trouveroit.«
Man kann sich denken, daß die Damen und besonders die Hofdamen über diese beleidigenden Verse höchlich aufgebracht waren, obgleich man annehmen kann, daß in jenem Zeitalter die gebrauchten Ausdrücke den Damen nicht so hart klangen, als es heutzutage der Fall ist. Dem sei jedoch, wie ihm wolle, die Hofdamen beschlossen, sich an dem impertinenten Dichter zu rächen und ihm als Honorar für seine Verse eine tüchtige Tracht Schläge angedeihen zu lassen.
Als daher Clopinel eines Morgens an den Hof kam, nichts ahnend von der Prügelwolke, die sich über ihn entladen sollte, fielen sämmtliche Damen, die sich bereits mit den nöthigen Geißelinstrumenten versehen hatten, über ihn her, zogen ihm mit Gewalt die Inexpressibles ab und versetzten ihn in die zweckmäßige Lage. Der arme Poet sah ein, daß ihn nichts von dem Schicksal, welches ihn bedrohte, erretten konnte, als allenfalls sein Witz. Er bat daher die Damen, ihm einige Worte zu seiner Verteidigung zu gestatten. Dies wurde bewilligt, jedoch mit der Mahnung, sich kurz zu fassen.
Nachdem er in wenigen Worten die Gerechtigkeit des über ihn gefällten Urtheils anerkannt hatte, bat er es sich als eine besondere Gnade aus, daß diejenige Dame, welche sich durch seine Verse am meisten beleidigt fühle, ihm den ersten Schlag geben möchte. – Es geschah, was der Schalk beabsichtigte. Keine der Damen wollte verrathen oder auch nur den Anschein haben, als habe sie ganz besondere Ursachen, sich vorzüglich beleidigt zu finden. Der Dichter kam ungegeißelt davon.
Die Damen der früheren Zeiten liebten es überhaupt sehr, Indiscretionen und dergleichen mit Peitschenhieben zu bestrafen, wie ich noch durch einige Beispiele darthun will Eins derselben findet sich in der Geschichte der Gemahlin Heinrichs IV., Margaretha von Valois, von welcher er sich aus sehr triftigen Gründen scheiden ließ. Der Königin gefiel es einst, ohne den Willen ihres Gemahls nach der Stadt Agen zu reisen, welche dem Könige Heinrich feindlich gesinnt war. Hier hielt sie sich einige Zeit auf; aber die Bürger erregten einen Aufruhr, durch welchen sie genöthigt wurde, in eiliger Flucht die Stadt zu verlassen. Damenpferde waren nicht bei der Hand, und Margaretha mußte froh sein, daß sie hinter einem Kavalier auf der Croupe seines Pferdes einen Platz fand. Ihre Damen und sonstigen Begleiter bildeten einen sehr närrischen Aufzug, denn die meisten von ihnen waren nur sehr unvollständig angekleidet. Endlich, nach einem Ritt von mehreren Meilen und mancherlei Gefahren, gelangte die seltsame Cavalcade an einen sichern Ort. Hier borgte sich die Königin von einem Dienstmädchen weiße Wäsche und reiste dann weiter nach der Stadt Usson in der Auvergne,Einer Ausgabe des Journal Henri III. (Cologne, chez Pierre Marteau 1663) sind mehrere interessante Aufsätze beigebunden, unter andern auch einer, welcher die Königin Margarethe betrifft. Der Titel lautet: Divorce Satirique; en terme de Factum pour et au norm du Roy Henry IV.; ou il est amplement discouru des moeurs et humeurs de la Reyne Marguerite jadis sa Femme, pour servir d'instruction aux Commissaires deputez par sa Majesté à l'effect de la separation de leur mariage. Daß dieser Aufsatz eben nicht günstig für die Königin spricht, kann man sich wohl vorstellen; allein wenn auch Vieles übertrieben sein mag, so enthält er doch wenigstens das, was sich Hof und Stadt von ihrem Leben erzählten. In diesem Aufsatze ist diese Flucht ebenfalls wie folgt beschrieben: » – Mais les habitans (d'Agen) allarmez et presageans d'une vie si insolent un insolent succez, luy donnerent occasion der partir avec tant de haste qu'à peine se pût il trouver un cheval de croupe par la moitié de ses Filles; dont plusieurs la suivirent à la fiele, qui sans masque, qui sans devantiers, et telle sans tous les deux et ce avec un debris si pitoyable qe'elles resomboient mieux à des graces de l'Ansguenetz (Landsknechten) à la route d'un camp qu'à des Filles de bonne maison accompagnée de quelque Noblesse mal harnachée, qui moitié sans bottes et moitié à pied la conduisoient sous la garde de Lignerac aux montagnes d'Auvergne dans la Ville de Carlat, d'ou le Frère de Lignerac estoit Chastelain, place forte, mais ressentant plus la tanèire des larrons qui la demeure d'une Princesse, Fille, Soeur et Femme de Roy! »Als der Bruder der Königin, König Heinrich III., von ihrer Flucht und ihrem Aufenthalte in der Auvergne hörte, sagte er an offener Tafel: »Les cadets de Gascongue n'ont peu saoüler Ia Reyne de Navarre, elle est allée trouver les muletiers et chaudronniers d'Auvergne.« wo sie sich von den Strapazen der Reise erholte. Der Ritt hatte ihr große Beschwerden gemacht, denn sie war sehr stark;In dem angeführten Aufsatze ist kein vortheilhaftes Bild von ihr entworfen: – »une bouche assy tardée que le coeur, la face plastrée et couverte de rouge, avec une grande gorge descouverte, qui resemble mieux à un qu'à un sein. kurz sie hatte sich, wie man es nannte, einen Wolf geritten, der so bösartig war, daß ein Wundarzt zu Rathe gezogen werden mußte. Dieser kam, sah und siegte mit Hülfe seiner Pflaster, denn das störende Ungeheuer wurde vertilgt.
Der Wundarzt war aber ein Schwätzer, der zu viel über die Naturgeschichte dieses Wolfes plauderte und medicinische Anmerkungen dazu machte, deren Ausdrücke wohl eben nicht die anständigsten sein mochten. Genug, die Königin, welcher die Plauderhaftigkeit des Arztes zu Ohren kam, ließ ihm denjenigen Theil des Körpers wund hauen, an welchem er bei ihr seine Heilkunst versucht hatte; – elle lui fit donner les etrivières. Mit dieser Strafe wird wohl Jeder einverstanden sein und sie mehr billigen, als die undankbare Grausamkeit der Prinzessin Juliane von Gonzaga, gewöhnlich die schöne Juliane genannt.
Diese hielt sich im Städtchen Fondi auf. Der berühmte Seeräuber Barbarossa bekam davon Nachricht, beschloß den Ort zu überfallen, die schöne Juliane gefangen zu nehmen und dem Großherrn ein Geschenk damit zu machen. Mit Hülfe eines Kavaliers gelang es aber der Prinzessin zu entkommen. Als sie sich aber später erinnerte, daß ihr Retter sie bei der Flucht im Hemd beim Mondenlicht über ein Feld habe laufen sehen, war sie empört darüber, daß sie den Kavalier durch Meuchelmörder aus dem Wege räumen ließ.
Mit Fürsten ist nicht gut Kirschen essen, und wer mit Prinzessinnen redet, mag seine Zunge wahren. Wer es nicht thut, wird in jetziger Zeit eingesperrt, im Mittelalter erhielt er die Ruthe.
Ich will nur noch ein Beispiel erzählen, um nicht beschuldigt zu werden, daß ich etwas behaupte, ohne es zu beweisen.
Die schöne Gemahlin König Philipps II. von Spanien, Elisabeth von Frankreich, die früher dem Prinzen Don Carlos bestimmt war, hatte eine große Vorliebe für zwei königliche Lustschlösser: eins derselben lag in der Nähe von Madrid, das andere bei Valladolid. Als einst die Rede darauf kam, äußerte die Königin gegen ihre Hofdamen den Wunsch, diese beiden Lustschlösser möchten so nahe bei einander liegen, daß sie mit dem rechten Fuße in dem einen und mit dem linken in dem andern stehen könnte. Zugleich machte sie eine bezeichnende Bewegung und setzte die Beine etwas weit auseinander. Schnell sprach der Hofnarr Legat, der gegenwärtig war, einen unanständigen Wunsch aus. Er wurde sogleich zum Zimmer hinausgejagt und für seinen Witz mit einer tüchtigen Geißelung bezahlt. Brantome, der diese Geschichte erzählt, bemerkt, daß er die Königin oft gesehen und ihre Schönheit und herablassende Freundlichkeit bewundert habe und daß es nicht an tausend Mal bessern Personen, als der Narr, fehlte, die Lust gehabt hatten, die Königin zu lieben.
Bei der Gemahlin Philipps II. fällt mir ein anderer hierher gehöriger Fall ein, der Jeden umsomehr erfreuen wird, als dabei ein Jesuit der passive Theil war. – Die Tochter des Kaisers Maximilian II., ebenfalls eine Elisabeth, war durch den Tod ihres Gemahls, König Karls IX. von Frankreich – derselbe, der auf seine reformirten Unterthanen wie auf Wildpret schoß – endlich Wittwe geworden und an den Hof ihres Vaters zurück. Ungefähr um dieselbe Zeit hatte auch König Philipp II. seine Gemahlin verloren und sah sich nach einer andern um. Sr. katholischen Majestät gefiel die Königin Elisabeth und er wünschte sie zu heirathen, obwohl sie die Tochter seiner Schwester war. Das ist zwar m der römischen Kirche nicht erlaubt, allein Philipp war um die Dispensation nicht besorgt. Er war indessen kein glücklicher Werber, denn das Glück, Königin von Spanien zu sein, war gar nicht verlockend für eine ehemalige Königin von Frankreich, die von diesem Lande noch ein ansehnliches Jahrgehalt erhielt. Die eigene Mutter bot vergebens alle Künste auf ihre Tochter zur Einwilligung zu bewegen.
Als gar nichts helfen wollte, schickte Philipp seiner Nichte einen Jesuiten aus Spanien über den Hals. Die Bemühungen des schlauen Paters waren vergebens, aber ein Jude und ein Jesuit lassen sich niemals abweisen; auch dieser fragte unaufhörlich von Neuem an und wurde endlich so zudringlich, daß die Königin böse wurde und dem Jesuiten drohte, ihn in der Küche durchpeitschen zu lassen, wenn er sich unterstände, nur noch ein einziges Wort von dieser Heirath zu erwähnen.
Der Pater soll indessen in der Folge dieser Drohung vergessen haben und aufs Neue im Interesse des Königs von Spanien thätig gewesen sein; aber die deutsche Prinzessin hatte ein besseres Gedächtniß und ließ den zudringlichen Jesuiten tüchtig durchpeitschen. Ueber diesen letzteren Akt ruht indessen einiges Dunkel, denn die Jünger Loyolas verstanden es, alle ihre Niederlagen und Demüthigungen, die in den Geschichtsbüchern oder sonst mitgetheilt wurden, aus denselben auszumerzen oder doch wenigstens zu verdächtigen.
