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Die pythische Seherin
Apollon
Orestes
Klytaimestras Schatten
Chor der Eumeniden
Athene
Geleitende Schar
(Tempel des Apollon zu Delphi; aus den Hallen tritt die pythische Seherin zum Frühgebet)
Seherin:
Mit erstem Anruf ehr ich aus der Götter Zahl
Die Urprophetin Gaia; Themis dann, ihr Kind,
Die nach den Sagen hier am Seherherde saß,
Die zweite nach der Mutter; dann zum dritten ward
Mit ihrem Willen, nicht von fremder Macht bestimmt,
Ein andres Kind der Gaia Herrin dieses Orts,
Titanis Phoibe. Zum Geburtsgeschenke gab
Die ihn dem Phoibos, der sich drum nach Phoibe nennt.
Das Klippeneiland Delos ließ er und die See,
Zu Pallas' meerfahrtoffnem Strande zog er dann
Und kam in dies Land zu des Parnassos Heiligtum;
Und ihn geleiten, frommen Dienstes ehren ihn
Als Wegebahner des Hephaistos Kinder, die
Des Landes Wildnis seinem Zug entwilderten.
Drauf als er einzog, festlich wallt' entgegen ihm
Das Volk und Delphos, dieser Gegend hehrer Fürst;
Zeus aber gab ihm ewgen Rates Wissenschaft,
Den vierten Seher, setzt' er ihn auf diesen Thron,
Und seines Vaters Zeus Prophet ist Loxias.
Zu diesen Göttern bitt und bet ich feierlich! –
Dem Gruß die erste mag Pronaia Pallas sein,
Gruß auch den Nymphen drüben, wo Korykis' Fels,
Hohl, vogelheimisch und der Götter Ruheplatz;
's ist Bromios jener Gegend Herr, des denk ich wohl,
Seitdem die Bakchen siegend hergeführt der Gott
Und Tod dem Pentheus einem Häslein gleich gewirkt,
Auch Pleistos' Quellen grüß ich und die heilge Kraft
Poseidons und zum letzten dich, allhöchster Zeus!
Nun setz ich mich Prophetin auf den heilgen Thron;
Huldreich gesegnen mögen sie vor jedem je
Mir diesen Eingang. Sind Hellenen hier zur Stund,
So nahn sie nach den Losen altem Brauch gemäß;
Denn ich verkünde, wie der Gott es mir gebeut!
(Sie öffnet den Tempel und geht hinein; nach kurzer Pause wankt sie entsetzt zurück)
Graunvoll zu nennen, anzuschauen grausenvoll!
Mich jagt es rückwärts aus dem Tempel Loxias',
So daß die Sohle kaum mich trägt, sich kaum bewegt;
Die Hände laufen, nicht des Fußes nichtge Hast!
Ohnmächtig bin ich zitternd Weib, gleich einem Kind!
Zum vielbekränzten Heiligtume ging ich ein,
Und sitzen seh ich einen gottverfluchten Mann
Am Erdennabel, schutzgewärtig, frisch von Blut
Die Hände triefend, noch das entblößte Schwert zur Hand,
Zugleich des Ölbaums einen hochentsproßnen Zweig
Mit breitgewundner Flocke rings sorgsam bekränzt
Der weißen Wolle; so genau sprech ich es aus.
Um diesen Mann her eine wunderbare Schar
Von Weibern schlafend auf die Sessel hingestreckt;
Doch nicht von Weibern – nein, Gorgonen nenn ich sie,
Und wieder nicht den Bildern der Gorgonen gleich;
Einst sah ich die gemalet, wie sie mit Phineus' Mahl
Von dannen fliegen; aber ungeflügelt sind
Die dort und schwarz und gar entsetzlich anzuschaun;
Sie schnarchen unnahbaren Odems lauten Hauch,
Aus ihren Augen trieft es, quillt es grausenhaft,
Ihr Putz, zu scheußlich ist er, um den Göttern je,
Der Menschen Wohnung traulich jemals sich zu nahn.
Nie hab ich solch Gelage solcher Schar gesehn,
Noch rühmt sich jemals irgendein Land, dies Geschlecht
Gramlos zu nähren, ohn es schwer zu büßen einst.
Das weitre sei dem Herren dieses Heiligtums,
Dem Loxias, befohlen, dem großmächtigen;
Denn Seherheiland ist er, Zeichenkündiger,
Und allem Hause jeder Schuld Entsündiger.
(Ab in die Halle; aus dem Tempel treten Apollon und Hermes; zwischen beiden Orestes)
Apollon:
Dich werd ich nicht verraten; allzeit Hüter dir,
Ob ich dir nah bin oder weit von dir entfernt,
Nie werd ich deinen Feinden freund und gnädig sein!
Also gefangen siehst du diese Dirnen jetzt,
Vom Schlaf bewältigt, eine gottverhaßte Brut,
Ergraute Mädchen, greise Kinder, welche nie
Der Götter einer, nie ein Mensch noch Tier umarmt;
Des Bösen wegen sind sie da, sie hausen drum
Im bösen Dunkel unten tief im Tartaros,
Der Menschen Abscheu und der Götter im Olymp.
Dennoch entflieh du und vergiß der lieben Ruh;
Dann jagen durch das weite Festland dir sie nach,
Solang du hineilst über irrdurchflüchtet Land,
Dir über Meer und meerumrauschte Inseln nach.
Und nicht zu früh ermüde, weit umhergescheucht
In solcher Mühsal. Ziehe dann gen Pallas' Stadt,
Setz an ihr altes Bild dich und umschling es fromm.
Und dort, wo Richter solcher Schuld und sühnend Wort
Für uns bereit sind, werden Wege wir erspähn,
Daß frei und los du werdest aller dieser Mühn;
Denn ich gebot's, daß deine Mutter du erschlugst!
Orestes:
Du weißt, o Fürst Apollon, Unrecht nie zu tun;
Unrecht mich leiden nicht zu lassen wisse jetzt;
Daß du's betätgen kannst, verbürgt mir deine Kraft!
Apollon:
Vertrau, damit nicht Furcht bewältge deinen Geist! –
Du meines Blutes Bruder, Gleichgezeugter mir,
Hermes, behüt ihn, deinem eignen Namen treu,
Sei sein Geleiter, führe wie ein treuer Hirt
Mir meinen Schützling – ehrt doch Zeus selbst diese Pflicht,
Wenn froher Wandrung Zeichen er den Menschen schickt.
(Hermes und Orestes ab, Apollon geht in den Tempel zurück)
(Das Innere des Tempels wird sichtbar. Man erblickt die schlafenden Erinnyen; der Schatten Klytaimestras steigt empor)
Klytaimestra:
Ihr schlafet? Ho! auf! Was bedarf's der Schlafenden?
Und ich, die also vor den andern Toten all
Mißachtet ganz von euch bin, weil ich mordete
Und solcher Vorwurf nimmer stirbt im Totenreich,
Umirr ich schmachvoll! Aber wißt, ich sag es euch,
Die größte Ursach hab ich wider jene doch;
Denn ich, die so Furchtbares von den Liebsten litt,
Von allen Göttern keiner ist für mich erzürnt,
Da Muttermörders Hände mich doch umgebracht!
Da, seht im Herzen diese meine Wunden an!
Denn Schlaf im Auge, bleibt der Sinn euch hell und wach,
Doch über Tag ist Menschenjagen euer Los!
Habt ihr bereits doch vieles schon von mir empfahn,
Weinlose Spenden, nüchtren, hilfeflehnden Gruß
Und mitternächtig stilles Mahl am Herd der Glut
In eurer Stunde, keinem Gott mit euch gemein.
Das alles, seh ich, schnöd in den Staub getreten wird's –
Und er entrinnt euch, flüchtig, einer Hindin gleich,
Und gar aus eures Garnes Mitten ist er leicht
Entsprungen, blickt hohnlachend nun auf euch zurück!
