Giacomo Casanova
Ein hilfreiches Gewitter
Giacomo Casanova

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Giacomo Casanova

Ein hilfreiches Gewitter

Am Himmelfahrtstag machten wir alle der Signora Bergalli, die bei allen italienischen Dichtern berühmt war, einen Besuch. Als wir nach Pasiano zurückfahren mußten, wollte die hübsche Pächtersfrau in den viersitzigen Wagen steigen, in dem schon ihr Gatte mit ihrer Schwester Platz genommen hatte, während ich ganz allein in einer zweirädrigen Kalesche saß. Ich beschwerte mich vernehmlich über dieses Mißtrauen; die Gesellschaft hielt ihr vor, sie dürfe mir diesen Schimpf nicht antun. Daraufhin kam sie zu mir, und da ich dem Kutscher gesagt hatte, ich wolle auf dem kürzesten Weg fahren, trennte er sich von allen anderen Wagen und schlug den Weg durch den Wald von Cecchini ein.

Der Himmel war klar, aber in weniger als einer halben Stunde zog eines jener typischen italienischen Gewitter auf, die eine halbe Stunde dauern, anscheinend Himmel und Erde erschüttern und dann spurlos verschwinden; der Himmel ist wieder klar, und die Luft hat sich abgekühlt, so daß sie gewöhnlich mehr Nutzen als Schaden bringen.

»Ach, mein Gott!« sagte die Pächtersfrau. »Wir kommen in ein Gewitter.«

»Ja, und obwohl die Kalesche ein Dach hat, wird der Regen leider Ihr Kleid verderben.«

»Was kümmert mich das Kleid? Ich habe Angst vor dem Donner.«

»Verstopfen Sie sich die Ohren.«

»Und der Blitz?«

»Kutscher, wir wollen uns irgendwo unterstellen.«

»Häuser gibt es erst eine halbe Stunde von hier«, antwortete er mir; »und in einer halben Stunde ist auch das Gewitter vorüber.« Mit diesen Worten fährt er gemächlich seines Weges weiter, und schon folgt Blitz auf Blitz, der Donner grollt, und die arme Frau zittert. Der Regen setzt ein. Ich ziehe meinen Mantel aus, um uns beide damit zu schützen; da flammt der Himmel taghell auf, es blitzt, und hundert Schritte vor uns schlägt es ein.

Die Pferde bäumen sich, und meine arme Begleiterin zuckt krampfhaft zusammen. Sie wirft sich an meine Brust und umklammert mich ganz fest mit ihren Armen. Ich bücke mich nach dem Mantel, der auf den Boden gefallen war, und als ich ihn aufhebe, erwische ich zugleich ihre Röcke. Sie will sie gerade wieder herunterstreifen, da fährt erneut ein Blitz nieder, und vor Schrecken kann sie sich nicht rühren.

Ich will den Mantel über sie breiten und ziehe sie näher zu mir heran, so daß sie buchstäblich und mit meiner Hilfe rittlings auf mich fällt. Da ihre Stellung nicht günstiger sein kann, verliere ich keine Zeit, sondern tue so, als greife ich nach meiner Uhr im Hosenbund, und nutze die Gelegenheit. Es wird ihr klar, daß sie, wenn sie mich nicht augenblicklich daran hindert, sich nicht mehr wehren kann. Sie macht eine Anstrengung; aber ich sage ihr, wenn sie sich nicht ohnmächtig stelle, werde sich der Kutscher umdrehen und alles sehen. Bei diesen Worten lasse ich sie mich beschimpfen, soviel sie will, halte sie im Rücken fest und trage den vollständigsten Sieg davon, den jemals ein gewandter Gladiator davongetragen hat.

Der Platzregen und der Gegenwind waren so stark, daß sie nichts tun konnte, als mir erbittert vorzuhalten, ich bringe sie um ihre Ehre, denn der Kutscher müsse sie doch sehen.

»Ich sehe ihn«, erwiderte ich; »er denkt garnicht daran, sich umzudrehen. Und wenn schon, der Mantel deckt uns beide vollkommen zu. Seien Sie gescheit und spielen Sie die Ohnmächtige, denn loslassen werde ich Sie bestimmt nicht.«

Sie fügte sich und fragte nur, wie ich dem Blitz mit solcher Verruchtheit trotzen könne. Ich erwiderte, der Blitz sei mit mir im Bunde; sie war beinahe versucht, das zu glauben, und hatte fast keine Angst mehr. Als sie meine Ekstase sah und spürte, fragte sie mich, ob ich nun fertig sei. Ich lachte und sagte nein, denn ich wollte vor dem Ende des Unwetters ihr Einverständnis erreichen.

»Sträuben Sie sich nicht, oder ich lasse den Mantel fallen!«

»Sie sind ein schrecklicher Mensch, Sie haben mich für den Rest meines Lebens unglücklich gemacht. Sind Sie jetzt zufrieden?«

»Nein.«

»Was wollen Sie noch?«

»Eine Flut von Küssen.«

»Ich Unglückliche! Also, da haben Sie, was Sie wollen.«

»Sagen Sie, daß Sie mir verzeihen. Geben Sie zu, daß ich Ihnen Freude mache.«

»Ja, Sie sehen es doch. Ich verzeihe Ihnen.«

Dann trocknete ich sie ab, und als ich sie bat, mir denselben Gefallen zu tun, sah ich, daß sie lächelte.

»Sagen Sie, daß Sie mich lieben«, verlangte ich.

»Nein, denn Sie sind ein gottloser Mensch, und die Hölle erwartet Sie.«

Nachdem ich sie auf ihren Platz zurückgesetzt und das Unwetter sich verzogen hatte, versicherte ich ihr, der Kutscher habe sich nie umgedreht. Unter Scherzen über das Abenteuer und Handküssen sagte ich ihr, ich sei davon überzeugt, daß ich Sie von ihrer Gewitterangst geheilt hätte, daß sie aber niemandem das Geheimnis verraten werde, wem sie diese Heilung verdanke. Sie erwiderte, auf jeden Fall sei sie sicher, daß noch nie eine Frau durch ein solches Mittel geheilt worden sei.

»Das muß im Lauf von tausend Jahren eine Million Male vorgekommen sein«, sagte ich. »Ich gestehe Ihnen sogar, daß ich damit gerechnet hatte, als ich in die Kalesche stieg; denn mir schien es das einzige Mittel zu sein, in Ihren Besitz zu gelangen. Glauben Sie mir, auf der ganzen Welt gibt es keine einzige furchtsame Frau, die in Ihrer Lage zu widerstehen gewagt hätte.«

»Das mag sein; aber in Zukunft werde ich nur noch mit meinem Mann fahren.«

»Wie ungeschickt von Ihnen; denn Ihrem Mann wird es garnicht einfallen, Sie zu trösten, wie ich es getan habe.«

»Auch das ist wahr. Mit Ihnen gelangt man zu ungewöhnlichen Erkenntnissen; doch verlassen Sie sich darauf, daß ich nie wieder mit Ihnen zusammen reisen werde.«

Unter anregenden Gesprächen langten wir noch vor allen anderen in Pasiano an. Kaum war sie ausgestiegen, lief sie in ihr Zimmer und schloß sich ein, während ich nach einem Scudo für den Kutscher suchte. Der lachte.

»Worüber lachst Du?«

»Das wissen Sie genau.«

»Hier, nimm den Dukaten. Aber halte den Mund.«