Doch ich komme wieder auf die Beispiele zurück, welche beweisen, daß man in früheren Zeiten häufig den Frevel der Zunge gegen Damen am entgegengesetzten Theile des Körpers büßen mußte. Um strenge Pedanten nicht zu ärgern, will ich nur noch eins erzählen, welches sich vor etwa hundert Jahren am russischen Hofe zutrug.
Damals war es schon unter den jungen vornehmen Russen Mode, nach Paris zu reisen, hier einige Zeit locker zu leben und dann als Muster des guten Tons nach Hause zurückzukehren. Dieser gute Ton äußerte sich denn besonders m einem sehr freien Benehmen gegen Damen, was die Altmodischen indessen frech nannten. – Zu der bezeichneten Zeit war ein solcher französirter Russe von Paris nach Petersburg zurückgekehrt und kokettirte in allen Gesellschaften mit Pariser Redensarten und Manieren. Einst traf er in dem Hause eines Freundes drei bis vier Damen. Er sang, tanzte, lachte und nahm sich Freiheiten gegen dieselben heraus, die bisher in russischen Gesellschaften unerhört waren und sichtbar ihr Erstaunen erregten. Als der Stutzer das merkte, erzählte er von seinem Glücke bei den Damen der Stadt und nannte einige derselben namentlich, deren höchste Gunstbezeugungen er sich erhalten zu haben rühmte. Dies that er in mehreren Cirkeln, und die Sache kam bald den Männern der bezeichneten Frauen zu Ohren, die nicht verfehlten, die Letzteren in die Beichte zu nehmen, vielleicht auf russische Manier, das heißt mit der Knute.
Die aufgebrachten Damen beschlossen sich zu rächen. Eine von ihnen schrieb daher einen Brief an den Renommisten, in welchem sie ihn an einen bestimmten Ort bestellt, wo sie ihn erwarten würde. Parfümirt und gekleidet à la dernière mode de Paris flog er auf den Flügeln der Liebe zum Rendezvous. Man denke sich seine Überraschung, als er statt einer Dame alle vier findet, die er verleumdet, – oder gegen die er sich indiscret betragen hatte; das läßt sich nun nicht so genau bestimmen. Statt einer Schäferstunde, wie er erwartete, verlebte er eine sehr unangenehme Viertelstunde, in welcher sein Hintertheil mehr als sein – Herz in Anspruch genommen wurde.
»Einige sagen,« fährt die vornehme Dame, welche diese Geschichte erzählt, fort, »daß die Damen ihn wirklich mit ihren eigenen Händen gegeißelt hätten; Andere meinen, sie hätten es ihren weiblichen Domestiken übertragen. So viel ist völlig gewiß, daß die Exekution mit solcher Strenge vollzogen ward, daß der Stutzer genöthigt war, einige Zeit das Bette zu hüten; ob aber die Damen die Exekution selbst vollzogen, oder ob sie nur Zuschauerinnen dabei gewesen sind, läßt sich nicht mit völliger Gewißheit angeben.«
Doch nicht immer war es gerechte Rache und die Vertheidigung ihrer Ehre, welche den Damen die Ruthe in die Hand gab. Sie wandten sich auch oftmals aus Neid oder Eifersucht gegen Personen ihres Geschlechtes an, und sowohl die Geschichte der Criminaljustiz, wie die der Höfe liefern dazu manches Beispiel. Ich will von beiden Arten nur eins erzählen und nur, um allen Vorwürfen über Unachtsamkeit und Ungründlichkeit zuvorzukommen.
Lady Liancourt war aus einer Familie, die nur ein mittelmäßiges Vermögen besaß; allein sie war schön und liebenswürdig und das Glück ihr so günstig, daß sie die Frau eines außerordentlich reichen Kaufmanns wurde. Dieser starb wenige Jahre nach ihrer Verheirathung und setzte sie zur Universalerbin ein, wodurch die junge Wittwe Herrin eines sehr großen Vermögens und das Ziel der Wünsche der vornehmsten Männer wurde. Lord Liancourt, dem das fehlte, was die junge Wittwe im Ueberfluß hatte, und der das besaß, was sie wünschte, einen hohen Rang, war der Glückliche, der die Hand der reichen Wittwe davontrug.
Die junge Lady hielt sich während des Sommers auf dem Landgute ihres Gemahls auf, welches dieser in der Nähe der Stadt Chaumont besaß. Nicht weit davon lag auch das Schloß des Marquis von Tresnel. Die Marquise war bisher in der ganzen Gegend die Tonangeberin gewesen, aber die geniale Lebensweise, wie der Witz und die Schönheit der Lady Liancourt verschafften dieser bald den Vorzug und die Marquise wurde völlig verdunkelt. Dergleichen verzeiht eine Frau nicht leicht, und so faßte denn auch die Letztere einen grimmigen Haß gegen ihre glückliche Nebenbuhlerin, der sich bei manchen Gelegenheiten, sogar einmal in der Kirche, zu erkennen gab, wo die Marquise die Lady fast mit Gewalt von ihrem Sitze verdrängte.
Dieser Haß der Marquise wurde auf die höchste Spitze getrieben, als die Lady ihre Geisteswaffen gebrauchte und einige witzige, satyrische Verse auf ihre Feindin in Umlauf brachte. Die auf diese Weise angegriffene Dame beschloß, sich auf eclatante Weise zu rächen und ihrer Gegnerin eine solche Demüthigung zu bereiten, daß sie dadurch zugleich beschimpft und lächerlich gemacht werden müßte. Diese der Lady zugedachte Rache wäre nur unvollständig gewesen, wenn sie dieselbe Bevollmächtigten aufgetragen hätte, und die Marquise beschloß, die Operationen selbst zu leiten.
Als sie daher eines Tages durch ihre Spione erfuhr, daß Lady Liancourt auf ein mehrere Meilen entferntes Schloß zum Besuch gefahren sei, befahl sie eiligst anzuspannen und stieg mit einer gleich gesinnten Freundin, dem Fräulein von Villemartin, in den Wagen, auf welchem noch vier Heiducken standen und der von drei bewaffneten Dienern zu Pferde begleitet wurde.
Da sie zu früh an dem Punkte der Chaussee ankam, wo sie ihrer Feindin begegnen wollte, so ließ die Marquise einen Diener als Alarmposten zurück und trat unterdessen unter einem Vorwande bei dem Pfarrer des zunächst gelegenen Dorfes ab; hier blieb sie mehrere Stunden. Als der zurückgelassene Diener im vollen Galopp angesprengt kam und das Herannahen der Lady Liancourt verkündete, setzte sich die Marquise in den Wagen und fuhr eiligst auf den Platz, den sie zur Schaubühne ihrer Rache ausersehen hatte. Sie kam gerade zu rechter Zeit, um der Lady den Weg abzuschneiden, und der Wagen derselben wurde gezwungen zu halten.
Sogleich fielen die schon vorher instruirten Heiducken über denselben her, rissen die Lady heraus, legten sie über und vollzogen an ihr, in Gegenwart der beiden andern Damen, auf öffentlicher Landstraße eine Geißelung, die schmerzhaft genug gewesen sein muß, da sie hinreichend war, der Rachsucht einer erbitterten Nebenbuhlerin zu genügen.
Dieser empörende Gewaltstreich verursachte ein ungeheures Aufsehen. Die beiderseitigen Männer waren bereit, sich die Hälse zu brechen, und würden es auch gethan haben, wenn nicht König Ludwig XIV., der davon gehört, ihnen auf das strengste verboten hätte, sich im Geringsten in die Sache zu mischen, welche auf dem ordentlichen Wege des Gesetzes untersucht und bestraft werden sollte. Die Lady kam bei dem Parlamente von Paris mit einer Criminalklage gegen die Marquise ein. Letztere wurde verurtheilt, der Beleidigten vor offenem Gerichtshöfe auf den Knieen Abbitte zu leisten, ihr zweitausend Pfund Schmerzengeld zu bezahlen und forthin nicht mehr unter der Jurisdiktion des Parlaments zu stehen. Die Bedienten, welche der Marquise als Werkzeuge gedient hatten, wurden auf die Galeeren geschickt und ihre Begleiterin, Fräulein de Villemartin, wurde citirt, persönlich vor dem Gerichtshofe zu erscheinen, um dort einen derben Verweis in Empfang zu nehmen und eine Geldstrafe von zwanzig Pfund zum Brode für die Gefangenen zu erlegen.
Noch unglücklicher erging es einer vornehmen russischen Dame, der Kanzlerin Bestustew, welche die Eifersucht der Kaiserin Elisabeth erregt hatte. Sie und ihr Mann hatten lange Zeit einen bedeutenden Einfluß auf die Angelegenheiten des Staates ausgeübt, als sie endlich durch einen Staatsstreich und eine Hofintrigue plötzlich gestürzt wurden und die Kaiserin dadurch Veranlassung erhielt, ihre Rachsucht gegen ihre Nebenbuhlerin zu befriedigen. Dies geschah auf eine so entsetzlich grausame Weise, daß dadurch der Unwille von ganz Europa erregt wurde.
Die eben so schöne als geistvolle Kanzlerin wurde auf den Markt geschleppt wie eine gemeine Verbrecherin und hier von dem Henker bis auf die Hüfte entkleidet. Der größte Theil der Zuschauer und selbst der Henker wurden beim Anblick der unübertrefflichen Reize der schönen Frau, die nun verstümmelt werden sollten und die man über die der Kaiserin erhoben hatte, von dem tiefsten Mitleiden ergriffen. – Die Unglückliche wurde nun an einen in der Mitte des Platzes stehenden starken Pfahl der Art befestigt, daß ihre Arme durch zwei am obern Theile befindliche Oeffnungen gesteckt, die Hände zusammengefesselt und vermittelst einer Kette an einen eisernen Ring geschlossen wurden; die zarten Füße wurden an der andern Seite des Pfahles festgeschnürt, um jede Bewegung zu verhindern und den Rücken der völligen Willkür preiszugeben. Selbst der rohe Henker, der doch an dergleichen Scenen gewöhnt war, zitterte und bebte, als er sein Amt verrichten sollte und mit der entsetzlichen Knute hinter die Aermste trat. Binnen wenigen Augenblicken war der schönste Körper auf die schrecklichste Weise zerfleischt. Dann wurden der Kanzlerin die Nasenlöcher und die Ohren aufgeschlitzt und sie sofort nach Sibirien abgeführt.