Vernehmt, was ich von meinem Geist zu euch gesagt,
Bedenkt es wohl, Göttinnen ihr des Totenreichs!
Es ist das Traumbild Klytaimestra, die euch ruft!
(Stöhnen des Chors)
Wohl stöhnt ihr; euch entflieht er fern und ferner schon,
Mir Mißgesinnten, schutzgewärtig geht er hin!
(Stöhnen des Chors)
Du schläfst so fest noch, dich erbarmt nicht meine Qual,
Und mein, der Mutter, Mörder Orestes, er entkommt!
(Geheul des Chors)
Du heulst? du schläfst noch? Raffst dich eilig nicht empor?
Was sonst ist dein Amt, wenn du Jammer nicht verhängst?
(Geheul des Chors)
Schlafsucht und Mühsal, schnöde Bundverschworene,
Euch grausen Drachen haben sie die Kraft gelähmt?
Chor:
Faß ihn! Faß ihn! Faß ihn! Faß ihn! Hetz!
Klytaimestra:
Im Traum verfolgst du dein Gewild, schlägst wie ein Hund
Laut an, der niemals seines Dienstes Sorge läßt!
Du säumst? Empor spring! Mühe mach dich nimmer feig;
Auch das vergiß nicht, welchen Schaden Schlaf dir schafft!
Mit gerechter Reue geißle deine Nieren wund,
In heißem Antrieb stachle selbst dich wieder auf!
Auf! Deines Mundes jähen Bluthauch stürm ihm nach,
Hindörr in Glut ihn, in der Eingeweide Brand,
Nach jag ihm, hetz in wiederholter Jagd ihn tot!
(Verschwindet)
Chor (wild durcheinander:)
Erweck, erwecke diese du, ich wieder dich.
Schläfst du? Erheb dich! Stoß den Schlaf von dir hinweg!
Nachsehen laßt uns, ob ihr Reden uns betrog!
(Sie stürzen aus dem Tempel hervor)
Hohu! wehe! ho! Müssen es leiden, o!
Und vieles schon erlitt ich, und ich litt umsonst!
Müssen erleiden hie Schmähliches! Leiden o
Ein unsäglich Weh.
Aus sichrem Garn entsprungen, flieht mein Wild hinweg!
Vom Schlaf erdrückt, büß ich ein meinen Fang!
Hohu! Sohn des Zeus! Bist ein verschmitzter Dieb!
Uns greise Götter überrennst du, junger Gott!
Daß du den Flüchtling ehrst, Schuldigen! Ihn beschützt,
Den schamlosen Sohn!
Den Muttermörder stahlst du uns, und bist ein Gott!
Wer sagte, das sei gerecht je getan?
Es hat der Vorwurf, den der Traum ins Ohr mir schrie,
Dem Roßlenker gleich mich aufgepeitscht,
Blutigen Geißelhieb in Herz und Mark gepeitscht!
Der Marterknecht meiner Reu,
Wie er mich trifft, wie er mich stäupt,
Durchschauert mich Grausen, entsetzliches, mich!
Und das bereiten jene neuen Götter uns,
Die Macht üben über alles Recht!
Mordesbespritzter Sitz, zu Haupt und Fuß bespritzt
Ist jetzt der Erdnabel dort;
Blutige Schuld, schuldiges Blut –
Das verruchteste nahm ja beschützend er auf!
Mit solchem Blutgreul, Seher du, an deinem Herd
Schändest dein Haus du selbstwilligend, selbstberufend,
Weil du die Menschen ehrst wider der Götter Recht,
Der Moiren Macht, der uralten, brichst!
Mir wirst verhaßt du und erlösest den doch nie!
Flöh er zum Hades auch, nimmer doch wird er uns los!
Wie er den Mord beging, also dem Rächer auch
Fällt er mit seinem Haupt dort anheim!
Apollon (aus dem Tempel tretend:)
Hinaus! befehl ich; dieses Tempelhaus verlaßt
Sogleich, hinwegzieht aus des Sehers Heiligtum,
Eh diese zischende schnellbeschwingte Schlange dich
Von meines Bogens goldgeflochtner Senne trifft,
Vor Schmerz du ausströmst schwarzen menschentsognen Schaum,
Geronnen Blut ausspeiest, das du bei Mord geleckt!
Fort! Meiner Wohnung dürfet ihr nicht nahe sein!
Nein, da, wo mörderköpfendes, augauswühlendes
Gericht, wo Totschlag, wo der Knab in geiler Lust
Verspritzt den eitlen Samen, wo Entmannete,
Steintodverdammte, unter qualvoll wildem Schmerz
Rückgratdurchspießte jammern! Habt ihr nun gehört,
Um welche Festlust, dran ihr euch ergötzt, verhaßt
Den Göttern ihr seid? Gleiches zeigt auch euer Leib;
Denn solche Scheusal' müssen in des blutleckenden
Leun Höhle hausen, nicht in diesem Heiligtum
Der Gottorakel weilen, solch entweihend Greul!
So zieht hinaus, weitschwärmend, hirtenlos zerstreut;
Denn solcher Herd' ist keiner hold der Himmlischen.
Chorführerin:
Du, Fürst Apollon, höre nun auch wieder mich!
Wohl bist du nicht zu nennen als Mitschuldiger,
Nein, du allein tatst alles, du Allschuldiger!
Apollon:
Wie das? So lang noch sei zu reden dir vergönnt!
Chor:
Du allein gebotst dem Fremdling seiner Mutter Mord!
Apollon:
Ich gebot ihm seines Vaters Rache. Weiter dann!
Chor:
Die frische Blutschuld wieder nahmst du über dich!
Apollon:
In meines Tempels Schutz zu fliehn, befahl ich ihm.
Chor:
Und uns verschmähst du, die ja doch ihn geleiteten!
Apollon:
Euch kommt es nicht zu, meiner Wohnung euch zu nahn.
Chor:
Und dennoch aufgetragen ward uns diese Pflicht.
Apollon:
Welch eine Pflicht denn? Rühme doch dein schönes Amt!
Chor:
Den Muttermörder treiben wir aus Haus und Hof!
Apollon:
Auch den des Weibes, die den Gatten umgebracht?
Chor:
Nicht soll der ruchlos blutverwandte Mord geschehn!
Apollon:
So ganz mißehrt wird und geringgeschätzt von dir
Der großen Hera und des Zeus eidheilger Bund,
Mißehrt auch Kypris und beschimpft mit solchem Wort,
Von der doch alles Liebste kommt den Sterblichen!
Geeint vom Schicksal wird des Mann und Weibes Bund
Von diesem Rechte heilger, als durch Schwur bewacht.
Wenn nun du mild bist jenen Wechselmordenden,
Nicht ihnen nachjagst, nicht sie suchst mit wildem Zorn,
So sag ich, nicht treibst du gerecht Orestes fort:
Dies eine, weiß ich, willst du und verlangst du ganz,
Des andren denkst du offenbar saumseliger.
Pallas Athene wird erforschen beider Recht.
Chor:
Von jenem Mörder laß ich nun und nimmermehr!
Apollon:
Magst ihn verfolgen, dir zu mehren deine Müh!
Chor:
Nicht kränk an meinen Ehren mich mit solchem Wort!
Apollon:
Böt man sie mir, als Schande wies' ich sie zurück!
Chor:
Ein Mächtger freilich wirst an Zeus' Thron du genannt!
Ich aber – forttreibt Mutterblut mich, zum Gericht
Nacheil ich ihm, nachspür ich seinem fliehnden Fuß!