In der Erzählung von der verunglückten Liebeswerbung Philipps II. bedrohte, wie ich mit Vergnügen berichtete, die Königin den Jesuiten, ihn in der Küche peitschen zu lassen, und dies bringt mich darauf, zu untersuchen, an welchem Orte und unter welchen Ceremonien dergleichen Geißelungen in früherer Zeit am Hofe und in andern vornehmen Häusern gewöhnlich vorgenommen wurden.
Hofdamen und Ehrenfräuleins, die zur Geißelung verurtheilt wurden, empfingen ihre Strafe wahrscheinlich nur in Gegenwart ihrer Standesgenossen und vielleicht einiger Bettmeisterinnen des Schlosses, die wohl auch die Exekutoren sein mochten; allein der Schauplatz für die Geißelungen der niedrigen Dienerschaft und untergeordneter Personen, welche irgend ein Vergehen begangen hatten, war eben die Küche. Diese war auch der geeignetste Platz; hier hatten Prügler und Geprügelte Schutz gegen Wind und Wetter, und alle zur Exekution nöthigen Instrumente waren sogleich bei der Hand. Außerdem war auch die Küche in den Schlössern der früheren Zeit der Sammelplatz für die große Menge der Diener, welche sonst von den Großen gehalten wurden; hier besprachen sie alle wichtigen Vorfälle oder lungerten umher, wenn sie nicht gerade einmal etwas zu thun hatten. Der Herr, der eine Geißelung verfügte, war sicher, daß er in der Küche stets Vollzieher seiner Befehle vorfand, die mit Vergnügen bereit waren, sie auszuführen, denn Bedientenvolk ist boshaftes Volk.
Abgesehen von der Bequemlichkeit und Zweckmäßigkeit mochte es auch wohl einen tiefern Grund haben, daß die Küche der gesetzliche Prügelschauplatz wurde. Dergleichen Züchtigungen wurden meistens ertheilt, wenn durch Verletzung der Hauszucht der Herr beleidigt wurde. Der Heerd ist aber gleichsam der dem Herrn in seinem Hause errichtete Altar, und wie man in heidnischen Zeiten zur Versöhnung oder zu Ehren der Götter an ihren betreffenden Altären gegeißelt wurde, so wurden die Beleidiger des Hausherrn am Heerde, das heißt in der Küche gestraft.
Die Hausordnung in manchen alten, besonders fürstlichen Schlössern war sehr streng, und das war auch nothwendig, denn sonst würden Pagen, Jagdbediente und Mägde das Unterste zu oberst gekehrt haben. In vielen Palästen wurde es als eine persönliche Beleidigung des Herrn angesehen, wenn Jemand sich unterstand, innerhalb des Hofes oder in einer Entfernung von weniger als zweihundert Schritt vom Schloßthor Jemand zu schlagen. Wurde ein solches Verbrechen begangen, dann gerieth das ganze Küchenpersonal in Bewegung, denn nun erhielt es Gelegenheit, die amtliche Gewalt auszuüben, die ihm außer der Pflicht, für Speisen und Getränke zu sorgen, noch zukam und worauf es nicht wenig stolz war.
Der Aufseher über den Holzhof mußte einen Block herbeischaffen, an welchem die Hände des Delinquenten befestigt wurden, und jeder Küchenbeamte, vom Oberkoch und Tafeldecker bis zum Küchenjungen herab, mußte das Amt übernehmen, welches ihm nach den traditionellen Ueberlieferungen zukam. Hatte der Sträfling seine Hiebe empfangen, dann überreichte ihm der Küchenmeister eine Semmelschnitte und der Oberkellermeister einen Becher mit rothem Wein; so verlangte es die Sitte wenigstens in England.
In den meisten Fällen, wenn eine Geißelung verfügt wurde, überließ man die Ausführung der Discretion des Küchenpersonals, und das Gaudium desselben war groß, wenn diese Strafe an einem Pfaffen oder gar an dem Hofnarren zu vollziehen war, der gewöhnlich einem Jeden einmal einen Schabernack gespielt hatte. Daß selbst die ehrwürdigen Herren Patres nicht verschont wurden, haben wir an dem Jesuiten gesehen; da aber die Ausführung zweifelhaft ist, so will ich ein anderes Beispiel anführen, welches die lobenswerthe Sitte, unanständige Pfaffen in der Küche zu peitschen, unzweifelhaft feststellt und welches in den Erzählungen der Königin von Navarra enthalten ist.
Ein verliebter Kapuziner, der in dem Hause eines Landedelmanns aus- und einging, hatte seine heiligen Augen auf ein niedliches Kammermädchen geworfen, deren Seelenheil er sich deshalb besonders angelegen sein ließ. Es wäre auch Schade gewesen, wenn ein so allerliebstes Geschöpf den häßlichen Teufeln zur Beute geworden wäre und der fromme Pater beschloß, dies schöne Stückchen Erbsünde dem Erbfeinde zu entreißen. Er wußte ihr nach mancherlei heiligen Vorbereitungen begreiflich zu machen, daß man vor allen Dingen den Körper kasteien müsse, wenn die Seele geläutert werden solle und überredete sie, ein härenes Gewand auf dem bloßen Körper anzulegen. Menschenfreundlich, wie Kapuziner sind, erbot er sich, diesen Talisman gegen den Fleischesteufel dem Mädchen mit eigenen Händen anzuziehen, weil das Gewand dadurch eine noch weit heiligendere Kraft bekommen würde. Das Mädchen erkannte aber die Absichten des frommen Mannes und erzählte Anderen im Hause, was der Kapuziner verlangt habe. Das kam auch dem Edelmann zu Ohren, und dieser hatte keine bessere Meinung von Mönchstugend als seine Dienerin. Er wurde sehr zornig und befahl, dem frommen Vater vermittelst einer tüchtigen Geißelung den übergroßen Bekehrungseifer auszutreiben, was in der Küche mit Lust und Liebe von Seiten der Küchenbeamten geschah.
Einen Beweis dafür, daß die Officianten der Küche als Personen betrachtet wurden, deren besondere Pflicht es war, für die Aufrechterhaltung der fürstlichen oder königlichen Würde Sorge zu tragen, finden wir in der Beschreibung der Art und Weise, wie die Ritter des Bath-Ordens auch den Statuten desselben installirt wurden.
Nachdem die verschiedenen Ceremonien der Installation in der Westminsterkirche vorüber waren, nachdem der neue Ritter mit den Insignien des Ordens bekleidet war, den Eid geleistet und die Ermahnungen des Dechanten angehört hatte, stellte er sich auf die eine Seite der Kirchenthür, während ihm gegenüber auf der andern Seite der Oberkoch des Königs Platz genommen hatte. Dieser war mit den Zeichen seiner Würde, einer weißleinenen Schürze, bekleidet und mit einem Hackemesser versehen, und wandte sich mit folgenden Worten an den Bath-Ritter: »Sir, Sie wissen, welchen großen Schwur Sie abgelegt haben; werden Sie denselben halten, so wird es Ihnen zur großen Ehre gereichen; werden Sie ihn aber brechen, so nöthigt mich mein Amt dazu, die Fußstapfen, wo Sie gegangen sind, mit meinem Messer auszuhacken.«
Es wäre eine unverzeihliche Nachlässigkeit von mir, wenn ich in diesem Buche, welches von dem Geißeln handelt, die Pagen vergäße, diese Professoren in der Kunst des Geprügeltwerdens. Wenn man von einem Pagen spricht, so denkt man sich gewöhnlich darunter einen hübschen jungen Menschen von guter Familie, der die unbezähmbarste Lust hat, alle nur möglichen Prügel zu verdienen, aber in dem Glauben, daß selten Jemand auf dieser Welt nach Verdienst belohnt wird, zugleich hofft, daß dieser Erfahrungssatz sich auch bei ihm bestätigen werde. – Es mag in der That keine Kleinigkeit gewesen sein, die Schaar der Pagen in den königlichen Schlössern in Ordnung zu halten und – wenn ich überhaupt mit dem Prügeln einverstanden wäre – ich finde es nicht unbillig, daß die Vorgesetzten dieses leichten Völkchens unbeschränkte Macht hatten, die Geißelstrafe anzuwenden. Dazu fanden sie stets so vielfache Gelegenheit, daß die Begriffe Page und Geißel völlig identisch wurden; zu einem Pagen gehörte eine Ruthe und umgekehrt.
Wollte ich mich in das Gebiet der Pagenstreiche verlieren, dann möchte ich doch wohl etwas zu gründlich werden, und ich will mich daher begnügen, nur einer Pagengeißelung »monstre« zu erwähnen, welche einstens König Heinrich III. von Frankreich verfügte, der, wie wir später sehen werden, ein großer Beförderer der Geißelung war. Im Estoile findet sich folgende Stelle: »Am 29. März (1583) ließ der König im Louvre gegen 120 Pagen und Lakaien peitschen, die im untern Saal die Prozession der Pönitenten nachgemacht hatten, indem sie über ihre Gesichter Taschentücher hingen mit Löchern an den Stellen der Augen.«
Viele vornehme Frauen liebten das Kapitel der Hauszucht, welches vom Geißeln der Pagen handelte, ganz außerordentlich und waren bei den geringsten Ursachen sogleich bereit, die Geißelung an den jungen und schönen Delinquenten mit eigener Hand zu vollziehen. Manche mochte dies, wie ein neuerer Schriftsteller über diesen Gegenstand sich ausdrückt, wenn sie solid war, aus einer anatomischen Neugierde und einem unbestimmten, sinnlichen Gefühl thun, das zu dem Begriffe von der Notwendigkeit der Bestrafung sich mischte; war sie aber unreinen Herzens, aus wollüstigem Kitzel, wenn sie auch nichts Bestimmtes dabei suchte. Manche Tugend litt auf diesem Wege Schiffbruch, indem die Gefahr bald von der einen, bald von der andern Seite kam. Dasselbe Spiel trieben, indem sie das Prinzip der Hauszucht geltend machten, die gnädigen Herren oft mit den Kammerfräuleins.
Daß ich nun von den Kammerfräuleins auf den Ehebruch komme, wird man um so weniger befremdend finden, als derselbe früher sehr häufig mit Geißelung bestraft wurde, wie wir es schon im mosaischen Gesetz finden. Daß die Alten es weit strenger nahmen, wenn man mit einer verheiratheten Frau sündigte, als wenn es mit einem Mädchen geschah, erklärt sich ganz natürlich daher, daß, abgesehen von der Unzulässigkeit der Sache selbst, im letzteren Falle keine Eidverletzung stattfand, da ein Mädchen nicht gebunden ist. Die Herren Geistlichen der römischen Kirche predigten stets dasselbe, wenn sie, wie wir im vorigen Buche gesehen haben, sich in der Praxis auch mehr an die Weiber hielten. Wie spaßhaft sich die Mönche in ihrem Eifer gegen den Ehebruch manchmal auf der Kanzel vergaloppirten, habe ich schon an einem Beispiel des bekannten Abraham a Santa Clara gezeigt; ein anderes Beispiel erzählt uns Rousseau in einem seiner Epigramme.
Ein Mönch, der eines Tages sehr heftig gegen den Ehebruch predigte, gerieth dabei in großen Eifer, und in seinem Bemühen, die Zuhörer recht von seinem Abscheu gegen diese Sünde zu überzeugen, brach er zuletzt in folgende feierliche Erklärung aus: »Ja, meine Kinder, ich würde lieber, um das Heil meiner Seele nicht zu verscherzen, jeden Monat mit zehn Mädchen als in zehn Jahren mit einem verheiratheten Weibe zu thun haben.«Das Epigramm selbst heißt:
Un Cordelier prèchoit sur l'adultère,
Et s'échauffoit le Moine en son harnois
A démontrer par maint beau commentaire
Que ce péché blessoit toutes les loix.
Oui, mes Enfans, dit il, haussant la voix,
J'aimerois mieux, pour le bien de mon ame,
Avoir à faire à dix filles par mois
Que de toucher en dix ans une femme.
Die Gesetze der meisten alten Völker gegen den Ehebruch waren außerordentlich streng, und sowohl bei Griechen und Römern, wie auch bei den Persern spielte in solchen Fällen die Peitsche eine große Rolle. Die Gesetze der Deutschen waren nicht minder streng und in den romanischen Staaten ebenfalls; doch kam allerdings dabei auf die Gemüthsart des beleidigten Mannes viel an. In Frankreich erhielten die Damen, wenn die angebrachten Klagen wegen Ehebruch begründet waren, gewöhnlich Ruthenhiebe, entweder zu Hause oder im Verwahrungsort, meist sous la custode, wie man es zu nennen pflegte.
In altfranzösischen Gedichten und Romanen finden sich unendlich viel Stellen und Erzählungen, welche beweisen, daß die Züchtigung der untreuen Frauen oder derer, die man in Verdacht hatte, mit Ruthenhieben sehr gewöhnlich war. Doch wir brauchen nicht so weit zurückzusehen; auch bei uns nehmen sich die Männer noch sehr häufig die Freiheit, ihre Weiber für begangene oder angebliche Vergehungen in Bezug auf die Treue mit derben Schlägen oder mit Ruthenhieben zu züchtigen. Beweise ließen sich aus Criminalacten unendlich viele herbeibringen, allein nur einige mögen genügen.
Vor etwa fünfzehn Jahren lebte in einer süddeutschen Residenz ein Doctor der Medizin, der seiner sehr hübschen Frau bei der geringsten Veranlassung, besonders aber aus Eifersucht und wenn er sie treulos glaubte, die Ruthe gab. Dies trieb er lange Zeit, bis die arme Frau sich ihren Freundinnen entdeckte und auf deren Rath sich scheiden ließ.
In einer andern deutschen Stadt gab es mehrere Männer, welche ein Vergnügen dabei fanden, ihre Weiber vor dem Spiegel blutig zu peitschen oder dieselben in Kellern und dunkeln Gemächern Tage lang gefangen zu halten. – In einer andern Stadt wurden mehrere hübsche Frauen mit Stricken auf Tische gebunden und mit Ruthen, Stricken oder Ochsenziemern geschlagen. An öffentlichen Orten erschienen die Eheleute dann wieder ganz zärtlich und vertraut, denn bei dem geringsten Zeichen von Klage wurde die Züchtigung verdoppelt. Einer dieser Barbaren legte sein Opfer auf eine Art Winde mit Kopf und Füßen, wie ein Knäuel gewunden, und peitschte sie auf die ausgestreckten Hüften und Schenkel. In die offenen Wunden schüttete er Tinte und Vitriol! – Es hat Edelleute gegeben, die mit Metzen Haus hielten, und in deren Gegenwart ihre unglücklichen Weiber von Bedienten peitschen ließen, um denselben Ersatz zu geben; andere zwangen, unter Androhung des Todes und unter Anhetzung von Hunden, die eigenen minderjährigen Söhne, ihre Mutter zu schlagen! Solche entsetzliche Gräuel findet man indessen nur bei christlichen Völkern, und warum gerade hier, wird den Lesern am Ende dieses Buches völlig klar sein.
Nicht nur allein in Spanien und Italien waren die Inquisition und die Herren Jesuiten die Bewahrer und Rächer der ehelichen Treue; auch in Deutschland gab es eine Zeit, wo die Herren Geistlichen officielle Bestrafer der ehelichen Untreue waren. Man denke nur an das Sittengericht unter Maria Theresia, welches auch noch unter Joseph II. fortbestand.
Einer der geistlichen Herren dieses Gerichtshofes mochte bei einer vornehmen, sehr schönen Dame kein Gehör gefunden haben, obgleich sie wohl eben nicht hartherzig war und mehrere Liebhaber hatte. Der geistliche Herr rächte sich auf echt pfäffische Weise und zeigte sie dem Sittengerichte an. Die Dame ward mitten in der Nacht aus ihrem Bette gerissen, in einen verschlossenen Wagen gesetzt und an einen ihr unbekannten Verwahrungsort gebracht. Dort wurde sie verhört und ihr befohlen, die Namen ihrer Liebhaber zu nennen. Als sie sich standhaft weigerte, diesem Ansinnen Folge zu leisten, erhielt sie auf Befehl der hochwürdigsten Herren einen tüchtigen Denkzettel mit der Ruthe und wurde nach einigen Tagen zu ihrem Manne zurückgebracht. Ihre Verehrer machten ihr gemeinschaftlich ein sehr kostbares Geschenk, als Anerkennung und Dank für ihre Verschwiegenheit.
Die nordamerikanischen und englischen Gerichtsverhandlungen lehren, daß man in jenen Ländern das Peitschen der Frauen für Vergehungen an der ehelichen Treue ganz in der Ordnung findet, und auch bei weniger cultivirten Völkern findet man diesen Gebrauch – weil die Richter überall Männer sind.
In Korea richtet sich seltsamer Weise die Strenge des Gesetzes mehr gegen den unverheiratheten Ehebrecher als gegen die schuldige Frau. Der Inkulpat wird bis auf die Beinkleider entkleidet; dann beschmiert man ihm das Gesicht mit Kalk und steckt ihm durch jedes Ohr einen Pfeil. Hierauf befestigt man auf seinem Rücken eine Trommel, welche an den Kreuzwegen, wo er zur Schau ausgestellt ist, gerührt wird. Das Finale bilden fünfzig Hiebe auf den Hintern mit einem tüchtigen Bambusrohr, welche häufig den Tod zur Folge haben. Die Schuldige erhält eine Anzahl Hiebe von derselben Sorte auf denselben Körpertheil. – Verführt aber gar ein Verheiratheter die Ehefrau eines andern, dann wird er mit dem Tode bestraft, indem man ihn von hinten durchsticht.
In Guiana leben die Einwohner in Polygamie. Der Ehebruch kommt selten vor, aber dann wird er an dem Verführer meistens mit dem Tode bestraft; die Frau erhält tüchtige Prügel. Das finden die Weiber sehr in der Ordnung und würden die Prügel höchst ungern entbehren, da sie ihnen als ein Zeichen für die Liebe ihres Mannes gelten. Ein Franzose war einst Zeuge solcher Prügelscene. Als die Frau schon blutrünstig geschlagen war, glaubte er sie vor einem härtern Schicksal bewahren zu müssen und legte sich ins Mittel; allein damit kam er übel an. Die Frau, schäumend vor Wuth, fiel ihn mit dem Bogen ihres Mannes an und rief: »Wenn er mich schlägt, so thut er es, weil er mich liebt.« Die übrigen Weiber nahmen ebenfalls Partei gegen den Fremden und erklärten, was geschehen, sei durchaus in der Ordnung und Niemand sollte es wagen, zu stören wenn auch sie einst gezüchtigt würden. Es scheint demnach doch nicht, daß dadurch der Ehebruch vermindert wurde, auch kam die Gezüchtigte, von welcher ich eben erzählte und welche Lisbe hieß, gleich nach der Exekution zu dem Franzosen, überhäufte ihn mit Zärtlichkeiten und flüsterte ihm zu: »Niemand wird dir etwas sagen, wenn du uns nur nicht in unsern Liebkosungen, in unsern Schlägen störst.«
Bekannt ist es, daß die russischen Frauen ähnlich wie die in Guiana empfinden und daß sie meinen, ihre Männer liebten sie nicht, wenn sie von denselben nicht von Zeit zu Zeit ordentlich durchgeprügelt werden. Dieser Glaube herrscht nicht etwa nur bei dem gemeinen Volk, sondern selbst bei den höheren Ständen. Ich erinnere nur an die Kaiserin Katharina und Potemkins Hetzpeitsche. Eine schöne, russische Dame, die einen liebenswürdigen Franzosen heirathete, wurde nach vierzehn Tagen einer sehr zärtlichen Ehe plötzlich ganz traurig und seufzte unaufhörlich, als habe sie einen tiefen Gram. Der besorgte und zärtliche Gatte wußte sich diese Veränderung gar nicht zu erklären und forschte unablässig nach dem Grunde derselben. Endlich in der vierten Woche erklärte sie, über und über schamroth: »Wie kann ich glauben, daß du mich liebst; sind wir doch schon vier Wochen mit einander vereinigt, und du hast mich noch nicht ein einziges Mal geschlagen!«
Man denke sich das Erstaunen des zärtlichen Ehemanns, der nun froh war, daß kein anderes Hinderniß seines Glückes vorhanden war. Er kaufte eine mäßig schmerzende elegante Ruthe und befriedigte von Zeit zu Zeit das russische Bedürfniß seiner Frau, die ferner keine Ursache zur Klage hatte. –
Bei so strenger und oft so ungerechter Handlungsweise der Männer gegen ihre Frauen, wovon ich oben Beispiele gegeben habe, ist es denn kein Wunder, daß die Frauen alle ihnen angeborne List in Bewegung setzen, um sich vor solcher Strafe zu retten und bemüht waren, ihre Männer zu hintergehen. Dergleichen Fälle erzählen uns die italienischen und französischen Novellendichter in großer Menge; da sie aber nicht hierher gehören, so will ich mich nur auf ein Beispiel beschränken, welches mehr zur hier verhandelten Sache in Beziehung steht.
Ein Ehemann hatte seine schöne Frau im Verdacht, daß sie die Lehre von der Liebe des Nächsten gar zu weit ausdehnte und mit dem Nachbar Pfarrer in verbotenem Umgange lebte. Sein Verdacht wurde zur Gewißheit, als er beide beim heimlichen Verzehren seines Lieblingsgerichtes, einer Lamprete, ertappte. Die Ehrfurcht vor dem geistlichen Ehebrecher bewirkte, daß er einstweilen seine Wuth hinunter schluckte, aber innerlich beschloß, sie, die mit dem Körper gesündigt hatte, am Körper abzustrafen. Er kaufte daher mit Kennerblick einen vortrefflichen Besen von frischen Birkenruthen, den er in der Nähe des Schlafzimmers versteckte.