(Der Chor ab)
Apollon:
Ich aber will ihm Retter und Beschützer sein;
Denn vielgewaltig ist bei Mensch und Gott der Zorn
Des Schutzbefohlnen, wenn ich treulos ihn verriet.-
(Ab in den Tempel)
(Tempel der Pallas Athene zu Athen; vor demselben ein Altar mit dem Bilde der Göttin. Orestes kommt ohne Hermes, setzt sich an den Altar der Göttin und umfaßt ihr Bild)
Orestes:
Herrin Athene, auf des Loxias Geheiß
Komm ich; so nimm du gnädig auf mich Schuldigen,
Nicht mordbefleckt mehr, nicht mit ungesühnter Hand,
Nein, abgestumpft schon, weit umhergetrieben schon
Auf allen Wegen und in fremder Menschen Haus.
So über Land hin, über See umhergeflohn,
Folgsam der Weisung, die mir Loxias beschied,
Komm ich in dein Haus, Göttin, und zu deinem Bild;
Hier will ich weilen, warten auf des Gerichtes Schluß!
(Der Chor tritt auf, zerstreut, suchend)
Chorführerin:
Nur weiter! Dies ist seine Fährte offenbar;
Nachspürt dem stummen Rate der Verrätrin Spur!
Ja, wie der Spürhund einem angeschoßnen Reh,
So wittern, seinem Schweiß und Blut nach, wir ihn aus!
Mir keucht die Brust von diesen menschenpirschenden Mühn;
Denn abgetrieben ist der Erde ganz Revier!
Und über Meer hin setzt ich flügellosen Flugs
Ihm nach, und nach blieb hinter mir ein segelnd Schiff!
Jetzt muß er hier gesetzt sich haben irgendwo;
Der Duft von frischem Menschenblute lacht mich an!
So such ihn, such ihn nur!
Spürt genau alles durch, daß nicht heimlich noch
Der Muttermörder entkommt!
Da schau! Da sitzt er wieder unter gutem Schutz!
Der Göttin Bild dicht umfaßt,
Will er erwarten seiner Blutschuld Gericht!
Niemals geschieht das! Mutterblut, zur Erde rann's!
Unwiederrettbares Blut,
Lebend hinabgeströmt, tot in den toten Staub!
Du sollst es jetzt lebendig abbüßen!
Ich saug dir aus den Adern das rote Geblüt!
Satt mich von dir zu schlürfen, lechz ich, blutgen Mißtrunkes satt!
Abzehr ich dich, den Lebendgen, jag dich so hinab!
Sollst mir im Jammer abbüßen den Muttermord!
Sollst schauen dort, wer andrem Menschen mißgetan,
Frevel geübt an Gott oder Gast,
Frevel am Elternhaupt –
Jedweden, wie ihm verdienter Lohn gerichtet ward!
Denn aller Menschen Richter ist der große Tod,
Unter der Erde tief!
Alles erkennt er in des Gedächtnisses Schrift!
Orestes:
Ich weiß, in meiner Leiden Übermaß belehrt,
Von vieler Sühnung, weiß auch, wo zu reden recht
Und wo zu schweigen. Aber wie sich jetzt es fügt,
Zu sprechen trug mir da ein weiser Lehrer auf;
Nun schläft die Blutschuld meiner Hand und trocknet auf;
Hinweggewaschen ist des Muttermordes Greul;
Auf Phoibos' Altar ward das Blut, noch war es frisch,
Von mir genommen durch der Opferferkel Blut.
Viel Worte braucht ich, wenn ich alle nennete,
Die mir Gemeinschaft unbeschadet schon gegönnt;
Es macht die Zeit mitalternd uns von allem rein.
Nun aber ruf ich lautren, freudigen Mundes an
Die Herrin dieses Landes Athenaia; sie
Nah mir zum Beistand, und sie wird dann sonder Kampf
Zu Freunden, kampfverbundnen, treu bewähreten,
Mich selbst gewinnen, meine Stadt und Argos' Volk.
Drum ob im fernen Uferlande Libyas
Am Busen Tritons, ihrer väterlichen Flut,
Den Fuß sie beuget oder hochhinschreitend eilt
Zum Schirm der Ihren oder ob sie Phlegras Feld
Gleich rüstgem Feldherrn scharenordnend überschaut,
Sie komme – fern auch hört mich doch der Göttin Huld –,
Auf daß sie von mir nehme diese letzte Schuld!
Chor:
Nicht kann Apollon, nicht Athenes heilge Kraft
Dich schützen, daß du nicht, von meiner Wut verfolgt,
Verkommst, vergissest, wo im Herzen Freude weilt –
Du meine Weide, Blutes leer, ein Schatten du!
Nichts widersprichst du, du verabscheust alles Wort,
Der mir du gefüttert, mir anheimgefallen bist?
Lebendig mußt du mich laben, nicht geopfert erst!
Hör unsren Reigen, dich zu fesseln und zu fahn!
So beginnet und schlinget den Reigen um ihn;
Denn es ist an der Zeit,
Ihm den grausen Gesang zu erheben!
Zu verkünden den Teil in der Menschen Geschick,
Den unsere Schar austeilt und bewacht,
Und gerecht zu entscheiden erfreut uns!
Denn welcher die Hand schuldrein sich bewahrt,
Auf den niemals stürzt unsere Wut;
Gramlos durchwallt er sein Leben.
Wer aber, wie der dort, frevelbewußt
Die blutige Hand uns sucht zu entziehn,
Da treten wir laut als Zeugen der Schuld
Den Erschlagenen auf und erweisen ihm uns
Graunvoll als Rächer der Blutschuld!
Chor:
Mutter, die du mich gebarst, Nacht du,
Mutter der Qualen dem Blinden, Sehnden, oh! hör uns!
Sieh, es schuf Letos Sohn Spott und Hohn, Schimpf und Schmach uns,
Raubet uns unsren Fang,
Muttermordschuldig Wild, das mit Blut gemarket ist!
Drum um den Mordtriefenden dort schlingt den Gesang,
Taumelbetört, grausenverstört bis zum Wahnsinn!
Schlingt Erinnyenfestgesang,
Harfenlos, den Sinn zu fahn, welk zu dörren Menschenkraft!
Solches Los hat mir die grausame
Moira gesponnen, daß ich es treu stets wahre:
Wessen Haupt selbst sich gottlosen Blutfrevel auflud,
Solchem nach jagen wir,
Bis ihn Nacht birgt, und frei laß ich auch im Tod ihn nicht!
Drum um den Mordtriefenden dort schlingt den Gesang,
Taumelbetört, grausenverstört bis zum Wahnsinn!
Schlingt Erinnyenfestgesang,
Harfenlos, den Sinn zu fahn, welk zu dörren Menschenkraft!
Als wir geboren, da wurde befohlen uns dies Amt,
Aber zugleich, den Unsterblichen nimmer zu nahen.
Ihr Mahl teilen wir niemals;
Und weißglänzend Gewand,
Mir ist es versaget, gemißgönnt!
Untergang gehöret mein,
Wenn im Geschlecht, das ihn genährt,
Ares dahinmordet den Freund;
Hinter ihm her fliegen wir schwer;
Wie er in Kraft auch blüht, wir vertilgen ihn blutig.
Aber es sehnt mich, daß einer mir endige dies Amt,
Rechte der Seligen meinem Verlangen gewähre,
Eh ich muß zu Gericht gehn!
Denn uns blutige Schar,
Uns scheußliche, bannete Zeus, fern
Seiner Nähe stets zu sein!
(Untergang gehöret mein,
Wenn im Geschlecht, das ihn genährt,
Ares dahinmordet den Freund;
Hinter ihm her fliegen wir schwer;
Wie er in Kraft auch blüht, wir vertilgen ihn blutig!)
Menschenruhm, wie herrlich man droben ihn preise,
Bis in die Gruft hin verkümmert, verödet er elend
Unserer schattengewandigen Beutegier,
Unsrer Sohle neideswildem Tanz!
Wieder darum jag ich hinab
Stürmenden Sprungs, nieder zum Staub
Reiß ich den schwerstürzenden Fuß,
Daß er die Flucht versagt – unaussprechliches Elend!