Die Frau, die kein gutes Gewissen hatte und ihren Mann mit argwöhnischen Blicken beobachtete, hatte aber diese Vorbereitungen belauscht und ahnte für die kommende Nacht nichts Gutes. Sie bat daher eine ihrer Freundinnen, sich am Abend in ihr Bett zu legen, indem sie einen Vorwand angab, der sie verhindere, heute zu Hause zu schlafen. Die nichts Böses ahnende Dame war gleich hierzu bereit.
Als es nun Nacht war und der Mann seine Frau im Bette glaubte, schlich er mit einer tüchtigen Ruthe in die Schlafkammer und begann der im Bette liegenden Freundin eine derbe Strafpredigt über ihre Untreue zu halten und endigte damit, daß er ihr eine derbe Züchtigung dafür ankündigte. Die gute Dame bekam keinen kleinen Schreck; allein wenn sie sich zu erkennen gab, hätte noch Schlimmeres daraus entstehen können, und sie beschloß gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Mit Thränen und unterdrücktem Gejammer verbarg sie ihr Gesicht in den Kissen und überließ ihr unschuldiges Hintertheil der Rachsucht des beleidigten Mannes. Dieser bearbeitete dasselbe mit solcher Rüstigkeit, daß das Blut herabrieselte, als er endlich ermüdet in sein Bette schlich.
Sobald es Tag wurde, verließ die so schmählich behandelte Dame das Schmerzenslager und machte ihrer Freundin die bittersten Vorwürfe. Diese wußte sie aber zu trösten und zu entschädigen, und da sie erfuhr, daß ihr Mann frühzeitig ausgegangen war, schlich sie in ihr Haus, entfernte alle Spuren, welche die nächtliche Scene zurückgelassen hatte, und schlüpfte dann in das frisch gedeckte Bette.
Als ihr Mann nach Hause kam, that sie, als ob sie noch schliefe. Der geprellte Ehemann hatte mit kühlerem Blute über die vollzogene Strafe nachgedacht und sie fing an, ihn zu reuen. Mit diesen milderen Gefühlen betrat er das Schlafzimmer seiner Frau, die in dem ordentlichen Bette so behaglich schlafend lag, als sei nicht das Allergeringste vorgefallen. Darüber höchlich erstaunt, rief er: »Nun Madam, es wäre doch endlich einmal Zeit aufzustehen.« Sie that, als ob sie eben erwachte, und wunderte sich gähnend darüber, daß es schon so spät sei, und erklärte ihren tiefen Schlaf durch einen Traum, der sie höchst angenehm beschäftigt habe. »Ja, du hast wohl vom Herrn Pfarrer und meiner Lamprete geträumt, die ihr zusammen verzehrt habt? nun, ich denke, daß ich dir heute Nacht dies Gericht für eine lange Zeit versalzen habe.« – Die Dame that, als könne sie durchaus nicht verstehen, was er meine; der Mann wurde immer hitziger und entschloß sich endlich, seinen Zweifeln durch den Augenschein ein Ende zu machen. Unter Lachen und Aeußerungen der Verwunderung über seinen Unglauben entfernte die schöne Frau die Hüllen, und der Körper wurde eben so unverletzt und fleckenlos wie das Bette gefunden. Der Mann wurde ganz verwirrt und glaubte endlich, daß ihn ein böser Traum geneckt habe. Das Lustspiel schloß mit Vorwürfen gegen den Mann über seine unordentliche Lebensweise und mit einer zärtlichen Umarmung.
Doch zur Genugthuung für die Damen will ich bemerken, daß nicht immer die Frauen der leidende Theil waren; einige Beispiele, daß Männer von Frauen Schläge erhielten, habe ich schon früher erzählt; hier mögen noch einige folgen. Manche Dame wird mit großem Vergnügen alte Tapeten gesehen haben, auf denen Ritter knieend vor einer Dame abgebildet sind, die in ihrer Hand eine Ruthe hält. Ja diese ehrenfesten Ritter wurden wirklich zu Zeiten von den Minnehöfen des Mittelalters zu Schlägen verurtheilt, wenn sie des Ehebruchs überführt waren.
Doch ein wahres Rachefest für die Frauen, namentlich Frankreichs und Italiens, war der Tag der »unschuldigen Kindlein«, an dessen Morgen es Gebrauch war, daß die Damen diejenigen Herren ihrer Bekanntschaft, welche sie im Bette ertappen konnten, gehörig mit der Ruthe bearbeiteten. Die Rache für alle im Laufe eines Jahres von einem Manne empfangenen Beleidigungen wurde bis zu diesem Gerichtstage aufgehoben. Am frühen Morgen, vielleicht schon in der Nacht, versammelte sich an einem sichern Orte die Gesellschaft von Damen, welche einen gemeinschaftlichen Feldzug gegen die Männer unternehmen wollten, und entwarfen ihren Operationsplan.
Wer nun von den Herren ein böses Gewissen hatte, dem war das Datum dieses Tages gut im Gedächtniß, und er war wohl bedacht, seine Thür schon am Abend zu verschließen. Mancher ließ auch wohl absichtlich die Thür offen, entweder um den Damen nicht den Spaß zu verderben, oder sich einen Spaß mit ihnen zu machen. Durch Erfahrungen belehrt, waren daher die Damen bei den offenen Thüren am vorsichtigsten und kühlten dafür ihr Müthchen an denen, von welchen sie mit einiger Gewißheit voraussehen konnten, daß sie diesen wichtigen Tag im Kalender richtig vergessen hatten. Dieses Geißeln nannte man nun: donner les Innocents, oder innocenter, wobei ich bemerken will, daß innocent, zugleich unschuldig, aber auch einfältig bedeutet, was überhaupt bei den Französinnen und Italienerinnen stets synonym war und ist. Dieser Gebrauch ist übrigens sehr alt und schon in den Erzählungen der Königin von Navara davon die Rede. Darin wird aber zugleich bewiesen, daß auch Männer davon profitirten, wenn es ihnen eben gefiel.
Ein Tapezierer nämlich hatte sich in sein hübsches Dienstmädchen verliebt; aber die Frau bewachte ihn mit so eifersüchtigen Augen, daß er niemals Gelegenheit fand, mit dem Gegenstande seiner Sehnsucht allein zu sein. Er beschloß nun sein Strategem zu ändern. Einige Zeit vor dem Tage der unschuldigen Kindlein affectirte er gegen seine Frau eine außerordentliche Unzufriedenheit über die Magd, die ihm gar nichts mehr recht machen konnte.
Am Abend vor dem verhängnißvollen Tage beklagte er sich abermals sehr bitter und verkündete seiner Frau, daß er den Entschluß gefaßt habe, das faule und unordentliche Geschöpf am andern Morgen mit der Ruthe ganz gehörig durchzubläuen. Die Frau war damit ganz einverstanden; als er aber am frühen Morgen aufstand und eine ungeheuer große Ruthe ergriff, wurde ihr doch bange, daß er dem Mädchen zu viel Schaden thun möchte. Mit dem ernsthaftesten Gesicht ging der Mann die Treppe hinunter und öffnete mit Gewalt die Thür. Das arme Mädchen erschrak anfangs sehr, aber es endete Alles auf die freundschaftlichste Weise.
Uebrigens finde ich auch angegeben, daß in Frankreich am Sylvestertage alle Hausgenossen das Recht hatten, die Frauenzimmer, welche sie im Bette überraschten, mit der Ruthe zu geißeln. In manchen Gegenden Deutschlands herrscht dieser Gebrauch ebenfalls, und es geschieht dort entweder am Palmsonntag oder am Ostermorgen; genau kann ich das nicht bestimmen, obgleich ich selbst an jenem Tage als Kind oft genug die Ruthe bekam, die mir indessen sogleich durch das Geschenk buntgemalter Ostereier versüßt wurde.
Der Leser, der den Haupttittel meines Buches ansieht, hofft wahrscheinlich, nun bald auf Schläge zu kommen, die mit dem christlichen Fanatismus in genauerem Zusammenhange stehen; allein ich verweise ihn auf den besondern Titel dieses zweiten Buches und zur Geduld, und verspreche ihm noch so viel von den christlichen Prügeln zu erzählen, daß er einen völligen Grau davor bekommen wird; aber jetzt muß ich darin fortfahren, über den Gebrauch des Geißelns beim Haus- und Sklavenwesen, und in der Civil- und Militärjustiz zu reden.
Das Alterthum habe ich bereits abgehandelt und jetzt nur von der mittleren und neueren Zeit zu reden. Besonders waren es die nordischen Völker, welche sich in barbarischer Behandlung ihrer Leibeigenen und Dienstleute auszeichneten. In Mecklenburg Litthauen, Livland, Esthland u.s.w. schalteten die Edelleute und Gutsbesitzer ärger wie Türken. Erwachsene Männer erhielten Stockprügel auf den Hintern, und es kam nicht selten vor, daß Männer und Weiber zu Krüppeln gehauen wurden. Ganz besonders schlimm hatten es junge schöne Mädchen, welche sich den wollüstigen Zumuthungen ihrer alten Barone nicht fügen wollten; ihre Tugend wurde ihnen mit blutigen Zeichen auf die eigne Haut angeschrieben.
Die rohen deutschen Junker verfuhren auf gleiche Weise gewaltthätig, und im Innern der festen Schlösser geschahen Dinge, welche niederzuschreiben sich die Feder sträubt. Hier wie überall war die Wollust mit im Spiele, und die Mädchen, wenn sie nicht lüderlich sein wollten, hatten, sobald es sich um Prügel handelte, stets einen nicht beneidenswerthen Vorzug. Erst seit der Revolution wurde die Willkür der Herren gegen die Diener etwas beschränkt, früher nahmen die Gesetze sich kaum die Mühe, Mißhandlungen an Dienern zu bestrafen.
Am grausamsten in ganz Europa wurden indessen die Leibeigenen in Rußland und Polen behandelt. Hier war das Prügelsystem am kunstgemäßesten ausgebildet und wurde in fast eben so weitem Umfange angewandt, wie in China, von welchem glücklichen Lande ich später reden muß. Wir haben gesehen, wie barbarisch man in Rußland selbst mit vornehmen Personen umging; mit Leuten aus dem Volke und gar mit Leibeigenen machte man natürlich noch weit weniger Umstände.
Die Geschichte Rußlands enthält in dieser Beziehung die entsetzlichsten Datas. Das furchtbarste Ungeheuer unter allen russischen Tyrannen war Johann der Schreckliche. Zu seiner Zeit herrschte im Lande meiner Beziehung wenigstens Gleichheit; die vornehmsten Herren und Damen wurden ebenso gut von ihm oder seinen Trabanten auf offner Straße geknutet, wie die ärmsten Unterthanen. Wer ihm nicht gefiel, der wurde gepeitscht. Frauen und Mädchen in Nowogrod und Moskau und in andern Orten wurden schaarenweise nackt ausgezogen und der Brutalität der rohen Tyrannenknechte preisgegeben. Sie wurden genothzüchtigt, gemartert und jämmerlich zerhauen. Häufig ließ Johann die unschuldigen Töchter Hingerichteter grausam peitschen und auf die Folter spannen. Priester und Mönche waren von dieser Behandlung nicht ausgenommen und erhielten ihren reichlichen Antheil an den Schlägen.
Wie der Fürst so trieben es seine Großen gegen ihre Untergebenen, und um den Lesern nur einen Begriff von russischen Prügeln zu geben, will ich die gewöhnlichsten Arten derselben in der Kürze beschreiben. Die Art, wie die Knute gegeben wurde und, wohl zu merken, noch heute gegeben wird, haben wir bereits an dem Beispiele der Kanzlerin Bestustew kennen gelernt. Das furchtbare Prügelinstrument, die Knute selbst, besteht aus Riemen, in deren Enden Drath eingeflochten ist; schon beim ersten Hiebe spritzt das Blut, aber mancher russische Rücken verträgt hundert bis hundertzwanzig, welche indessen der Todesstrafe gleich geachtet sind. Sonst wurde die Strafe durch Aufschlitzen der Nasen und Ohren oder durch Brandmarkung geschärft. Letztere geschah, indem dem Verbrecher ein W auf die Stirne gebrannt wurde. Das bedeutete Wor (Schelm). Die Brandwunde wurde mit Schießpulver eingerieben, damit die Schrift zeitlebens leserlich blieb.
Eine andere der üblichen Strafen war die Batogge, welche selbst bei jungen Mädchen von vierzehn bis fünfzehn Jahren angewendet wurde. Zwei starke Männer ergriffen die unglückliche Person, welche diese Marter ertragen sollte und entkleideten den Körper bis auf die Hüften. Dann knieten Beide nieder. Der eine nahm den Kopf des Delinquenten und der Andere die Füße zwischen seine Beine, und nun wurde von ihnen abwechselnd der bloße Rücken mit schwanken Stöcken bearbeitet. In älteren Zeiten machte man die Batogge dadurch noch schrecklicher daß man sie auf alle vier Seiten gab. War der Rücken zerfleischt, dann drehte man den Körper des Verurteilten um und prügelte auf den Bauch und die Schenkel; war man damit fertig, auf jede Seite. Noch jetzt ist der Ausruf als Drohung in Rußland sprüchwörtlich: Ich lasse Dir die Batoggen auf alle vier Seiten geben. Als öffentliche Strafe ist diese Art indessen abgeschafft, wenn auch einzelne kleine Tyrannen sie an ihren Leibeigenen noch ausüben mögen.
Die Plette wird auf folgende Weise ausgetheilt: Man legt den Verbrecher auf die Erde, seine Hände sind fest an ein Holz gebunden, und die Füße werden gehalten. Zwei Desanzkis oder Häscher lassen wechselsweise die Peitschen auf den entblößten Rücken fallen. Diese schrecklichen Strafen wurden von dem Hausherrn oder der Hausfrau bei dem geringsten Versehen der Diener befohlen; oft machten sie sich ein Vergnügen daraus, selbst zu peitschen, und ließen Denjenigen, der ihren Zorn erregt hatte, ohne Weiteres überlegen und peitschen. Selbst junge Fräuleins fanden nichts Unanständiges dabei, wenn den männlichen Leibeigenen in ihrer Gegenwart der bloße Hintere gepeitscht wurde. Ja häufig wurden dergleichen Exekutionen bei großen Gastmählern, gleichsam zur Belustigung der Gäste, im Vorzimmer vorgenommen. Die Damen lachten und scherzten bei dem Jammergeschrei der armen Mißhandelten, traten an die Thür und ergötzten sich an den grotesken Schmerzensäußerungen. Ein Leibeigener wurde nicht wie ein Mensch, sondern wie ein Thier behandelt und als solches ohne Umstände gekauft und verkauft. Seine Lage war ganz dieselbe wie die der römischen Sklaven. Es soll vorgekommen sein, daß Söhne gezwungen wurden, ihre Väter auf einem Bunde Stroh mit Ruthen zu peitschen.
Unter der Regierung der Kaiserin Katharina II. zeichnete sich eine russische Fürstin aus, deren Namen ich nicht weiß, sonst würde ich ihn der öffentlichen Verachtung preisgeben. Bei diesem Scheusal war die Geißelmanie eine Geburt der Wollust. Die Fürstin war Mitglied eines Klubs in Petersburg, dem viele vornehme Damen angehörten, und in welchem unzüchtige Schriften und Lieder vorgelesen wurden. Hatte man sich dadurch einigermaßen angeregt, dann geißelte man sich untereinander, das heißt zum Vergnügen; die Herren die Damen und so umgekehrt, so daß bald die ganze Gesellschaft nackt war. Dann wurden die Lichter ausgelöscht, und es ging zu wie bei den Muckern und Adamiten.
Diese Fürstin ließ, wenn sie zornig wurde oder ein ihr behagliches Schauspiel genießen wollte, bald männliche bald weibliche Diener auskleiden und von einer Person andern Geschlechts geißeln. Die Männer ließ sie am liebsten auf die allerempfindlichsten Theile schlagen, und die Weiber und Mädchen mußten ihre Brüste auf eine kalte Marmorplatte legen, und dann hieb sie so lange mit Ruthen darauf los, bis sie welk niedersanken und die Mißhandelten der Ohnmacht nahe waren. Einen unglücklichen Perückenmacher hielt sie zehn Jahre lang in einem Verschlage gefangen und ließ ihn von Zeit zu Zeit entsetzlich prügeln, und das alles nur, damit er nicht verriethe, daß die Fürstin falsche Haare habe.
Kaiser Alexander erbarmte sich der armen Leibeigenen, indem er die Strenge der Strafen milderte und eine Menge himmelschreiender Mißbräuche abschaffte; allein er erwarb sich damit wenig Dank selbst bei denen, welche dadurch beglückt werden sollten. Die Prügel gehörten so zur Natur und zum Bedürfniß der Russen, daß sie gar nicht begreifen konnten, wie man ohne dieselben leben könnte. Das Schicksal der Leibeigenen in Polen war dem der Russen vollkommen gleich.
So schrecklich nun auch die russischen Leibeigenen früher behandelt wurden und theilweise noch behandelt werden, so giebt es doch eine ganze Menschenklasse, welche es als ein Glück betrachten würde, wenn man ihr Schicksal dem dieser Leibeigenen gleich machte; ich meine die armen Negersklaven. Wer hätte nicht schon von dem schrecklichen Loose dieser unserer schwarzen Mitmenschen gehört, wer hätte sie nicht schon von ganzer Seele beklagt und ihre weißen Henker verabscheuet! Seit Jahrhunderten haben sich edle Menschenfreunde bemüht, das Schicksal der unglücklichen Neger zu erleichtern, welche aus schändlichem Eigennutz unendlich härter behandelt werden als unsere Hausthiere; allein noch immer ohne durchgreifenden Erfolg. Der Negerhandel besteht fort und mit ihm die Tyrannei der Weißen, welche sich Anhänger der Lehre Christi nennen.
Die Grausamkeit, mit welcher die Negersklaven von allen europäischen Völkern in Westindien behandelt wurden, übersteigen allen Glauben, und wir würden die Erzählungen davon für phantastische Erfindungen halten, wenn sie nicht durch die glaubwürdigsten und achtungswerthesten Reisenden in allen Punkten bestätigt würden. Mit den Beispielen dieser ungeheueren Menschenschindern könnte man eine ganze Bibliothek füllen; aber ich will mich damit begnügen, nur einige anzuführen, da mir der Umfang dieses Werkchens keine weitere Ausführung erlaubt.
Die schändlichsten Niederträchtigkeiten werden schon beim Raube der Neger begangen. Schaarenweis werden harmlose freie Menschen durch Hinterlist und schändliche Mittel aller Art ihrem Vaterlande entrissen und nach Amerika gebracht. Die Qualen, welche die armen Geraubten schon auf der Ueberfahrt zu erdulden haben, sind unbeschreiblich. Man trägt keine andere Sorge für sie, als unumgänglich nöthig ist, damit sie lebend am Orte ihrer Bestimmung ankommen. Hier werden sie wie das Vieh verhandelt, und der freie Sohn Afrikas wird der Sklave eines elenden Weißen, der keinen andern Gott als wie das Geld kennt.
Die Annoncen in der amerikanischen Journalen beweisen hinlänglich, auf welche Weise die Schwarzen noch heut zu Tage von den freien Amerikanern behandelt werden. Hier sucht ein Pflanzer einen entlaufenen Sklaven, der an der aufgeschlitzten Nase, an den fehlenden Ohren, an frischen Narben oder an einem eisernen Stachelhalsband kenntlich ist; dort sucht ein anderer einen Käufer für Sklaven, deren Kennzeichen er auf ähnliche Weise beschreibt. Hier werden die Grausamkeiten der alten Römer gegen ihre Sklaven noch übertroffen; denn seit jener Zeit hat sich der menschliche Geist nicht umsonst in Erfindung neuer Qualen versucht, und das durch die Pfaffen verkündete Christenthum vermochte es nicht, den Sklavenbesitzern menschliches Gefühl gegen die Schwarzen einzuflößen; ja es war vielmehr bemüht, neue Martern ausfindig zu machen, denn die armen Neger waren ja Heiden!
Die Peitsche spielte natürlich auch bei den Strafen der Neger die Hauptrolle und wird auf die schonungsloseste Weise von den Aufsehern der Plantagen (den Bombas) angewendet. Wer sich zu einem solchen Geschäfte hergeben kann, muß schon ein roher, gefühlloser Mensch sein; aber es giebt wahre Ungeheuer unter ihnen, die ihr Amt mit Lust betreiben und stets bereit sind, bei dem geringsten Versehen die Peitsche anzuwenden. Die Herren selbst sind aber nicht besser, und oft kam es vor, daß diese zur Belustigung ihrer Gäste bei Tische schöne Negerinnen auf den bloßen Hintern peitschen ließen, daß bei jedem Hiebe die Haut aufsprang.
Ein Neger, der sich bei Vollziehung eines Auftrages etwas verspätet hatte, erzählt ein Reisender als Augenzeuge, wurde an einem Krahne an beiden Armen aufgehangen und mit Gewichten an den Füßen beschwert. In dieser Lage wurde er mit dornigen Ebenholzzweigen dermaßen gepeitscht, daß der ganze Körper am andern Tage geschwollen war und ein anderer Neger ihm die Stacheln aus dem Fleische herausziehen mußte.