Stürzt er dann, nicht sieht er's in blinder Zerrüttung;
Also im Dunkel umschwärmt ihn ein gieriges Hassen;
Und unermeßlichen Nebel, umnachtenden,
Gießt vielschreinder Schmerz um sein Geschlecht!
(Wieder darum jag ich hinab
Stürmenden Sprungs, wieder zum Staub
Reiß ich den schwerstürzenden Fuß,
Daß er die Flucht versagt – unaussprechliches Elend!)
Er weilt! Doch wir, listenreich und endesstark, eingedenk der Schuld, wir Graunvollen,
Den Menschen unerbittlich, unerfreuliches Geschäft
Lieget uns ob, ein ehrlos gottverwiesnes, sonnenlichtfliehndes,
Schwer zu erklimmen mit sehenden Augen,
Gar dem blöden Blicke schwer!
Wo ist ein Mensch, welcher nicht entsetzte, nicht bangte, wann er mein Gesetz anhört?
Das, gottbeschieden, Moira mir zu endigen gebot;
Doch es gehören alte Würden mein, ich gelte nicht ehrlos,
Ward mir auch unter der Erden die Heimat,
Tief in sonnenleerer Nacht!
(Athene kommt durch die Luft daher mit Schild und Lanze)
Athene:
Fernher vernommen hab ich einer Stimme Ruf,
Da ich Besitz nahm von Skamandros' Uferland,
Das dort die Fürsten der Achaier und Mächtige
Mit ihrer Speere Beuten einem reichen Teil,
Mit Baum und Grashalm mir geweiht auf immerdar,
Den Kindern Theseus' zum erlesenen Eigentum.
Von dort mit nimmermüdem Fuße flog ich her
Ohn Flügel, meiner Ägis Schoß weit aufgesaust,
Jungkräftge Rosse diesem Wagen vorgeschirrt.
Doch nun, da den Besuch ich seh in meiner Stadt,
So macht's mich bang nicht, aber wundernimmt's den Blick.
Wer seid ihr? Beide red ich euch mit einem an,
Dich, fremder Flüchtling, der du sitzt an meinem Bild,
Und euch, Gebornen keines seienden Stammes gleich,
Göttinnen weder, wie des Gottes Blick sie schaut,
Noch auch vergleichbar mit der Gestalt der Sterblichen.
Doch Schmähn des Nächsten wegen Mißgestalt, es ist
Gerechtem Sinn fremd und der guten Sitte fern.
Chorführerin:
Erfahre du, Zeus' Tochter, alles kurzgedrängt:
Wir sind die Kinder der geheimnisvollen Nacht,
Die Flüche heißt man unten uns im Schattenreich.
Athene:
Ich kenne deines Namens Sinn und dein Geschlecht.
Chor:
Von meinen Ehren auch vernimm und meinem Amt!
Athene:
So laß mich hören und erklär es deutlich mir.
Chor:
Die Menschenmörder treiben wir aus Haus und Hof.
Athene:
Und wo erreicht der Mörder seiner Flucht ein Ziel?
Chor:
Wo keine Stätte keiner Freude wird gegönnt!
Athene:
Und gleiche Flucht schreist heisren Rufs du diesem nach?
Chor:
Ja, seiner Mutter Mörder wählte der zu sein!
Athene:
War keine Pflicht sonst, deren Zorn er fürchtete?
Chor:
Wo ist ein Stachel, mächtig bis zum Muttermord?
Athene:
Zwei sind zu hören; deinen Teil vernahm ich jetzt.
Chor:
Doch keinen Eid ablegen wird er noch empfahn!
Athene:
Gerecht genannt sein willst du lieber als es sein?
Chor:
Wie das? Belehr mich; denn an Weisheit bist du reich.
Athene:
Durch Eide sieget nimmermehr, was nicht gerecht.
Chor:
So forsche selbst nach und gerecht entscheide dann.
Athene:
Mir übergeben also ist des Streites Spruch?
Chor:
Jawohl, ich ehre würdig dich mit Würdigem.
Athene:
Was willst du, Fremdling, dem erwidern deinerseits?
Nenn deine Heimat, dein Geschlecht, dein Mißgeschick,
Sodann entferne solcher Schuld Vorwurf von dir,
Und ob vertrauend deinem Recht an meinem Bild
Du sitzt und wachest meinem heilgen Herde nah
Als Schutzgewärtger, heilig, wie Ixion einst.
So gib mir Antwort und erklär es deutlich mir!
Orestes:
Herrin Athene, aus dem letzten, was du sprachst,
Laß mich zuerst fortwischen eine große Sorg.
Nicht schuldbefleckt mehr sitz ich hier, nicht haftet Blut
An dieser Hand mehr, die an deinem Bilde lehnt;
Ein großes Zeugnis dessen will ich kund dir tun:
Brauch ist's, daß stumm bleibt, wer die Hand in Blut getaucht,
Bis daß ein andrer, ihn der Schuld zu reinigen,
Ein saugend Tier ihm opfertötend bluten läßt;
Und so gesühnet ward in fremden Häusern ich
Bereits mit blutgem Opfer und mit heilgem Guß.
So scheuch ich diese Frage fort aus deinem Sinn.
Nun meine Heimat höre noch und mein Geschlecht:
Aus Argos bin ich, meinen Vater kennst du wohl,
Agamemnon, jener Seegeschwader König einst,
Mit dem du Trojas stolze Feste niederwarfst;
Bei seiner Heimkehr aber kam er traurig um,
Denn meine Mutter, die verderbensinnende,
Hat ihn erschlagen unter buntgewirktem Netz,
Drin sie ihn einfing; Mordes Zeuge war das Bad.
Drauf als ich heimkam, denn zuvor war ich verbannt,
Erschlug ich, die mich geboren, leugnen will ich's nicht,
Des teuren Vaters Mord mit Mord zu züchtigen.
Und alles dessen trägt Apollon mit die Schuld,
Der herzzergeißelnd Leiden mir verkündete,
Wenn ich es nicht vollbrächte an den Schuldigen.
Du woll entscheiden, ob gerecht ich oder nicht;
In deine Hand geb ich mich ganz; du richte mich!
Athene:
Das Urteil ist zu schwierig, daß es könnt ein Mensch
Zu fällen meinen; nicht einmal mir steht es zu,
Zu schlichten dieses zornempörten Mordes Streit,
Zumal da du mir, ob du schon die Tat begingst,
Als Flehnder nahst, schon rein, gefahrlos meinem Haus.
Doch jene wurden schwer entfernbar einst gezeugt,
Und wenn der Richtspruch ihnen nicht Sieg zuerkennt,
So bringt der Giftschaum, den ihr Haß zu Boden trieft,
Einst unsrer Landschaft unerträglich grause Pest.
Und doch, dich Tadellosen wähl ich meiner Stadt.
So mag es denn geschehen – blieben beide hier!
Doch ihn hinwegzuweisen, mir unmöglich fällt's! –
Da nun sich hierher eure Sache hat gedrängt,
So wähl ich Richter über Mord, eidpflichtige,
Und diese Satzung gelte fort in aller Zeit;
Ihr aber schafft euch Zeugen und Beweis herbei
Zu eurem Beistand, und die Schwüre eures Rechts.
Ich geh, zu küren meiner Bürger edelste,
Und kehre dann, wahrhaft zu enden diesen Streit
Nach streng bewahrtem Eide und dem Recht getreu.
(Ab)
Chor:
Alles niederstürzen wird neuer Brauch,
Wenn des gottlosen Muttermörders Schuld
Vor Gericht siegen darf!
Allzumal stimmt die Menschen dieser Tat leichtes Spiel zu gleicher Tat,
Wahrlich, und es bedroht die Eltern
Von den Erzeugten Gram und Tod, Mord dann um Mord von Kind zu Kind!
Wird doch fürder meine Wut nimmermehr
Menschenschuldspähend solchem Frevel nahn;
Allen Mord laß ich frei!
Hören wird's jeder jeden Orts, voraussagen seines Nächsten Weh;
Kümmerlich der Gefahr zu wehren,
Sich zu behüten wird der Gramkundige lehren, doch umsonst!
Jammernd rufe keiner mehr, schwergetroffen schweren Wehs,
Fürder keiner solchen Ruf:
"O Gericht! o Erinnyen, heilge Schar!"
Also wird ein Vater bald,
Eine Mutter, der von dem Sohn
Leid geschehn ist, jammernd schrein, weil zerbricht der Herd des Rechts!
Sonst geschah's, daß unsre Furcht tief im Herzen hütend saß
Und zum Frommen ängstigte!
Wohl ist's gut, ernst und fromm in Tränen sein!
Aber wer, der keine Furcht
Nährt im sonnenheitren Gemüt,
Welcher Mensch noch, welche Stadt wird das Heilge fürder scheun?
Weder drum unbeherrscht,
Noch gewaltgeknechtet sein
Lobe du!
Jeglicher Mitte beschieden die Himmlischen Herrlichkeit; jedes hütet des andren;
Und so sag ich gleichen Spruch:
Frevler Sinn zeuget empörenden Stolz in der Tat,
Doch der Gesinnung
Reinheit den allteuren, allsehnlich erflehten Segen!
Doch zumeist rühm ich dies:
Scheu den Altar stets des Rechts!
Nimmermehr
Tritt ihn, Gewinn zu erspähen, mit frevelndem Fuß! Denn Poina erfaßt dich,
Sichres Ende wartet dein.
Jeglicher ehre die Eltern mit heiliger Scheu,
Und die Gemeinschaft
Am Tisch des Gastfreundes sei jeglichem hoch und heilig!
Und welcher so sonder Zwang gerecht sich zeigt,
Des wird reicher Lohn sein;
Zugrunde gehn soll er nun und nimmer!
Doch sag ich laut: Übertreter, Trotzes frech,
Die alles wild vermischen sonder Fug und Recht,
Gewaltsam werden die versinken
Einst, wenn die Segel Bruch und Sturz
Faßt der zerschellten Masten!
Er ruft und fleht, aber keiner höret ihn
Tief im wilden Strudel;
Und sein, des Trotzglühnden, lacht die Gottheit,
Ihn so zu sehn, der sich rühmte, nimmer sei
Gefahr ein Zwang, noch (nie) das hohe Meer befuhr;
Doch spät jetzt strandet er mit allem Gut
Gegen das Felsenriff des Rechts;
Keiner beweint, vermißt ihn!
(Aus der Stadt kommt, von einem Herold geführt, ein Zug athenischer Greise, Athene tritt aus ihrem Tempel)
Athene:
Verkünde, Herold, daß du Ruhe schaffst im Volk!
Laß durch den Himmel schmetternd die tyrrhenische
Trompete, deines tiefgeschöpften Hauches voll,
Mit übertönendem Rufe strahlen durch das Volk!
Denn da bereits sich füllet dieses Tribunal,
So muß es still sein, daß für alle ferne Zeit
Jetzt mein Gesetz vernehmen mag die ganze Stadt
Und ihr, damit das Urteil werde recht gefällt!
(Heroldsruf; Apollon tritt an Orestes' Seite)
Chorführerin:
Du, Fürst Apollon, was dein eigen ist, versieh!
Doch welchen Anteil hast an diesem Streit du? Sprich!
Apollon:
Sowohl zu zeugen kam ich her – denn dieser Mann
Ist meines Tempels Schützling, meines Tempels Herd-
Genosse; ich hab seines Mordes ihn entsühnt –,
Dann selber mitzurechten, denn ich habe Schuld
Am Morde seiner Mutter. Doch du leit es ein,
Wie du es weißest, zu entscheiden diesen Streit!
Athene:
Das Wort ist euer – also leit ich ein den Streit.
Der Kläger also, dem zuerst das Wort gebührt,
Mag uns den Hergang schlecht und recht zu wissen tun.
Chor:
Zwar viele sind wir, doch berichten wir gedrängt.
Du gib die Antwort deines Teils uns Wort um Wort!
Sag denn zum ersten, ob du die Mutter umgebracht?
Orestes:
Umbracht ich meine Mutter, und ich leugne's nicht.
Chor:
Das wäre ein Kampf von den drei'n der Siegenden!
Orestes:
Doch fiel ich nicht schon, daß du also prahlen darfst!
Chor:
Angeben mußt du weiter, wie du umgebracht.
Orestes:
Ich sag's: den Nacken schnitt ich durch mit meinem Schwert.
Chor:
Von wem veranlaßt warst du und durch wessen Rat?
Orestes:
Durch dieses Gottes heilgen Spruch; er selbst bezeugt's.
Chor:
Dich hat der Seher angeführt zum Muttermord?
Orestes:
Und noch bis jetzt nicht schalt ich über mein Geschick.
Chor:
Doch faßt der Spruch dich, anders sprechen wirst du bald!
Orestes:
Ich glaub's; doch Beistand schickt mein Vater aus dem Grab.
Chor:
Hoff auf die Toten, der du die Mutter tötetest!
Orestes:
Zwiefachen Frevel lud sie auf ihr schuldig Haupt.
Chor:
Wie das? Belehre dessen dort die Richtenden.
Orestes:
Den Mann erschlug sie und erschlug den Vater mir.
Chor:
Du aber lebst noch, während sie den Mord gebüßt.
Orestes:
Warum denn hast im Leben du sie nicht verfolgt?
Chor:
Sie war dem Mann nicht blutsverwandt, den sie erschlug.
Orestes:
Ich aber, sagst du, bin von meiner Mutter Blut?
Chor:
Trug denn, du Blutger, unter ihrem Herzen sie
Dich nicht? Verschwörst du deiner Mutter teures Blut?
Orestes:
Nun wollest du mir Zeugnis geben, lehren du
Mich nun, Apollon, ob ich mit Recht sie mordete.
Denn schuldig dieser Tat zu sein, nicht leugnen wir's;
Doch ob gerecht du oder nicht dies Blut erklärst,
Das woll entscheiden, daß ich's ihnen sagen kann!
Apollon:
So sag denn ich es Athenaias großem Rat:
Gerecht, und täusch ihn, ich, der Seher, nimmermehr.
Niemals geweissagt hab ich auf dem Seherthron,
Für Mann und Weib, für Stadt und Volk verheißen nichts,
Was Zeus, der Vater im Olympos, nicht befahl.
Zu lernen trachtet dieses Recht, wie hoch es gilt,
Und nachzukommen meines Vaters ewgem Rat;
Denn nicht des Eides Heiligkeit gilt mehr denn Zeus!
Chor:
Zeus hat, so sagst du, dir geboten solchen Spruch,
Daß du Orestes rietest, seines Vaters Mord
Zu rächen – sollte der Mutter Ehrfurcht nichts ihm sein?
Apollon:
Gar anders ist es, wenn ein hochgeborner Mann,
Mit gottbeschiednem Zepter heilger Macht belehnt,
Umkommt von einem Weibe, nicht etwa im Kampf
Von einer Amazone ferngeschoßnem Pfeil,
Nein, Pallas, daß du's hörest, und die mit dir sind,
Mit ihren Stimmen zu entscheiden diesen Streit:
Als er vom Feldzug endlich wieder heimgekehrt,
Den Wohlgesinnten hochgerühmt, da bot sie ihm
Ein Bad, daß er ins Becken ging', in seinen Tod;
Sie zeltet drüber einen Mantel, fängt ihn ein
Im künstlich unendlichen Gewirk und schlägt ihn tot!