Wer sich beim Aufstehen verspätete oder sonst ein kleines Versehen beging, wurde in einer andern Plantage auf eine Leiter gebunden und erhielt hier vor dem Hause des Oberaufsehers von dem Bomba 150 Hiebe mit der großen Peitsche auf Rücken und Schenkel, die davon zerrissen wurden. Um den Schmerz noch zu vermehren, wusch man die Wunden mit Pfeffer und Salzwasser. In diesem elenden Zustande mußte der Sklave auf die Feldarbeit und wehe ihm, wenn er nicht arbeitete wie ein Gesunder.
Manche Sklaven starben an den Folgen der Mißhandlungen. Glaubwürdige Reisende bezeugen, daß schwangere Frauen unter den Geißelhieben zu früh niederkamen, und einer war gegenwärtig, als ein Oberaufseher in Surinam eine sehr schöne Sambo-Sklavin zu Tode peitschen ließ, weil sie sich nicht seinen Lüsten preisgeben wollte.
Doch noch grausamer als die weißen Männer sind auch in den Kolonien meistens die weißen Frauen. Mit unverkennbarem Vergnügen wohnen sie oft dergleichen Exekutionen an Personen beiderlei Geschlechts bei und führen wohl selbst die Ochsenpeitsche, oft gegen den Bomba, wenn dieser ihrer Meinung nach nicht kräftig genug schlägt. Ein Reisender sah ein Negermädchen, dem ihre Herrin wegen eines kleinen Versehens mit einem Messer die Nasenflügel aufgeschlitzt hatte; eine andere wurde auf Befehl ihrer eifersüchtigen Frau so schrecklich gegeißelt, daß sie zwei Tage darauf starb. Andere wurden mit Kopf und Füßen zusammengebunden und nun gepeitscht, wohin es gerade kam. Eine weiße Megäre hatte einer Negerin mit einem eisernen Haken den Kopf zerfleischt, dann steckte sie diesen in die Oeffnung eines Abtritts und mißhandelte den Körper. Zuweilen zerschnitt man den Negerinnen das Fleisch und träufelte brennenden Siegellack in die Wunden. Neger, die sich etwa widersetzt hatten, wurden lebend in Ketten aufgehangen, so daß sie dem vollen Strahle der Sonne ausgesetzt waren; der Körper wurde dann mit Honig bestrichen, um die zahllosen Insekten heranzulocken. So ließ man die Unglücklichen allmählig von den Raubvögeln verzehren! – Brandmarken, Nasen aufschlitzen, Ohren abschneiden, Augen ausreißen, die Knie zerschmettern, lebendig braten, rädern und dergleichen gehörten schon zu den gewöhnlichen Strafen.
In den neueren Zeiten haben sich die Gesetze derjenigen Staaten, in denen noch immer Negersklaven gehalten werden, derselben angenommen, allein mit geringem Erfolge, da sich die Plantagenbesitzer nicht daran kehren und die Regierungen auch niemals darauf bedacht waren, mit der ihnen zu Gebote stehenden Gewalt für Aufrechthaltung dieser Gesetze zu sorgen. – Uebrigens haben sich alle Nationen, welche Kolonien besitzen, dieser Grausamkeiten fast in gleichem Maße schuldig gemacht, und selbst die Engländer haben den Amerikanern, Portugiesen und Holländern darin nicht nachgegeben. Am menschlichsten waren noch die Spanier auf ihrem südamerikanischen Festlande, wenigstens nahm man hier doch zu Zeiten von dem vom Mutterlande gegebenen Sklavengesetzbuche Notiz.
Ich habe nun gezeigt, wie das Geißeln in der häuslichen Zucht fast in allen Nationen gebräuchlich war oder noch ist, und will nun noch in der Kürze darthun, daß auch in den Strafgesetzbüchern fast aller Völker das Geißeln eine sehr bedeutende Rolle spielt. – Auf alten Monumenten der Aegypter finden sich Abbildungen, die auf das unzweideutigste beweisen, daß hier die Prügelstrafe gewöhnlich war. Daß es bei den Juden der Fall war, habe ich schon gesagt. Bei den Indern verordnete das Gesetz ebenfalls Hiebe, und im Sanskrit heißt die Moral förmlich Stock-Regiment (Dannd daniti). Gewöhnlich brauchte man hier den Bambus; bei Dieben gar Eisenstöcke.
Bei den andern asiatischen Ländern wollen wir uns nicht länger aufhalten, aber einige Augenblicke bei China verweilen, dessen Regierung einzig durch Prügel besteht. China liefert den unleugbarsten Beweis davon, daß Prügel das monarchische System am besten konserviren, und diejenigen, welche das neue preußische Strafgesetz entwarfen, wußten am besten, was ihrer Krone frommte. Ein auf chinesische Art eingerichtetes Prügelsystem würde allen liberalen Bestrebungen schnell ein Ende machen.
In China herrscht noch mehr Gleichheit vor dem Stock als in dem glücklichen Rußland; dort ist Niemand vor Stockprügeln sicher als die kaiserlichen Prinzen. Selbst die Minister erhalten zu Zeiten auf Befehl des Kaisers allergnädigste Stockprügel, als leise Warnung; aber sie küssen demüthig drei mal die Erde und bedanken sich, während ihnen die Gnade des Kaisers auch fernerhin bleibt. Ich finde diese Mode sehr nachahmenswerth. Der geprügelte Mandarin mit drei Knöpfen auf der Mütze kann dafür wieder den mit zwei Knöpfen prügeln lassen, und so geht das in angenehmer Stufenleiter bis zu den untersten Klassen herunter.
Das in China gebräuchliche Instrument zum Prügeln ist der Pant-seb, zu deutsch Bambusrohr. Dies Stöckchen ist am untern Ende handbreit und wird bei Männern gewöhnlich auf den bloßen Hintern applicirt, während Weiber des Anstandes wegen auf enganliegenden nassen Beinkleidern Schläge erhalten. Mehr wie dreißig Hiebe ist nicht leicht ein Chinese im Stande auszuhalten und weil der Pant-seh-Arbeiter sein Instrument mit bösartiger Geschicklichkeit zu führen, so kann, wenn der Behandelte ein Mann ist, schon der dritte Schlag tödtlich werden. Die verschiedenen Variationen der chinesischen Prügelstrafe will ich nicht durchgehen, aber doch noch eine China besonders eigenthümliche Merkwürdigkeit anführen, die dem Spekulationsgeiste des Volkes viel Ehre macht.
Da man in jenem Lande von frühester Jugend an vielfache Gelegenheit hat, die schätzbarsten praktischen Erfahrungen in der Prügelertragungswissenschaft zu machen, so fehlt es dort nicht an Leuten, welche dieselbe zum Gegenstände ihres besondern Studiums und zu ihrem Broderwerb machen. Wie die Geier einem orientalischen Heere, so folgen diese Menschen einem strengen Beamten, und sobald derselbe einen vermögenden Mann zum Bambus verurtheilt, sind sie bei der Hand und erbieten sich, gegen eine angemessene Belohnung die diktirte Tracht Schläge auf ihr Hintertheil zu nehmen. Dies ist zwar nicht in der Ordnung, allein es geschieht. Hat der Mandarin sein Urtheil gesprochen, so überläßt er die sofortige Ausführung einem niederen Beamten, welcher leicht bestochen den ihm in die Hände laufenden Substituten festhält und prügeln läßt, während der eigentliche Eigenthümer der Schläge sich so schnell als er kann davonmacht. –
Jedermann weiß, wie wenig das Mahnen bei schlechten Schuldnern hilft; in China hat man eine weit wirksamere Mode; das Gesetz gestattet nämlich, daß die Schuldner von ihren Gläubigern durch Prügel an die Bezahlung ihrer Schuld erinnert werden können. Eine solche Mahnung zieht auf jeden Fall besser als bloße Worte. Auch eine andere sehr schätzenswerthe Sitte will ich noch erwähnen. Ist der Kaiser krank, so erhält der Leibarzt so lange täglich seine Dosis Hiebe, bis er den erhabenen Patienten gesund gemacht hat. Dies soll die Verstandeskräfte des Arztes ganz ungemein schärfen.
Auf Korea und in Japan herrschen ähnliche Einrichtungen wie in China, ebenso bei den Tataren und den Mongolen; allein ich will mich damit nicht aufhalten, sondern zu den civilisirteren Völkern übergehen, bei denen auch die gesetzlichen Hiebe weit civilisirter – das heißt raffinirter sind.
Das römische Recht ist mit Schlägen sehr freigebig, und schon das Gesetz der zwölf Tafeln, welche die Grundlage der römischen Gesetze bilden, bestimmt für verschiedene Vergehungen Geißelung; am meisten fällt darin auf, das es solche Leute, welche Pasquille und dergleichen injuriöse Schriften verfassen, verurtheilt, todtgeprügelt zu werden! Sonst konnte ein freier römischer Bürger eigentlich nur wegen Diebstahl auf den nackten Körper gegeißelt werden.
Diejenigen Völker, welche das römische Recht annahmen, bildeten die darin enthaltene Theorie des Prügelns nach ihrem individuellen Geschmack und Bedürfnis weiter aus. Das Pfaffenchristenthum mengte sich hinein, und wie dadurch das System der Geißelung befördert wurde, werden wir in der Folge sehen. Wenn Kaiser und Könige sich öffentlich prügeln lassen mußten, so konnte diese Strafe für Niemand mehr besonders beschimpfend sein, und noch unter Heinrich IV. von Frankreich und Ludwig XIV. bestimmen Ordonnanzen, daß selbst Edelleute – die man damals doch noch für eine besondere Sorte Menschen hielt – für Jagdfrevel mit öffentlicher Auspeitschung durch Henkershand bestraft werden sollen. Kurz das Prügeln war in Frankreich die allgemein übliche Strafe. Bisweilen machte man mit honetten Leuten eine Ausnahme oder ertheilte ihnen die zuerkannten Hiebe im Gefängnisse ( sous la custode). Lüderliche Dirnen wurden an den Straßenecken zur Erbauung des Publikums gepeitscht. Andere Frauenzimmer, die wegen Herumtreibens oder anderer Polizeisünden in die Gefängnisse oder Spinnhäuser gesteckt wurden, erhielten hier Hiebe auf den nackten Hintern. Die Galleerensträflinge wurden bis auf die Hüften entkleidet und man schlug sie mit Gerten, bis das Fleisch in Fetzen herunter hing. Das geschieht auch jetzt noch.
In Italien hat man in jeder Provinz seine besondere Methode zu prügeln, und besonders wurden Hiebe mit großem Erfolge gegen Fastenbrecher und Liberale gebraucht. Den Carbonaris versuchte man den letzten Funken von Revolutionsgeist auszuprügeln. Italien hat beinahe so viele Staaten wie Deutschland, und es würde etwas zu weitläufig sein, wenn ich die verschiedenen Dialekte, in welchen sich hier der Stock und Anverwandte äußern, namhaft machen wollte. Ich will mich damit begnügen, nur die römische Geißelstrafe näher zu beleuchten.