Wie ich erzählt, so war des Helden Untergang,
Des allerhabnen Seegeschwaderköniges;
Sie stell ich so dar, daß es empören muß den Rat,
Dem übertragen dieses Streits Entscheidung ist!
Chor:
Vorzieht das Los des Vaters Zeus nach deinem Wort
Und band doch seinen greisen Vater Kronos selbst!
Sagst dies du nicht mit jenem klar im Widerspruch?
Ihr aber hört es und bedenkt's, beschwör ich euch!
Apollon:
Ihr ganz verhaßten, gottverfluchten Ungeheur!
Erzbanden kann man lösen, da ist Hilfe noch,
Da zur Befreiung viele Mittel vieler Art;
Doch wenn des Mannes Blut der Staub getrunken hat –
Einmal gestorben, und es kommt kein Auferstehn:
Dafür erfand mein Vater keinen Spruch noch Kunst,
Der sonst doch alles allzumal hinab, hinauf
Verkehrend umstürzt, ohne daß sein Atem schwillt!
Chor:
Versuche, wie du jenen zu befrein erreichst!
Der seiner Mutter blutverwandtes Blut vergoß,
Des sollt in Argos fürder sein das Vaterhaus?
Zu welchen Volksaltären wird er opfernd nahn,
Bei welchem Weihguß seinem Stamm willkommen sein?
Apollon:
Drauf sag ich also, mein gerechtes Wort vernimm:
Nicht ist die Mutter ihres Kindes Zeugerin,
Sie hegt und trägt den eingesäten Samen nur;
Es zeugt der Vater, aber sie bewahrt das Pfand,
Dem Freund die Freundin, wenn ein Gott es nicht verletzt.
Mit sichrem Zeugnis will ich das bestätigen:
Denn Vater kann man ohne Mutter sein – Beweis
Ist dort die eigne Tochter des Olympiers Zeus,
Die nimmer eines Mutterschoßes Dunkel barg,
Und dennoch kein Gott zeugte je ein edler Kind.
Ich aber, Pallas, werde, wie ich's kann und weiß,
Groß machen dein Volk, deine Stadt zu aller Zeit.
So sandt ich diesen her in deines Tempels Schutz,
Auf daß er treu dir würde jetzt und immerdar,
Daß du dir, Göttin, ihn gewännst zum Bundesfreund
Und alle nach ihm, und es bleibe ewiglich,
Daß treu dem Bund sei'n alle Nachgeborenen!
Athene:
Und so gebiet ich, werft nach eurem Sinn den Stein
Gerechten Urteils; denn des Wortes ist genug!
Chor:
Wir selber haben abgeschossen jeden Pfeil;
Zu hören harr ich, wie der Kampf gerichtet wird!
Athene:
Wie soll ich's fügen, daß ich euch sei tadellos?
Chor:
Ihr hörtet, was ihr mußtet; jetzt in tiefer Brust
Erwägt das Urteil, Freunde, eures Schwurs gedenk!
Athene:
Hört mein Gesetz nun, Männer, Volk von Attika,
Der ersten Klage Richter um vergossen Blut!
Es soll des Aigeus Bürgern dieses Tribunal
Für alle Zukunft fürder bleiben und bestehn.
Denn dieser Areshügel, der Amazonen Ort
Und Lager, als sie gegen Theseus neidempört
Zu Felde zogen, unsrer neugebauten Stadt,
Der hochgetürmten, gegentürmten ihre Burg
Und sie dem Ares weihten, dessen Namen nun
Der Berg Areiospagos trägt – hier soll des Volks
Ehrwürdigkeit und eingeborne, fromme Scheu
Dem Frevel wehren, beides nächtens und am Tag,
Wenn nicht die Bürger selbst verletzen mein Gesetz.
Wer klares Wasser trübet mit unwürdigem
Zuguß und Schmutz, der schöpft sich fürder keinen Trunk.
Nicht unregiert und nicht gewaltbeherrscht zu sein,
Das sei dem Volk, fürsorgend rat ich's, hoch und wert!
Und nicht entfernt euch alles Mächtge aus der Stadt;
Denn welcher Mensch bleibt, wenn er nichts mehr scheut, gerecht?
Und scheut gerecht ihr dieses Rats Ehrwürdigkeit,
Des Landes Bollwerk, eures Staates Kraft und Heil,
So nennt ihr euer, was der Menschen keiner hat,
Der Skythe weder noch des Pelops nahes Land.
Goldunbestechlich hab ich dieses Tribunal,
Unschuldvertretend, zornesschnell, den Schlafenden
Zur immerwachen Hut des Landes eingesetzt.
Nach dieser Weisung, die für alle Zeit hinaus
Gegeben meinem Volke sei, erhebet euch,
Nehmt euer Steinchen und entscheidet diesen Streit,
Des Schwurs in Ehrfurcht denkend. Alles wißt ihr nun!
Chor:
Doch nehmt den Rat an, nimmer unsre grause Schar
Aus eurem Lande fortzuweisen schmachverdammt!
Apollon:
Und ich gebiet euch, ehrt und fürchtet wohl des Zeus
Und mein Orakel und beraubt es nicht der Frucht!
Chor:
Ins Amt des Blutes mischst du unberufen dich!
Nicht lauter mehr weissagen kannst du, wenn du weilst!
Apollon:
Mein Vater hat wohl auch gefehlt in seinem Rat,
Als er Ixion ersten Mordes reinigte?
Chor:
Du sagst es! Und wird unser Recht uns nicht zuteil,
Heimsuchen furchtbar werden dann wir dieses Land!
Apollon:
Doch unter allen jung und alten Göttern giltst
Du ewig ehrlos; mein gehören wird der Sieg!
Chor:
Desselbengleichen tatest du in Pheres' Haus:
Du zwangst die Moira, daß sie die Toten wiedergab!
Apollon:
So wär es nicht recht, wohlzutun dem, der mich ehrt,
Vor allem aber, wenn des Beistands er bedarf?
Chor:
Darnieder stürzest du die Mächte grauer Zeit,
Uralten Göttern stiehlst du, stiehlst uns unser Mahl!
Apollon:
Du, bald des Siegs verlustig in des Streites Spruch,
Speist Geifer, deinen Feinden nicht entsetzlich mehr!
Chor:
Wenn du, der Jüngling, mich, die Greise, niederrennst,
So will ich doch zu hören warten ihren Spruch,
Selbst unentschlossen, Zorn zu hegen dieser Stadt.
Athene (als letzte zur Urne tretend:)
Mein ist es, abzugeben einen letzten Spruch,
Und für Orestes leg ich diesen Stein hinein.
Denn keine Mutter wurde mir, die mich gebar,
Nein, vollen Herzens lob ich alles Männliche,
Bis auf die Ehe; denn des Vaters bin ich ganz.
Darum des Weibes Los begünstgen werd ich nie,
Die umgebracht hat ihren Mann, des Hauses Hort.
Es sieg Orestes auch bei stimmengleichem Spruch! –
So schüttet denn die Steinchen aus den Urnen hin,
Wieviel von euch, ihr Richter, dieses Amt versehn!
Orestes:
Phoibos Apollon, wie entschieden wird es sein?
Chor:
O Mutter, schwarze Nacht, und siehst du, was geschieht?
Orestes:
Nun Tod von Henkershänden oder Freud und Licht!
Chor:
Für uns Versinken oder Ehren alle Zeit!
Apollon:
Sorgfältig, Freunde, zählet beider Steine Zahl
Und alles Unrecht scheuet bei der Sonderung;
Wenn eine Stimme fehlet, bringt es großen Gram,
Und wieder ein Stein hebt ein tiefgestürztes Haus!
Athene:
Du bist, Orestes, frei erkannt im Blutgericht,
Denn gleich in beiden Urnen ist der Steine Zahl!
Orestes:
O Pallas, o du meines Hauses Retterin!