Mitten auf dem Navonnenplatz steht eine Art von Betpult mit zwei Löchern – oder stand noch vor zwanzig Jahren dort –, welches aber keineswegs zum Beten, sondern dazu bestimmt ist, daran Diejenigen zu befestigen, welche zum Auspeitschen verurtheilt sind, wozu man dort übrigens mit größter Leichtigkeit gelangen kann. Der Patient, der berücksichtigt werden soll wird genöthigt, durch die beiden dazu bestimmten Löcher seine Arme zu stecken, welche durch eine Art Schraube zusammengehalten werden. Nun zählt ihm der Polizeidiener nach Belieben eine Anzahl Schläge auf den in dieser Hinsicht stets höchst partheiisch bevorzugten Theil des Körpers. Die Zahl dieser Hiebe steht in verkehrter Proportion zu den Geldstücken, welche der Geprügelte dem Exekutor in die Hand gedrückt hat. Je weniger Geld, desto mehr Hiebe.
Da es aber höchst unbequem gewesen wäre, die Prügelkandidaten der ganzen Stadt nach dem Navonnenplatz zu führen, so hatte man eine tragbare Prügelmaschine, die jedenfalls einfacher ist als die im vorigen Jahre in Kurhessen erfundene. Dieses philanthropische Instrument heißt das Cavaletto, eine Art Pferd, welches sich sehr schlecht reiten läßt. Es besteht nämlich aus zwei scharfkantigen Pfosten, die auf vier Füßen ruhen, von denen zwei, welche die Hinterfüße des Pferdes vorstellen, etwas niedriger sind. Man sieht, daß die Nachbildung eines Pferdes etwas roh ist, allein der Zweck, dem sie vollkommen entspricht, ist es nicht minder.
Wer zu einem Ritte auf diesem Pferde bestimmt ist, wird von zwei Gensdarmen genöthigt, aufzusteigen, nachdem man ihn der überflüssigen Kleider entledigt hat. Sitzt er im Sattel, dann legt man ihn so nieder, daß sein Kopf auf dem niedrigsten Theile des Gestelles ruht. In dieser bequemen Lage erhält er die ihm bestimmten Hiebe mit dem Ochsenziemer, der jedes Mal die ganze Länge des Rückens mißt. Der Büttel vergißt niemals vor der Exekution andächtig das Kreuz zu machen. Hat der Delinquent den Ritt vollendet, dann steigt er ab und zahlt dem Büttel, und wer sonst noch an dem hölzernen Pferde Antheil hat, einen bestimmten Miethlohn.
Dieses Cavaletto wandert fortwährend in der Stadt herum und hält sich besonders da gern auf, wo ein großer Zusammenlauf von Menschen ist; wie zum Beispiel an den Thüren der Theater. Aeußert Jemand auf eine der Behörde mißfällige Art seinen Tadel, dann erwartet ihn ein Ritt. Wer Fasten bricht – das heißt ohne sich dazu Erlaubniß gekauft zu haben –, erhält auf dem Cavaletto 25 Hiebe, mag die Verletzung auch noch so klein gewesen sein. Der Befehl ist datirt vom 3. März 1821. Ein Kaffeewirth erhielt diese Strafe, weil er während der Fasten einem Engländer weiche Eier und Milch zum Frühstück aufgesetzt hatte.
Das öffentliche Stäupen am Pranger geschah in Holland mit großen Umständen und vielen Ceremonien und wurde als ein ebenso unterhaltendes Schauspiel betrachtet wie eine Hinrichtung. Selbst die zarten holländischen »meisges« freuten sich darauf, da sie bei dieser Gelegenheit doch einmal einen halbnackten Mann zu sehen bekamen. Der Verbrecher wurde bis zum Gürtel entblößt und erhielt dann mit langen Besenruthen dreißig bis siebenzig Hiebe. Das öffentliche Stäupen von Frauenzimmern wurde schon vor längerer Zeit abgeschafft.
In dem freien England hielt man auf die Prügelstrafe große Stücke und wendet sie bei der Erziehung und der Civil- und Militärjustiz mit fast russischer Barbarei an. Die neungeschwänzte Katze, eine Knute mit neun Strängen, wird von den Seeleuten mit großem Rechte gefürchtet. In England erhielten selbst junge Leute unter sechzehn Jahren, welche Geldstrafen, wozu sie verurtheilt wurden, nicht bezahlen konnten, manchmal drei Monate hindurch täglich 40 – 80 Ruthenhiebe.
Die alten deutschen Gesetzbücher diktiren Prügel, die in Hinsicht der Qualität nichts zu wünschen übrig lassen. In den neueren Zeiten ist darin zum Nachtheile der Prügel viel verändert worden; allein die Bosheit niederer Beamten, denen diese Milderung schlecht behagt, sorgt schon dafür, daß da, wo es in ihre Willkür gestellt ist, Prügel auszutheilen, diese nicht allein sehr nachdrücklich, sondern auch auf möglichst beschimpfende Weise gegeben werden. Schon aus der Terminologie der Strafanstalten ersieht man, daß den Stockmeistern u. s. w. das Prügeln eine sehr vergnügliche Sache ist. Da giebt es einen »Willkomm und einen Abschied«, das »Krautbänklein« und den »polnischen Bock«, den »Meister Fitz Fetz«, eine »heimliche Staud«, einen »Stockschilling« u. s. w.
Wäre mir ein Blick in die Polizeistuben, Spinn- und Raspelbäuser und Zuchthäuser gestattet, so würde ich sicher noch heute empörende Details erzählen können; das, was man so beiläufig erfährt, macht schon die Haut schauern. Ich könnte Beispiele anführen, daß von gewissenlosen Richtern nicht allein bei überwiesen schlechten Subjekten Peitschenhiebe oder Stockschläge angewendet wurden, sondern selbst bei Personen, die wegen sogenannter demagogischer Vergehungen in Untersuchungshaft gehalten wurden, um sie zum Geständniß zu bringen.
Die Corrections- und Arbeitshäuser sind die Schauplätze der nichtswürdigsten Schandthaten gewesen, an denen Grausamkeit und lüsterne Wollust gleichgroßen Antheil haben. Besonders hart verfuhr man stets gegen die Personen weiblichen Geschlechts, wenn sie mit den Zuchtmeistern nicht die Sünde wiederholen wollten, wegen welcher sie meistens eingesperrt waren. In manchen Städten hatte man Maschinen, in welche man die Weiber hineinsteckte, so daß sie sich nicht sträuben konnten und Alles mit sich vornehmen lassen mußten. Wo es anständig zuging, ließ man ihnen zur Bedeckung wenigstens das Hemde, und Weiber vollzogen die Strafe, aber meistens hielt man solche Schonung für höchst überflüssig, denn die rohen Schergen wollten ihren Spaß haben.
Dergleichen Züchtigungen fanden manchmal öffentlich in dem Hofe des Polizeigebäudes statt, und zu diesem Festtage wurden die Familien und die Freunde der Anordner förmlich eingeladen. In einer süddeutschen Stadt gab es einen Polizeidirektor, dessen größtes Vergnügen es war, Mädchen auspeitschen zu sehen, und seine polizeiliche Willkür wußte die Gelegenheit hierzu sehr häufig herbeizuführen. Damen seiner Bekanntschaft wohnten dem Schauspiele mit bei und eine davon, die eine wahre Prügelleidenschaft hatte, nahm oft mit Erlaubniß des Polizeidirectors dem Büttel die Ruthe aus der Hand, um selbst zu schlagen. Der Polizist gönnte ihr nicht allein diese Freude, sondern erklärte auch, daß ihre Hiebe nicht mitzählen sollten!
Bei den meisten Armeen ist die Prügelstrafe noch eingeführt, wenn sie auch, Dank sei es der fortschreitenden Civilisation, in diesem Jahrhundert viel gemildert worden ist. Prügel schienen sonst nothwendig zum Soldaten zu gehören und waren den römischen ebenso bekannt wie den Grenadieren Friedrich Wilhelms I. von Preußen. Die Spießruthen sind in der preußischen Armee längst abgeschafft; allein Diebe und dergleichen Subjekte, welche in die zweite Klasse des Soldatenstandes versetzt sind, erhalten, so viel ich weiß, noch jetzt Stockprügel vor versammeltem Bataillon. Zwei Unteroffiziere, die zu beiden Seiten des Delinquenten stehen – der übrigens von Niemand gehalten wird und oft auf einer Bleikugel den Schmerz verbeißt, – geben ihm auf den nur mit dem Hemd bedeckten Rücken mit mäßig dicken Rohrstücken die verordnete Anzahl Hiebe.
Bei den Oestreichern ist das Gassenlaufen indessen noch in voller Blüthe, und außerdem hat noch jeder Korporal seinen besiegelten »Haßling« zur sofortigen Benutzung an der Seite hängen. Die östreichische Armee ist aus zu vielen Nationen zusammengesetzt, von denen einige die Prügel durchaus nicht entbehren zu können scheinen. Durch ein vorzüglich prügeldichtes Fell zeichnen sich nach dem Urtheil aller Sachkenner besonders die slavischen Böhmen, Ungarn und Slowaken aus, womit ich indessen der Ehre keines gebornen Oestreichers zu nahe treten will. Bei Ungarn und Slowaken sind Prügel das halbe Leben und die sogenannte »ungarische Tränke« erfreut sich einer großen Berühmtheit. So nennt man nämlich die Dosis, die ein ungarisches Hintertheil ohne große Beschwerden ertragen kann. Auf dieses letztere sind aber auch ungarische Männer und Weiber nicht wenig stolz. Ein ungarischer Deserteur, der zum dritten Mal erwischt und zum Galgen verurtheilt wurde, machte seinem General den Vorschlag, tausend Prügel für seine Begnadigung ertragen zu wollen. Der Menschenfreund war damit zufrieden, der Ungar erhielt sie und – wurde im Spital geheilt.
In Frankreich wurden die Prügel beim Militär zuerst abgeschafft, und alle Versuche, das deutsche Prügelsystem bei demselben in seiner ganzen Ausdehnung einzuführen, scheiterte an der Entschlossenheit der Soldaten, die sich mit aller Macht zur Wehre setzten. Daß die englischen Soldaten entsetzlich geprügelt werden, habe ich schon gesagt, und daß die russischen noch barbarischer behandelt werden, versteht sich von selbst.
Obwohl ich noch sehr Vieles hierher Gehörige ganz übergangen, Anderes nur sehr fragmentarisch behandelt habe, so will ich doch hier meine allgemeine Prügelschau schließen und zu den römisch-katholischen Geißelungen übergehen.