Und mich, der Heimat ganz Verwaisten, Göttin du,
Heimführest du mich! Die Hellenen sagen nun:
Argiver ist er wieder, wieder wohnet er
Im Haus des Vaters, Pallas gab's und Loxias
Ihm wieder und der dritte allvollendende
Erretter, der, vielehrend meines Vaters Los,
Wohl sieht der Mutter Vertreter dort, doch mich bewahrt!
Ich aber, deinem Lande, deinem teuren Volk,
Für aller Zukunft unerkennbar ferne Zeit
Schwör euch ich Treue! So zur Heimat will ich ziehn,
Und nimmermehr soll diesem Land aus jenem Land
Ein König mit geschärftem Speer kriegsrüstig nahn,
Nein, ich in meinem Grabe dann, ich selber will
Die Übertreter dieses meines heilgen Schwurs
Mit unentfliehbar schwerem Elend züchtigen,
Will ihre Heerfahrt, zeichentraurig ihren Weg
Verkümmern, bis sie selbst gereuet, was sie tun!
Doch wenn sie recht tun, wenn sie diese teure Stadt
Der Pallas hoch stets ehren mit getreuem Speer,
So werden gnädig ihnen wir und günstig sein!
Heil dir, Athene! Heil dir, Volk in dieser Stadt,
Unüberwindlich sei im Kampfe jedem Feind
Und allerrettend euer Speer und siegesstark!
(Orestes und Apollon ab)
Chor:
O neue Götter, alt Gesetz und uraltes Recht,
Ihr rennt sie nieder, reißt sie fort aus meiner Hand!
Und ich Unselge, schmachbeladen, bitterempört,
Zur Erde nieder, oh!
Ohu! hohu!
Rächend zu Boden hier trief ich des Herzens Gifttropfensaat,
Grausige, draus hervor ein blattlos, fruchtlos
Wuchernd Genist, o Schmach! über die Fluren gerankt,
Pestbeulen, todesgiftige, durch das Land verstreut!
Ich wehklage? Was will ich? Was soll ich?
Die Schmach litt vom Volk ich und du,
Die geschickgroßen, unselgen Nachtkinder, entehrungstraurig!
Athene:
Folgt meinem Wort; schmerzseufzend tragt nicht, was geschehn;
Denn nicht verurteilt seid ihr, sondern stimmengleich
Entschied der Richtspruch, wahrlich nicht für euch zur Schmach!
Jedoch von Zeus selbst trat ein Zeugnis leuchtend auf,
Und der's geboten, eben der bezeugete,
Es sei Orestes für die Tat der Strafe frei.
Ihr aber wollt nicht schweren Haß auf dieses Land
Ausschütten, nicht so zürnen, nicht Fruchtlosigkeit
Verhängen, Giftschaum niederspeiend, scheußlichen,
Der grünen Saat zerfressenden schonungslosen Mord!
Denn ich gelob euch und verspreche feierlich,
Daß ihr an rechter Stätte Sitz und Heiligtum,
An Gaben reich zu thronen auf geweihtem Herd,
Euch sollt gewinnen, meinen Bürgern fromm verehrt!
Chor:
O neue Götter, alt Gesetz und uraltes Recht,
Ihr rennt sie nieder, reißt sie fort aus meiner Hand!
Und ich Unselge, schmachbeladen, bitterempört,
Zur Erde nieder, oh!
Ohu! hohu!
Rächend zu Boden hier trief ich des Herzens Gifttropfensaat,
Grausige, draus hervor ein blattlos, fruchtlos
Wuchernd Genist, o Schmach! über die Fluren gerankt,
Pestbeulen, todesgiftige, durch das Land verstreut!
Ich wehklage? Was will ich? Was soll ich?
Die Schmach litt vom Volk ich und du,
Die geschickgroßen, unselgen Nachtkinder, entehrungstraurig!
Athene:
Nicht seid entehrt ihr, drum so macht nicht zu erzürnt,
Göttinnen ihr, den Menschen unwirtbar ihr Land!
Auf Zeus vertrau ich; was bedarf's der Worte dann?
Von den Göttern ich nur weiß den Schlüssel jener Burg,
In dem der Blitzstrahl siegeleingeschlossen ruht.
Doch dessen braucht's nicht, aber folge willig mir;
Schütt auf das Land nicht deines Mundes taube Saat
Hinab, die nichts als alles Unwillkommne trägt;
Bring deines Ingrimms schwarzen Wogensturz in Ruh,
Du Heilighehre, die du mit mir wohnen wirst.
Und wenn dir einst Erstlinge dieser weiten Au,
Dir Opfer für der Kinder, für der Ehen Heil
Geweihet werden, loben wirst mein Wort du dann!
Chor:
Ich das erdulden, oh!
Unter der Erden ich mich verbergen, die Urweise?
Ich da ein Greul, o entehrt!
Hinab schäum ich Wut und jegliches Gehäß!
Hohu, Land, oh!
Wie sich der Schmerz mir tief einnagt in die Brust!
Höre du den Gram,
Mutter Nacht, schnöd beraubet, ach! hat meiner Ehren mich,
Nimmerersetzlich mich beraubt Göttertrug!
Athene:
Den Zorn verzeih ich, denn du bist die Ältere;
Jedoch wie sehr viel weiser du auch seist denn ich,
Vergessen nicht hat Zeus mich mit Verständigkeit.
Wenn ihr hinauszieht fern in ferner Menschen Land,
Ihr werdet doch sehr wieder herverlangen; denn
In Ehren herrlich wird die Welle nächster Zeit
Mein Volk empor mir heben. Ja, in ehrender
Wohnung, Erechtheus' Tempel nah, wirst du dereinst
Von Männern hochgefeiert und von Weibern sein,
Wie dir in andren Ländern nimmer ward zuteil!
Nun aber schleudre nicht in meinem Land umher
Den blutgewetzten Hader, Haßverwilderung
Ins Herz der Jugend, trunken in weinloser Wut,
Noch gleich der Hähne Herzen, wechselkampfempört,
Weih du zur Stätte je dem Ares meine Stadt,
Dem Kampf der Stammverbundnen, Stammvernichtenden!
Im Fernen sei'n die Kriege, doch nicht allzu fern,
In denen aufwacht edlen Heldenruhmes Lust –
Desselben Hofs Geflügel kenne keinen Streit!
Das nun zu wählen laß von mir dich lehren, daß
Wohltuend, wohlempfangend, wohlgeehrt du teil
An meinem Lande nehmst, dem gottgeliebtesten!
Chor:
Ich das erdulden, oh!
Unter der Erden ich mich verbergen, die Urweise?
Ich da ein Greul, o entehrt!
Hinab schäum ich Wut und jegliches Gehäß!
Hohu, Land, oh!
Wie sich der Schmerz mir tief einwühlt in die Brust!
Höre du den Gram,
Mutter Nacht! Schnöd beraubet, ach! hat meiner Ehren mich,
Nimmerersetzlich mich beraubt Göttertrug!
Athene:
Nicht müde werd ich, dir zu sagen besten Rat,
Damit du nie meinst, du, die alte Göttin, seist
Von mir, der jüngren, und vom Volke meiner Stadt
Ehrlos und gastlos fortgejagt aus diesem Land.
Nein, wenn der Peitho Heiligkeit dir heilig ist,
Dir meiner Rede Sänftigung und süße Kunst,
So würdest hier du bleiben. Aber bleibst du nicht,
So ist es unrecht, daß du diese Stadt bedräust
Mit deiner Wut, mit deinem Zorn und großer Not,
Da dir doch freisteht, hier im vielglückselgen Land
Zu weilen hochehrwürdig stets und hochgeehrt!
Chorführerin:
Herrin Athene, wie versprichst du die Stätte mir?
Athene:
Befreit von jedem Kummer; nimm sie willig an!
Chor:
Wenn ich sie nähme, was für Ehren würden mir?
Athene:
Daß fürder kein Haus ohne dich je soll gedeihn!
Chor:
Willst du erwirken, daß ich also viel vermag?
Athene:
Ja, wer dir fromm dient, des Geschick will ich erhöhn!
Chor:
Und willst du Bürgschaft geben mir für alle Zeit?
Athene:
Ich sage niemals, was ich nicht zu enden weiß!
Chor:
Du überzeugst mich, meines Zorns vergeß ich schon!
Athene:
Einheimisch hier gewinnst du manchen dir zum Freund!
Chor:
Und nun, wie sagst du, daß ich segne dieses Land?
Athene:
Was Segen immer solchem kummerlosen Sieg
Entkeimet aus der Erden, aus dem Tau der See,
Dem hohen Himmel und dem sonnigkühlen Wehn
Der Winde, wünsche alles das du unserm Land,
Und aller Herden, aller Fluren froh Gedeihn,
Dem Volk zum Wohlstand, daß es nimmer darben mag,
Gedeihn der lieben Hoffnung auch im Mutterschoß.
Nichtgottesfürchtgen aber sei zwiefach erzürnt,
Denn vollgenug ist nach des treuen Gärtners Art
Mir an der Gerechten frohem Blühn; des sorge du!
Ich aber, stets zum schlachtenkühnen Kampf des Ruhms
Gegürtet, will nicht ruhen, eh nicht alle Welt
In höchsten Ehren meine Stadt des Sieges hält!
Chor:
Haus und Dienst neben Pallas nehm ich gern;
Nicht verschmähn will ich die Stadt,
Die so Zeus der Allbewältger, so Ares ehrt als Götterburg,
Als der Griechen altarschirmend Götterlieblingshaus;
Ihr den Segen sag ich gern,
Ihr verkünd ich gnadenmild:
In stetem Blühn des Lebens Glück, ein reich Gedeihn
Soll aus der Erde Schoß
Schmeicheln heitrer Sonnenschein!
Athene:
Ich bereitete wohl vorsorgend dem Volk,
Daß ich euch, Göttinnen, in unsere Stadt,
Die gewaltigen, schwerzuversöhnenden, nahm.
Denn es heischt ihr Amt, all menschliches Tun
Zum Gericht zu erspähn;
Wer den Zürnenden dann zufällt, weiß nicht,
Von wannen der Schlag ihn des Todes erzielt;
Denn in ihre Gewalt hin gibt ihn die Schuld,
Die er einst nicht mied; und ein lautlos End,
Ob er laut auch ruft,
Es vergräbt ihn in grauser Vernichtung!
Chor:
Wehen soll waldverwüstend Wetter nie!
Das ist mein Geschenk dem Land,
Und nie pflanzenaugesengender Brand heimsuchen dieses Landes Aun;
Nie ersticke Mißwachs jammervoll der Saaten Blühn;
Schafe, froh in Sattigkeit,
Zwillingslämmer um sie her,
Ernähr zu seiner Zeit der jungen Erde Grün,
Der Grasung lieber Ort,
Steter Göttergabe reich!
Athene:
Ihr habt es gehört, Obhüter der Stadt,
Was euch sie verheißt!
Denn der hehren Erinnys Wort, es vermag
Bei den Himmlischen viel, bei den Göttern der Nacht;
Und der Menschen Geschick, sie führen es klar,
Kraftvoll es hinaus,
Dem frohen Gesang, dem heimlichen Gram
Des in Tränen verkümmernden Daseins!
Chor:
Menschenblutlüstres, unselges Amt, ich werf es fort;
Doch den Mädchen lieb und hold
Rüstet die bräutlichen Freuden – die des ihr Gewalt habt,
Ihr Urgöttinnen, Muhmen des Schicksals,
Mächte der friedlichen Ruh,
Jeglichem Bunde Vertraute,
Jeglicher Stunde gewärtig, heilger Pflichten Schutz zu sein,
Allzeit aller Götter Teuerste!
Athene:
Daß dieses dem Land huldreich sich erfüllt,
Mich erfreut's schon jetzt;
Wohl lob ich den Blick mir der Peitho sehr,
Die so hold mir das Wort und die Lippe gelenkt,
Daß ich sie erweicht, die unerweicht sonst;
Doch gesiegt hat Zeus, der Beredenden Hort;
So siege fortan
Stets unser Bemühn für das Gute!
Chor:
Mag des Aufruhres blutungesättigt Wüten nie
Stätte finden hier im Land,
Nimmer der Staub mit dem Blute der Bürger sich tränken,
Nie Rachgier, wechselmordender Schuld lüstern,
Blutig zerrütten die Stadt!
Freude belohne, gemeinsam
Gleiches mit allen zu lieben, allen gleich zu hassen auch,
Das heilt vielen Gram der Sterblichen!
Athene:
So findet ihr euch wohlwollend den Pfad
Des erfreulichen Worts!
Von der furchtbaren Schar der Erinnyen seh
Ich erblühen dem Volk vielteuren Gewinn!
Wenn die freundlichen ihr mit freundlichem Sinn
Stets fromm hochehrt,
So werdet ihr Stadt und Gebiet allzeit
Euch schmücken im Ruhm des Gerechten!
Chor:
Freue dich, freu dich im heiteren Glück des Reichtums!
Freue dich, Volk der teuren Stadt,
Nah zu sein dem höchsten Zeus,
Lieb der lieben Parthenos,
Ratbedacht zur rechten Zeit.
Wen Athenes Flügel deckt, den erhöht ihr Vater gern!
Athene:
Heil wieder auch euch! Doch ich muß vorgehn,
Zum geweiheten Sitz euch zeigen den Weg;
Mit dem heiligen Schein des geleitenden Zugs
Zieht hin; und hinab führ unter die Erd
Euch heilige Spende, daß all Unheil
Ihr dem Land abwehrt, daß jegliches Heil
Ihr empor zum Siege der Stadt schickt!
So geleitet denn selbst sie, o Kinder der Stadt,
Ihr, Kranaos' Stamm, daß sie wohnen bei euch!
Stets wahre dem Volk
Für das Rechte sich rechtes Erkenntnis!
Chor:
Freue dich, freue dich wieder, du Volk Athenes,
In der Stadt ihr allzumal,
Götter, Menschen, freuet euch,
Daß ihr Pallas' Stadt bewohnt!
Wenn ihr mich, die mit euch wohnt,
Fromm verehrt, so sollt ihr nie schelten eures Lebens Los!
Athene:
Ich lobe dein Wort, deines Segens treuen Wunsch;
Mit strahlendheller Fackeln Licht geleit ich dich
Hinab zum Hades, zu der Toten dunklem Reich
Mit Tempeldienerinnen, die in heilger Hut
Mein Bild bewachen. Komme denn, du liebstes Aug
Des Theseidenlandes, fromme Mädchenschar,
Ihr treuen Frauen, du der greisen Mütter Zug,
Mit eurer Purpurfestgewande Pracht geschmückt;
In frommer Ehrfurcht traget vor der Fackeln Glanz,
Daß diese Mitherrinnen eures Vaterlands
Im Heil des Volks sich gnädig zeigen immerdar!
Chor der Geleiterinnen:
Wandert nach Haus, ihr Gewaltigen, Hehren,
Kindlose Kinder der Nacht, im getreuleitenden Festzug!
Festruf feiert, o Freundinnen!
Unter der Erd in ogygischen Tiefen
Sollt Ehr und Opfer und Festfeuer empfahn ihr!
Festruf feire, du Volk, mit uns!
Huldvoll, unserem Land vielgewogen,
Kommet, ihr Hochhehren, und freut euch
Mit an der lodernden Fackel im Zug!
Wir jauchzen und jubeln zum Festlied!
Weihtrank, fackelbestrahlt, bleibe dein stets!
Zeus ja, der Allschauer, und Moira
Einten im Volk der Athene sich froh!
Wir jauchzen und jubeln zum Festlied! –